Hamburg: Stadt Hamburg

„50 Cent Bulletproof“ – Computerspiele, Jugendschutz & das UWG

Urteil vom OLG Hamburg

Entscheidungsdatum: 02.04.2008
Aktenzeichen: 5 U 81/07

Leitsätze

Wird ein Computerspiel, das aufgrund seiner Inhalte als jugendgefährdendes Medium eingestuft ist, dennoch auf einer Homepage zum Kauf angeboten, stellt dies einen wettbewerbswidrigen Verstoß im Sinne von §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m.§ 15 I Nr. 6 JuSchuG dar.

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 16 für Handelssachen, vom 17.04.07 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien sind Wettbewerber bei dem Vertrieb von Computerspielen. Der Beklagte betreibt einen Online-Shop unter der Internetdomain www…..de (Anlage JS1). Auf dieser Internetseite bewarb der Beklagte im Frühjahr 2006 das Computerspiel „50 Cent Bulletproof“ in der Version für die PlayStation 2 und bot dieses zum Verkauf an (Anlage JS2).

Das Spiel war zu diesem Zeitpunkt in die Liste der jugendgefährdende Medien aufgenommen. Die Aufnahme war gemäß § 24 Abs. 3 Satz 1 JuSchG bekannt gemacht worden (Anlage JS3).

Auf die Abmahnung der Klägerin vom 07.04.06 (Anlage JS4) gab der Beklagte eine Unterlassungserklärung (Anlage JS5) ab. Zur Übernahme der Rechtsanwaltskosten der Kläger-Vertreter erklärte sich der Beklagte lediglich auf der Höhe eines Gebührenwertes von € 5.000.- bereit und zahlte insoweit einen Betrag in Höhe von € 411,30. Weitergehende Ansprüche der Klägerin wies der Beklagte zurück (Anlage JS6 bis JS8).

In den allgemeinen Geschäftsbedingungen auf seiner Internetseite www…..de verwendet der Beklagte u. a. folgende Klausel (Anlage JS9):

„§ 11 Schlussbestimmungen

C....de und der Kunde werden die nichtige Bestimmung durch eine solche wirksame ersetzen, die dem Willen der Vertragspartner wirtschaftlich am nächsten kommt.“

Auch diese Formulierung beanstandete die Klägerin als wettbewerbswidrig und mahnte dem Beklagten deswegen mit Schreiben vom 12.06.06 erneut mit der Aufforderung ab, auch insoweit eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben und die Kosten der vorgerichtlichen Abmahnung zu übernehmen (JS 10). Der Beklagte gab die begehrte Unterlassungserklärung ab, trat dem Verlangen, Rechtsanwaltskosten zu erstatten, jedoch entgegen (Anlage JS11).

Ihren restlichen Kostenerstattungsanspruch, den die Klägerin insgesamt in Höhe von € 1.286,20 auf der Grundlage eines Streitwerts von € 42.500.- berechnet, verfolgt sie in Höhe von € 874,90 in dem vorliegenden Rechtsstreit.

Die Klägerin hat (soweit in der Berufungsinstanz noch von Interesse) in erster Instanz beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin € 874,90 nebst Zinsen gemäß § 288 Abs. 1 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, auf die seitens der Klägerin verauslagten Gerichtskosten Zinsen gemäß § 288 Abs. 1 BGB seit dem Zeitpunkt ihrer Einzahlung bis zur Beauftragung der Kostenfestsetzung nach Maßgabe der auszuurteilenden Kostenquote zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist dem klägerischen Anspruch entgegen getreten. Er bestreitet u. a. eine wettbewerbliche Relevanz der angegriffenen AGB-Klausel. Er hält auch den von der Klägerin angesetzten Streitwert für erheblich überhöht und weist darauf hin, dass die Abmahnung der Klägerin nur wenige Tage nach Bekanntgabe der Indizierung im Bundesanzeiger erfolgt ist. Eine nachhaltige Störung der Geschäftstätigkeit bzw. Absatzmöglichkeiten der Klägerin könne hierdurch nicht eingetreten sein.

Das Landgericht hat den Beklagten mit Urteil vom 17.04.07 antragsgemäß verurteilt. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten. Er verfolgt in zweiter Instanz sein Klagabweisungsbegehren unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Sachvortrags weiter.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Hamburg, Kammer 16 für Handelssachen, vom 17.04.07 die Klage abzuweisen.

hilfsweise,

Schutzanordnungen gem. § 712 ZPO zu Gunsten des Beklagten zu erlassen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil auf der Grundlage der bereits erstinstanzlich gestellten Anträge. Den Antrag auf Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zur Verzinsung der Gerichtskosten hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 18.03.08 – ohne Präjudiz für die Sach- und Rechtslage – zurückgenommen.

Die Parteien haben mit Schriftsätzen vom 29.02. und 10.03.08 ihre Zustimmung zu einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erteilt.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils sowie auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat den Beklagten zu Recht und mit zutreffender Begründung zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verurteilt. Der Senat nimmt zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine abweichende Entscheidung. Es gibt dem Senat Anlass zu folgenden ergänzenden Anmerkungen:

1. Soweit der Beklagte auch in zweiter Instanz die Rüge der örtlichen Unzuständigkeit des Landgerichts Hamburg erhebt, kann gemäß § 513 Abs. 2 ZPO hierauf die Berufung nicht gestützt werden. Das Landgericht hat seine Zuständigkeit auch nicht offensichtlich willkürlich angenommen.

a. Das Landgericht hatte sich zur Begründung seines Rechtsstandpunkts auf die Rechtsprechung des Senats (Senat GRUR-RR, 05, 31 - Firmenporträt) bezogen. In dem ersten Leitsatz zu dieser Entscheidung ist ausgeführt:

„Isoliert - ohne den entsprechenden Unterlassungsanspruch - geltend gemachte Klagen auf Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht aus einem wettbewerbswidrigen Verhalten können selbst dann ebenfalls im Gerichtsstand des vorbeugenden Unterlassungsanspruchs erhoben werden, wenn der Kläger keine schadensverursachende Handlung in diesem Bezirk dargelegt hat.“

Ein Gerichtsstand des Unterlassungsanspruchs wäre unzweifelhaft vor dem Landgericht Hamburg eröffnet gewesen, weil der Beklagte mit einem Online-Shop im Internet bundesweit auftritt.

b. Zwar mag es Zweifeln unterliegen, ob diese Rechtsprechung auch auf bezifferte Schadens- bzw. Aufwendungsersatzansprüche übertragbar ist. Der Senat hatte diese Frage in dem in Bezug genommenen Urteil nicht zu entscheiden gehabt, ebenso wenig wie die Frage, was zu gelten hat, wenn ein Schadenersatzfeststellungsanspruch isoliert in dem Gerichtsstand des Unterlassungsanspruchs erhoben wird (Senat, a.a.O., Seite 32). Selbst wenn man die begründete Auffassung des Landgerichts zur örtlichen Zuständigkeit Hamburger Gerichte im vorliegenden Fall - wofür einiges spricht - inhaltlich nicht zu teilen vermag, liegen die Voraussetzungen einer willkürlichen Annahme des Gerichtsstandes bzw. sachwidriger Erwägungen noch nicht einmal in Ansätzen vor. Es hat deshalb dabei zu bleiben, dass ein Berufungsangriff hierauf gemäß § 513 Abs. 2 ZPO nicht gestützt werden kann.

2. Durch das Angebot des streitgegenständlichen Computerspiels hat der Beklagte gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Nr. 6 JuSchG verstoßen. Denn Vorschriften zum Schutze der Jugend stellen Marktverhaltensregelungen zum Schutze des Verbrauchers dar (BGH WRP 07, 1173, 1177 - Jugendgefährdende Medien bei eBay).

a. Der Umstand, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Computerspiel „50 Cent Bulletproof“ um ein jugendgefährdendes und dementsprechend verbotenes Produkt handelt, steht zwischen den Parteien nicht ernsthaft im Streit. Soweit der Beklagte in Zweifel zieht, dass es sich bei dem von ihm angebotenen Spiel gerade um die indizierte „EU-Version“ handelt, kann er damit keinen Erfolg haben. Die Klägerin durfte in Abwesenheit sonstiger Anhaltspunkte ohne Weiteres davon ausgehen, dass ein in der Europäischen Union ansässiger Anbieter die für diesen Wirtschaftsraum auf den Markt gebrachte und allgemein zugelassene Version anbietet. Weiterer Sachvortrag war hierfür zunächst nicht erforderlich. Sofern der Beklagte geltend machen wollte, sein Angebot beziehe sich auf eine andersartige Programmversion (wobei noch nicht einmal konkret vorgetragen ist, dass in Deutschland überhaupt andere Versionen erhältlich sind), hätte es ihm oblegen, diesen abweichenden Sachverhalt seinerseits vorzutragen. Dies insbesondere deshalb, weil der Beklagte in dem vorgerichtlichen Schriftwechsel den Rechtsverstoß nicht bestritten, sondern sich darauf berufen hatte, das Spiel "unwissentlich" im Bestand geführt zu haben. Keinesfalls konnte sich der Beklagte im Hinblick auf § 138 Abs. 2 und Abs. 4 ZPO für eine erfolgreiche Anspruchsverteidigung darauf beschränken, den Sachvortrag der Klägerin insoweit - ohne eine Identität ausdrücklich zu bestreiten – nur allgemein im Zweifel zuziehen.

b. Wird gegen verbraucherschützende Marktverhaltensnormen des JuSchG verstoßen, so wird der Wettbewerb im Sinne von § 3 UWG zum Nachteil der Verbraucher nicht nur unerheblich beeinträchtigt.

aa. Die Beschränkung des Versandhandels mit indizierten Medien dient insbesondere dem Schutz der Kinder und Jugendlichen, bei denen es sich um besonders schutzwürdige Verbraucher handelt. Die erhebliche Bedeutung dieses Jugendschutzes findet Ausdruck in der strafrechtlichen Ahndung von Zuwiderhandlungen gegen das Verbot des Versand- und damit auch Internethandels mit derartigen Medien (BGH WRP 07, 1173, 1177 - Jugendgefährdende Medien bei eBay). Eine derartige Beeinträchtigung stellt sich damit schon aus der Natur der Sache als "nicht nur unerheblich“ im Sinne dieser Vorschrift dar. In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, wie viele Zugriffe es in dem Referenzzeitraum auf das beanstandete Produkt tatsächlich gegeben hat. Eine unerlaubte Handlung ist auch nicht schon deshalb nicht "erheblich, weil sie nur einmal oder nur für eine kurze Zeit vorgenommen worden ist (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Aufl., § 3 Rdn. 61) Die gegenteilige Auffassung des Beklagten teilt der Senat nicht.

bb. Die von dem Beklagten gegen eine (fehlende) Würdigung der Erheblichkeit im Einzelfall durch das Landgericht vorgebrachten Einwände überzeugen nicht. Der Beklagte war in eigener Verantwortung verpflichtet, sein Angebot fortlaufend daraufhin zu überprüfen, ob es indizierte Produkte enthielt bzw. ob sich der Status bislang unbeanstandeter Produkte verändert hatte. Der Beklagte konnte diese rechtliche Verpflichtung insbesondere nicht auf seinen Großhändler delegieren ("im Rahmen eines automatisierten EDV-Prozesses abrufbereit gestellt", "Modifikation der Daten an zentraler Stelle" und "automatisch zu einer entsprechenden Änderung im Shop des Beklagten") und sich darauf verlassen, dass dieser beizeiten die erforderlichen Maßnahmen ergreift. Schon der Umstand, dass er dies getan hat, begründet wettbewerbsrechtliche Wiederholungsgefahr für weitere erhebliche Verstöße, denn der Beklagte konnte die Erfüllung und Einhaltung seiner Rechtspflichten nicht mehr eigenverantwortlich gewährleisten.

cc. Selbst auf der Grundlage der Darlegungen des Beklagten hat dieses System indes versagt und sich als unzuverlässig erwiesen. Die Veröffentlichung der Indizierung ist am 31.03.06 im Bundesanzeiger erfolgt (Anlage JS3). Die Klägerin hat den Beklagten erst eine Woche später, nämlich am 07.04.06 abgemahnt, wobei das Abmahnschreiben nach einem handschriftlichen Vermerk auf der Anlage JS4 erst am 09.04.06 zur Post gegeben worden ist und damit den Beklagten nicht vor dem 10.04.06 erreicht hat. Der Senat muss aus Anlass dieses Rechtsstreits nicht entscheiden, ob die Erheblichkeitsschwelle im Einzelfall möglicherweise ausnahmsweise dann nicht überschritten sein kann, wenn sofort nach der Veröffentlichung im Bundesanzeiger abgemahnt wird. Darum geht es hier nicht. Bereits der Zeitraum von 7 Tagen, allemal aber der Zeitraum von 10 Tagen ist geeignet, in erheblicher Weise den Wettbewerb zu Lasten rechtstreuer Mitbewerber zu beeinträchtigen, die die Veröffentlichung im Bundesanzeiger beachten und sofort eine Umstellung vornehmen. Die genannten Zeitläufe sind zudem auch mehr als ausreichend, um dem Beklagten eine angemessene Gelegenheit zugeben, die Angaben in seinem Produktangebot anzupassen, ohne dass der Senat aus Anlass dieses Rechtsstreits darüber zu entscheiden hat, ob dem Beklagten eine derartige Umstellungsfrist überhaupt zuzubilligen ist. Bei dieser Sachlage kann sich der Beklagte jedenfalls nicht erfolgreich darauf berufen, dass die wettbewerbliche Beeinträchtigung nur unerheblich gewesen sei und er sich auf eine automatische Aktualisierung durch seinen Großhändler habe verlassen dürfen.

3. Auch die von der Klägerin beanstandete Klausel in den allgemeinen Geschäftsbedingungen des Beklagten ist als Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB wettbewerblich unzulässig.

a. Allerdings ist der Senat - worauf der Beklagte zutreffend hinweist - in seiner bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass nicht jede Verwendung einer unwirksamen AGB-Klausel zugleich einen relevanten Wettbewerbsverstoß i. S. v. §§ 3,4 Nr. 11 UWG darstellt. Der Senat hat hierzu u. a. ausgeführt (Senat OLGRep 07, 149 – Marktverhaltensregelnde AGB):

„Nach Auffassung des Senats könnte daher allenfalls die Verwendung solcher allgemeiner Geschäftsbedingungen Gegenstand eines Verbots nach § 4 Nr.11 UWG sein, deren Verwendung sich im Markt , d.h. bei der Nachfrageentscheidung des Verbrauchers im Vorfeld des Vertragsschlusses auswirkt. Als gemäß § 307 BGB unzulässige Klausel, die sich auch am Markt , und zwar zu Lasten der Mitbewerber und Verbraucher – nämlich bei der Kundenakquise – auswirken könnte und daher möglicherweise über § 4 Nr.11 UWG verboten werden könnte, sei beispielhaft auf den bei Ulmer/Brandner/Hensen (AGB-Recht, 10.Aufl., § 1 UKlaG Rn.2) genannten Fall hingewiesen, dass eine Bank sich in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Sparkontovertrags das Einverständnis des Kunden geben lässt, ihn zwecks Verabredung von Besuchsterminen zum Abschluss von Versicherungsverträgen anrufen zu dürfen (nach OLG Stuttgart BB 97, 2181). Beispiel für eine Verbraucherschutzvorschrift, die eine Regelung des Marktverhaltens enthält, ist die Belehrungspflicht des Verkäufers im Fernabsatz nach § 312 c Abs.1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs.1 BGB-InfoVO, welche rechtzeitig vor Abgabe der Vertragserklärung des Käufers zu erfolgen hat.“

Diese Auffassung ist in der Rechtsprechung zum Teil auf Ablehnung gestoßen (KG GRUR-RR 07, 291 - Postwegvorbehalt), zum Teil hat sie Zustimmung gefunden (OLG Köln GRUR-RR 07, 285 ff. - Schriftformklauseln). Die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erfordert keine Stellungnahme dazu, ob an dieser Rechtsprechung des Senats auch in Zukunft festzuhalten ist (vgl. hierzu zuletzt Köhler NJW 08, 177 ff). Ein Wettbewerbsverstoß liegt im vorliegenden Fall auch bereits auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Senats vor.

b. Denn bei der von der Klägerin angegriffenen AGB-Klausel in § 11 der Geschäftsbedingungen handelt es sich um eine solche Bestimmung, deren Verwendung sich am Markt, d. h. bei der Nachfrageentscheidung des Verbrauchers im Vorfeld des Vertragsschlusses auswirken kann.

aa. Die streitgegenständliche sog. "salvatorische Klausel" ist AGB-rechtlich gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam und damit nichtig. Hierauf hat das Landgericht zutreffend hingewiesen. Weitere Ausführungen hierzu sind nicht veranlasst, zumal auch der Beklagte die Unwirksamkeit nicht ernsthaft in Frage stellt.

bb. Die rechtliche Besonderheit dieser Klausel in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht liegt darin, dass eine salvatorische Klausel aus der Natur der Sache keinen materiell-rechtlichen Regelungsgehalt zum konkreten Vertragsinhalt bzw. zur Vertragsabwicklung enthält. Vielmehr handelt es sich hierbei um eine allgemeine Bestimmung, die sich uneingeschränkt auf das gesamte AGB-Klauselwerk bezieht. Die Funktion der nichtigen salvatorischen Klausel ist deshalb nicht die Regelung einer bestimmten Vertragskonstellation, sondern die Vorsorge, dass irgendeine AGB-Bestimmung wegen Unwirksamkeit ersatzlos entfallen könnte. Mit diesem Regelungsgehalt erfasst die salvatorische Klausel sämtliche anderen AGB-Bestimmungen, deren Schicksal sie zu regeln gedacht ist. Dementsprechend besteht ihr (wettbewerbs)rechtlich relevanter Gehalt nicht darin, dass sie einen bestimmten Wettbewerbssachverhalt regelt, sondern darin, dass sie verhindert soll, dass eine wettbewerbsrechtliche relevante AGB-Klausel ersatzlos fortfällt. Die unwirksame salvatorische Klausel entfaltet damit bei jeder einzelnen AGB-Bestimmung des streitgegenständlichen Klauselwerks des Beklagten ihre Wirkung. Sie erfasst damit zwar nicht nur, aber auch solche AGB-Bestimmungen, die sich im Vorfeld des Vertragsschlusses auswirken. Dies ist etwa bei AGB-Klauseln der Fall, die den Vertragsschluss, dessen Zustandekommen bzw. nähere Ausgestaltung selbst oder z.B. Vorschriften über die Speicherung von Kundendaten im Falle eines Vertragsschlusses regeln. Derartige Klauseln, deren Verwendung - wenn sie unwirksam sind - auch nach der Rechtsprechung des Senats einen Wettbewerbsverstoß darstellt, soll die salvatorische Klausel vor einer ansonsten drohenden Nichtigkeit bewahren. Sie ist deshalb auch dazu gedacht, insoweit die Nachfrageentscheidung des Verbrauchers im Markt zu beeinflussen und dem Beklagten Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Aus den genannten Gründen stellt sich deshalb auch auf der Grundlage der Rechtsprechung des Senats die Verwendung der streitgegenständlichen salvatorische Klausel als Verstoß gegen §§ 3,4 Nr. 11 UWG dar.

cc. Für die wettbewerbsrechtliche Relevanz einer unwirksamen salvatorische Klausel ist es unerheblich, ob sich das sonstige Klauselwerk konkret als rechtlich unbedenklich darstellt oder nicht. Es insbesondere nicht veranlasst, für die Frage der wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit einer derartigen Klausel das gesamte Regelungsgefüge der AGB vollständig auf seine rechtliche Unbedenklichkeit zu überprüfen. Wettbewerbsrechtlich relevant ist eine derartige Klausel bereits dann, wenn sie darauf zielt, gegenwärtige oder zukünftige Vertragsbestimmungen vor den Folgen einer etwaigen rechtlichen Unwirksamkeit möglichst effektiv im Sinne des Klauselverwenders zu schützen.

4. Dementsprechend war der Beklagte verpflichtet, gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG die der Klägerin erwachsenen Kosten der Abmahnung zu erstatten.

a. Der von der Klägerin für den Verstoß gegen das Jugendschutzgesetz festgesetzte vorgerichtliche Streitwert von € 30.000.- ist nicht zu beanstanden. Eine Wertfestsetzung in dem Bereich von rund € 25.000.- bis € 30.000.- € entspricht insoweit auch der Rechtsprechung des Senats. Die Wertfestsetzung orientiert sich in Fällen von Verstößen gegen das JuSchG nicht in erster Linie an den gefährdeten Umsatzinteressen des Klägers, sondern an der Gefährlichkeit der angegriffenen Handlung und damit an dem Angriffsfaktor. Denn ein (auch nur kurzzeitiger) Verstoß gegen § 15 Abs. 1 Nr. 6 kann gem. § 27 Abs. 1 Nr. 1 JuSchG mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe geahndet werden. Die Annexansprüche waren ebenfalls - wenngleich nur pauschal - Gegenstand der vorgerichtlichen Abmahnung wegen der indizierten Software. Der hierfür von der Klägerin festgesetzte Streitwert übersteigt zwar die übliche Wertfestsetzung des Senats geringfügig. Im Hinblick darauf, dass die Klägerin beide Abmahnungen auf der Grundlage eines einheitlichen Streitwert verfolgt, belastet dies den Beklagten indes nicht, zumal sich insoweit auch kein Gebührensprung ergibt (€ 42.500.- statt € 41.000.-). Auch für den Verstoß gegen das AGB-Gesetz ist der festgesetzte Streitwert von € 5.000.- nicht zu beanstanden.

b. Im Hinblick auf die von dem Beklagten bereits vorprozessual gezahlten Anwaltskosten ergibt sich damit ein weiterer Anspruch in Höhe von € 874,90.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 269 Abs. 3, 92 Abs. 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Rücknahme des Verzinsungsantrages wirkt sich auf die Kostenverteilung nicht aus.

Die beantragten Schutzanordnungen gemäß § 712 ZPO sind demgemäß nicht zu Gunsten des Beklagten zu erlassen, zumal der Beklagte insoweit auch die tatsächlichen Voraussetzungen nicht dargelegt hat.

Der Rechtsstreit bietet dem Senat keine Veranlassung, gem. § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen. Der Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung, sondern beschränkt sich auf die Anwendung feststehender Rechtsgrundsätze auf den konkreten Einzelfall. Einer Entscheidung des Revisionsgerichts bedarf es auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.

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