Hessen: Frankfurt

„Buch-Rezension“ – Inhaltsbeschreibungen im Blickwinkel des UrhGs

Urteil vom OLG Frankfurt

Entscheidungsdatum: 11.12.2007
Aktenzeichen: 11 U 75/06

Leitsätze

Die Inhaltsbeschreibung eines Werkes ist auch ohne Zustimmung des Schöpfers urheberrechtlich zulässig (§12 II UrhG) , wenn das Werk bereits veröffentlicht wurde.

Tenor

I) Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 23.11.2006 – Az.: 2/3 O 172/06 – wird zurückgewiesen.

II) Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

III) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird gestattet, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV) Die Revision wird zugelassen.

Gründe

A. Die Klägerin verlegt die „AB Zeitung“ (i.F.: AB). Sie ist zudem Inhaberin der Marken „AB Zeitung“ und „AC“. Die Beklagte ist ein Unternehmen, das auf der Website „C.de“ Neuerscheinungen auf dem Buchmarkt vorstellt und Buchempfehlungen ausspricht. Ebenfalls finden sich auf dieser Website Buchrezensionen aus verschiedenen renommierten Zeitungen, darunter auch der AC. Dabei werden die Rezensionen deutlich verkürzt in Form von sog. „Abstracts“ wiedergegeben, wobei diese Zusammenfassungen grundsätzlich von den Mitarbeitern der Beklagten selbst formuliert sind, aber einzelne, nach Auffassung des Abstract-Verfassers besonders aussagekräftige Passagen aus den Originalkritiken enthalten, die meist durch Anführungszeichen gekennzeichnet sind (s. dazu im Einzelnen Bl. 44-69 d.A., wo die Übereinstimmungen jeweils durch gelbe Markierungen gekennzeichnet sind). Die Beklagte verwertet diese Abstracts auch dadurch, dass sie den Internet-Buchhandlungen „D.de“ und „E.de“ Lizenzen zu ihrem Abdruck erteilt.

Hiergegen hat sich die Klägerin mit ihrer Klage gewendet, mit der sie wegen dieser Lizenzerteilungen von der Beklagten aus Urheber-, Marken- und Wettbewerbsrecht Unterlassung, Auskunft und Schadensersatzfeststellung verlangt. Durch Urteil vom 23.11.2006 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die Entscheidung ist im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Klage sei zwar zulässig, insbesondere sei der (Haupt-)Antrag der Klägerin hinreichend bestimmt. Sie sei aber nicht begründet. Denn die Beklagte sei zur Herstellung und Verbreitung der Abstracts nach § 12 Abs.2 UrhG berechtigt gewesen. Die Grenze zulässiger Inhaltsmitteilung oder –beschreibung im Sinn dieser Bestimmung sei erst dann überschritten, wenn die Lektüre des Originaltextes durch das Abstract ganz oder teilweise ersetzt werde. Dies sei hier – wie das Landgericht im Einzelnen darlegt – zu verneinen, insbesondere darum, weil interessierte Leser sich nicht mit einer Lektüre der Abstracts begnügen, sondern sich gerade aufgrund dieser Lektüre mit der Original-Rezension beschäftigen würden. Markenrechtliche Ansprüche stünden der Klägerin nicht zu, weil die Beklagte die Zeichen „AB“ und „AC“ nicht markenmäßig verwende; jedenfalls greife die Schranke des § 23 Nr.2 MarkenG ein. Auch wettbewerbsrechtliche Ansprüche bestünden nicht. Es fehle schon an der wettbewerblichen Eigenart der Rezensionen, da diese nicht geeignet seien, Herkunftsvorstellungen zu erwecken. Zudem lägen keine besonderen unlauterkeitsbegründenden Umstände im Sinn von § 4 Nr.9 a, b und Nr.10 UWG vor.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung trägt die Klägerin vor: Die urheberrechtlichen Ansprüche der Klägerin scheiterten nicht an § 12 Abs.2 UrhG; diese Bestimmung stelle lediglich die bloße Inhaltsmitteilung frei, sie gelte aber nicht für die Übernahme und Aneinanderreihung prägnanter Formulierungen, die allein nach den §§ 23, 24 UrhG zu beurteilen sei. Die vom Landgericht zu § 12 Abs.2 UrhG vertretene „Substitutionstheorie“ sei abzulehnen, weil sie im Gesetz keine Stütze finde; im Übrigen liege auch eine Substitution in diesem Sinn vor, weil die Abstracts der Beklagten nicht auf das ausgewertete Werk (Rezensionen), sondern auf das besprochene Buch hinwiesen und darum dieselbe Funktion hätten wie die in der „F Zeitung“ veröffentlichten Rezensionen. In besonderem Maße gelte das in der vorliegenden Situation, in der Interessenten bei einem Internet-Buchhändler recherchierten. § 24 UrhG sei nicht einschlägig, da die Originalrezensionen in den Abstracts der Beklagten nicht gegenüber den Beiträgen der Beklagten verblassten. Diese Beiträge beschränkten sich auf die Einfügung von Füllworten; streiche man die übernommenen Passagen, bleibe kein Sinn übrig. Darum handele es sich um unfreie Bearbeitungen i.S.v. § 23 UrhG. Auch § 51 Nr.2 UrhG sei nicht einschlägig, da in den Abstracts der Beklagten keine inhaltliche Auseinandersetzung mit den jeweils zitierten Rezensionen stattfinde. Schließlich falle der Beklagten auch ein unzulässiges Vervielfältigen der – auch für sich genommen schutzfähigen – wörtlich übernommenen Textpassagen nach § 16 UrhG zur Last.

Daneben sei auch ein Verstoß der Klägerin gegen § 4 Nr.9 b UWG (Rufausbeutung) und § 4 Nr.10 UWG (Behinderung) gegeben. Durch die Abstracts werde, obwohl die Beklagte keine nennenswerte Eigenleistung erbringe, die Leistung der Klägerin überflüssig gemacht. Schließlich sei auch ein Verstoß der Beklagten gegen das Markenrecht gegeben. Nach der Rspr. des EuGH sei eine markenmäßige Benutzung der klägerischen Zeichen zu bejahen. Zudem bestehe jedenfalls eine mittelbare Verwechslungsgefahr. Im Übrigen liege eine Rufausbeutung nach § 14 Abs.2 Nr.3 MarkenG vor; diese sei nicht nach § 23 Nr. 2 MarkenG zulässig, weil schon Unlauterkeit nach § 14 Abs.2 Nr.3 MarkenG zu bejahen sei und zudem über geschäftliche Verhältnisse irregeführt werde.

Die Klägerin beantragt,

I) in erster Linie (Hauptanträge):

1.) die Beklagte unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils zu verurteilen, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise von Ordnungshaft, zu unterlassen, unter der Überschrift „Notiz zur AC“ oder einer anderen Bezeichnung, die auf den Originalzeitungstitel „AC“ oder „AB“ hinweist, Zusammenfassungen von Buchkritiken (Abstracts) aus der „AB“, die den Inhalt der Ursprungskritik vor allem, aber nicht nur ausschließlich durch Übernahme von Originaltextstellen wiedergeben, über die Internet-Webseiten Dritter, wie „E.de“ und „D.de“ zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen sowie die Rechte hieran an diese Dritten zu lizenzieren und/oder lizenzieren zu lassen, insbesondere, wenn dies geschieht, wie in den Bl. 44, 46, 49, 52, 55, 57, 60, 63, 66 und 68 d.A. vorgelegten „C-Kritiken“,

2.) die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen über den Umfang ihrer Handlungen gemäß Ziff.1.), insbesondere durch Angabe der Dritten, an die die Zusammenfassungen gemäß Ziff. 1.) lizenziert wurden sowie über die daraus erzielten Einnahmen bzw. erhaltenen Vergütungen,

3.) festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin alle Schäden zu ersetzen hat, die dieser durch Handlungen gemäß Ziff. 1.) entstanden sind und/oder noch entstehen werden;

II) hilfsweise,

1) die Beklagte unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils zu verurteilen, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise von Ordnungshaft, zu unterlassen, unter der Überschrift „Notiz zur AC“ oder einer anderen Bezeichnung, die auf den Originalzeitungstitel „AC“ oder „AB“ hinweist, Zusammenfassungen von Buchkritiken (Abstracts) aus der „AB Zeitung“, die den Inhalt der Ursprungskritik durch Übernahme von Originaltextstellen wiedergeben, die lediglich durch Füllwörter bzw. Satzteile aneinander gereiht werden, über die Internet-Webseiten Dritter, wie „E.de“ und „D.de“ zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen sowie die Rechte hieran an diese Dritten zu lizenzieren und/oder lizenzieren zu lassen, insbesondere, wenn dies geschieht, wie in den Bl. 44, 46, 49, 52, 55, 57, 60, 63, 66 und 68 d.A. vorgelegten „C-Kritiken“,

2.) die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen über den Umfang ihrer Handlungen gemäß Ziff.1.), insbesondere durch Angabe der Dritten, an die die Zusammenfassungen gemäß Ziff. 1.) lizenziert wurden sowie über die daraus erzielten Einnahmen bzw. erhaltenen Vergütungen,

3.) festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin alle Schäden zu ersetzen hat, die diesen durch Handlungen gemäß Ziff. 1.) entstanden sind und/oder noch entstehen werden;

III) hilfsweise zu II):

1) die Beklagte unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils zu verurteilen, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise von Ordnungshaft, zu unterlassen, unter der Überschrift „Notiz zur AC“ oder einer anderen Bezeichnung, die auf den Originalzeitungstitel „AC“ oder „AB“ hinweist, Zusammenfassungen von Buchkritiken (Abstracts) aus der „AB Zeitung“, die den Inhalt der Ursprungskritik von den Autoren G, H, I, J, K, L, M, N, P durch Übernahme von Originaltextstellen wiedergeben, über die Internet-Webseiten Dritter, wie „E.de“ und „D.de“ zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen sowie die Rechte hieran an diese Dritten zu lizenzieren und/oder lizenzieren zu lassen, insbesondere, wenn dies geschieht, wie in den Bl. 44, 46, 49, 52, 55, 57, 60, 63, 66 und 68 d.A. vorgelegten „C-Kritiken“,

2.) die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen über den Umfang ihrer Handlungen gemäß Ziff.1.), insbesondere durch Angabe der Dritten, an die die Zusammenfassungen gemäß Ziff. 1.) lizenziert wurden sowie über die daraus erzielten Einnahmen bzw. erhaltenen Vergütungen,

3.) festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin alle Schäden zu ersetzen hat, die dieser durch Handlungen gemäß Ziff. 1.) entstanden sind und/oder noch entstehen werden,

IV) hilfsweise zu III.)

1.) die Beklagte unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils zu verurteilen, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise von Ordnungshaft, zu unterlassen, die in den Bl. 44, 46, 49, 52, 55, 57, 60, 63, 66 und 68 d.A. vorgelegten „C-Kritiken“ über die Internet-Webseiten Dritter, wie „E.de“ und „D.de“ zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen sowie die Rechte hieran an diese Dritten zu lizenzieren und/oder lizenzieren zu lassen,

2.) die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen über den Umfang ihrer Handlungen gemäß Ziff.1.), insbesondere durch Angabe der Dritten, an die die Zusammenfassungen gemäß Ziff. 1.) lizenziert wurden sowie über die daraus erzielten Einnahmen bzw. erhaltenen Vergütungen,

3.) festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin alle Schäden zu ersetzen hat, die diesen durch Handlungen gemäß Ziff. 1.) entstanden sind und/oder noch entstehen werden.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor: Der Antrag der Klägerin gehe zu weit, weil diese für sämtliche in der AC erscheinenden Rezensionen Unterlassung verlange, obwohl nicht sicher sei, dass alle Autoren dieser Rezensionen ihr ausschließliche Nutzungsrechte eingeräumt hätten. Urheberrechtliche Ansprüche bestünden nicht. Soweit die Klägerin für einzelne Formulierungen Schutz beanspruche, fehle es an der erforderlichen Werkqualität i.S.v. § 2 UrhG; außerdem bestünden insoweit auch keine Übereinstimmungen zwischen den Rezensionen und den Abstracts der Beklagten. Die Abstracts seien zudem nach § 12 Abs.2 UrhG zulässig; die Frage der Abgrenzung zu den §§ 23 und 24 UrhG stelle sich deshalb nicht. Die Grenze einer zulässigen Inhaltsangabe im Sinn von § 12 Abs.2 UrhG sei erst dann überschritten, wenn die Inhaltsbeschreibung aufgrund ihres Umfangs die Lektüre des Originals ersetze; dies sei nicht der Fall. Dass bestimmte Begriffe, die auch in den Rezensionen enthalten seien, auch die in den Abstracts auftauchten, sei unumgänglich und ändere an der Zulässigkeit nach § 12 UrhG nichts. Jedenfalls sei das Besondere an den Kritiken in der AC (Sprachwitz etc.) in den Abstracts gerade nicht enthalten. Diese bildeten darum auch keinen Ersatz für die AC-Kritiken; vielmehr handele es sich um einen für die Klägerin nützlichen Service der Beklagten.

Auch marken- und wettbewerbsrechtliche Ansprüche seien nicht gegeben. Es fehle an einer markenmäßigen Benutzung, weil die Marke „AC“ bzw. „AB“ nicht als Hinweis auf das eigene Angebot der Beklagten eingesetzt werde, so dass eine bloße Markennennung vorliege. Im Übrigen sei die Verwendung der Marke nach § 23 Nr. 2 MarkenG zulässig. Ansprüche nach § 4 Nr.9 oder 10 UWG scheiterten schon daran, dass die Originalkritiken keine wettbewerbliche Eigenart aufwiesen, weil aus ihnen nicht auf eine bestimmte betriebliche Herkunft geschlossen werden könne. Im Übrigen liege weder eine vermeidbare Herkunftstäuschung noch eine unlautere Rufausbeutung vor.

B. Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass der Klägerin gegen die Beklagte keine Ansprüche aus Urheberrecht, Markenrecht oder Wettbewerbsrecht zustehen.

I) Ansprüche aus Urheberrecht, Ansprüche aus den §§ 31, 97 UrhG, die die Hauptanträge (Anträge zu I) oder einen der drei Hilfsanträge rechtfertigen könnten, stehen der Klägerin nicht zu.

1) Für die Anträge zu I) ergibt sich das schon daraus, dass sie zu weit gehen. Die Klägerin begehrt damit Unterlassung (sowie Auskunft und Schadensersatz) wegen aller „Zusammenfassungen von Buchkritiken (Abstracts) aus der AC, die den Inhalt der Ursprungskritik vor allem, aber nicht nur ausschließlich durch Übernahme von Originaltextstellen wiedergeben“. Sie erstrebt damit ein umfassendes Verbot auch solcher Abstracts, bei denen keine Originalstellen wiedergegeben werden. Dass der Klägerin ein so weitgehender Anspruch nicht zusteht, ergibt sich schon aus dem Fehlen einer entsprechenden Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr. Denn die Beklagte hat bisher nur Abstracts veröffentlicht, in denen Originalstellen wiedergegeben worden sind. Dass sie von dieser Praxis abgehen wird, ist nicht zu erwarten, weil es ihr gerade auf die durch die Originalzitate vermittelte Authentizität ankommt. Im Übrigen kommen derart weitgehende urheberrechtliche Ansprüche auch aus Rechtsgründen nicht in Betracht. Nach § 12 Abs.2 UrhG ist die öffentliche Beschreibung des Inhalts eines Werkes dem Urheber nur solange vorbehalten, als das Werk nicht mit seiner Zustimmung veröffentlicht worden ist. Hieraus folgt im Wege des Umkehrschlusses, dass nach der Veröffentlichung des Werkes jedermann grundsätzlich berechtigt ist, den Inhalt des Werkes öffentlich mitzuteilen oder zu beschreiben; dies muss jedenfalls insoweit gelten, als die Inhaltsbeschreibung nicht als unzulässige unfreie Bearbeitung anzusehen ist (dazu näher unten 4 c). Die Klägerin möchte aber mit ihrem Hauptantrag jedes Abstract, sei es mit oder ohne Übernahme von Originaltextstellen, verboten wissen. Ein so weit reichender Anspruch kann ihr, da § 12 Abs.2 UrhG dann keinerlei Bedeutung mehr zukäme, nicht zustehen.

2) Auch die Anträge zu II) gehen zu weit. Die Klägerin erstrebt mit dem diesbezüglichen Unterlassungsantrag ein Verbot aller „Zusammenfassungen von Buchkritiken (Abstracts) aus der AC, die den Inhalt der Ursprungskritik durch Übernahme von Originaltextstellen wiedergeben, die lediglich durch Füllwörter bzw. Satzteile aneinander gereiht werden“. Der Senat vermag nicht abzuschätzen, ob jede derartige Zusammenfassung als unzulässige unfreie Bearbeitung zu bewerten ist. Zweifelhaft erscheint dies etwa für den Fall, dass nur ein oder zwei Originaltextstellen übernommen werden und durch eine Vielzahl von Füllworten oder Satzteilen aneinander gereiht werden.

3) Aus demselben Grund gehen auch die Anträge zu III) zu weit. Die Klägerin begehrt hier mit ihrem Unterlassungsantrag ein Verbot aller „Zusammenfassungen von Buchkritiken (Abstracts) aus der AC, die den Inhalt der Ursprungskritik von den Autoren G, H, I, J, K, L, M, N, P durch Übernahme von Originaltextstellen wiedergeben“. Dass nicht jedes Abstract ohne Rücksicht auf seinen Umfang und seinen Abstand gegenüber der Ursprungskritik darum urheberrechtlich unzulässig sein kann, weil dort etwa eine einzige Originalstelle wiedergegeben sind, folgt schon aus § 51 Nr.2 UrhG.

4) Unbegründet sind schließlich auch die Anträge zu IV). Der diesbezügliche Unterlassungsantrag ist allerdings an der konkreten Verletzungsform orientiert und kann darum nicht zu weit gehen. Jedoch eine Verletzung von urheberrechtlichen Nutzungsrechten der Klägerin durch die angegriffenen Abstracts zu verneinen.

a) Keine Zweifel besteht angesichts der literarischen Qualität der Originalrezensionen daran, dass es sich hierbei um persönliche geistige Schöpfungen i.S.v. § 2 Abs.2 UrhG und damit um geschützte Sprachwerke nach § 2 Abs.1 Nr.1 UrhG handelt.

b) Jedoch eine Verletzung der urheberrechtlichen Nutzungsrechte durch die streitbefangenen Abstracts zu verneinen.

aa) Dies ergibt sich allerdings entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht schon aus § 12 Abs.2 UrhG. Im Schrifttum wird zwar die Auffassung vertreten, § 12 Abs.2 UrhG habe den Charakter einer (zusätzlichen) Schrankenbestimmung, so dass aus ihm im Umkehrschluss herzuleiten sei, nach der Veröffentlichung des Werkes sei jedermann berechtigt, dessen Inhalt öffentlich mitzuteilen oder zu beschreiben (so etwa Schricker/Dietz, UrhG, 3. Aufl., 2006, § 12, Rn.29 mwN, allerdings mit erheblichen Einschränkungen in der Folge). Dieser Auffassung vermag sich der Senat aber jedenfalls insoweit nicht anzuschließen, als hieraus abzuleiten wäre, dass jegliche Art von Inhaltsmitteilung oder Inhaltsbeschreibung gestattet sein soll, also etwa auch eine solche, die fast ausschließlich aus übernommenen Versatzstücken des Originals besteht und darum nach allgemeinen Grundsätzen als unfreie Bearbeitung i.S.v. § 23 UrhG zu beurteilen ist (kritisch auch Fromm/Nordemann/Hertin, UrhG, 9. Aufl., 1997, § 12, Rn.14; Wandtke/Bullinger, UrhG, 2. Aufl., 2005, § 12 Rn.22; Dreier/Schulze/Schulze, UrhG, 2. Aufl., 2006, § 12 Rn.24). Denn die Konsequenz hieraus bestünde darin, dass jegliche unfreie Bearbeitung zulässig wäre, wenn sie nur im Gewand einer Inhaltsmitteilung erfolgte; dass dies nicht richtig sein kann, liegt auf der Hand. Aus § 12 Abs.2 UrhG ist darum im Wege des Umkehrschlusses nur zu entnehmen, dass nach Veröffentlichung des Originalwerkes Inhaltsmitteilungen erlaubt sein können, dass also allein der Umstand, dass der Inhalt eines veröffentlichten Werkes mitgeteilt wird, nach dem Willen des Gesetzgebers nicht für sich genommen den Tatbestand einer unfreien und damit nur mit Zustimmung des Urhebers statthaften unfreien Bearbeitung des Originalwerkes erfüllt. Ob aber in der Inhaltsmitteilung im Einzelfall der Tatbestand einer zustimmungsbedürftigen unfreien Bearbeitung i.S.v. § 23 UrhG oder einer ohne Zustimmung zulässigen freien Nutzung i.S.v. § 24 UrhG zu sehen ist, ist anhand der Kriterien zu prüfen, die in der Rechtsprechung zur Abgrenzung beider Tatbestände entwickelt worden sind (so auch - allerdings ohne Bezug zu § 12 UrhG – OLG Frankfurt, ZUM-RD 1998, 561, 562, unter Bezugnahme auf Goose GRUR 1973, 4, 7; Hackemann, GRUR 1982, 262, 267, ebenso LG Hamburg, GRUR-RR 2004, 65, 69 – Literatur-Werkstatt Grundschule).

bb) Danach hängt die urheberrechtliche Zulässigkeit der streitbefangenen Abstracts zunächst davon ab, ob in ihnen eine freie Nutzung der Originalrezensionen i.S.v. § 24 UrhG oder eine unfreie Bearbeitung i.S.v. § 23 UrhG zu sehen ist.

(1) Voraussetzung für eine freie Benutzung nach § 24 Abs.1 UrhG ist zunächst ein eigenes Werkschaffen durch die Beklagte. Ob man die Abstracts als urheberrechtlich schutzfähiges Werk ansehen kann, kann insbesondere angesichts ihres geringen Umfangs von sechs bis neun Zeilen und ihrer inhaltlichen Orientierung an den Originalrezensionen zweifelhaft sein. Doch spricht mehr dafür, diese Voraussetzung zu bejahen, der eine eigene persönliche Schöpfung der für die Beklagte tätigen Abstract-Verfasser in der Ermittlung des Kerngehalts liegt. der Original-Rezensionen und in der – nicht einfachen – Komprimierung der gesamten Rezension auf diesen Kerngehalt. Die schöpferische Leistung der Abstract-Verfasser besteht danach darin, auf knappstem Raum den wesentlichen Inhalt der deutlich umfangreicheren Original-Rezensionen wiederzugeben. Dies entspricht vom Niveau her dem Schaffen des Autors eines Sammelwerks nach § 4 Abs.1 UrhG, freilich mit der Maßgabe, dass hier nicht zusammengetragen, sondern komprimiert wird.

(2) Entscheidend für die Abgrenzung zwischen freier Benutzung nach § 24 UrhG und unfreier Bearbeitung nach § 23 UrhG ist grundsätzlich, ob angesichts der Eigenart des neuen Werkes die entlehnten eigenpersönlichen Züge des geschützten Werkes verblassen (BGH GRUR 1994, 191, 193 – Asterix-Persiflagen, st. Rspr.). Doch hat die Rspr. anerkannt, dass dieses Kriterium nicht durchgängig für die Abgrenzung von unfreier Bearbeitung und freier Nutzung taugt. So ist es etwa bei Parodien ausgeschlossen, dass die Züge des benutzten Werkes hinter denjenigen des neuen Werkes verblassen, weil der Leser der Parodie entnehmen soll, dass das parodierte Werk gemeint ist und dies gerade voraussetzt, dass dessen Züge in der Parodie erkennbar bleiben (BGH aaO). Im Fall der Abstracts verhält es sich ähnlich: Deren Zweck, nämlich die Mitteilung des Inhalts des referierten Originalwerkes, kann nur erreicht werden, wenn ihr Inhalt hinter dem des Abstracts möglichst wenig verblasst.

Ebenso wie bei der Parodie ist also auch im Fall der Abstracts anhand anderer Kriterien zu beurteilen, ob diese aufgrund eines eigenschöpferischen Schaffens einen so großen inneren Abstand zum benutzten Werk einhalten, dass sie als selbständig anzusehen sind. Anders als im Fall der Parodie kommt allerdings das Kriterium der „antithematischen Bearbeitung“, auf das die Rspr. dort abgestellt hat (BGHZ 26, 52, 57 – Sherlock Holmes; BGH GRUR 1971, 588, 589 – Disney-Parodie), hier naturgemäß nicht in Betracht. Da das Abstract den Zweck hat, den Inhalt des Originalwerkes möglichst genau mitzuteilen, kann dieser Abstand hier vielmehr nur durch eine selbständige Gestaltung erreicht werden. Ob eine solche, gegenüber dem Originalwerk selbständige Gestaltung vorliegt, hängt wesentlich von folgenden Kriterien ab: (1) Der eigenständige schöpferische Gehalt des Abstract ist umso größer, je stärker es dem Abstract-Verfasser gelingt, das besprochene Originalwerk zu komprimieren und dabei gleichwohl dessen wesentliche Gedanken mitzuteilen; denn gerade in dieser Komprimierung besteht seine schöpferische Leistung. Bei einem Abstract, das ohne wesentliche Verkürzung die Gedanken des Originalwerkes wiedergibt, wird sich demgegenüber der für eine freie Nutzung ausreichende innere Abstand kaum feststellen lassen (vgl. dazu auch OLG Frankfurt, ZUM-RD 1998, 561, 562). (2) Die Individualität des Abstract ist ferner umso größer, je weiter es sich vom Aufbau des Originalwerkes entfernt; ein Abstract, das in der Darstellung und Gliederung weitgehend dem Vorbild folgt, wird kaum als freie Nutzung i.S.v. § 24 UrhG anzusehen sein. (3) Schließlich ist auch nicht ohne Bedeutung, inwieweit der Abstract-Verfasser Passagen aus dem Originalwerk wörtlich oder fast wörtlich übernimmt. Je häufiger solche Übernahmen festzustellen sind, umso geringer ist der Abstand zum Originalwerk zu veranschlagen. Dabei hat allerdings die wörtliche Übernahme rein deskriptiver Begriffe außer Betracht zu bleiben, weil dem Abstract-Verfasser insoweit kein Gestaltungsspielraum zu Gebote steht. (4) Schließlich ist im Rahmen der Abgrenzung von unfreier Bearbeitung und freier Nutzung auch die Wertentscheidung des Art. 5 Abs.1 GG zu berücksichtigen (vgl. BGH, NJW 2001, 603, 605 – Mattscheibe – zu Art. 5 Abs.3 GG). Denn dieses Grundrecht schützt nicht nur die Verbreitung eigener Meinungen, sondern auch die bloße Berichterstattung (BVerfGE 62, 230, 243), und zwar auch dann, wenn hiermit kommerzielle Ziele verfolgt werden (BVerfGE 102, 347, 359). Danach ist es geboten, die urheberrechtlichen Schrankenbestimmungen – und um eine solche handelt es sich im weiteren Sinn auch bei § 24 UrhG – im Licht der Meinungs- und Pressefreiheit auszulegen (BVerfG, NJW 2001, 598, 599 – Germania 3).

Unter Berücksichtigung dieser Kriterien ist bei den streitbefangenen Abstracts (noch) vom Vorliegen einer freien Nutzung i.S.v. § 24 UrhG auszugehen. Hierfür spricht zunächst, dass die Beklagte die oft um ein Vielfaches ausführlicheren Originalrezensionen auf ca. sechs bis neun Zeilen komprimiert hat, also Vieles weggelassen und das Verbleibende in einer vom Original abweichenden Weise zusammengefasst hat; es entsteht dadurch der Eindruck einer vom Original deutlich abweichenden Literaturgattung. Verbunden damit war auch die Notwendigkeit, den Gedankengang der Originalrezensionen in der Weise zu modifizieren, dass Passagen, die im Original weiter vorne zu finden sind, im Abstract eher am Ende der Darstellung auftauchen und umgekehrt.

Für eine unfreie Bearbeitung können darum allenfalls die wörtlich aus den Originalrezensionen übernommenen Textpassagen sprechen. Der Klägerin ist zuzugeben, dass diese Übernahmen jedenfalls teilweise zur Herstellung der Abstracts nicht zwingend erforderlich waren. Doch kommt es zum einen auf diese „Erforderlichkeit“ nicht an (BGH NJW 2001, 603, 604 – Mattscheibe). Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass sich die wörtlichen Übernahmen auf einzelne Worte oder Wortfolgen von wenigen Begriffen beschränken, dass sie teilweise aufgrund ihres deskriptiven Charakters kaum vermeidbar waren und dass der Abstract-Verfasser von einem Bestreben nach möglichst hoher inhaltlicher Authentizität seines Artikels geleitet sein muss, in der er auch durch Art. 5 Abs.1 GG geschützt ist. Unter Berücksichtigung dieser Umstände nehmen die Übernahmen den Abstracts nicht den Charakter einer freien Nutzung der Originalrezension.

Dies sei beispielhaft anhand der Abstracts dargetan, die nach Auffassung der Klägerin, wie sie sich in den mit gelbem Leuchtstift vorgenommenen Kennzeichnungen manifestiert (vgl. dazu Bl. 16 d.A. sowie Bl. 44 ff d.A.), besonders weitgehende Übereinstimmungen mit den Original-Rezensionen aus der „AB Zeitung“ aufweisen:

(a) Rezension „Primatenhaftes Gegrunze“

(Bl. 56 d.A. mit Abstract Bl. 55 d.A.): Einige der übernommenen Passagen in diesem Abstract sind rein deskriptiv; das gilt etwa für den landläufigen französischen Begriff der „amour fou“, für den Hinweis auf eine „kluge, belesene Ich-Erzählerin“, den Begriff der „stämmigen Ehefrau“, der ausweislich der Anführungszeichen in der Original-Rezension offensichtlich aus dem rezensierten Buch selbst stammt, sowie für die abschließende Feststellung, dass die Autorin „keine überzeugenden Lösungen zu bieten hat“. Freilich sind auch einige ausdrucksstarke Passagen übernommen, nämlich die Verortung der weiblichen Existenz durch die Autorin „zwischen Harem und Sex in the City“, die Feststellung der Rezensentin, das Buch sei ein „Sammelabonnement der Powerfrauenratgeberliteratur“, und es lebe „von der Differenz zwischen Sexus und Sinn, dem kulturellen Überbau, der die primären Triebe verwaltet“. Doch hat der Abstract-Verfasser sich nicht auf eine verkürzte Wiedergabe der prägenden Passagen der Original-Rezension beschränkt, sondern sie unter starker Verkürzung (Kompression von 43 auf 8 Zeilen) in einen eigenen gedanklichen Zusammenhang gestellt, der gleichwohl nachvollziehbar erscheint; dies belegt schon die Tatsache, dass Elemente, die in der Originalrezension am Anfang des Textes zu finden sind, im Abstract am Textende stehen und umgekehrt. Das spricht dafür, eine freie Benutzung i.S.v. § 24 UrhG (noch) zu bejahen.

(b) Rezension „Revolution im Schlafsack“ (Bl. 67 d.A. mit Abstract Bl. 66 d.A.): Der Klägerin ist zuzugeben, dass der Umfang der übernommenen ausdrucksstarken Passagen hier besonders groß ist. Zwar finden sich auch hier Übernahmen eher deskriptiver Aussagen, wie etwa der Feststellung, der Roman beschränke sich auf die „langatmige Ausbreitung von Altbekanntem“, „trotz des erzählerischen Aufwands blieben Figuren und Orte farblos“. Daneben hat der Abstract-Verfasser hier aber in erheblichem Maß auch ausdrucksstarke Passagen übernommen, nämlich die Feststellungen der Rezensentin, es handele sich bei dem Roman um eine „Mischung aus feuchten Bubenträumen und der Montage schönster Bildungszitate aus der antibürgerlichen Kommune“, „gewohnt charmant spiele Stefano Benni am Beginn des Roman mit Märchenmotiven, Lügengeschichten und Heiligenlegenden“, bei den früher publizierten Kurzgeschichten des Autors handele es sich um eine „Mischung aus trocken geschilderter Alltäglichkeit und sorgsam dosierten Einbrüchen des Surrealen“. Auch ist unverkennbar, dass das vorliegende Abstract dem Gedankengang der Vorlage in stärkerem Umfang folgt, als dies bei den übrigen Abstracts der Fall ist. Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass der Abstract-Verfasser auch hier die Originalrezension stark gerafft hat, dabei aus dem fast durchgängig ausdrucksstarken Text der Vorlage eine wertende Auswahl getroffen hat und auch jedenfalls teilweise vom Gedankengang der Vorlage abgewichen ist. Weiter hat der Senat berücksichtigt, dass auch die bloße Berichterstattung und damit das Abstract den Schutz des Art. 5 GG genießt und dass Übernahmen einzelner Textpassagen in einem solchen Abstract von dem im Grundsatz nicht missbilligenswerten Bestreben um größtmögliche Authentizität getragen sind. Die Abwägung dieser Gesichtspunkt führt dazu auch hier (gerade noch) eine freie Benutzung im Sinn von § 24 UrhG anzunehmen.

(c) Rezension „Ein russischer Dorian Gray (Bl. 69 d.A. mit Abstract Bl. 68 d.A.): Ein Teil der Übernahmen betrifft hier rein deskriptive Textpassagen. Dies gilt etwa für die Feststellung, bei der Novelle handele es sich eigentlich um „das Finale des Romans ´Die Rolle´, das der Q Verlag nun ein Vierteljahrhundert später als eigenständiges Buch herausgegeben hat“, die Feststellung, die Übersetzerin habe das Werk „kongenial in ein deutsches Sprachkunstwerk“ übertragen, sowie für das abschließende Resümee, die Rezensentin finde „den Text ebenso zeitlos frisch wie seinen Held“. Daneben finden sich freilich auch Übernahmen von ausdrucksstärkeren Textpassagen wie etwa der Feststellung über die Prosa des Autors, die „scheinbar widerstandslos über die Untiefen normaler Lebenslügen hinweg rinnt“ und die einen „wogenden Puls“ aufweise, sowie die Kennzeichnung des Romanhelden als „russischen Mann ohne Eigenschaften“, der mit seiner „klugen Anpassung immer erfolgreicher, aber auch immer leerer wird“ (allerdings nicht wörtlich übernommen). Gleichwohl bejaht der Senat auch hier eine freie Nutzung. Der Abstract-Verfasser hat die Originalrezension von 40 Zeilen auf 8 Zeilen komprimiert; dabei hat er eine eigenständige Auswahl der Textpassagen getroffen, die ihm in besonderer Weise kennzeichnungskräftig erschienen. Er hat ferner die übernommenen Elemente weitgehend umgestellt und sie damit in einen neuen, kompakteren Kontext gestellt. Damit wahrt das Abstract nach Maßgabe der oben formulierten Kriterien den erforderlichen „inneren Abstand“ zur Vorlage.

(d) Die übrigen angegriffenen Abstracts hat der Senat auf ihre Übereinstimmungen mit den Original-Rezensionen geprüft. Er ist dabei zu der Einschätzung gelangt, dass die Übereinstimmungen zwischen Original-Rezension und den Abstracts nicht weiter gehen als in den vorstehend unter (a)-(c) dargestellten Fällen.

(3) Das bisweilen in Rspr. und Literatur herangezogene Abgrenzungskriterium, wonach eine unfreie Bearbeitung dann vorliegen soll, wenn eine Ersetzung des Originals durch die Bearbeitung zu besorgen ist (so etwa, Haberstumpf, Handbuch des Urheberrechts, 2. Auflage, Rn. 205; Rehbinder, Urheberrecht, 14. Auflage, Rn.511, s. auch Senat, ZUM-RD 1998, 561, 562;), führt zu keinem anderen Ergebnis. Dabei kann die von der Klägerin aufgeworfene Frage, inwieweit dieses Kriterium eine Stütze im Gesetz findet, offen bleiben, weil auch dann, wenn diese Frage zu bejahen sein sollte, nicht von einer unfreien Bearbeitung ausgegangen werden könnte.

Dies wäre allerdings dann anzunehmen, wenn die Substituierbarkeit unter Berücksichtigung der im vorliegenden Verfahren (zunächst) gegebenen Situation zu beurteilen wäre, dass allein das Abstract auf den Webseiten der Internet-Buchhandlungen „E.de“ und „D.de“ abrufbar ist. Denn wer als Internetnutzer vor der Entscheidung steht, ob er ein bestimmtes Buch bei „E.de“ ordern soll und in dieser Situation das einschlägige Abstract der Beklagten anklickt, möchte wissen, wie die renommierten Literaturkritiker der führenden deutschen Tageszeitungen dieses Buch einschätzen. Genau dies erfährt er aus den Abstracts der Beklagten. Er hat damit die Informationen, auf die es ihm für seine Kaufentscheidung ankommt. Dass er noch die Originalrezension in der Zeitung nachlesen wird, um zu erfahren, wie der Kritiker dort seine Einschätzung begründet hat, ist eher fern liegend. Anders verhält es sich aber schon dann, wenn – wie die Beklagte unwidersprochen in der mündlichen Verhandlung für „E.de“ vorgetragen hat – auf der Website einer Internet-Buchhandlung sowohl ein Link zum Abstract der Beklagten als auch zur Originalrezension der „AC“ zu finden ist. Hier spricht Einiges dafür, dass zumindest ein nicht unerheblicher Teil der Nutzer die Einsichtnahme des Originals dem Abstract vorziehen wird.

Diese verschiedenen denkbaren Fallgestaltungen zeigen, dass die Frage der Substituierbarkeit nur anhand eines inhaltlichen Vergleichs des älteren und des neueren Werkes vorzunehmen ist, dass aber die Frage, in welchen Kontexten das neue Werk genutzt werden kann, außer Betracht bleiben muss (so auch durchgängig die Rspr. zur Feststellung der freien Benutzung nach § 24 UrhG, s. die Nachweise bei Dreier/Schulze/Schulze, UrhG, 2. Aufl., 2006, Rn.11 ff, mwN). Dass aber die Originalrezensionen und die Abstracts hinsichtlich der Gestaltung deutliche Unterschiede aufweisen, wurde oben bereits ausgeführt.

cc) Schließlich ist ein Urheberrechtsverstoß auch nicht unter dem Aspekt der unzulässigen Vervielfältigung der wörtlich übernommenen Textpassagen gegeben, § 16 UrhG. Zum einen stellen die zum Teil aus nur einem Wort, zum Teil aus einer Abfolge mehrerer Worte bestehenden, wörtlich übernommenen Textpassagen keine dem Urheberschutz zugänglichen Sprachwerke dar. Wollte man das anders sehen, könnten knappe und knappste Wortfolgen, die aus mitunter nur zwei bis drei Begriffen bestehen, monopolisiert werden. Jeder Autor müsste gewärtigen, bei Verwendung dieser Wortfolgen von der Klägerin zu 2 auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Dass dies nicht richtig sein kann, bedarf nach Auffassung des Senats keiner weiteren Darlegung. Im Übrigen wären Zitate derartiger Wortfolgen, da es sich – wie oben ausgeführt – sowohl bei den Originalrezensionen als auch bei den Abstracts um geschützte Werke i.S.v. § 2 UrhG handelt, durch das Zitatrecht des § 51 Nr.2 UrhG gedeckt.

II) Markenrechtliche Ansprüche1) Hinsichtlich möglicher Ansprüche der Klägerin nach § 14 Abs. 5 und 6 MarkenG erscheint schon zweifelhaft, ob die Beklagte die Marke „AC“ markenmäßig benutzt, was nach ständiger Rechtsprechung Voraussetzung für markenrechtliche Ansprüche ist (BGH GRUR 2005, 583 – Lila Postkarte; BGH GRUR 2006, 329, 331 – Gewinnfahrzeug mit Fremdemblem). Es liegt hier ein Fall von sog. Markennennung vor, der sich dadurch auszeichnet, dass sich die Angabe der Marke weder unmittelbar noch mittelbar auf das eigene Produktangebot des Verwenders bezieht, sondern die Marke lediglich zur Benennung fremder Originalprodukte (hier: Dienstleistungen) eingesetzt wird (s. dazu Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl., 2003, § 14, Rn. 83 und Rn. 153 ff). Im Schrifttum wird hierzu vertreten, solche Fälle von der markenmäßigen Benutzung auszuschließen und diese auf die – hier nicht gegebene – Fallkonstellation zu beschränken, dass das fremde Zeichen gerade als Hinweis auf die betriebliche Herkunft des eigenen Angebots des Verwendenden gebraucht wird (so etwa Ingerl, WRP 2002, 866). In der Rspr. sowohl des EuGH (GRUR 1999, 407 – BMW) als auch des BGH (GRUR 2006, 329, 331 – Gewinnfahrzeug mit Fremdemblem) wurde indes als maßgeblich angesehen, ob die Marke zu Unterscheidungen von Waren oder Dienstleistungen als Zeichen eines bestimmten Unternehmens – nicht notwendig des eigenen – benutzt wird. In einer neueren Entscheidung hat der EuGH nunmehr einen differenzierenden Standpunkt eingenommen. Grundsätzlich wird darauf abgestellt, ob die Benutzung der Marke durch den Dritten für Waren oder Dienstleistungen erfolgt, die vom Inhaber der Marke angeboten werden; es wird aber für den Fall an der bisherigen Rechtsprechung festgehalten, dass die unter der Marke von ihrem Inhaber angebotenen Waren oder Dienstleistungen das Objekt der vom Dritten erbrachten Dienstleistungen waren (s. zu alledem EuGH GRUR 2007, 318, 319 – Adam Opel/Autec). Im Fall „BMW“ war darum eine markenmäßige Benutzung zu bejahen, weil die von BMW vertriebenen Automobile Gegenstand der vom Dritten erbrachten Instandsetzungsarbeiten waren. Im vorliegenden Fall verhält es sich ähnlich: Gegenstand der von der Beklagten angebotenen Dienstleistungen, nämlich der Abstracts, sind die Originalrezensionen, die unter der Marke der Klägerin publiziert werden. Ebenso wie die BMW-Reparaturwerkstatt mit BMW-Fahrzeugen arbeitet, bearbeitet auch die Beklagte die Original-Rezensionen in der „AC“. Danach spricht mehr dafür, eine markenmäßige Benutzung zu bejahen.

2) Doch kann dies ebenso offen bleiben wie die weiteren Fragen nach einer möglichen Verwechslungsgefahr i.S.v. § 14 Abs.2 MarkenG oder einer Rufausbeutung durch Aufmerksamkeitsgewinn im Sinn von § 14 Abs.3 MarkenG. Denn die Benutzung der Marke durch die Beklagte erfolgt weder in unlauterer Weise i.S.v. § 14 Abs.3 MarkenG noch in einer Weise, die i.S.v. § 23 MarkenG gegen die guten Sitten verstößt. Hinsichtlich des § 23 MarkenG folgt dies daraus, dass die Beklagte die Marke „AC“ ausschließlich als Angabe über Eigenschaften der von ihr erbrachten Dienstleistungen benutzt; sie weist hiermit darauf hin, dass ihre Abstracts in der „AC“ erschienene Originalrezensionen zum Gegenstand haben (vgl. zur Zulässigkeit solcher Angaben nach Art. 6 Abs.1 lit. b der Markenrechtsrichtlinie jüngst EuGH GRUR 2007, 318, 320 – Adam Opel/Autec). Diese Angabe steht mit den guten Sitten in Einklang, weil sie für das urheberrechtlich zulässige Geschäftsmodell der Beklagten nicht nur unerlässlich, sondern darüber hinaus von § 63 Abs.1 UrhG sogar gefordert ist. Es wäre mehr als ungereimt, wenn man eine gesetzlich geforderte Quellenangabe als Markenrechtsverstoß bewerten würde. Diese Erwägung gilt für § 14 Abs.3 MarkenG entsprechend.

III) Wettbewerbsrechtliche Ansprüche der Klägerin stehen auch Ansprüche nach den §§ 4 Nr.9 UWG, 3, 8, 9 UWG nicht zu. Dabei kann dahinstehen, ob den teilweise von der Beklagten übernommenen Originalrezensionen wettbewerbliche Eigenart zukommt. Denn es fehlt an den nach diesen Vorschriften vorausgesetzten Unlauterkeitskriterien:

1) Der Beklagten fällt keine vermeidbare Herkunftstäuschung i.S.v. § 4 Nr. 9 a UWG zur Last. Da die Beklagte in ihren Abstracts darauf hinweist, dass es sich hierbei um eine „Notiz zur AC“ handelt und das Abstract mit dem Copyright-Vermerk „C Medien-GmbH“ versieht, kann der durchschnittlich informierte Internetnutzer, der das Abstract liest, nicht auf den Gedanken kommen, dass Abstract sei mit der Originalrezension in der „AC“ identisch; damit scheidet eine unmittelbare Verwechslungsgefahr aus. Der mit den Besonderheiten des Internet hinlänglich vertraute, durchschnittlich aufgeklärte und aufmerksame Nutzer weiß aber auch, dass es im Internet eine Vielzahl von Informationsdiensten gibt, die Presseerzeugnisse auswerten, und dass diese Dienste mit den Presseunternehmen, deren Erzeugnisse ausgewertet werden, weder identisch noch wirtschaftlich verflochten sind; dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als die Beklagte auch Abstracts von Literaturkritiken zahlreicher anderer deutschsprachiger Zeitungen anbietet (R, S, T, U). Damit erscheint auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr ausgeschlossen.

2) Auch der Tatbestand der unlauteren Rufausbeutung nach § 4 Nr.9 b UWG ist nicht gegeben. Es mag zwar sein, dass die Beklagte durch die Abstracts und den Hinweis, dass diese auf der Grundlage von AC-Originalrezensionen erstellt sind, einen höheren Aufmerksamkeitseffekt erzielt und damit die Wertschätzung, die diese Rezensionen genießen, ausnutzt. Dies ist jedoch schon darum nicht „unangemessen“ i.S.v. § 4 Nr.9 UWG, weil das Urheberrecht dieses Verhalten gestattet: Wenn die Beklagte nach § 24 UrhG befugt ist, ihre Abstracts als selbständige Werke ohne Zustimmung der Klägerin zu verwerten, dann kann nicht eben diese wirtschaftliche, vom Urheberrecht als zulässig ausgewiesene Verwertung eine unlautere Rufausbeutung darstellen.

3) Aus demselben Grund liegt auch keine den geschriebenen Tatbeständen des § 4 Nr.9 UWG gleichzustellende unbillige Behinderung vor.

IV) Da die Unterlassungsanträge unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Erfolg haben, standen der Klägerin auch keine Auskunfts- und Schadensersatzansprüche zu.

V) Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr.10, 711 ZPO. Die Revision war nach § 543 Abs.2 ZPO zuzulassen, weil der Frage, inwieweit Abstracts als unfreie Bearbeitung i.S.v. § 23 UrhG oder als freie Nutzung nach § 24 UrhG anzusehen sind, grundsätzliche Bedeutung zukommt und diese Frage bislang nicht höchstrichterlich geklärt ist.

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