Nordrhein-Westfalen: Köln

„Call me!“ – unerwünschte Telefonanrufe & die unlautere Werbung

Urteil vom LG Köln

Entscheidungsdatum: 04.02.2010
Aktenzeichen: 81 O 119/09

Leitsätze

Ein Telefonanruf zu Werbezwecke ist im Sinne von § 7 II Nr. 2 UWG wettbewerbswidrig, wenn er ohne die Einwilligung des Verbrauchers erfolgte.

Tenor

Der Beklagten wird untersagt, im geschäftlichen Verkehr Verbraucher unter deren privaten Telefonanschlüssen anzurufen oder anrufen zu lassen, um diesen die entgeltliche Vermittlung der Teilnahme an Gewinnspielgemeinschaften anzubieten, sofern der Beklagten eine vorherige Einwilligung des angerufenen Verbrauchers zu einem derartigen Werbeanruf nicht vorliegt.

Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Wochen, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 15.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist eine qualifizierte Einrichtung gemäß § 22a AGBG a.F. Er beruft sich auf eine Klagebefugnis gemäß §§ 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG, 3, 4 UKlaG.

Die Beklagte ist im Bereich des Glückspiels als gewerbliche Spielevermittlerin tätig.

Im Januar 2009 erhielt die Zeugin I unter ihrem privaten Anschluss einen Anruf einer Mitarbeiterin eines von der Beklagten beauftragten Call-Centers, die die Vermittlung an Gesellschaften, die über Lottoscheine des deutschen Lottoblocks verfügen, anbot. Als Ergebnis des Telefonats bestätigte die Beklagte mit Schreiben vom 28.01.2009 (Anlage K3), auf das Bezug genommen wird, den Vermittlungsauftrag.

Eine hierauf von dem Kläger unter dem 28.05.2009 ausgesprochene Abmahnung (Anlage K6) blieb ohne Erfolg.

Der Kläger trägt zu seiner Aktivlegitimation vor, er gehe bei Wettbewerbsverstößen auch gegen eigene Mitglieder vor.

Das Telefonat mit der Zeugin I sei ohne vorherige Einwilligung der Zeugin erfolgt. Dieses Verhalten verstoße gegen § 7 Abs. 2 Nr.2, 3 i.V.m. §§ 3, 4 Nr. 11 UWG. Gemäß § 5 Abs. 3 Glückspielstaatsvertrag n.F. sei die Werbung für öffentliches Glückspiel u.a. über Telekommunikationsanlagen verboten. Die Beklagte sei gewerbliche Spielevermittler und müsse die gesetzlichen Vorgaben im Hinblick auf § 3 Abs. 6 Nr. 2 GlüStV beachten.

Der Kläger beantragt nach zwischenzeitlicher Umformulierung des Antrags zu II,

I. der Beklagten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr Verbraucher unter deren privaten Telefonanschlüssen anzurufen oder anrufen zu lassen, um diesen die entgeltliche Vermittlung der Teilnahme an Gewinnspielgemeinschaften anzubieten, sofern der Beklagten eine vorherige Einwilligung des angerufenen Verbrauchers zu einem derartigen Werbeanruf nicht vorliegt,

II. der Beklagten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr im Internet und/oder über Telekommunikationsanlagen für die Zusammenführung von Spieleinteressenten zu Spielgemeinschaften zum deutschen Lotto- und Toto-Block zu werben, im Rahmen der Internetwerbung, wie in Anlage K5 geschehen,

III. der Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Wochen oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten anzudrohen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte stellt die Aktivlegitimation des Klägers in Abrede. Der Kläger erhalte finanzielle Mittel vom Land A, das als Staatsmonopolist Veranstalter im Glückspielwesen sei. Der Kläger gehe insbesondere gegen Marktteilnehmer aus dem Bereich des Glückspielwesens vor, nicht aber gegen das Land A. Zudem mahne der Kläger getrennt die Verstöße gegen das UWG und gegen das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen aus dem Unterlassungsklagegesetz ab, um doppelte Kostenpauschalen zu erhalten. Zudem gehe der Kläger wegen der Verstöße - UWG einerseits, UKlagG andererseits - in getrennten Verfahren vor, was letztlich nur die Kostenlast erhöhe. Das Vorgehen des Klägers sei deshalb rechtsmissbräuchlich.

Vor dem Anruf bei der Zeugin I habe von dieser ein aktuelles Einverständnis vorgelegen. Die Beklagte habe ein sog. Opt-in der Zeugin von Herrn T3, dem die Beklagte dem Streit verkündet hat, angemietet. Die Tätigkeit der Beklagten stelle keine gewerbliche Spielevermittlung im Sinne von § 3 Abs. 6 GlüStV dar, wie das Oberlandesgericht Düsseldorf am 06.11.2008 - VI U 10/08 (Kart) - in anderer Sache entschieden habe. Die Beklagte vermittelte nur Spieler an Gesellschaften, die ihrerseits Lottoscheine halten.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist im Umfang zu den Klageanträgen I und III begründet und im Umfang des Klageantrags II unbegründet.

1. Der Kläger ist für die Unterlassungsansprüche aktivlegitimiert gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG i.V.m. §§ 3, 4 UKlaG. Das wird auch nicht von der Beklagten in Zweifel gezogen. Die Beklagte wirft dem Kläger vielmehr Rechtsmissbrauch vor. Hiervon ist indes nicht auszugehen.

Den Vorwurf, finanzielle Unterstützung vom Land A zu erhalten und dafür im Gegenzuge nicht gegen die staatliche Toto- und Lottogesellschaft des Landes A vorzugehen, hat der Kläger widerlegt. So hat der Kläger exemplarisch einen Abmahnvorgang gegenüber der Staatlichen Toto-Lotto GmbH A vom 31.01.2008 und die korrespondierende Unterlassungsverpflichtungserklärung (Anlagen K8 und 9) vorgelegt.

Auch der weitere Vorwurf, der Kläger betreibe mit der Verfolgung der verschiedenen Verstöße - UWG einerseits und UKlagG andererseits - Kostentreiberei, ist nicht begründet. Es ist im Ausgangspunkt nicht zu beanstanden, dass das beanstandete Verhalten in alle Richtungen überprüft und ggf. verfolgt wird. Zu Recht weist der Kläger darauf hin, dass auf Seiten des Gerichts verschiedene Spezialzuständigkeiten berührt sind, was es veranlassen kann, gesonderte Verfahren zu führen. Hierin liegt keine Kostentreiberei. Dies betrifft auch nicht die Kostenpauschale und zwar erst recht nicht im vorliegenden Verfahren. Weder in diesem Verfahren noch in dem Verfahren 26 O 294/09 werden nämlich Kostenpauschalen beansprucht. Dies hat der Kläger durch einen Auszug der Klageschrift in dem Verfahren 26 O 294/09 belegt. Schon aus diesem Grunde liegt Kostentreiberei nicht vor.

2. Dem Antrag zu I auf Untersagung von Telefonwerbung ohne vorherige Einwilligung des Verbrauchers war gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG sowie gemäß §§ 4 Nr. 11 UWG, 5 Abs. 3 GlüStV stattzugeben.

Unstreitig hat die Beklagte über ein von ihr beauftragtes Call-Center die Zeugin I angerufen und die Call-Center-Mitarbeiterin hat das Produkt der Beklagten beworben. Soweit die Beklagte den Gesprächsinhalt in Zweifel zieht, muss sie sich ihre schriftliche Bestätigung (Anlage K3) entgegenhalten lassen, die einen Vermittlungsauftrag für die Beklagte ausweist.

Damit steht zunächst fest, dass die Beklagte im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG "Werbung mit einem Telefonanruf gegenüber einem Verbraucher" betrieben hat. Hierfür hätte es einer Einwilligung bedurft, zu der die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte als Werbende (vgl. Hefermehl/Köhler, UWG, § 7, Rdnr. 134) unzureichend vorgetragen hat. Zwar beruft sie sich auf die Anmietung einer Einwilligungserklärung (Opt-in) der Zeugin. Hierzu verweist sie aber nur auf den Streitverkündeten, ohne im Einzelnen zu belegen, ob und wie sie sich über die Einwilligungserklärung vergewissert hat.

Ist damit die Untersagung schon gerechtfertigt, liegt ein weiterer Verstoß gemäß § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 5 Abs. 3 GlüStV vor. Die Beklagte hat im Sinne von § 5 Abs. 3 GlüStV "Werbung für öffentliches Glücksspiel…über Telekommunikationsanlagen" betrieben. Der Tatbestand des § 5 Abs. 3 GlüStV ist auf Grundlage der hier maßgeblichen schriftlichen Bestätigung zu bejahen. Die Beklagte vermittelt danach Verbraucher "an starke Gesellschaften, die über Lottoscheine verfügen und jeden Samstag dabei sind". Ausdrücklich wird darauf abgestellt, dass der Verbraucher an einer Gewinnchance, nämlich "2 Mal das 9er Vollsystem pro Ziehung", partizipiert. Dies und der weitere Hinweis, ausschließlich "Lotto-Systemspieler" hätten in der Vergangenheit den Jackpot geknackt, zeigt, dass es im Ergebnis darum geht, den Verbraucher zu öffentlichem Glückspiel zu bewegen. Dass es ungeachtet des Streites um die Formulierung "Teilnahme am deutschen Toto- und Lotto-Block" auf der Grundlage der schriftlichen Bestätigung um die Bewerbung des öffentlichen Lottospiels geht, steht außer Frage. Hierbei handelt es sich unzweifelhaft um öffentliches Glückspiel gemäß § 3 Abs. 1-3 GlüStV. Der Tatbestand des § 5 Abs. 3 GlüStV entfällt auch nicht deshalb, weil die Beklagte nicht selbst das Glücksspiel veranstaltet oder eine der Gesellschaften ist, die Lottoscheine erwerben und Gesellschaftsanteile an Verbraucher veräußern. Werbung für öffentliches Glücksspiel liegt schon dann vor, wenn die Beklagte - wie hier - damit wirbt, Verbraucher an Gesellschaften zu vermitteln, die an öffentlichem Glücksspiel teilnehmen.

3. Der Klageantrag zu 2 ist dagegen unbegründet. Der Antrag wäre nur erfolgreich, wenn die Beklagte eine gewerbliche Spielevermittlung gemäß § 3 Abs. 6 Nr. 2 GlüStV betreibt, wenn sie also, ohne Annahmestelle oder Lotterieeinnehmer zu sein, Spielinteressenten zu Spielgemeinschaften zusammenführt und deren Spielbeteiligung dem Veranstalter - selbst oder über Dritte - vermittelt, sofern dies jeweils in der Absicht geschieht, durch diese Tätigkeit nachhaltig Gewinn zu erzielen.

Mit der Beurteilung dieser Frage bezogen auf die Beklagte und das von ihr praktizierte Geschäftsmodell hat sich das OLG Düsseldorf in der vorgelegten Entscheidung vom 12.11.2008 - VI - U (Kart) 10/08 - befasst. Das OLG Düsseldorf ist zu der Schlussfolgerung gelangt, bei der Beklagten handele es sich nicht um eine Spielevermittlerin im Sinne von § 3 Abs. 6 Nr. 2 GlüStV. Es hat hierzu im Einzelnen ausgeführt:

"Mit Recht wendet sich die Beklagte gegen die Annahme des Landgerichts, dass sie sich bei der streitbefangenen Tätigkeit zur Vermittlung von Anteilsverkäufen an BGB-Gesellschaften als gewerbliche Spielvermittlerin im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 2 LoStV bzw. § 3 Abs. 6 Nr. 2 GlüStV betätige.

1. Sowohl § 14 Abs. 1 Nr. 2 LoStV als auch die im Jahr 2008 in Kraft getretene Nachfolgebestimmung des § 3 Abs. 6 Nr. 2 GlüStV definieren den Begriff der gewerblichen Spielvermittlung - von dem vorliegend nicht interessierenden Tatbestandsmerkmal " im Auftrag des Spielinteressenten " abgesehen - wortgleich. Eine gewerbliche Spielvermittlung betreibt danach, wer Spielinteressenten zu Spielgemeinschaften zusammenführt und deren Spielbeteiligung dem Veranstalter der Lotterie selbst oder über Dritte vermittelt.

2. Die Beklagte übt eine gewerbliche Spielvermittlung in diesem Sinne nicht aus.

a) Nach dem unwidersprochen gebliebenen - und somit der Entscheidung zugrunde zu legenden - Sachvortrag der Beklagten stellt sich deren gewerbliche Betätigung im Zusammenhang mit dem Verkauf von Geschäftsanteilen an BGB-Gesellschaften, in deren Gesellschaftsvermögen sich Spielquittungen befinden, folgendermaßen dar:

Die auf Z. ansässige " D. L. " gründet fortlaufend zusammen mit einer dritten Person BGB-Gesellschaften. Zweck dieser auf maximal einen Monat angelegten Gesellschaften ist der Erwerb von Lottoscheinen. Zum Gesellschaftsvermögen gehören mindestens zwei Teilnahmescheine für das 9er Vollsystem des Samstagslottos. Nachdem die Lottoscheine erworben und in das Gesellschaftsvermögen eingebracht worden sind, veräußert die " D. L. " die von ihr gehaltenen BGB-Gesellschaftsanteile an Spielinteressierte. Mit der Vermittlung der Anteilskäufer hat sie die Beklagte beauftragt, die (u.a.) an Tankstellen Kunden akquiriert. Jeder Käufer kann zwischen 10 und 20 Gesellschaftsanteile zum Monatspreis von 1,20 € je Anteil erwerben. Je BGB-Gesellschaft werden maximal 600 Geschäftsanteile veräußert...

b) Bei dem dargestellten Geschäftsmodell mag die " D. L. " als eine gewerbliche Spielvermittlerin anzusehen sein. Die Beklagte erfüllt indes nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen, die § 14 Abs. 1 Nr. 2 LoStV und § 3 Abs. 6 Nr. 2 GlüStV stellen. 28

aa) Die Beklagte führt nicht mit Hilfe von BGB-Gesellschaften Spielinteressenten zu Spielgemeinschaften zusammen. Ihre Tätigkeit erschöpft sich vielmehr darin, der " D. L. " Spielinteressierte zu vermitteln, die durch den Erwerb von Geschäftsanteilen an einer BGB-Gesellschaft Samstagslotto in einer Spielgemeinschaft spielen wollen. Zwar leistet die Beklagte durch die Vermittlung kaufinteressierter Lottospieler an die " D. L. " einen ursächlichen Beitrag für das Zustandekommen der Spielgemeinschaften. Hierdurch führt sie indes nicht - wie die Klägerin meint - im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 2 LoStV und § 3 Abs. 6 Nr. 2 GlüStV Spielinteressenten zu Spielgemeinschaften zusammen. Bei verständiger Gesetzesauslegung unter Berücksichtigung der Verhaltenspflichten, die § 14 Abs. 2 LoStV und § 19 GlüStV dem gewerblichen Spielvermittler auferlegt, führt im Sinne des Lotterierechts nur derjenige Spielinteressierte zu Spielgemeinschaften zusammen, der die Entstehung von Spielgemeinschaften selbst und unmittelbar bewirkt (vgl. Senatsurteil vom 6.6.2007, VI-U(Kart) 26/06, Rdnr. 42)...

bb) Die Beklagte leitet auch nicht - selbst oder über Dritte - die Spielbeteiligung der zu einer Spielgemeinschaft verbundenen Spielinteressenten an den Lotterieveranstalter weiter. Nach dem zur Beurteilung stehenden Geschäftsmodell vereinnahmt die Beklagte zwar zusammen mit ihrem Vermittlungsentgelt auch den Spieleinsatz der Spielteilnehmer. Dieser Spieleinsatz gebührt indes der " D. L. " als Kaufpreis für den BGB-Geschäftsanteil, der wiederum eine entsprechende Beteiligung an der in der Rechtsform einer BGB-Gesellschaft betriebenen Spielgemeinschaft repräsentiert. Der " D. L. " - und nicht der Beklagten - obliegt es, den von den Spielinteressenten in Form des Kaufpreis für ihren BGB-Geschäftsanteil entrichteten Spieleinsatz an den Lotterieveranstalter weiterzuleiten."

Die Kammer folgt dieser an dem Wortlaut des GlüStV ausgerichteten Argumentation. Der gerügte Verstoß gegen § 3 Abs. 6 Nr. 2 GlüStV liegt daher nicht vor.

Die Kostenentscheidungen beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Streitwert: 60.000,00 €, je 30.000,00 € für die Anträge zu I und II.

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