Hessen: Frankfurt

Beschluss vom OLG Frankfurt

Entscheidungsdatum: 12.05.2009
Aktenzeichen: 11 W 15/09

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antraggegners gegen den Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main – 3. Zivilkammer – vom 27.01.2009 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Antragstellerin ist Inhaberin der Urheberrechte an dem Computerprogramm "Microsoft Windows XP Professional". Zum Schutz vor Produktpiraterie stattet sie ihre Computerprogramme mit einer Reihe von Sicherheitsmerkmalen aus, u.a. sogenannten Echtheitszertifikaten (COA), die neben der Marke "Microsoft" den Namen der jeweiligen Software sowie häufig auch die für die Programminstallation nötige Seriennummer (Product - Key) enthalten. Der Beklagte hat am 30.11.2008 auf der Handelsplattform ebay mehrere – von der Antragstellerin stammende - "Original" - COAs mit der Angabe " XP Professional Vollversionen Lizenzkey", "Der Lizenz – Key ist unregistriert! Für alle XP–PRO Versionen verwendbar! Einsetzbar auf jedem PC oder Notebook/Laptop" zum Kauf angeboten (Anl. Ast 5 = Bl. 35 d.A.).

Das Landgericht hat dem Antragsgegner durch einstweilige Verfügung vom 26.11.2008 sinngemäß u. a. untersagt, ohne Einwilligung der Antragstellerin Echtheitszertifikate anzubieten, feilzuhalten und /oder sonstwie in den Verkehr zu bringen. Wegen des genauen Wortlauts wird auf die Beschlussverfügung vom 26.11.2008 (Bl. 40 – 42 d.A.) Bezug genommen.

Hiergegen hat der Antragsgegner mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 10.12.2008 Widerspruch eingelegt und beantragt, ihm zur Durchführung des Widerspruchsverfahrens Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Zur Begründung seines Widerspruchs hat er im Wesentlichen vorgetragen:

Bei den streitgegenständlichen COAs handele es sich um solche, für die Ersterwerber einer sog. Volumenlizenz keine Verwendung gehabt hätten, weil sie zu viele Lizenzen bzw. COAs erworben hätten. In diesen Fällen veräußerten sie die nicht benötigten COAs an Händler zum Weiterverkauf. Auf diesem Weg habe er, der Antragsgegner, die COAs erworben.

Bei Volumenlizenzen gestatte die Antragstellerin ihren Großkunden, das Programm zu vervielfältigen und die Vervielfältigung zu verkaufen. Bei diesem Vertriebsweg stelle die COA die einzige Verkörperung dar, der Productkey sei der Schlüssel zum Programm, nur mit ihm lasse sich das Programm installieren. Die mehrfache Verwendung des Keys sei ausgeschlossen, es könnten somit nicht mehr Programme von Anwendern betrieben werden, als die Antragstellerin ausgegeben habe. Insbesondere finde kein von der Antragstellerin nicht gebilligtes Kopieren ihrer Programme statt. Die Antragstellerin habe mit dem Erstverkauf eines COA dessen Benutzung bereits zugestimmt. Durch die Weiterveräußerung werde nur die von ihr gebilligte unkörperliche Programmnutzung weitergegeben.

Es liege auch keine Entbundelung vor, da die gehandelten COAs nie Bestandteil eines Bundles gewesen seien. Die COAs würden von der Antragstellerin zum Zwecke der Installation, zum Betrieb und zur Registrierung von Programmen ohne Handbuch und ohne CD-ROM hergestellt. Sie habe es in der Hand, wie viele solcher Productkeys sie vertreibe und entsprechende Lizenzen in den Verkehr bringe.

Die kennzeichenrechtlichen Befugnisse der Antragstellerin seien erschöpft, nachdem die mit ihrer Marke und geschäftlichen Bezeichnung versehene Ware mit ihrer Zustimmung in Verkehr gelangt sei. Auch das urheberrechtliche Verbreitungsrecht sei durch Veräußerung erschöpft. Dabei spiele es keine Rolle, ob die Verbreitung in körperlicher oder unkörperlicher Form erfolgt sei. Entscheidend sei, dass sich durch den isolierten Vertrieb von COAs die Zahl der Anwenderprogramme nicht ändere. Diese Zahl habe die Antragstellerin selbst bestimmt und vergütet erhalten.

Die Antragstellerin behaupte zu Unrecht, bei den COAs handele es sich nicht um Lizenzen, sondern um bloße Mittel zur Fälschungssicherung. Dem stehe schon entgegen, dass sie die COAs auch isoliert in Verkehr bringe. Ginge es nur um die Echtheitsbestätigung, so wäre kein Productkey erforderlich.

Das Landgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit dem angefochtenen Beschluss vom 27.01.2009 wegen fehlender Erfolgsaussicht zurückgewiesen. Es hat gemeint, der Antragsgegner habe durch den Erwerb der COAs selbst keine von der Klägerin abgeleiteten Rechte zur Vervielfältigung erwerben können und sei daher auch nicht befugt, Dritten eine Vervielfältigung zu gestatten. Auf die Frage der Erschöpfung bei unkörperlichen Formen des Softwarevertriebs komme es nicht an, weil Erschöpfung immer nur für Vervielfältigungsstücke und bezogen auf das Verbreitungs-, nicht aber hinsichtlich des Vervielfältigungsrechts eintreten könne. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf Bl. 146 – 152 d.A. Bezug genommen.

Gegen den ihm am 30.02.2009 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner mit bei dem Oberlandesgericht am 13.02.2009 eingegangenem Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 10.02.2009 "Beschwerde" eingelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere frist- und formgerecht (§§ 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, 569 ZPO) . In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat die Erfolgsaussicht im Ergebnis zu Recht verneint und dem Antragsgegner untersagt, ohne Einwilligung der Antragstellerin Echtheitszertifikate für das Computerprogramm "Windows XP Professional" als Lizenzen für das Computerprogramm anzubieten, feilzuhalten und in den Verkehr zu bringen.

Dabei kann letztlich offen bleiben, ob die COAs – wie der Antragsgegner meint und im Rahmen seiner Beschwerdebegründung umfangreich darzulegen versucht – neben ihrer Funktion, die Echtheit eines bestimmten Softwareprogramms zu bestätigen, zugleich eine Art Lizenzfunktion haben. Entscheidend ist, dass nach dem Vortrag des Antragsgegners mit Hilfe des auf den COAs abgedruckten Product – Keys die streitbefangene Software installiert werden kann. Gerade wenn die COAs in diesem Sinn neben ihrer Funktion, die Authentizität einer bestimmten Software zu bescheinigen, auch (Lizenz-)rechte verkörperten, wären sie nicht ohne Zustimmung der Antragstellerin an Dritte übertragbar. Denn es ist grds. allein der Antragstellerin als Urheberrechtsinhaberin vorbehalten zu entscheiden, wem sie Nutzungsrechte an den von ihr entwickelten Softwareprogrammen einräumt (§§ 34, 69 c UrhG) .

Etwas anderes folgt für den zu beurteilenden Sachverhalt auch nicht aus dem Grundsatz der Erschöpfung.

Ob ein Erstlizenznehmer berechtigt ist, die erworbene Software bzw. die erteilte Lizenz an Dritte zu veräußern, ergibt sich häufig schon aus den vertraglichen Vereinbarungen zwischen Lizenzgeber und Ersterwerber. Da hierzu von den Parteien nichts vorgetragen wurde, kommt es – entgegen der Auffassung des Landgerichts – auf die Frage der Erschöpfung beim Softwarehandel in unkörperlicher Form an. Der Erschöpfungsgrundsatz besagt, dass dem Rechtsinhaber nur das Recht zur Erstverbreitung zusteht und er keine Möglichkeit hat, die Art und Weise der Weiterverbreitung einzuschränken ( Dreier/Schulze, UrhG, 3. Aufl. § 17 Rn. 25). Wäre bei dem hier zu beurteilenden Sachverhalt von Erschöpfung auszugehen, so könnte die Antragstellerin die Weiterübertragung des Computerprogramms vom Erst- auf den Zweiterwerber nicht unterbinden, so dass auch der isolierte Handel mit COAs unter urheberrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden wäre.

Der Antragsgegner kann sich jedoch nicht auf Erschöpfung berufen. Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt hat, dass Erschöpfung nur an einem bestimmten – körperlichen – Werkexemplar und nicht an Rechten bzw. Rechte verkörpernden Urkunden eintreten kann.

Die Beschwerdebegründung gibt keinen Anlass zu einer Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Legt man den Vortrag des Antraggegners zugrunde, beschaffen sich die (Zweit-)Erwerber eines oder mehrerer COAs das Computerprogramm selbst durch Downloaden, wozu sie mittels des Productkeys in die Lage versetzt werden.

Zu der Frage, ob Erschöpfung auch bei online zugespielten Programmen und insbesondere bei sog. Volumenlizenzen analog § 69 c UrhG eintritt, werden in Rechtsprechung und Schrifttum zwar unterschiedliche Auffassungen vertreten. Nach der vorherrschenden Ansicht greift jedoch der Erschöpfungsgrundsatz bei Lizenzen, die nur zum Download von Software berechtigen, grundsätzlich nicht (OLG München, CR 06, 655; MMR 08, 691).Eine Erschöpfung kann nach dieser Auffassung allenfalls dann eintreten, wenn die Software auf einem Datenträger in Verkehr gebracht worden ist.

Zwar mehren sich im Schrifttum die Stimmen, die den Erschöpfungsgrundsatz nach § 69 c Nr. 3 Satz 2 UrhG auf per Download erworbene Software analog anwenden wollen (vgl. die Übersicht bei Spindler, CR 2008, 69, 70 ff).

Dem steht jedoch entgegen, dass sich das Verbreitungsrecht immer nur an Werkstücken und nicht an Rechten erschöpft. Wird deshalb bei der Weiterveräußerung ein Vervielfältigungsstück überhaupt nicht in Verkehr gebracht, so kann sich auch das Verbreitungsrecht nicht daran erschöpfen (Spindler a.a.O.).

Dieser Auffassung neigt auch der Senat zu.

Selbst wenn man in solchen Fällen eine analoge Anwendung des Erschöpfungsgrundsatzes für möglich und geboten erachten würde, bezöge sich die Erschöpfung nur auf dieses "Werkstück" und nicht auf beliebige Downloadvorgänge. Auch bei einer analogen Anwendung des Erschöpfungsgrundsatzes würde der Erschöpfungsgrundsatz nur das Verbreitungs- und nicht das Vervielfältigungsrecht berühren (OLG München a.a.O.). Demzufolge ist nur der Ersterwerber berechtigt, die Software durch Download zu vervielfältigen. Bei einer Volumenlizenz kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass der Ersterwerber berechtigt sein soll, dem Zweiterwerber die Nutzungsrechte abzutreten bzw. diesen zum Download zu ermächtigen (Spindler a.a.O.; Huppertz, CR 06, 145, 149; a.A. Hoeren , Anl. B2 u. B3 zur Klagebegründung; wohl auch Grützemacher, CR 07, 549). Daran ändert der Umstand, dass nicht mehr Vervielfältigungsstücke hergestellt werden als vom Lizenzgeber ursprünglich bewilligt, nichts. Denn das Einverständnis zur Vervielfältigung hat die Antragstellerin nur gegenüber dem Ersterwerber für dessen Zwecke und zum Einsatz beim Ersterwerber erteilt und nicht zur beliebigen Übertragung an Dritte.

Der Senat verkennt nicht, dass die im vorliegenden Fall aufgeworfenen Rechtsfragen in Rechtsprechung und Schrifttum weiterhin kontrovers behandelt werden und das PKH – Verfahren nicht dem Zweck dient, über zweifelhafte Rechtsfragen abschließend vorweg zu entscheiden. Deshalb darf eine untere Instanz die Erfolgsaussicht nicht verneinen, wenn eine schwierige entscheidungserhebliche Rechtsfrage nicht geklärt ist und es angebracht erscheint, dass die höhere Instanz sich mit ihr befasst. Würde in derartigen Fällen PKH verweigert, verstieße dies gegen Art. 3 Abs. 1 GG und das Rechtsstaatsprinzip (Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl., § 114 Rn. 21 m.w.N.).

Dieser Aspekt nötigt im vorliegenden Fall gleichwohl nicht dazu, dem Antragsgegner PKH zu bewilligen. Die obergerichtliche Rechtssprechung und die hA. ist derzeit im Hinblick auf die Entscheidung des OLG München (MMR 08, 601 m.zust.Anm. v.Moritz) eindeutig. Das OLG München hat ausgeführt, die Rechtslage sei so klar und eindeutig, dass sie weder einer Bestätigung durch den BGH noch den EUGH bedürfe. Die Beschränkung der Erschöpfungswirkung auf körperliche Werkstücke und das Verbreitungsrecht entspricht auch der überwiegenden Meinung in der Literatur (Schricker/Loewenheim, UrhG, 3. Aufl. § 69 c Rn. 33; Dreier/Schulze a.a.O. § 69 c Rn. 25; Bräutigam/Lederer, jurisPR – ITR 17/2008 jeweils m.w.N.).

Somit verletzt der Antragsgegner durch den Vertrieb der COAs das ausschließlich der Antragstellerin zustehende Vervielfältigungsrecht, indem er rechtswidrige Vervielfältigungen Dritter durch Downloaden des Programms ermöglicht (§§ 97, 69 c Abs. 1 Nr. 1 UrhG) . Vor diesem Hintergrund besteht kein Anlass, dem Antragsgegner PKH wegen noch umstrittener Rechtsfragen zu bewilligen.

2. Hinsichtlich des markenrechtlichen Unterlassungsanspruchs liegen die Voraussetzungen für die Gewährung von PKH ebenfalls nicht vor. Zwar könnte fraglich sein, ob der Unterlassungstenor die Verletzungshandlung ausreichend konkret umschreibt, weil es sich bei den von dem Antragsgegner angebotenen COAs nach dessen Vortrag nicht um sog. unbundelte Zertifikate handelt, die von der Antragstellerin nur zusammen mit weiteren Bestandteilen in den Verkehr gebracht worden sind. Dies würde aber allenfalls zu einer Konkretisierung des Unterlassungstenors im Hinblick auf die konkrete Verletzung führen.

Selbst wenn der markenrechtliche Anspruch insgesamt entfiele, würde dies nicht zu einem Teilobsiegen des Antragstellers führen, weil ihm der isolierte Vertrieb der COAs schon aufgrund des Antrags zu 1 verboten ist, so dass letztlich der Antrag zu 1. den Antrag zu 2. erfasst und letzterem keine eigenständige gebührenrechtliche Bedeutung zukommt.

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