Rheinland-Pfalz: Hamm

„Spannungsprüfer“ – wettbewerbswidrige Irreführung des Verbrauchers

Urteil vom OLG Hamm

Entscheidungsdatum: 23.03.2004
Aktenzeichen: 4 U 143/03

Leitsätze

Ein Werbeprospekt, der mit der Aussage wirbt, „nur Spannungsprüfer mit einem VDE/GS-Prüfzeichen“ weisen einen gewissen Sicherheitsstandard auf, suggeriert, dass dies bei anderen Prüfzeichen gerade nicht der Fall ist, so dass diese Aussage irreführend im Sinne des § 3 UWG ist.

Tenor

Auf die Berufung der Antragstellerin wird das am 5. November 2003 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Münster abgeändert.

Die Beschlußverfügung des Vorsitzenden der vorgenannten Kammer vom 19. September 2003 wird mit der Maßgabe bestätigt, daß die verbotene Werbeaussage wie folgt lautet:

„Die Sicherheit eines Spannungsprüfers ist von der Einhaltung geltender Normen abhängig. Für Benning ist es selbstverständlich, von der Produktentwicklung an über die Materialauswahl bis hin zur Fertigungskontrolle und Dokumentation alle Normvorgaben konsequent zu erfüllen, um Ihnen ein Höchstmaß an Produktsicherheit zu gewährleisten. Nicht alle Hersteller stellen sich diesen Anforderungen. Umso wichtiger ist, darauf zu achten, dass Sie nur Spannungsprüfer mit einem VDE/GS-Prüfzeichen benutzen!“

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Berufung der Antragstellerin ist begründet.

Die beanstandete Werbeaussage ist irreführend im Sinne des § 3 UWG und darüber hinaus auch allgemein wettbewerbswidrig nach § 1 UWG.

Im Gesamtzusammenhang des beanstandeten Absatzes der Prospektseite der Antragsgegnerin läßt sich die Werbeaussage, nur Spannungsprüfer mit einem VDE/GS-Prüfzeichen zu benutzen, nur dahin verstehen, daß Spannungsprüfer mit anderen Prüfzeichen keinen vergleichbaren Sicherheitsstandard bieten können.

An dieser Deutung der beanstandeten Werbeaussage ändert sich auch nichts dadurch, daß sich die Werbung an Fachleute wendet. Gerade denen ist nämlich bekannt, daß "GS" für "geprüfte Sicherheit" steht und daß das vorangestellte Kürzel die Stelle bezeichnet, die diese Sicherheit garantiert, hier also der VDE.

Demgegenüber führt es im vorliegenden Zusammenhang in die Irre, wenn die Antragsgegnerin darauf hinweist, daß "VDE" neben der Bezeichnung der Prüfstelle auch das Prüfverfahren bezeichnen kann, nämlich die entsprechende DIN, der ein Spannungsprüfer genügen muß, wenn er die entsprechenden Sicherheitsanforderungen erfüllen will. So gesehen ist es natürlich richtig, daß ein Spannungsprüfer nur dann als ausreichend sicher einzustufen ist, wenn er den entsprechenden DIN genügt.

Darum geht es in der beanstandeten Werbeaussage aber nicht, mag man auch die Prüfungsgrundlagen als "VDE"-Bestimmung bezeichnen können. Denn in der Werbeaussage wird ausdrücklich das Prüfzeichen als solches angesprochen. In diesem "GS"-Prüfzeichen steht das erste Buchstabenkürzel aber gerade nicht für das Prüfungsverfahren oder die Prüfungsbestimmungen, nach denen der so zertifizierte Spannungsprüfer untersucht worden ist. Das Buchstabenkürzel steht vielmehr für die Stelle bzw. die Organisation, die die Prüfung garantiert und das Prüfsiegel "GS" verliehen hat. Gerade den Fachleuten, an die sich die Werbung der Antragsgegnerin wendet, ist dies bekannt. Dann ist die Werbeaussage in ihrem Zusammenhang, in dem es um das Sicherheitsbestreben des Herstellers geht, aber nur so zu verstehen, daß nur ein "VDE/GS"-Prüfzeichen die erforderliche Sicherheit garantiert, die Prüfzeichen anderer Stellen aber nicht.

Damit legt die Antragsgegnerin ihren Spannungsprüfern, die das "VDE/GS-Prüfzeichen" unstreitig tragen, aber einen exclusiven Sicherheitsstandard bei, der ihnen in dieser Besonderheit nicht zukommt. Denn nach dem unwidersprochenen Vortrag der Antragstellerin gibt es 21 weitere Prüfstellen, die ebenfalls das Prüfsiegel verleihen dürfen, ohne daß deren Prüfergebnis unzuverlässiger wäre als das des VDE. Es trifft damit nicht zu, daß man gerade auf ein "VDE/GS"-Prüfzeichen achten muß, wenn man einen Spannungsprüfer erwerben will, der ein Höchstmaß an Produktsicherheit haben soll. Spannungsprüfer mit den Prüfzeichen anderer autorisierter Prüfstellen erfüllen diese Anforderung auch. Es ist aber irreführend im Sinne des § 3 UWG, mit solchen mittelbaren Produktangaben zu werben, die das eigene Produkt in eine unzutreffende Beziehung zu anderen Produkten stellen (Köhler/Piper UWG 3. Auflage § 3 Rdzif. 220).

Darüber hinaus liegt in der beanstandeten Werbeaussage auch eine wettbewerbswidrige Abqualifizierung von Konkurrenzprodukten, die nicht das "VDE/GS"-Prüfzeichen tragen, § 1 UWG. Denn die Antragsgegnerin rät den Kunden pauschal ab, solche Spannungsprüfer mit anderen Prüfzeichen zu erwerben, weil bei denen eben nicht ein Höchstmaß an Produktsicherheit garantiert werden könne. Ohne Grundlage werden damit solche Konkurrenzprodukte pauschal in ihrem Sicherheitsstandard abqualifiziert, obwohl es andere Prüfzeichen gibt, die genauso zuverlässig wie das "VDE/GS"-Prüfzeichen sind. Eine solche pauschale und noch dazu unzutreffende Herabsetzung von vergleichbaren Produkten anderer Hersteller ist aber schlechthin wettbewerbswidrig nach § 1 UWG (Köhler/Piper aaO § 1 Rdzif. 458).

Die Antragsgegnerin ist als Komplementärin der Herstellerin und Herausgeberin des beanstandeten Werbeprospektes ebenfalls Mitstörerin, da der entsprechende wettbewerbswidrige Werbeprospekt mit ihrem Einverständnis herausgegeben worden ist. Als Komplementärin hätte sie auch jederzeit die Befugnis gehabt, solche wettbewerbswidrigen Werbemaßnahmen zu unterbinden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Ziffer 10 ZPO.

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