„Studentenjob?“ – Online-Verkäufe & ihre markenrechtlichen Folgen
Urteil vom OLG München
Entscheidungsdatum: 08.01.2008
Aktenzeichen: 29 W 2738/07
Leitsätze
Veräußert ein Verkäufer einmalig auf Ebay gebrauchte Designer-Kleidung, ist darin keine Markenverletzung im Sinne von § 14 II MarkenG zu verstehen, da die Zeichenbenutzung nicht im geschäftlichen Verkehr erfolgte.
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 25. Oktober 2007 aufgehoben.
II. Dem Antragsteller wird für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe gewährt. Ihm wird
Rechtsanwalt L.,
beigeordnet.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine Klage, mit der er den Ersatz von Rechtsanwaltskosten verfolgen will, die ihm aus einer unberechtigten markenrechtlichen Abmahnung erwachsen sind.
Der Antragsteller ist Student. Er wickelte in einem Zeitraum von ungefähr vier Jahren über die Internetplattform eBay insgesamt 25 Verkäufe ab.
Im Sommer 2007 bot er mehrere gebrauchte Bekleidungsstücke, darunter zwei T-Shirts der Größe S mit dem Aufdruck X & Y , über eBay an. Die Antragsgegnerin, die Inhaberin mehrerer deutscher Wortmarken Xxxxxxxx & Yyxxxxyy und X & Y unter anderem für Bekleidung ist, sah darin eine Verletzung ihrer Markenrechte, weil diese T-Shirts nicht von ihr stammten. Sie mahnte den Antragsteller mit Rechtsanwaltsschreiben vom 19. Juli 2007 (vgl. Anlage K 1) ab, forderte ihn zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie zur Übernahme der Abmahnkosten aus einem Gegenstandswert von 50.000, € auf. Der Antragsteller schaltete daraufhin einen Rechtsanwalt ein, der mit Schreiben vom 25. Juli 2007 (vgl. Anlage K 5) darlegte, dass die Verkäufe keine gewerbliche Tätigkeit gewesen seien; vielmehr habe der Antragsteller lediglich im Rahmen eines Wohnungswechsels seinen Schrank ausgeräumt und dabei die Kleidungsstücke veräußert. Mit Schreiben vom 27. Juli 2007 (vgl. Anlage K 6) erwiderte die Antragsgegnerin, dass sehr wohl von einem Handeln im geschäftlichen Verkehr auszugehen sei und verwies insoweit auf eine Entscheidung des Landgerichts Frankfurt am Main (vgl. Anhang zu Anlage K 6). Sie setzte dem Antragsteller eine neue Frist zur Abgabe der verlangten Erklärungen und stellte im Falle deren fruchtlosen Verstreichens gerichtliche Schritte in Aussicht.
Daraufhin hatte der Antragsteller zunächst beim Landgericht Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine negative Feststellungsklage gegen die Antragsgegnerin gestellt. Nachdem die Antragsgegnerin erklärt hatte, sich der von ihr geltend gemachten Ansprüche nicht mehr zu berühmen, hat der Antragsteller beantragt, ihm Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen die Antragsgegnerin auf Zahlung von 2.101,42 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. September 2007 als Ersatz der durch die Einschaltung von Rechtsanwälten zur Abwehr der unberechtigten Abmahnung angefallenen Kosten zu gewähren. Dabei hat er sich darauf berufen, dass ihm ein entsprechender Anspruch aus § 678 BGB zustehe, weil für die Antragsgegnerin erkennbar gewesen sei, dass die Voraussetzungen für eine Abmahnung nicht vorgelegen hätten, und sie deshalb ein Übernahmeverschulden treffe.
Mit Beschluss vom 25. Oktober 2007 hat das Landgericht die Gewährung von Prozesskostenhilfe versagt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass schon zweifelhaft erscheine, ob § 678 BGB anwendbar sei; jedenfalls aber gewähre diese Vorschrift nicht mehr, als dem zu Unrecht Abgemahnten nach anderen Vorschriften zustehe. Ansprüche aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb kämen bereits mangels Wettbewerbsverhältnisses zwischen den Parteien nicht in Betracht. Auch ein Anspruch aus § 823 BGB scheide aus. Zwar könne eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Abgemahnten in Betracht, doch liege beim Antragsteller ein derartiger Eingriff ebenso wenig wie die Verletzung sonstiger von § 823 BGB geschützter Rechtsgüter vor. Umstände, die es erforderlich erscheinen ließen, den Anwendungsbereich des § 678 BGB zu Gunsten des Antragstellers auszudehnen, seien nicht ersichtlich.
Gegen diesen ihm am 31. Oktober 2007 zugestellten Beschluss wendet sich der Antragsteller mit seiner am 7. November 2007 eingegangenen sofortigen Beschwerde. Er ist der Auffassung, dass § 678 BGB anwendbar sei, weil es bei einer unberechtigten Abmahnung nicht am Fremdgeschäftsführungswillen fehle. Eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 678 BGB auf solche Fälle, in denen bereits andere Anspruchsgrundlagen bestünden, sei nicht gerechtfertigt, da sonst derjenige, der als Privater handele, niemals einen Erstattungsanspruch geltend machen könne.
Die Antragsgegnerin hat den angegriffenen Beschluss verteidigt und beantragt, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die innerhalb der Monatsfrist gemäß § 569 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO eingelegte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde ist begründet, da dem Antragsteller gemäß § 114 Satz 1 ZPO Prozesskostenhilfe zu gewähren ist.
1. Der Antragsteller kann nach seinen Angaben zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen.
2. Die beabsichtigte Klage hat hinreichende Aussicht auf Erfolg. Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand kann der Antragsteller seine Klage auf § 678 BGB stützen. Diese Vorschrift verpflichtet den Geschäftsführer ohne Auftrag, dem Geschäftsherrn den aus der Geschäftsführung entstehenden Schaden zu ersetzen, wenn die Übernahme der Geschäftsführung mit dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn in Widerspruch steht und der Geschäftsführer dies erkennen musste. Im Streitfall sind diese Voraussetzungen gegeben.
a) Die kennzeichenrechtliche Abmahnung (Schutzrechtsverwarnung) stellt eine Geschäftsführung ohne Auftrag i. S. d. §§ 677 ff. BGB dar (allg. Meinung, vgl. etwa Senat GRUR-RR 2006, 176 Schubladenverfügung m. w. N.).
Da ein berechtigt Abmahnender den Ersatz seiner Aufwendungen nach § 683 Satz 1, § 677, § 670 BGB beanspruchen kann, ist es folgerichtig, zu Gunsten des unberechtigt Abgemahnten die Regelung des § 678 BGB anzuwenden (vgl. OLG Hamburg NJW-RR 2003, 857 [858]; OLG Frankfurt GRUR 1989, 858 Schutzschrift-Kosten ; OLG Hamburg GRUR 1983, 200 [201] Unberechtigte Abmahnung; Sprau in: Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, § 678 Rz. 4; Bornkamm in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm , Wettbewerbsrecht, 26. Aufl. 2008, § 12 UWG Rz. 1.73; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl. 2007, Kap. 41 Rz. 80; Piper in: Piper/Ohly , UWG, 4. Aufl. 2006, § 12 Rz. 31; Ottofülling in: Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 2006, § 12 UWG Rz. 109; Bergmann in: Staudinger, BGB Neubearbeitung 2006, Vorbemerkungen zu §§ 677 ff. Rz. 295; Seiler in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl. 2005, § 678 Rz. 9; Gloy in: Gloy/Loschelder , Handbuch des Wettbewerbsrechts, 3. Aufl. 2005, § 75 Rz. 37; Brüning in: Harte/Henning , UWG, 2004, § 12 Rz. 110; Ingerl/Rohnke , Markengesetz, 2. Aufl. 2003, vor §§ 14 19 Rz. 202; a. A. Köhler in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm , Wettbewerbsrecht, 26. Aufl. 2008, § 4 UWG Rz. 10.183; Deutsch in: Ahrens , Der Wettbewerbsprozess, 5. Aufl. 2005, Kap. 3 Rz. 34; Ekey in: Ekey/Klippel , Markenrecht, 2003, § 14 MarkenG Rz. 260).
Der Anwendung des § 678 BGB kann nicht entgegen gehalten werden, dass der zu Unrecht Abmahnende gar kein Geschäft des Abgemahnten führe. Ob eine Geschäftsführung aus der Sicht des Geschäftsherrn nützlich, überflüssig oder sogar schädlich war, ist ohne Einfluss auf ihre Eigenschaft als Geschäftsführung. Stellt sich eine Abmahnung als Führung eines fremden Geschäftes dar, weil der Abmahnende zumindest auch mit Fremdgeschäftsführungswillen handelt, so ändert der Umstand, dass er sich in der rechtlichen Beurteilung des abgemahnten Verhaltens irrt und deshalb eine objektiv und aus der Sicht des Geschäftsherrn nicht sinnvolle Maßnahme ergriffen hat, daran nichts (vgl. OLG Hamburg, a.a.O. , Unberechtigte Abmahnung S. 201).
Da § 678 BGB eine Anspruchsgrundlage für den Abgemahnten als Geschäftsherrn und nicht als Geschäftsführer darstellt, kommt es auch nicht darauf an, ob die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Abwehr der unberechtigten Abmahnung ihrerseits eine Geschäftsführung ohne Auftrag durch den Abgemahnten für den Abmahnenden darstellt (so aber Köhler , a.a.O. und Ekey , a.a.O. ).
Ebenso wenig steht der Umstand, dass die Kosten aus der Beauftragung eines Rechtsanwalts auf einem eigenen Entschluss des Abgemahnten beruhen, der Anwendung des § 678 BGB entgegen (so aber Deutsch , a.a.O. , der sich dabei zu Unrecht auf die beiden oben angeführten Entscheidungen des OLG Hamburg beruft). Vielmehr ist es eine im Rahmen des in der Folge des § 678 BGB anwendbaren Schadensersatzrechts zu entscheidende Frage, ob ein eigener Entschluss des Geschädigten der Liquidierung der darauf beruhenden Kosten entgegensteht. Grundsätzlich wird die Haftung des Schädigers durch Reaktionen des Geschädigten nicht ausgeschlossen; insbesondere können dem Schädiger auch Willensentscheidungen des Geschädigten zugerechnet werden, die dieser infolge der Pflichtwidrigkeit des Schädigers getroffen hat (vgl. Heinrichs in: Palandt , BGB, 67. Aufl. 2008, Vorb v. § 249 Rz. 77; Oetker in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2007, § 249 Rz. 162; jeweils m. w. N.). Der adäquate Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden ist nur dann nicht gegeben, wenn der Geschädigte in ungewöhnlicher und unsachgemäßer Weise in den Geschehensablauf eingreift und eine weitere Ursache auslöst, die den Schaden erst endgültig herbeiführt; davon ist auszugehen, wenn für die Handlung des Geschädigten kein rechtfertigender Anlass bestand, jene durch das haftungsbegründende Ereignis nicht herausgefordert wurde und eine ungewöhnliche Reaktion auf das Ereignis darstellt (vgl. BGH NJW 1997, 250 [253] m. w. N.). Danach sind Rechtsanwaltkosten zu ersetzen, wenn der Geschädigte die Heranziehung eines Rechtsanwalts für erforderlich halten durfte (vgl. BGH NJW 2007, 1458 Tz. 24; Heinrichs , a.a.O. § 249 Rz. 38 f.; jeweils m. w. N.).
Entgegen der Ansicht des Landgerichts besteht auch kein Anlass, Ansprüche aus § 678 BGB nur dort zuzulassen, wo ohnehin schon entsprechende Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB bestehen. Zwar kann ein Fehlen des Verschuldens, das Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB wegen eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Geschäftsherrn ausschließt, auch dazu führen, dass kein Übernahmeverschulden des Geschäftsführers i. S. d. § 678 BGB vorliegt (so ist OLG Hamburg NJW-RR 2003, 857 [858] zu verstehen). Das rechtfertigt es jedoch nicht, andere Tatbestandsmerkmale des § 823 Abs. 1 BGB, die in § 678 BGB nicht vorgesehen sind, gleichwohl zu fordern und auf diese Weise den Geltungsbereich dieser vom Deliktsrecht unabhängigen Vorschrift in einer Weise zu reduzieren, dass ihr im Bereich der Abmahnungen kein eigenständiger Regelungsgehalt mehr zukäme. Anderes kann auch der vom Landgericht zur Begründung seiner Auffassung angeführten Zitatstelle (Sprau, a.a.O. , § 678 Rz. 4) nicht entnommen werden, an der es insoweit nur heißt, dass neben § 678 BGB gegebenenfalls die allgemeinen Vorschriften, z. B. § 823 BGB, anwendbar seien.
b) Die Anwendung der Regelung des § 678 BGB auf den Streitfall ergibt Folgendes:
aa) Die von der Antragsgegnerin ausgesprochene Abmahnung war unberechtigt und stand deshalb mit dem Willen des Antragstellers als Geschäftsherrn in Widerspruch.
(1) Voraussetzung für Ansprüche wegen Markenverletzung ist gemäß § 14 Abs. 2 MarkenG, dass die Zeichenbenutzung im geschäftlichen Verkehr erfolgt. Eine derartige Benutzung liegt vor, wenn sie im Zusammenhang mit einer auf einen wirtschaftlichen Vorteil gerichteten kommerziellen Tätigkeit und nicht im privaten Bereich erfolgt (vgl. EuGH GRUR 2003, 54 Arsenal Football Club Tz. 40). Bei der deshalb erforderlichen Abgrenzung ist einerseits zu berücksichtigen, dass im Interesse des Markenschutzes an das Merkmal des geschäftlichen Verkehrs keine hohen Anforderungen zu stellen sind. Auf der anderen Seite wird der private Bereich nicht schon immer dann verlassen, wenn eine Ware einer Vielzahl von Personen zum Kauf angeboten wird. So handelt etwa derjenige, der anlässlich eines Umzugs in eine andere Wohnung eine Vielzahl verschiedener Gegenstände über eBay zum Verkauf anbietet, nicht bereits deshalb im geschäftlichen Verkehr, weil jedermann auf sein Angebot zugreifen kann. Ein Handeln im geschäftlichen Verkehr liegt dagegen jedenfalls bei solchen Fallgestaltungen nahe, bei denen ein Anbieter wiederholt mit gleichartigen, insbesondere auch neuen Gegenständen handelt. Auch wenn ein Anbieter von ihm zum Kauf angebotene Gegenstände erst kurz zuvor erworben hat, spricht dies für eine entsprechende Gewinnerzielungsabsicht und damit für ein Handeln im geschäftlichen Verkehr. Schließlich deutet auch die Tatsache, dass der Anbieter ansonsten gewerblich tätig ist, auf eine geschäftliche Tätigkeit hin (vgl. BGH GRUR 2007, 708 Internet-Versteigerung II Tz. 23 m. w. N.).
Danach kann im Streitfall nicht davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller bei der Verwertung von zwei gebrauchten T-Shirts im geschäftlichen Verkehr gehandelt hätte. Nach den bereits der Abmahnung beigefügten Unterlagen (vgl. Anlage K 2 bis K 4) verkaufte der Antragsteller eines der T-Shirts mit der Aufschrift X & Y zum Preis von 2,55 € und das zweite zum Preis von 1, €. Die anderen in gleicher Zeit von ihm über eBay verkauften Gegenstände waren ein gebrauchter Wildledermantel der Größe 46 (erzielter Preis: 4,51 €), ein gebrauchter Jeans-Mantel gleicher Größe (8, €), ein Paar gebrauchte Turnschuhe der Größe 43 (10,50 €) und ein Paar gebrauchte Motorradstiefel gleicher Größe (21,50 €). Der Verkauf von verschiedenartigen und gebrauchten Gegenständen zu vergleichsweise geringen Preisen steht der Annahme des Handelns im geschäftlichen Verkehr entgegen. Der Umstand, dass die angebotenen T-Shirts, Schuhe und Mäntel jeweils von gleicher Größe waren, spricht ebenfalls für die Annahme eines privaten Gelegenheitsverkaufs eigener Bekleidungsgegenstände. Im Streitfall deutet auch nichts darauf hin, dass der Antragsteller die Gegenstände selbst erst kurz vorher erworben hätte oder dass er ansonsten gewerblich tätig wäre. Es gibt mithin keinerlei tragfähige Grundlage für die Annahme, der Antragsteller habe im geschäftlichen Verkehr gehandelt.
(2) Mangels Ansprüche aus Markenverletzung entsprach die in der Abmahnung liegende Übernahme der Geschäftsführung ohne Auftrag durch die Antragsgegnerin nicht dem Willen des Antragstellers als Geschäftsherrn.
bb) Der Antragsgegnerin liegt auch ein Übernahmeverschulden zur Last, da sie den entgegenstehenden Willen des Antragstellers hätte erkennen müssen. Kennenmüssen bedeutet Kenntnis oder Unkenntnis infolge von Fahrlässigkeit (vgl. § 122 Abs. 2 BGB) . Gemäß § 276 Abs. 2 BGB handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Im Streitfall kann dahin stehen, welche Sorgfaltsmaßstäbe im Einzelnen auf Abmahnungen anzuwenden sind. Selbst wenn an die Annahme eines Übernahmeverschuldens hohe Anforderungen zu stellen sein sollten und eine Abmahnung trotz Zweifel an ihrer Berechtigung noch keine Sorgfaltsverletzung darstellen mag (vgl. OLG Hamburg NJW-RR 2003, 857 [858]; Brüning , a.a.O. , jeweils m. w. N.), ist im Streitfall Fahrlässigkeit gegeben.
In der von der Antragsgegnerin selbst bereits vorprozessual angeführten Entscheidung des Landgerichts Frankfurt am Main (vgl. Anhang zu Anlage K 6) ist ausgeführt, dass für die Annahme eines Handelns im geschäftlichen Verkehr entscheidend sei, ob die Zeichenbenutzung im Rahmen einer planmäßigen, auf eine gewisse Dauer angelegten Verkaufstätigkeit erfolge, die unter Berücksichtigung der Gesamtumstände mit der Vornahme lediglich privater Gelegenheitsverkäufe nicht mehr zu erklären sei. Hierbei sei stets auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen, insbesondere die Dauer der Verkaufstätigkeit, die Zahl der Verkaufs- bzw. Angebotshandlungen im fraglichen Zeitraum, Art und Herkunft der Waren sowie Anlass des Verkaufs und Präsentation der Waren. In dem von ihm zu entscheidenden Fall sah das Landgericht Frankfurt am Main bei 68 Verkäufen in einem Zeitraum von acht bis neun Monaten einen Grenzbereich eröffnet, in dem je nach den weiteren Begleitumständen sowohl noch eine private als auch schon eine geschäftliche Betätigung denkbar sei. Da die Beklagte jenes Verfahrens in einem Zeitraum von weniger als einer Woche sieben Kleidungsstücke in verschiedenen Größen davon sechs als neu angeboten habe, ging das Landgericht Frankfurt am Main von Handeln im geschäftlichen Verkehr aus.
Bei Zugrundelegung des sich aus dieser von ihr selbst herangezogenen Entscheidung ergebenden Prüfungsrasters hätte die Antragsgegnerin erkannt, dass im Streitfall keine Markenverletzung vorlag: die Verkaufstätigkeit des Antragstellers liegt mit 25 Verkäufen in vier Jahren unter der Schwelle, bei der das Landgericht Frankfurt am Main einen Grenzbereich eröffnet sah; der Antragsteller bot auch nur gebrauchte Gegenstände einheitlicher Größen an. Dass die Antragsgegnerin den von ihr selbst als relevant angesehenen Maßstab nicht angewandt hat, ist ihr als Sorgfaltspflichtverletzung vorzuwerfen.
cc) Die Antragsgegnerin ist deshalb gemäß § 678 BGB verpflichtet, dem Antragsgegner den aus der Geschäftsübernahme entstandenen Schaden zu ersetzen. Dazu gehören auch die Kosten für die Einschaltung eines Rechtsanwalts zunächst zur außergerichtlichen Abwehr der von der Antragsgegnerin geltend gemachten Ansprüche und dann zur Beantragung der Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine entsprechende negative Feststellungsklage.
Der wegen Verletzung immaterieller Schutzrechte Abgemahnte kann grundsätzlich gerichtlich feststellen lassen, dass die Abmahnung zu Unrecht erfolgt ist und dass die darin erhobenen Ansprüche nicht bestehen (vgl. BGH GRUR 1995, 697 [699] FUNNY PAPER ; Bornkamm, a.a.O. , § 12 UWG Rz. 1.74 m. w. N.; Teplitzky , a.a.O. , Kap. 41 Rz. 68 m. w. N.). Auch wenn gemäß § 117 Abs. 1, 2. Halbsatz, § 78 Abs. 5 ZPO für die Beantragung der Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine solche Klage kein Anwaltszwang besteht, ist die Rechtslage in derartigen Fällen regelmäßig für einen Laien derart unübersichtlich, dass er die Beiziehung eines Rechtsanwalts für erforderlich erachten darf. Gleiches gilt auch für die vorprozessuale Beauftragung eines Rechtsanwalts, zumal auch die Antragsgegnerin durch ihre Rechtsanwälte aufgetreten war.
III.
1. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (vgl. § 127 Abs. 4 ZPO, Nr. 1812 KV-GKG).
2. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde kommt nicht in Betracht (vgl. BGH NJW 2003, 1126).
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