Hamburg: Stadt Hamburg

„Herbizid“ – irreführende Werbung im Sinne des Wettbewerbsrechts

Urteil vom OLG Hamburg

Entscheidungsdatum: 15.04.2010
Aktenzeichen: 5 U 106/08

Leitsätze

Für ein Herbizid darf auf der Umverpackung nicht damit geworben werden, es sei „chemisch identisch“ mit einem anderen Produkt, wenn dies nicht tatsächlich der Fall ist; eine solche Werbung stellt eine wettbewerbswidrige Irreführung im Sinne von § 5 I S. 2 Nr. 1 UWG dar.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 6 für Handelssachen, vom 29.04.2008 unter Abweisung der weitergehenden Klage abgeändert. Ziffer 3 des Tenors erhält folgenden Wortlaut:

„Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin in Bezug auf das in Ziff. I bezeichnete Produkt Auskunft zu erteilen über die Menge der Erzeugnisse, die sie nach dem 24.09.2009 erhalten hat, und hierzu entsprechende Belege vorzulegen.“

Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt die Beklagte 23/25, die Klägerin trägt 2/25.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von € 250.000.-, die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von € 2.000.- abwenden, sofern nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin ist ein u. a. in der Forschung, Entwicklung und Produktion von Pflanzenschutzmitteln tätiges Unternehmen. Die Klägerin bringt in Deutschland u.a. das Herbizid POINTER® in den Verkehr, das in der Landwirtschaft zur Anwendung gegen Unkräuter im Winter- und Sommergetreide zugelassen ist. POINTER® enthält den aktiven Wirkstoff Tribenuronmethyl. Dieses Herbizid ist in Deutschland durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) unter der Zulassungsnummer 3939/00 zugelassen (Anlage K 1).

Die Beklagte ist ein Importeur von Pflanzenschutzmitteln. Sie bringt nach dem Umpacken in neue Verpackungen unter ihrem eigenen Handelsnamen parallel importierte Produkte in Deutschland auf den Markt, die in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union zugelassen und mit in Deutschland zugelassenen Produkten identisch sind bzw. sein sollen. Die Namen der von der Beklagten so vertriebenen Produkte setzen sich aus ihrem Namen ("Realchemie") sowie dem generischen Namen der aktiven Wirkstoffe der betreffenden Pflanzenschutzmittel zusammen (Anlage K 2).

Die Beklagte bringt unter anderem unter dem Namen "Realchemie Tribenuronmethyl" ein Produkt auf den Markt, das mit dem Herbizid POINTER® der Klägerin identisch ist (bzw. sein soll). Hierfür hat die Beklagte vom BVL die Parallelimport-Nummer PI-Nr. 023939-00/013 erhalten, die im Falle der chemischen Identität die Verkehrsfähigkeit bestätigt (Anlagen K 3 und B 3). Auf der Produktverpackung findet sich der Hinweis "chemisch identisch mit POINTER®" sowie der weitere Hinweis "Zulassungsinhaber: Du Pont de Nemours (Deutschland) GmbH".

Die Klägerin wirft der Beklagten vor, sie habe in Deutschland ihr Produkt in einer Zusammensetzung auf den Markt gebracht, welche - entgegen den Angaben auf der Produktverpackung - nicht chemisch identisch mit POINTER® sei.

Wegen dieses Vorfalls hat die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 03.07.2007 vorprozessual abgemahnt und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert (Anlage K 8). Dieser Aufforderung ist die Beklagte nicht nachgekommen.

Die Klägerin hat vorgetragen,

sie habe im März 2007 in einem Landhandelsbetrieb in Deutschland eine Flasche des Produkts "Realchemie Tribenuronmethyl" erworben. Untersuchungen durch ihr Analyselabor hätten ergeben, dass dieses von der Beklagten in Deutschland vertriebene Produkt entgegen dem auf der Plastikflasche abgedruckten Hinweis nicht mit dem Produkt POINTER® chemisch identisch gewesen sei. Tatsächlich hätten substantielle Abweichungen bestanden. Insbesondere seien die Gewichtsanteile bzw. Konzentrationen mehrerer bekannter Inhaltsstoffe deutlich abweichend gewesen. Daneben habe das Produkt der Beklagten unbekannte Inhaltsstoffe in einer Konzentration enthalten, die deutlich über derjenigen von POINTER® liege. Schließlich habe das Produkt der Beklagten einen weiteren herbizid wirkenden Inhaltsstoff enthalten, was schwerwiegende unerwünschte Folgen für die damit behandelten Kulturpflanzen haben könne (Anlage K 4 und K 5). Sowohl das von ihr beauftragte Testlabor als auch die zugrundegelegten Testverfahren seien nicht zu beanstanden, sondern entsprächen den relevanten Anforderungen. Da sie alle Produkte in demselben Werk in Europa produziere, seien die Abweichungen zwischen den Produktchargen bei dem Originalprodukt minimal.

Bei weiteren Produkten der Beklagten unter der Bezeichnung "Realchemie Tribenuronmethyl", die sie, die Klägerin im Wege des Testkaufs zu einem späteren Zeitpunkt erworben habe (Anlage K 6), hätten sich erneut Abweichungen in der chemischen Zusammensetzung ergeben, die in der prozentualen Zusammensetzung allerdings von dem Befund der ersten Probe abwichen (Anlage K 7). Auch eine weitere, im Verlauf des Rechtsstreits durch das Institut Fresenius durchgeführte Analyse habe zu einem entsprechenden Befund geführt (Anlage K 16). Die Unterschiede seien so erheblich gewesen, dass ausgeschlossen werden könne, dass es sich bei dem untersuchten Realchemie Tribenuronmethyl um originales POINTER® aus ihrem Hause handele.

Das BVL habe ihr auf Nachtragfrage nochmals bestätigt, dass Realchemie Tribenuronmethyl und POINTER absolut identisch seien bzw. sein sollten (Anlage K 15). Dementsprechend seien die vertriebenen Produkte in Deutschland nicht verkehrsfähig. Denn die Zulassung gemäß § 16 c PflSchG erfasse nur ein solches Produkt, das mit POINTER® identisch sei. Tatsächlich lägen erhebliche Abweichungen vor. Das unter "Realchemie Tribenuronmethyl" vertriebene Produkt sei damit kein parallel importiertes POINTER®, sondern eine Fälschung ohne zugelassenes chemisches Referenzmittel in Deutschland. Die Verkehrsfähigkeitsbescheinigung der Beklagten beziehe sich nur auf original POINTER® (Anlage K 14). Deshalb sei es irrelevant, ob eine Herstelleridentität für einen rechtmäßigen Parallelimport zu fordern sei. Das BVL nehme auch - entgegen der Darstellung der Beklagten - keine inhaltliche Überprüfung oder Analyse der Produkte vor. Das Genehmigungsverfahren erfolge ausschließlich auf der Grundlage der Papierlage.

Indem die Beklagte Gegenteiliges behaupte, täusche sie die angesprochenen Verkehrskreise und handele gegen eine Vorschrift zuwider, die bestimmt sei, das Marktverhalten zu regeln. Es komme jedenfalls nach dem UWG 2004 für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch nicht darauf an, ob die Beklagte Kenntnis von der fehlenden Identität gehabt habe. Insoweit sei allein ein objektiv rechtswidriges Handeln ausreichend. Die Beklagte sei deshalb zur Unterlassung in dem beantragten Ausmaß verpflichtet. Weiterhin schulde sie ihr Ersatz der vorgerichtlich verauslagten Rechtsanwaltskosten.

Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000.-, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollziehen an dem Geschäftsführer, zu unterlassen ,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs ein Pflanzenschutzmittel mit dem Wirkstoff Tribenuronmethyl, insbesondere "Realchemie Tribenuronmethyl" mit der PI-Nr. 023939-00/013, in die Bundesrepublik Deutschland einzuführen und/oder in der Bundesrepublik Deutschland in Verkehr zu bringen und/oder anzubieten und/oder sonst zu bewerben, es sei denn

a. für das Pflanzenschutzmittel besteht eine Zulassung nach § 11 PflSchG

oder

b. für das Pflanzenschutzmittel besteht eine eigene Zulassung im Sinne der Richtlinie 91/414/EWG in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum

und

das Pflanzenschutzmittel ist mit dem Pflanzenschutzmittel POINTER® (Zulassungsnummer 3939/00) oder einem anderen in Deutschland nach dem Pflanzenschutzgesetz zugelassenen Pflanzenschutzmittel chemisch identisch,

und/oder

2. die Beklagte zu verurteilen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für das Produkt "Realchemie Tribenuronmethyl", insbesondere "Realchemie Tribenuronmethyl" mit der PI-Nr. 023939-00/013 mit

a. der Angabe "chemisch identisch mit POINTER"

und/oder

b. mit dem Hinweis auf die deutsche Zulassung für POINTER® , insbesondere mit der Angabe "Zulassungsinhaber: Du Pont de Nemours (Deutschland) GmbH"

zu werben, wenn das Produkt "Realchemie Tribenuronmethyl" mit dem Produkt POINTER® chemisch nicht identisch ist.

3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 2.687,60 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 21.07.2007 zu zahlen.

4. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin in Bezug auf das in Ziffer 1 bezeichnete Produkt Auskunft zu erteilen über Name und Anschrift des Herstellers, des Lieferanten und anderer Vorbesitzer, der gewerblichen Abnehmer oder Auftraggeber sowie über die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, und die entsprechenden Belege vorzulegen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen,

ein Wettbewerbsverstoß liege nicht vor. Sie habe aus dem Ausland ein Produkt importiert, das mit POINTER® identisch sei (Anlage B 4 und B 17).

Sie selbst könne allerdings lediglich wissen, dass das von ihr importierte Pflanzenschutzmittel mit dem im Inland zugelassenen Referenzmittel identisch sein müsse. Ob dies tatsächlich der Fall sei, entziehe sich ihrer Kenntnis. Denn die zugelassene Formulierung sei ein Geschäfts- und Betriebsgeheimnis des Zulassungsinhabers, das ihr nicht zugänglich sei. Sie nenne dem BVL lediglich die Zulassungsnummern des ausländischen und des inländischen Produkts. Die Feststellung der Identität nehme das BVL vor, das hierzu die zugelassenen Formulierungen anfordere und vergleiche. Hierauf habe sie keinen Einfluss. Sie dürfe sich auf die sodann ausgestellte Verkehrsfähigkeitsbescheinigung verlassen. Irgendwelche eigenen, hiervon abweichenden Erkenntnismöglichkeiten habe sie nicht. Sie könne nur darauf vertrauen, dass das von ihr im Ausland erworbene Produkt chemisch identisch mit demjenigen sei, aufgrund dessen das BVL die Verkehrsfähigkeitsbescheinigung ausgestellt habe. Sollte dies tatsächlich nicht der Fall sein, begründe dies jedenfalls kein wettbewerbswidriges Verhalten. Mit den Mitteln des Wettbewerbs könne nicht in die Kompetenz des BVL eingegriffen werden. Dies entspreche ständiger Rechtsprechung.

Soweit die Klägerin behaupte, sie habe in einem Analyselabor in Fernost Untersuchungen durchgeführt und dabei Abweichungen festgestellt, bestreite sie sowohl diesen Umstand als auch die dabei angeblich zu Tage getretenen Ergebnisse. Mangels näherer Konkretisierung sei der Vortrag der Klägerin insoweit auch nicht einlassungsfähig. Das vermeintliche Gutachten sei unverwertbar. Zum Beweis der chemischen Identität zwischen Realchemie Tribenuronmethyl und POINTER® berufe sie sich auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Gleichwohl obliege die Beweislast für eine wirkungsrelevante Abweichung der Produkte ausschließlich der Klägerin (Anlage B 12). Eine abweichende Beweislastverteilung greife unzulässig in die Prüfungsprärogative des BVL und den insoweit eröffneten Rechtsweg ein. Soweit der Zulassungsinhaber einzelnen Chargen Beistoffe hinzufüge, die nicht Gegenstand der Zulassung und der hierbei zugrundegelegten Formulierung sind, könne er sich nicht auf die fehlende Verkehrsfähigkeit des Importprodukts berufen (Anlage B 13 und B 14). Die einzelne Gebinde und Chargen unterlägen immer gewissen Schwankungen bzw. Toleranzen (Anlage B 15).

Zudem werde nach der Rechtsprechung des EuGH eine 100 %ige Identität auch nicht mehr gefordert. Eine solche existiere in der Praxis auch nicht (Anlage B 16). Ausreichend sei eine Formelidentität, eine Wirkstoffidentität und eine Wirkungsidentität, ohne dass die Produkte in allen Punkten übereinstimmen müssten (Anlage B 5). Sie müssten für die geforderte Identität nur in allen Punkten vergleichbar sein (Anlage B 10) bzw. wesentlich übereinstimmen (Anlage B 11). Eine Herstelleridentität werde ebenfalls nicht gefordert (Anlage B 6). Hiervon gehe zutreffend auch das BVL aus (Anlage B 7 und B 8). Durch die Bescheinigung der Verkehrsfähigkeit genehmige es damit etwaige Abweichungen zwischen den Mitteln.

Über das formelle Zulassungsverfahren des BVL hinausgehende Anforderungen verstießen zudem gegen die Waren- und Dienstleistungsfreiheit. Sie stellten sich entgegen Art. 28 EGV a.F. (jetzt: Art. 34 EG) als mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie Maßnahmen gleicher Wirkung dar, die zwischen den Mitgliedstaaten verboten seien. Eine Ausnahmeregelung nach Art. 30 EGV a.F. (jetzt: Art. 36 EG) liege nicht vor. Immerhin habe auch das Importmittel ebenso wie das Referenzmittel ein nationales Zulassungsverfahren durchlaufen. Damit stehe seine Unbedenklichkeit fest.

Der von der Klägerin gestellten Antrag sei im übrigen zu weit. Allein das BVL sei befugt darüber zu entscheiden, ob zwei Pflanzenschutzmittel im Rechtssinne identisch seien.

Die Beklagte hat in Bezug auf alle geltend gemachten Ansprüche die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Landgericht Hamburg hat die Beklagte mit dem angegriffenen Urteil vom 29.04.2008 antragsgemäß verurteilt. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten. Die Beklagte verfolgt in zweiter Instanz ihr Klagabweisungsbegehren unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags weiter.

Die Beklagte beantragt nunmehr,

das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 29.04.2008 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil auf der Grundlage der bereits erstinstanzlich gestellten Anträge.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils sowie auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist weitgehend unbegründet. Das Landgericht hat die Beklagte zu Recht gemäß §§ 3, 4 Nrn. 11, 5 Abs. 1 UWG i.V.m. 11 PflSchG zur Unterlassung sowie zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verurteilt. Der tenorierte Auskunftsanspruch steht der Klägerin indes nur zu einem geringen Teil zu. Der Senat kann im Umfang der erfolgten Verurteilung zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die zutreffende Begründung der angegriffenen Entscheidung Bezug nehmen. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Beklagten in der Berufung rechtfertigen keine abweichende Entscheidung. Sie geben dem Senat Anlass zu folgenden ergänzenden Ausführungen.

1. Auf den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch sind die Bestimmungen des am 30.12.2008 in Kraft getretenen Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 22.12.2008 (BGBl I, 2949) anzuwenden, mit dem die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken umgesetzt worden ist. Der im Streitfall auf Wiederholungsgefahr gestützte Unterlassungsanspruch besteht allerdings nur, wenn das beanstandete Verhalten auch schon zum Zeitpunkt seiner Begehung wettbewerbswidrig war (BGH GRUR 2006, 953 - Warnhinweis II; BGH GRUR 08, 186 - Telefonaktion). Das beanstandete Verhalten fällt in die Zeit nach Inkrafttreten des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 03.07.2004 (BGBl I, 1414). Der Unterlassungsanspruch setzt daher voraus, dass das beanstandete Verhalten auch auf der Grundlage des UWG 2004 wettbewerbswidrig war (BGH GRUR 09, 977, 987 - Brillenversorgung). Dies ist der Fall. Die relevanten Normen sind in ihrem streitgegenständlich relevanten Gehalt unverändert geblieben.

2. Der Rechtsstreit ist zu dem auf §§ 3, 4 Nrn. 11 UWG i.V.m. 11 PflSchG gestützten Unterlassungsanspruch zu 1. ohne Beweisaufnahme bereits deshalb entscheidungsreif ist, weil die Beklagte - wie das Landgericht zutreffend ausführt hat - ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen ist, so dass sich ihre Rechtsverteidigung im Ergebnis als unerheblich darstellt.

a. Die Beklagte hat sich in erster Instanz darauf berufen, die Darlegungs- und Beweislast für die fehlende Identität zwischen dem parallel importierten Produkt und dem Referenzprodukt liege bei der Klägerin. Die Beklagte hat sich hierbei auf die Entscheidung "Zulassungsnummer III" des BGH berufen (BGH WRP 2003, 268 - Zulassungsnummer III) . Es trifft zu, dass diese Entscheidung seinerzeit in erster Instanz den Stand der Rechtsprechung wiedergegeben hat. Von den in dieser Entscheidung aufgestellten Rechtsgrundsätzen ist auch das Landgericht ausgegangen. Es hat indes der Beklagten zu Recht eine (zumindest) sekundäre Darlegungslast auferlegt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Beklagte dieser nicht gerecht geworden ist. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung ohne Erfolg.

b. Denn die Rechtsprechung, auf die die Beklagte ihre Verteidigung stützt, hat der Bundesgerichtshof zwischenzeitlich ausdrücklich aufgegeben. Er hat in der Entscheidung "Quizalofop" (BGH GRUR 2010, 160, 161 - Quizalofop) unter anderem ausgeführt:

"Allerdings hat im Fall des § 4 Nr. 11 UWG entsprechend den allgemeinen Regeln der Anspruchsteller den Verstoß gegen eine Marktverhaltensregelung als anspruchsbegründende Tatsache darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen (vgl. BGH, GRUR 2002, 271 – Hörgeräteversorgung; BGH GRUR 2008, 625 Rdnr. 18 – Fruchtextrakt; BGH GRUR 2008, 830 Rdnr. 13 – L-Carnitin II; BGH GRUR 2008, 834 Rdnr. 11 – HMB-Kapseln). Etwas anderes gilt aber, wenn das beanstandete Verhalten unter einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt steht. In diesem Fall muss der Anspruchsteller lediglich darlegen und beweisen, dass das beanstandete Verhalten von dem generellen Verbot erfasst wird. Demgegenüber trägt der in Anspruch Genommene die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass das fragliche Verhalten ausnahmsweise zulässig ist (vgl. BGH GRUR 2005, 778 – Atemtest). Pflanzenschutzmittel dürfen grundsätzlich nur eingeführt oder in Verkehr gebracht werden, wenn sie vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zugelassen sind § 11 Absatz I 1 PflSchG). Bei Pflanzenschutzmitteln, die ohne eigene Zulassung nur im Falle ihrer stofflichen Identität mit zugelassenen Pflanzenschutzmitteln eingeführt oder in Verkehr gebracht werden dürfen, liegt danach die Darlegungs- und Beweislast für die Identität beim Importeur bzw. Vertreiber des jeweiligen Präparats. Soweit sich aus der Senatsentscheidung „Zulassungsnummer III” Gegenteiliges ergibt (BGH GRUR 2003, 254), wird hieran nicht festgehalten."

c. Diesen Anforderungen ist die Beklagte nicht nachgekommen. Die Beklagte ist - dies entnimmt der Senat dem Gang der Erörterungen in der Senatsverhandlung mit - aus grundsätzlichen Erwägungen offenbar auch nicht bereit, weitere Umstände zur Sachverhaltsaufklärung vorzutragen. Damit kann sie der ihr obliegenden Substantiierungspflicht nicht genügen. Dies gilt sogar unabhängig davon, ob man der Beklagten im Anschluss an die geänderte Rechtsprechung des BGH eine primäre oder - wie das Landgericht - nur eine sekundäre Darlegungslast auferlegt.

aa. Denn in jedem Fall hätte die Beklagte zumindest nachvollziehbar darlegen müssen, dass sie - von wem auch immer - ein Produkt POINTER® erworben (und anschließend umgepackt) hat, das im konkreten Herkunftsland im Bereich der EU bzw. des EWR über eine Zulassung im Sinne von § 16 c Abs. 1 Satz 1 PflSchG verfügt. Schon dies ist nicht geschehen. Vielmehr hat sich die Beklagte darauf beschränkt, den Sachvortrag der Klägerin zu bestreiten und allgemeine Zweifel zu säen.

aaa. Zwar trifft es zu, dass die Beklagte von dem BVL unter der Parallelimport-Nummer 023939-00/013 die Verkehrsfähigkeit für ihr Produkt „Realchemie Tribenuronmehthyl“ in Bezug auf das Referenzmittel POINTER® bescheinigt erhalten hat (Anlage B 3). Die Inanspruchnahme einer ausländischen Zulassung setzt aber im Streitfall voraus, dass die Beklagte zumindest nachvollziehbar darlegt, dass es sich bei dem von ihr parallelimportierten Mittel tatsächlich um POINTER® handelt. Denn ein aus einem anderen Start der EU bzw. des EWR eingeführtes Pflanzenschutzmittel gilt gemäß §§ 11 Abs. 1 Satz 2 PflSchG in Deutschland nicht bereits deshalb als zugelassen, weil es mit einem in Deutschland zugelassenen Mittel übereinstimmt. Dementsprechend ist der Umstand einer bestehenden ausländischen Zulassung Voraussetzung für die Verkehrsfähigkeit des parallel importierten Arzneimittels in Deutschland. Aus der Anlage K 14 (Schreiben des BVL vom 19.9.2007) ergibt sich, dass hiervon insbesondere auch die Zulassungsbehörde wie selbstverständlich ausgeht, wenn es dort heißt: „Unter der PI-Nr. 023939-00/013 wird laut Antrag ein Pflanzenschutzmittel vertrieben, das(s) im Ursprungsmitgliedstaat für ein Unternehmen des DuPont-Konzerns zugelassen ist.“ Selbst wenn man mit der Beklagten davon ausgeht, dass - entgegen dieser Darstellung des BVL - für die Inanspruchnahme der Verkehrsfähigkeitsbescheinigung noch nicht einmal eine Herstelleridentität erforderlich ist, bleibt in jedem Fall das Merkmal einer in dem relevanten Wirtschaftsraum erteilten ausländischen Zulassung unverzichtbar. Dieses ist von der Beklagten darzulegen.

bbb. Die Auffassung der Beklagten, diese Voraussetzung sei ausschließlich zum Zeitpunkt der Antragstellung der Verkehrsfähigkeitsbescheinigung gemäß § 16 c Abs. 2 PflSchG nachzuweisen gewesen und könne hinterher aufgrund der erteilten Bescheinigung nicht mehr in Zweifel gezogen werden, teilt der Senat in dieser Allgemeinheit nicht. Denn die Beklagte ist aufgrund der ihr erteilten Genehmigung nicht befugt, irgendein (möglicherweise nachgeahmtes) Produkt bzw. Generikum unter Inanspruchnahme der der Klägerin erteilte Zulassung nach Deutschland einzuführen. Vielmehr erstreckt sich die Genehmigung nur auf solche parallelimportierte Produkte, die Gegenstand des Antrags sowie des Verfahrens auf Feststellung der Verkehrsfähigkeit in Deutschland waren. Liegen insoweit im konkreten Einzelfall begründete Zweifel vor, obliegt es der Beklagten, sich zumindest hierzu unter Berücksichtigung ihrer berechtigten Geheimhaltungsinteressen nachvollziehbar und vollständig zu erklären. Jedes andere Verständnis wäre nach Auffassung des Senats ersichtlich sinnwidrig, denn es würde es im Ergebnis zulassen, eine einmal rechtmäßig erteilte Verkehrsfähigkeitsbescheinigung nachfolgend für den Import jedes x-beliebigen Produkts in Anspruch nehmen zu können.

ccc. Der Senat muss aus Anlass des vorliegenden Rechtstreits nicht entscheiden, welche Voraussetzungen im einzelnen an die Darlegungslast der Beklagten zu stellen sind. Denn die Beklagte ist noch nicht einmal den Grundvoraussetzungen an eine nachvollziehbares Substantiierung gerecht geworden. Hierzu gehört zumindest die Darlegung, welches konkrete Produkt der Klägerin aus welchem Land der EU bzw. des EWR zu welchem Zeitpunkt bezogen worden und nach Umverpackung Gegenstand des nach Deutschland parallelimportierten Produkts geworden ist. Nur in Kenntnis dieser Umstände ist es der Klägerin überhaupt möglich zu überprüfen und sich dazu zu erklären, ob etwa festgestellte Abweichungen eine Ursache z. B. in ihren betrieblichen Abläufen haben können. Wenn der Hersteller des Originalprodukts noch nicht einmal diese Umstände nachvollziehen kann, können auch keine Produktionsstätten und -zeiträume eingegrenzt werden, in denen etwa nach Verunreinigungen oder landestypischen Veränderungen für das ausländische Zulassungsgebiet geforscht werden können. Dazu gehört ohne weiteres auch eine nachvollziehbare Darlegung, dass das Produkt überhaupt aus der EU bzw. dem EWR stammt. Denn auf einen Parallelimport etwa aus China erstreckt sich die gemäß § 16 c Abs. 2 PflSchG erteilte Verkehrsfähigkeitsbescheinigung ersichtlich nicht.

ddd. Hierzu hat die Beklagte keine nachvollziehbaren Angaben gemacht. Die von ihr als Anlage B 4 vorgelegten geschwärzten Lieferscheine sind noch nicht einmal im Ansatz dazu geeignet, den Bezug eines von der Klägerin herrührenden Originalprodukts zu belegen. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Beklagte ein berechtigtes Interesse daran hat, ihren Lieferanten nicht zu offenbaren, um nicht das Risiko einzugehen, dass die Klägerin möglicherweise eine (unliebsame) Bezugsquelle für parallelimportierte Produkte "verstopft". Der Umstand allein, dass in den Lieferscheinen der Begriff „Granstar“ verwendet wird, unter dem die Klägerin im europäischen Ausland ihr Produkt POINTER® vertreibt, reicht aber für die erforderliche Darlegung nicht aus. Insbesondere dann nicht, wenn jegliche sonstigen Angaben, die eine Individualisierung zumindest des Ursprungslandes ermöglichen, geschwärzt sind, so dass noch nicht einmal nachvollzogen kann, aus welchem Land das parallelimportierte Pflanzenschutzmittel stammt. Die von der Beklagten vorgelegten Unterlagen sind auch im Übrigen hierfür ungeeignet. Die Lieferunterlagen sind zum Teil mehrsprachig gehalten, so dass auch hieraus keine Rückschlüsse auf das Zulassungsland gezogen werden können. Schließlich kann auch nicht nachvollzogen werden, dass es sich über überhaupt um Lieferungen an die Beklagte handelt. Denn Empfänger des Lieferscheins aus Anlage B 4 ist nicht die Beklagte, sondern eine nach Namen und Geschäftssitz unbekannte Firma „...“.

eee. In diesem Zusammenhang wirkt sich der Umstand, dass die Beklagte - wie sie selbst eingeräumt hat - die Originalverpackungen der von ihr bezogenen Produkte vernichtet hat und deshalb nicht mehr vorlegen kann, zu ihren Lasten aus. Denn gerade bei "loser Ware“ wie dem hier streitgegenständlichen Granulat wird dadurch häufig jede Nachvollziehbarkeit der Herkunft aus einem bestimmten Produktionsbetrieb verwischt. Insoweit liegt eine andere Situation vor, als etwa bei dem Parallelimport umgepackter Arzneimittel, die zumeist über die Primärverpackungen in Blistern noch dem Original-Zulassungsinhaber zuzuordnen sind.

d. Die von dem Bundesgerichtshof nunmehr vorgenommene Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ist auch sachgerecht. Hierdurch wird die Beklagte insbesondere nicht rechtlos gestellt. Denn die Klägerin hatte sich nicht darauf beschränkt, die Verkehrsfähigkeit des parallelimportierten Produkts zu bestreiten. Vielmehr hatte die Klägerin ihrerseits ein aus Shanghai stammendes Parteigutachten sowie eine weitere gutachterliche Stellungnahme des Instituts Fresenius (Deutschland) vorgelegt, auf die sie ihre Behauptung stützt. Jedenfalls im Anschluss hieran hätte es der Beklagten - wie das Landgericht zutreffend auf der Grundlage einer sekundären Darlegungslast festgestellt hat - oblegen, nunmehr ihre Behauptungen in den entscheidungsrelevanten Bereichen ihrerseits näher zu substantiieren. Dabei mag es - ohne dass der Senat dies aus Anlass des vorliegenden Rechtsstreits zu entscheiden hat - zweifelhaft sein, ob der Beklagten bereits in diesem Stadium eigene Untersuchungen, etwa die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur chemischen Identität zuzumuten sind. Sie durfte sich indes nicht darauf beschränken, lediglich die umfassenden und nachvollziehbaren Feststellungen der Klägerin anzugreifen, ohne ihrerseits in irgendeiner zielführenden Weise zur Sachverhaltsaufklärung beizutragen. Selbst unter Berücksichtigung schutzwürdiger Geheimhaltungsinteressen der Beklagten als Parallelimporteurin war es ihr schon auf der Grundlage einer sekundären Darlegungslast versagt, jeglichen Nachweis auf die Klägerin zu verlagern.

e. Die Behauptung der Beklagten, Feststellungen zur Identität der jeweiligen Produkte seien ausschließlich dem BVL vorbehalten, steht ebenfalls im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in dieser Entscheidung (BGH GRUR 2010, 160, 161 - Quizalofop) , der unter anderem ausgeführt hat:

"Das BerGer. hat weiterhin zutreffend angenommen, dass bei einem im Europäischen Wirtschaftsraum hergestellten Pflanzenschutzmittel – von einem solchen ist das BerGer. zu Gunsten der Bekl. ausgegangen – die Frage der Identität mit einem zugelassenen Mittel auch noch im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung geklärt werden kann, bei der die Parteien um die Frage streiten, ob die – nicht personenbezogene – Zulassung für das importierte Mittel ebenfalls gilt (vgl. BGH GRUR 1996, 372 – Zulassungsnummer II; BGH GRUR 2003, 254 – Zulassungsnummer III)."

Es mag sein, dass eine "Parallelität" der Beurteilung von Sachverhalten im Wettbewerbsrecht, die zugleich Gegenstand verwaltungsbehördlicher Entscheidungen sind, unbefriedigend ist. Sie ist gleichwohl unvermeidbar, schon deshalb, weil die Verwaltungsbehörde allenfalls die Identität der ihr vorgelegten Muster beurteilen, nicht jedoch auch für die Zukunft garantieren kann, dass die unter Berufung auf die erteilte Genehmigung konkret zu Lasten von Wettbewerbern in den Markt eingeführten Produkte mit diesen inhaltsgleich sind.

f. Die mit ihrem Schriftsatz vom 29.03.2010 geäußerte Auffassung der Beklagten, die Entscheidung Quizalofop des BGH betreffe ausschließlich die Rechtslage vor dem 01.01.2007 und sei deshalb auf den vorliegenden Rechtsstreit nicht anwendbar, teilt der Senat ebenfalls nicht. Die Kodifizierung von § 16 c PflSchG hat nichts daran geändert, dass es unverändert um ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt geht. Die Erteilung der Verkehrsfähigkeitsbescheinigung durch das BVL konkretisiert zwar in allgemeiner Form die rechtliche Zulässigkeit des Inverkehrbringens bei Übereinstimmung des parallelimportierten Pflanzenschutzmittels mit dem Referenzprodukt. Sie besagt jedoch nichts über die tatsächliche Übereinstimmung der Produkte, für die diese Verkehrsfähigkeitsbescheinigung in Anspruch genommen wird, im jeweiligen Einzelfall. Insoweit können keine anderen Maßstäbe gelten als nach der alten Rechtslage, die Gegenstand der Entscheidung des Bundesgerichtshofs gewesen ist.

g. Die von der Beklagten vorgebrachten allgemeinen Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit der Klägerin und die Lauterkeit der mit ihr in diesem Verfahren geltend gemachten Ansprüche verhelfen der Beklagten ebenfalls nicht zum Erfolg. Gegenstand des Rechtsstreits ist eine konkrete Vertriebssituation mit den sich hierauf unmittelbar beziehenden rechtlichen Rahmenbedingungen. Selbst wenn die Klägerin in anderem Zusammenhang zunächst aufgestellte Behauptungen hat revidieren müssen, ergibt sich daraus nichts für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits. Gleiches gilt für das offenkundige Interesse der Klägerin, aus wirtschaftlichen Gründen Parallelimporte nach Möglichkeit zu vermeiden und diejenigen Vertriebspartner in Erfahrung zu bringen, durch die Parallelimporteure ihre Ware beziehen. In gleicher Weise wie es der Beklagten frei steht, rechtliche Möglichkeiten zum Parallelimport für ihre wirtschaftlichen Interessen auszunutzen, kann es der Klägerin nicht verwehrt sein, die ihr hiergegen zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel zu ergreifen. Ein derartiges Verhalten macht das Vorgehen der Klägerin nicht unlauter.

h. Was die wettbewerbsrechtliche Verantwortlichkeit der Beklagten angeht, hat bereits die Klägerin zutreffend darauf hingewiesen, dass es auf ein Verschulden oder eine subjektive Vorwerfbarkeit der Beklagten insoweit nicht ankommt. Es mag sein, dass die Beklagte das zum Anlass des vorliegenden Rechtsstreits gemachte Produkt in gutem Glauben importiert hat. Dies ändert nichts daran, dass sie im Falle eines Wettbewerbsverstoßes hierdurch Wiederholungsgefahr für künftiges gleichartiges Handeln gesetzt hat, die sie in zweckentsprechender Weise auszuräumen hat. So hatte z.B. der 3. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bezug auf den Importeur rechtsverletzender Computersoftware ausgesprochen, dass dieser selbst dann zur Unterlassung (und Abgabe einer hierauf gerichteten Unterwerfungserklärung) verpflichtet ist, wenn er mangels eigener Kenntnisse noch nicht einmal feststellen kann, ob die von ihm importierten Produkte Originale oder Fälschungen sind. In Ermangelung anderer Erkenntnismöglichkeiten obliegt es ihm notfalls, den Vertriebsweg lückenlos bis zum Originalhersteller zurückzuverfolgen (OLG Hamburg CR 02, 415 - Software-Fälschungsmerkmale). Nichts anderes gilt für die Beklagte in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation.

2. Aus den genannten Gründen folgt, dass auch der unter dem Aspekt der Irreführung erhobene Unterlassungsantrag zu 2. gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG begründet ist. Denn sie Beklagte weist auf der Verpackung ihres Produkts ausdrücklich werbend darauf hin, ihr Produkt sei „chemisch identisch mit POINTER", und zwar unter Bezugnahme auf die deutsche Zulassung für POINTER®. Hier handelt es sich für die angesprochenen Verkehrskreise um unmittelbar entscheidungsrelevante Informationen, von denen der Erwerb des Produkts der Beklagten - zu Lasten des Originalprodukts der Klägerin - maßgeblich abhängt. Dies bedarf keiner näheren Erläuterung. Mit dem Begriff „chemisch identisch“ stellt die Beklagte eine Behauptung auf, die sogar noch über den Umstand hinausgeht, dass sie für ihr parallel importiertes Produkt die nationale Zulassung für POINTER® in Anspruch nehmen darf. Die Klägerin hat substantiiert dargelegt, dass eine derartige chemische Identität tatsächlich nicht vorliegt. Dem ist die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten. Insbesondere fehlt es an einer inhaltlichen Auseinandersetzungen mit den Ergebnissen der Parteigutachten. Insoweit wird auf die Ausführungen oben unter Ziff. 2.d. Bezug genommen. Die in der Senatssitzung von ihr aufgestellte Behauptung, die angesprochenen Verkehrskreise seien "Fachverkehrskreise" und verstünden den Begriff der „chemischen Identität“ ohnehin nicht streng wörtlich, sondern im Sinne der juristischen Definitionen gemäß § 16 c PflSchG, ist nicht plausibel und erfahrungswidrig. Die Klägerin hat durch das in Anlage K 15 vorgelegte Schreiben des BVL vom 17.01.2008 belegt, dass sogar die Genehmigungsbehörde davon ausgeht, dass die Pflanzenschutzmittel "absolut identisch" sind. Für ein abweichendes Verkehrsverständnis ist ebenfalls nichts ersichtlich. Denn die Produkte werden von Landwirten erworben und eingesetzt. An diese richten sich die Information auf der Verpackung. Die Annahme, derartigen Nutzern seien wie allen Endverbrauchern die - selbst zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits hochstreitigen - Einzelheiten des rechtlichen Verständnis von § 16 c PflSchG bewusst, steht mit der Lebenswirklichkeit nicht in Einklang. Diese Feststellungen vermag der Senat auf Grund der eigenen Sachkunde seiner Mitglieder zu treffen.

3. Die von der Beklagten gegen den verfolgten Unterlassungsantrag erhobenen Bedenken teilt der Senat nicht. Die Antragsfassung bewegt sich im Rahmen auch ansonsten zulässiger Verallgemeinerungen. Die von der Beklagten hierzu vorgelegten Anlagen BK 1 bis BK 5 mögen das Interesse von Unternehmen belegen, gerichtlichen Tenören eine weitergehende Rechtswirkung zuzuschreiben, als diese tatsächlich haben. Daraus kann die Beklagte jedoch im vorliegenden Fall keine für sie günstigen Folgen herleiten. Entgegen der Auffassung der Beklagten vermag der Senat auch dem als Anlage BK 6 vorgelegten Urteil des OLG Frankfurt nicht zu entnehmen, dass dieses Gericht es zur Voraussetzung des Verbots gemacht hat, dass die Abweichungen in dem Unterlassungstenor konkret zu bezeichnen sind. Nach dem Verständnis des Senats hatte die dortige Antragstellerin bereits einen entsprechend konkretisierten Antrag gestellt, den das Oberlandesgericht im Rahmen von § 938 ZPO lediglich weiter modifiziert hat. Der Senat kann diese Entscheidung nicht entnehmen, das Oberlandesgericht Frankfurt habe entschieden, die Abweichungen seien in dem Unterlassungstenor konkret zu bezeichnen sind.

3. Der Auffassung der Beklagten, der geltend gemachte Anspruch auf Ersatz der Rechtsanwaltskosten sei gemäß § 11 UWG verjährt, vermag sich der Senat ebenfalls nicht anzuschließen.

a. Allerdings unterliegt dieser Anspruch gemäß § 11 Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG der kurzen Verjährung von 6 Monaten. Die Verjährung beginnt gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 1 UWG dann, wenn der Anspruch entstanden ist. Anspruch im Sinne dieser Vorschrift ist nicht der materielle Unterlassungsanspruch, sondern der Kostenerstattungsanspruch aus Anlass der Einschaltung eines Rechtsanwalts. Der auf Erstattung der Abmahnkosten gerichtete Anspruch entsteht nach zutreffender Auffassung (erst) dann, wenn eine ordnungsgemäße Abmahnung an den Schuldner in einer Form abgesandt worden ist, die einen Zugang erwarten lässt (Harte/Henning/Schulz, UWG, 2. Aufl., § 11 Rdn. 64).

b. Dies bedeutet für den vorliegenden Fall: Die Klägerin hat die vorgerichtliche Abmahnung am 03.07.2007 (Anlage K 8) an die Beklagte abgeschickt. Sie hat sodann mit Schriftsatz vom 10.12.2007 (bei Gericht eingegangen am 11.12.2007) ihre Klage erweitert und Zahlungsklage auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten erhoben. Hierdurch ist die Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt worden. Die Hemmung ist vor Ablauf der sechsmonatigen Verjährungsfrist gemäß § 11 UWG eingetreten. Der Zeitpunkt, zu dem die Klägerin ihre Rechtsanwälte eingeschaltet und die Abmahnung ausgesprochen hat, kann ihr unter Verjährungsgesichtspunkten nicht entgegengehalten werden.

4. Der geltend gemachte Anspruch auf Auskunftserteilung steht der Klägerin allerdings nur in geringem Umfang zu. Denn dieser Anspruch ist weitgehend bereits verjährt. Hierauf weist die Beklagte zu Recht hin. Allerdings ergibt sich die Verjährung dieses Anspruchs nicht aus dem Ablauf eigener Verjährungsfristen, sondern aus der fehlenden Durchsetzbarkeit des Hauptanspruchs, dessen Konkretisierung der Auskunftsanspruch dienen soll.

a. Der Auskunftsanspruch verjährt nicht innerhalb derselben kurzen Frist wie der Erstattungsanspruch in Bezug auf die Rechtsanwaltskosten Denn der Auskunftsanspruch ist in § 11 Abs. 1 UWG nicht genannt. Im Hinblick auf die enumerative Aufzählung von Vorschriften in dieser Norm einerseits und dem Hinweis auf "andere Ansprüche" in Abs. 4, die in 3 Jahren verjähren, geht die inzwischen wohl herrschende Auffassung zutreffend davon aus, dass der Auskunftsanspruch damit nicht unter die kurze Verjährungsfrist fällt, sondern erst in 3 Jahren nach der Entstehung verjährt (Harte/Henning/Schulz, a.a.O., Rdn. 19; Hefermehl/ Köhler /Bornkamm, UWG, 26. Aufl., § 11 Rdn. 1.17; zustimmend für eine eigenständige Verjährung auch: Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl., Kap. 38, Rdn. 37). Dementsprechend wäre Verjährung vorliegend durch Zeitablauf noch nicht eingetreten.

b. Allerdings trifft der Hinweis der Beklagten zu, dass die Klägerin mit ihrer Klage nicht zugleich einen Anspruch auf Feststellung der Schadensersatzpflicht gegen sie geltend gemacht hat. Vor diesem Hintergrund spricht im Hinblick auf § 11 Abs. 1 i.V.m. § 9 UWG vieles dafür, dass die Klägerin aus unverjährter Zeit Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte nicht mehr in nennenswertem Umfang geltend machen kann. Dies ändert nach zutreffender Auffassung jedoch nichts daran, dass der Auskunftsanspruch in Bezug auf eine Verjährung nicht von der Verjährung des Hauptanspruchs abhängt, sondern einer eigenen Verjährungsfrist gemäß § 11 Abs. 4 UWG unterliegt (Hefermehl/ Köhler /Bornkamm, a.a.O.).

c. Davon unabhängig besteht ein berechtigtes Informationsinteresse - als Ausfluss des allgemeinen Rechtsschutzinteresses - für eine Auskunftsklage jedoch nur, wenn der Hauptanspruch überhaupt noch durchsetzbar ist (Hefermehl/ Köhler /Bornkamm, a.a.O.). Ist dies nicht der Fall, bedarf der Verletzte der Auskunftserteilung zur Vorbereitung eines derartigen Schadensersatzanspruches in rechtlicher Hinsicht nicht. Die Auskunftsklage ist in diesem Fall als unbegründet abzuweisen (Hefermehl/ Köhler /Bornkamm, a.a.O.).

aa. Der im Wettbewerbsrecht aus § 242 BGB fließende Auskunftsanspruch ist ein sog. unselbstständiger Auskunftsanspruch, der in der Regel der Vorbereitung eines Schadensersatzanspruchs dient. Kann der Schadensersatzanspruch nicht (mehr) durchgesetzt werden, so fehlt im Regelfall das aus § 242 BGB fließende Interesse an der Durchsetzung des Auskunftsanspruchs. Insoweit unterscheidet sich der wettbewerbsrechtliche Auskunftsanspruch von den spezialgesetzlichen Auskunftsansprüchen z.B. aus § 19 MarkenG oder § 101 UrhG. Diese Ansprüche dienen gerade nicht (in erster Linie) der Schadensberechnung, sondern dem Verschließen der Quellen und Vertriebswege schutzrechtsverletzender Gegenstände. Sie sind deshalb von der Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs unabhängig. Letztlich geht es der Klägerin mit ihrem Auskunftsverlangen vorliegend ebenfalls darum, allerdings mit der Besonderheit, dass sie nicht Inhaberin eines absolut wirkenden Schutzrechtes ist, sondern aus allgemeinem Wettbewerbsrecht vorgeht. Dies kann indes nichts daran ändern, dass die Rechtfertigung für die Einräumung eines Auskunftsanspruchs aus § 242 BGB nicht mit dem Gesetzeszweck der spezialgesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Auskunftsansprüche gleichgesetzt werden kann.

bb. Die Auskunftsklage ist deshalb infolge der Verjährung der Schadensersatzansprüche insoweit mangels Rechtsschutzinteresse unbegründet, als diese länger als 6 Monate zurückliegen. Soweit das Landgericht darauf abstellt, dass die Beklagte womöglich auch nach April 2007 weiterer Verletzungshandlungen begangen hat, die Schadensersatzansprüche auslösen, so mag dies zutreffend sein. Allein - die Antragstellerin hat diese nicht prozessual verfolgt, so dass eine Hemmung der jeweils kurzen Verjährung gemäß § 11 Abs. 1 UWG - soweit ersichtlich - nicht eintreten konnte. Dies bedeutet im Ergebnis, dass Schadensersatzansprüche, die aus wettbewerbswidrigen Verhalten vor dem 24.09.2009 resultieren, gemäß § 11 Abs. 1 UWG verjährt sind, so dass es insoweit keiner Auskunft mehr bedarf.

d. Soweit Verjährung nicht eingetreten ist, kann der Klägerin das Rechtsschutzbedürfnis für eine Auskunftsklage allerdings nicht abgesprochen werden. Soweit die Beklagte den Umfang des Auskunftsanspruchs restriktiv bemisst, vermag der Senat ihr insoweit nicht zu folgen.

aa. Allerdings ist es zutreffend, dass nach früherer Rechtsprechung die erste von dem Verletzten nachgewiesene Verletzungshandlung den Anspruch auf Auskunftserteilung in zeitlicher Hinsicht in die Vergangenheit begrenzt hat. Diese Rechtsprechung hat der für gewerblichen Rechtsschutz zuständige I. Zivilsenat des BGH jedoch zwischenzeitlich aufgegeben und sich ausdrücklich der abweichenden Auffassung des X. Zivilsenats angeschlossen. Danach ist der Beginn der Verletzungshandlung nicht nachzuweisen; entsprechend braucht die Urteilsformel keine zeitliche Begrenzung der Auskunfts- bzw. Rechnungslegungspflicht zu enthalten. Es ist allein auf die Verletzungshandlungen abzustellen, ohne dass dabei der Zeitpunkt, zu dem sie vorgenommen worden sind, eine Rolle spielt (BGH WRP 07, 1187, 1190 – Windsor-Estate).

bb.Vor diesem Hintergrund trifft auch die Auffassung der Beklagten nicht zu, es sei für die Auskunft allein auf die hier streitgegenständlichen Testkäufe und die dabei vorgefundenen (vermeintlichen) Verletzungsgegenstände abzustellen. Der aus § 242 BGB hergeleitete Auskunftsanspruch – ebenso wie der Anspruch aus § 19 MarkenG – ist seinem Inhalt nach auf die Erteilung von Auskünften über den konkreten Verletzungsfall, d.h. über die konkrete Verletzungshandlung einschließlich solcher Handlungen, die ihr im Kern gleichartig sind, beschränkt (BGH GRUR 06, 504, 506 – Parfümtestkäufe; BGH GRUR 01, 841 - Entfernung der Herstellungsnummer II; BGH GRUR 2002, 709, 711 f - Entfernung der Herstellungsnummer III; zum wettbewerbsrechtlichen Auskunftsanspruch vgl. BGH GRUR 2000, 907, 910 - Filialleiterfehler). Durch diese Testkäufe ist nachgewiesen, dass die Beklagte Wiederholungsgefahr für die Begehung gleichartiger Handlungen gesetzt hat. Dies ist zwischen den Parteien auch nicht streitig. Die Beklagte selbst beruft sich darauf, dass sie im Ausland erworbene Produkte (der Klägerin) umfüllt, neu etikettiert und in Deutschland vertreibt. Hierüber wird sie gemäß § 242 BGB auch in zeitlicher und gegenständliche Weise grundsätzlich umfassend Auskunft zu erteilen haben - soweit es um Handlungen in unverjährter Zeit geht. Eine Beschränkung auf bestimmte Chargen, die bereits als rechtsverletzend identifiziert sind, kann die Beklagte nicht für sich in Anspruch nehmen.

e. Inhaltlich geht der geltend gemachte (und von dem Landgericht zugesprochene) Anspruch der Klägerin aber weit über den aus § 242 BGB geschuldeten Umfang hinaus. Für die Berechnung eine Schadensersatzanspruchs sind "Name und Anschrift des Herstellers, des Lieferanten und anderer Vorbesitzer, der gewerblichen Abnehmer oder Auftraggeber sowie [über] die Menge der hergestellten [erhaltenen] oder bestellten Erzeugnisse“ ohne erkennbare Bedeutung. Hiermit versucht die Klägerin, einen spezifisch schutzrechtlichen Auskunftsanspruch durchzusetzen, auf den sie im vorliegenden Rechtsstreit aus Wettbewerbsrecht keinen Anspruch hat. Geschuldet ist nach Sachlage allein eine Auskunft über die "erhaltenen Erzeugnisse“. Da es insoweit lediglich um den Umfang der Rechtsverletzung und nicht um deren Quellen geht, ist die Beklagte insoweit befugt, Informationen, aus denen ihre Lieferanten identifizierbar sind, zu schwärzen.

f. Räumlich-gegenständlich hat sich die Auskunftserteilung auf alle Umstände zu erstrecken, die eine Einfuhr, ein Angebot, ein Bewerben oder ein Inverkehrbringen in der bzw. in die Bundesrepublik Deutschland betreffen. Die Auskunftspflicht besteht unabhängig davon, wo die entsprechenden Informationen vorgehalten werden bzw. von wo aus die rechtsverletzenden Handlungen vorgenommen worden sind. Dementsprechend können auch Vorgänge, die sich z.B. in den Niederlanden zugetragen haben, von der Auskunftspflicht erfüllt sein, selbst wenn sich der gerichtliche Tenor nur auf materielle Verletzungshandlungen in Deutschland bezieht.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Rechtsstreit bietet dem Senat keine Veranlassung, gem. § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen. Der Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung, sondern beschränkt sich auf die Anwendung feststehender Rechtsgrundsätze auf den konkreten Einzelfall. Einer Entscheidung des Revisionsgerichts bedarf es auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.

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