„Wem gehört’s?“ – Verbreitungsrecht im Sinne des Urheberrechts
Urteil vom LG Berlin
Entscheidungsdatum: 14.07.2009
Aktenzeichen: 16 O 67/08
Leitsätze
1. Das Verbreitungsrecht an einer Musikdatei ist nicht dadurch erschöpft, dass die Datei mittels Download auf einem Datenträger gespeichert wurde, § 17 II UrhG.
2. Die Weitergabe eines Vervielfältigungsstücks des Werkes stellt einen Verstoß gegen § 17 UrhG dar, da das Vervielfältigungsrecht ein Recht des Werkschöpfers ist.
3. Die Möglichkeit des Downloadens der Musikdatei entspricht dem öffentlichen Zugänglichmachen einer unkörperlichen Datei.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Verwendung einer Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten, die den Weitervertrieb etc. von im Wege des Downloads erworbenen Musikdateien vorbehaltlich abweichender gesetzlicher Regeln verbietet.
Der Kläger ist der Dachverband aller 16 Verbraucherzentralen in Deutschland. Er ist der Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen.
Die Beklagte ist Betreiberin eines Online-Dienstleistungsangebotes namens "…", wo sie den entgeltpflichtigen Download von Musikdateien anbietet. Sie verwendet dabei folgende deutschsprachige Klausel in ihren "Dienstleistungsbedingungen": "Sie sind lediglich berechtigt, die Produkte für ihre persönlichen, nicht-gewerblichen Zwecke zu verwenden. Der Weitervertrieb, die Weitergabe, Übergabe oder Unterlizenzierung ist vorbehaltlich abweichender zwingender gesetzlicher Regeln nicht gestattet." Die Beklagte erklärt in ihren Dienstleistungsbedingungen deutsches Recht für anwendbar.
Der Kläger hält diese Klausel für unzulässig. Sie hält sich für klagebefugt gemäß §§ 1, 2 3 Abs. 1 Nr. UKlaG. Die Klausel verstoße gegen zwingende Verbraucherschutzvorschriften.
Die Klausel widerspreche grundsätzlichen Wertungen des Kaufrechts, zu denen die uneingeschränkte Verfügungsmacht und Verwendungsfreiheit über den Kaufgegenstand gehöre. Durch den Wortlaut der Klausel werde gerade auch die Weitergabe in der Form untersagt, in der die Datei erworben worden sei, nämlich in immaterieller Form, z. B. durch Versand per E-Mail. Keines der urheberrechtlichen Ausschließlichkeitsrechte werde durch den Versand per E-Mail betroffen. Denn durch die unkörperliche Übermittlung werden in das Verbreitungsrecht nicht eingegriffen. Das Versendern einer E-Mail stelle keine "Zugänglichmachung" i. S. d. § 19 a UrhG dar. Die beim E-Mail-Versand erforderlichen Vervielfältigungsstücke seien von § 53 UrhG und § 44 a UrhG gedeckt. Die Klausel stelle daher eine unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1 Abs. 2 Nr. 2 BGB dar.
Zudem sei die Klausel überraschend gemäß § 305 c BGB, da der Käufer mit ihr nicht rechne.
Die Klausel sei auch intransparent und verstoße daher gegen §§ 305 Abs. 2, 307 Abs. 1 S. 2 BGB.
Schließlich verstoße die Klausel gegen den nicht abdingbaren, analog anzuwendenden Grundsatz der Erschöpfung gemäß § 17 Abs. 2 UrhG. Die Erschöpfung erfasse auch unkörperliche Werkexemplare, weil der Erwerbsvorgang eines körperlichen Werkexemplars wirtschaftlich und tatsächlich vergleichbar sei. Das Interesse des Rechtsverkehrs an einer freien Zirkulation des Werkexemplars sei in beiden Fällen gleich gelagert. Dem stehe auch nicht die Richtlinie 2001/29/EG entgegen.
Der Kläger begehrt ferner Zinsen für den Gerichtskostenvorschuss.
Der Kläger beantragt,
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu Euro 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an dem Managing Director der Beklagten, zu unterlassen,
im Zusammenhang mit dem Verkauf von Musikdateien in Online-Diensten an Verbraucher, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, nachfolgende oder inhaltsgleiche Bestimmungen in Bezug auf die gegen Entgelt per Download erworbenen Musikdateien einzubeziehen sowie, sie auf eine solche Bestimmung gegenüber dem Verbraucher zu berufen:
"Der Weitervertrieb, die Weitergabe, Übertragung oder die Unterlizenzierung ist vorbehaltlich abweichender zwingender gesetzlicher Regeln nicht gestattet.
2. Die Beklagte wird verurteilt, Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten p. a. über dem Basiszinssatz auf den von dem Kläger geleisteten Gerichtskostenvorschuss ab Rechtshängigkeit bis zur Festsetzung der Kosten gemäß § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO an den Kläger zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält die Klausel für zulässig.
Die Rechte in Bezug auf die heruntergeladenen Musikstücke würden nicht durch Kaufrecht, sondern durch die urheberrechtlichen Befugnisse aus einem Lizenzvertrag bestimmt. Urheberrechtliche Nutzungsbefugnisse seien aber grundsätzlich nicht übertragbar.
Die Weiterveräußerung per E-Mail sei mit einer Vielzahl von Vervielfältigungen verbunden, die ihr Vervielfältigungsrecht berührten. Eine Privatkopie sei nur zum privaten Gebrauch zulässig, nicht aber zur Weiterleitung an Dritte, mit denen der Kopierende nicht persönlich verbunden sei oder wenn die Kopie unmittelbar oder mittelbar Erwerbszwecken diene.
Das Vervielfältigungsrecht könne nicht erschöpfen. Erschöpfung setzte zudem die Verbreitung eines Werkstücks voraus, woran es hier gerade fehle. Eine analoge Anwendung des § 17 Abs. 2 UrhG scheide aus, weil die Vorschrift Ausnahmecharakter besitze, eine planwidrige Regelungslücke nicht gegeben sei und auch keine vergleichbare Interessenlage vorliege. Schon aus Gründen der Rechtssicherheit sei eine analoge Anwendung des Erschöpfungsgrundsatzes abzulehnen. Eine andere Gesetzesauslegung verstieße auch gegen europäisches Gemeinschaftsrecht.
Die Klausel verstieße schließlich nicht gegen das Transparenzgebot. Der Zusatz verweise nur auf die bestehende Rechtslage und schränke sie nicht ein.
Gründe
A. Die zulässige Klage ist unbegründet.
1. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Unterlassung gemäß § 1 UKlaG. Denn die von der Beklagten verwendete Klausel ist nicht nach den §§ 307 bis 309 BGB unwirksam.
a) Die Klausel beinhaltet keine unangemessene Benachteiligung, insbesondere werden nicht wesentliche Rechte, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so eingeschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist, § 307 Abs. 1, 2 Nr. 2 BGB.
Entgegen der Annahme des Klägers würden durch den Weitervertrieb, die Weitergabe, die Übertragung oder die Unterlizenzierung die urheberrechtlichen Nutzungsrechte der Beklagten betroffen. Sie kann daher diese Nutzungsformen beschränken.
aa) Soweit der Weitervertrieb etc. der Musikdatei mit der Weitergabe eines Vervielfältigungsstücks des Werkes verbunden ist, verstößt die Weitergabe gegen § 17 UrhG. Denn danach ist das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten, dem Urheber vorbehalten.
Durch den Download der Musikdatei und die Festlegung auf einem Datenträger ist keine Erschöpfung des Verbreitungsrechts i. S. d. § 17 Abs. 2 UrhG eingetreten. Denn die Beklagte hat kein Werkstück verbreitet, sondern nur eine unkörperliche Datei öffentlich zugänglich gemacht. Das Verbreitungsrecht kann sich jedoch nur an Werkstücken erschöpfen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 12. Mai 2009, 11 W 15/09). Das erst von dem Kunden hergestellte Werkstück ist nicht von der Beklagten im Wege der Veräußerung in den Verkehr gebracht worden. Eine Erschöpfung des Verbreitungsrechts scheidet mithin aus.
Es kommt auch keine analoge Anwendung des Erschöpfungsrechts in Betracht. Denn sowohl das deutsche Urheberrecht als auch die Richtlinie 2001/29/EG beziehen sich ausdrücklich auf in einem Gegenstand verkörperte Werke (OLG München, MMR 2006, 748). Dementsprechend stellt der Erwägungsgrund 29 der RL 2001/29/EG ausdrücklich klar, dass sich die Frage der Erschöpfung nicht bei Online-Diensten stellt und dies auch für materielle Vervielfältigungsstücke eines Werkes gelte, die durch den Nutzer eines solchen Dienstes mit Zustimmung des Rechtsinhabers hergestellt worden sind. Dies betrifft genau den vorliegenden Fall. Es fehlt daher an einer Regelungslücke, die Voraussetzung einer analogen Anwendung wäre.
bb) Der Weitervertrieb mittels Herstellung eines weiteren Vervielfältigungsstückes, z. B. über E-Mail, stellt einen Verstoß gegen § 16 UrhG dar.
Das Recht zur Vervielfältigung kann sich nämlich gemäß § 17 Abs. 2 UrhG ohnehin nicht erschöpfen. Das etwaige Vorliegen eines Gestattungstatbestandes (Privatkopie gemäß § 53 UrhG) stellt daher eine Ausnahme von dem grundsätzlichen Verbot dar, der die Klausel unter Verweis auf gesetzliche zwingende Regeln hinreichend Rechnung trägt.
cc) Die Unterlizenzierung kann von der Beklagten untersagt werden, weil es grundsätzlich allein der Urheberrechtsinhaberin vorbehalten ist zu entscheiden, wem sie Nutzungsrechte einräumt (vgl. OLG Frankfurt aaO).
dd) Die etwaige Qualifizierung des Vertrages als Kaufvertrag kann nicht zu einer weitergehenden Übertragung von Rechten führen als ein nach dem Urheberrecht zulässiger Lizenzvertrag.
Daher werden die Rechte des Erwerbers nicht in unangemessener Weise beeinträchtigt.
b) Die Rüge eines Verstoßes gegen § 305 c BGB kann mit der vorliegenden Klage nicht geltend gemacht werden (Palandt-Basenge, BGB, 67. Auflage, § 1 UKlaG, Rn. 5). Aus dem oben Ausgeführten ergibt sich freilich auch, dass die Bestimmung dem Wesen eines urheberechtlichen Lizenzvertrages entspricht und daher nicht überraschend ist.
c) Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot scheidet aus, weil nur die Gefahr einer inhaltlichen Benachteiligung zur Unwirksamkeit führen kann, nicht aber die bloße Unklarheit (Palandt-Grüneberg, aaO, § 307, Rn. 20). Da die Klausel ohnehin nur die geltende Rechtslage nachzeichnet, kommt eine inhaltliche Benachteiligung nicht in Betracht.
2. Dem Kläger steht nach den obigen Ausführungen auch kein Anspruch auf Zinsen auf die verauslagten Prozesskosten zu. Denn die Klage hat keinen Erfolg und eine unerlaubte Handlung der Beklagten lässt sich nicht feststellen.
Die Klage ist daher abzuweisen.
B. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
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