Bayern: München

„Hoch hinaus“ – wettbewerbswidrige Gutscheine über eine Ballonfahrt

Urteil vom OLG München

Entscheidungsdatum: 09.09.2010
Aktenzeichen: 6 U 2690/10

Leitsätze

Werden über eine Internetplattform Gutscheine für eine Ballonfahrt angeboten, die jedoch nicht vom Betreiber der Plattform, sondern von einem Dritten durchgeführt werden, hat der Kunde Im Sinne von § 5 a III Nr. 2 UWG ein Recht darauf zu erfahren, welcher Veranstalter dieses „Erlebnis“ durchführt.

Tenor

1. Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 11.2.2010 wird zurückgewiesen.

2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Gründe

I.

Mit Endurteil vom 11. 2.2010 bestätigte das LG München I die mit Beschluss vom 29.10.2009 erlassene einstweilige Verfügung folgenden Inhalts:

"Der Antragsgegnerin wird (bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel) gemäß §§ 935 ff, 890 ZPO

verboten,

im Wettbewerb handelnd im Internet, insbesondere im Rahmen des Internet-Auftritts unter www....-sch.de , die Möglichkeit zur Buchung einer entgeltlichen Teilnahme an von einem Dritten durchgeführten Ballonfahrten unter Hinweis auf Ausgangspunkt und/oder Dauer der Fahrt sowie unter Hinweis auf den Preis anzubieten, ohne den Verbraucher dabei über die Identität und Anschrift des die Ballonfahrt durchführenden Unternehmens zu informieren."

Anlass des Rechtsstreits war das am 28.10.2009 von der Antragsgegnerin im Internet angebotene "Erlebnis" "Alpen-Panorama im Heißluftballon", das laut Beschreibung in einer in J startenden, 60-90 Minuten dauernden Ballonfahrt bestehen sollte (Anlage EVK 4).

Das erstinstanzliche Urteil ist damit begründet, dass ein Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, § 5 a Abs. 3 Nr. 2 UWG bestehe. In dem betroffenen Angebot seien die Wesentlichkeiten des Erlebnisses so beschrieben, dass ein durchschnittlicher Verbraucher das Geschäft abschließen könne.

§ 5 a Abs. 3 Nr. 2 UWG ("des Unternehmers, für den er handelt") gelte nicht nur für Fälle der offenen Stellvertretung.

Aus den AGB der Antragsgegnerin ergebe sich, dass ein Vertrag bezüglich der jeweiligen Veranstaltung unmittelbar und ausschließlich mit dem durchführenden Dritten zustande komme; mithin handele die Antragsgegnerin bei ihrem Angebot auch für diesen.

Das Urteil wurde der Antragsgegnerin am 9. 4.2010 zugestellt. Sie legte mit am 21.4.2010 eingehendem Schriftsatz Berufung ein und begründete sie innerhalb verlängerter Frist eingehend am 8. 7.2010.

Die Antragsgegnerin trägt vor, Handeln für ein anderes Unternehmen im Sinne von § 5 a Abs. 3 Nr. 2 UWG sei nur die offene Stellvertretung, hingegen schon nicht mehr eine verdeckte. Eine weitere Auslegung des Anwendungsbereichs sei durch legitime Verbraucherinteressen nicht gerechtfertigt; ansonsten müssten auch Makler vorab die Kontaktdaten ihrer Auftraggeber offenlegen.

Die Antragsgegnerin sei nicht Stellvertreterin, denn ausweislich ihrer AGB bestehe ihre Leistung allein in der Vermittlung; für eine Stellvertretung untypisch sei auch die Umtauschmöglichkeit. Zudem stehe der Vertretene bei Kauf des Gutscheins noch nicht fest.

Sie beantragt, das erstinstanzliche Urteil abzuändern, die einstweilige Verfügung vom 29.10.2009 aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, der Zweck von § 5 a Abs. 3 Nr. 2 UWG ergebe sich aus der durch die Vorschrift umgesetzten Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken; der Verbraucher solle demnach erfahren, wer die angebotene Leistung erbringt. Dies sei den AGB der Verfügungsbeklagten zufolge nicht die Antragsgegnerin, sondern ein von ihr verschiedener Veranstalter. Es komme nicht darauf an, ob mit diesem schon bei Buchung bei der Verfügungsbeklagten ein Vertrag zustande komme.

Eine verdeckte Stellvertretung liege nicht vor, denn die Verfügungsbeklagte sei nicht alleiniger Vertragspartner der Verbraucher.

Die Darstellung weiterer Tatsachenfeststellungen unterbleibt gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1, 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

II.

Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Zu Recht spricht das Landgericht der Antragstellerin einen Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 2, § 5 a Abs. 2, 3 Nr. 2 UWG zu.

Die Antragsgegnerin handelt, wenn sie im Internet Gutscheine für Ballonfahrten anbietet und dabei Ort und/oder Dauer der Fahrt nennt, nicht nur für sich selbst, sondern auch im Sinne des § 5 a Abs. 3 Nr. 2 UWG für die (von ihr als "Veranstalter" bezeichneten) Unternehmer, die die Ballonfahrten durchführen. Auch in Bezug auf diese Veranstalter ist die Dienstleistung im Internet so angeboten, dass ein durchschnittlicher Verbraucher das Geschäft abschließen kann.

Im Einzelnen:

a) Die Antragsgegnerin bot unstreitig im Rahmen ihres Internetauftritts als "Erlebnis" eine Ballonfahrt an, die in der J beginnen und ca. 60-90 Minuten dauern sollte. Aus den auf der Webseite verlinkten AGB und ebenfalls auf der Webseite verlinkten allgemeinen Informationen ("FAQ") geht hervor, dass die Antragsgegnerin selbst dabei nur Vermittlung eines Unternehmers, der die Ballonfahrt tatsächlich durchführt, und die Zusendung eines entsprechenden Gutscheins schuldet, aber nicht die Durchführung der Ballonfahrt selbst (§ 2 Abs. 1 – 4 AGB). Nach Erhalt des Gutscheins kann der Besteller (oder ein Dritter, der den Gutschein vom Besteller erhalten hat) sich von der Antragsgegnerin den die Ballonfahrt durchführenden Unternehmer oder gegebenenfalls mehrere dafür zur Auswahl stehende Unternehmer nennen lassen. Direkt bei dem – ggf. von ihm ausgewählten – Unternehmer kann der Inhaber des Gutscheins die Durchführung der Ballonfahrt in Anspruch nehmen, wobei (nur) mit diesem ein Vertrag über die Durchführung zustande kommt (§ 2 Abs. 3, 4; § 3 Abs. 1 AGB). Durch Erwerb des Gutscheins wird das Recht erworben, das "Erlebnis" bei einem Veranstalter in Anspruch zu nehmen (§ 14 AGB).

Der Kunde kann den Gutschein auf den Internetseiten der Antragsgegnerin unmittelbar bestellen.

Hiervon ausgehend hat das Landgericht zutreffend – und von der Berufung unbeanstandet – festgestellt (LGU S. 7), dass die maßgeblichen Leistungsinhalte (Gegenstand der Leistung, Preis, Ort, Dauer) in dem Angebot enthalten sind und deshalb die Voraussetzungen des § 5 a Abs. 3 UWG erfüllt sind. Dies gilt auch in Bezug auf die vom Antrag umfassten Alternativen ("... unter Hinweis auf Ausgangspunkt und/oder Dauer der Fahrt ...").

b) Der Begriff der "Handelns für einen anderen" im Sinne von § 5 a Abs. 3 Nr. 2 UWG ist gesetzlich und auch in der zugrundeliegenden Richtlinie 2000/31/EG in Art. 7 Abs. 4 lit. b nicht näher definiert; es existiert dazu auch – soweit ersichtlich – keine Rechtsprechung. Einigkeit besteht darüber, dass jedenfalls Fälle der unmittelbaren Stellvertretung erfasst sind (Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl., § 5 a Rn. 28).

c) Die Antragsgegnerin handelt nicht ausschließlich für sich selbst, denn sie macht für den die Seite aufrufenden Verbraucher hinreichend deutlich, sich hinsichtlich der Durchführung des "Erlebnisses" Ballonfahrt als solchen nicht selbst verpflichten zu wollen (siehe vorstehend unter a).

d) Jedoch erwirbt der Kunde mit Erhalt des Gutscheins das Recht, von einem Unternehmer, den er sich ggf. aus mehreren zur Auswahl stehenden aussucht, die Durchführung des "Erlebnisses" zu fordern (insbes. § 14 AGB, s. o.).

Dies ist schwerlich anders darstellbar, als indem – was die Antragsgegnerin im Termin auch nicht in Abrede stellte – zwischen der Antragsgegnerin und den Veranstaltern, die sie Erwerbern der Gutscheine zur Auswahl nennt, bereits vorab Vereinbarungen bestehen, aus denen die Veranstalter verpflichtet sind, Kunden, die Gutscheine der Antragsgegnerin vorweisen, das "Erlebnis" zu bieten, wofür sie einen Teil des von der Antragsgegnerin eingenommenen Preises erhalten.

Rechtlich kann dies dahin subsumiert werden, dass die aufgrund der vorgenannten Vereinbarungen hierzu bevollmächtigte Antragsgegnerin, im Wege der Stellvertretung für den, den es angeht, ein Angebot an den Kunden angibt, das dieser gegenüber dem Veranstalter, den er sich auswählt, annimmt, oder als Ausstellung eines "kleines Inhaberpapiers" im Sinne von § 807 BGB seitens der Antragsgegnerin im Namen der auswählbaren Veranstalter.

Jedenfalls führt das Handeln der Antragsgegnerin, wenngleich nicht sofort, zu einer Verpflichtung des vom Kunden gewählten Veranstalters diesem gegenüber, der der Veranstalter sich nicht entziehen kann. Dass die Bestimmung des Veranstalters als Vertragspartner des Kunden erst nach dem Vertragsschluss mit der Antragsgegnerin – durch diese oder bei mehreren in Frage kommenden Veranstaltern durch den Kunden – ohne Rückwirkung erfolgt (vgl. BGH NJW 1998, 62, 63) und zu diesem Zeitpunkt die Person bzw. das Unternehmen des Veranstalters dem Kunden bekannt wird, ist ohne Bedeutung. Denn § 5 a Abs. 3 UWG stellt auf den Zeitpunkt des Angebots ab.

e) Der Fall ist mithin von dem einer verdeckten Stellvertretung, bei der der Kunde auch die Durchführung des Events von der Antragsgegnerin fordern könnte, zu unterscheiden. Ebenfalls unterscheidet sich die Tätigkeit der Antragsgegnerin von der eines Maklers, selbst im Rahmen eines Maklerwerkvertrags, denn es liegt nicht in der Macht des Maklers, dem Kunden einen Anspruch gegen den in Frage kommenden Vertragspartner zu vermitteln; dieser entscheidet letzten Endes immer selbst, ob er den vom Makler vermittelten Kunden akzeptiert.

f) Die Leistung des Veranstalters ist dem Kunden im Internetauftritt der Antragsgegnerin auch in einer Form angeboten, die dieser sofort annehmen kann (s. o. a) a. E.).

Auch hier zeigt sich der Unterschied dieser Konstellation von einem Maklerwerkvertrag, denn der Kunde des Maklers ist nicht in der Position, einseitig durch Erklärung gegenüber dem Makler den zu vermittelnden Vertrag zustande zu bringen.

Dem steht nicht entgegen, dass der Kunde, wenn er den Gutschein bestellt, zunächst nur einen Vertrag mit der Antragsgegnerin schließt, sein Vertrag mit dem Veranstalter hingegen erst zustande kommt, wenn er diesen ausgewählt hat und mit ihm einen Termin vereinbart. Rechtlich gebunden ist der Kunde (wiederum anders als bei Erteilung eines Maklerauftrags) nämlich schon durch den Vertragsschluss mit der Antragsgegnerin, der er auch sofort den vollen Preis für das "Erlebnis" schuldet. Will er den Gutschein nicht verfallen lassen, muss er einen Veranstalter auswählen und das im Gutschein verbriefte "Erlebnis" in Anspruch nehmen.

g) Diese Konstellation ist von § 5 a Abs. 3 Nr. 2 UWG erfasst. Die Vorschrift stellt in Abs. 2 und Abs. 3, Einleitungssatz, auf die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers zu dem Zeitpunkt ab, in dem er auf das Angebot einer Dienstleistung hin das Geschäft abschließen kann. In dieser Situation befindet sich der Kunde , wenn er den Internetauftritt der Antragsgegnerin besucht, und zwar nicht nur im Hinblick auf den Kauf des Gutscheins, sondern auch im Hinblick auf die nicht von der Antragsgegnerin, sondern durch den noch zu wählenden Veranstalter zu erbringende Durchführung des Erlebnisses. Auch insoweit ist er, wie erörtert, mit Kauf des Gutscheins bereits gebunden und hat mithin vor dem Kauf des Gutscheins das durch § 5 a Abs. 3 Nr. 2 UWG geschützte Interesse daran, zu erfahren, wer das "Erlebnis" durchführen bzw. dafür zur Auswahl stehen wird.

Die Art und Weise, in der durch das Angebot im Internet und dessen Annahme die Veranstalter verpflichtet werden, ist einer Stellvertretung zumindest vergleichbar. Dass der Vertrag zwischen dem Kunden der Antragsgegnerin und ihnen erst durch Auswahl seitens des Kunden mit Wirkung ex nunc zustande kommt, entspricht der Situation bei einer Stellvertretung für den, den es angeht (vgl. Schramm in MüKo BGB, 5. Aufl., § 164 Rn. 20).

2. Gemäß § 5 a Abs. 2, § 3 Abs. 2 UWG gilt der Wettbewerbsverstoß als geeignet, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG zu beeinträchtigen.

3. Von der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung nach § 935 ZPO erforderlichen Dringlichkeit ist gemäß 12 Abs. 2 UWG ohne deren Darlegung auszugehen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung ist gemäß 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht rechtsmittelfähig und somit unmittelbar vollstreckbar.

© 2004-2024 · IT-Recht Kanzlei