Beschluss vom Brandenburgisches Oberlandesgericht
Entscheidungsdatum: 29.09.2010
Aktenzeichen: 6 W 82/10
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Verfügungsklägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Potsdam vom 5.3.2010 – 2 O 335/08 – teilweise abgeändert und unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen wie folgt neu gefasst:
Auf Grund des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 9.10.2008 und des Beschlusses des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 16.7.2009 - 6 U 87/08 - werden die von der Verfügungsklägerin an die Verfügungsbeklagten zu 1.) und 2.) zu erstattenden Kosten auf
2.858,60 €
(i. B. zweitausendachthundertachtundfünfzig und 60/100 EUR)
nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB ab dem 16.10.2008 aus 1.478,43 € und ab dem 5.10.2009 aus 1.380,17 € festgesetzt.
Von den außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Verfügungsklägerin einerseits 5 % und die Verfügungsbeklagten zu 1.) und 2.) andererseits 95 % zu tragen. Die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Verfügungsklägerin allein. Die Gebühr gemäß Nr. 1812 KV GKG wird auf die Hälfte ermäßigt.
Gründe
I.
Die Verfügungsklägerin, eine Rechtsanwalts-Partnerschaftsgesellschaft, nahm die beiden Verfügungsbeklagten, zwei Rechtsanwälte mit Sitz in M…, auf Unterlassung wegen von ihr als wettbewerbswidrig angesehenen Verhaltens in Anspruch.
Das Landgericht hat zunächst antragsgemäß eine einstweilige Verfügung erlassen, dann jedoch nach Widerspruch der Verfügungsbeklagten durch Urteil die einstweilige Verfügung aufgehoben, den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückgewiesen und die Kosten des Verfahrens der Verfügungsklägerin auferlegt. Ihre dagegen eingelegte Berufung hat die Verfügungsklägerin zurückgenommen. Ihr sind die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt worden.
Die Verfügungsbeklagten reichten zwei Kostenfestsetzungsanträge für beide Instanzen ein und erklärten, dass der Verfügungsbeklagte zu 1.) den Verfügungsbeklagten zu 2.) vertreten habe und umgekehrt. Deshalb seien auch zwei Mal Reisekosten und die Terminsgebühr festzusetzen, da sie beide im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht aufgetreten seien.
Der Rechtspfleger des Landgerichts hat mit Beschluss vom 5.3.2010 die von der Verfügungsklägerin an den nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Verfügungsbeklagten zu 1.) zu erstattenden Kosten auf 3.098,79 € und die von der Verfügungsklägerin an den vorsteuerabzugsberechtigten Verfügungsbeklagten zu 2.) zu erstattenden Kosten auf 2.688,80 € festgesetzt.
Gegen diesen Beschluss, der ihr am 10.3.2010 zugestellt worden ist, wendet sich die Verfügungsklägerin mit ihrer am 24.3.2010 bei Gericht eingegangenen sofortigen Beschwerde, mit der sie sich dagegen wendet, dass für jeden Verfügungsbeklagten gesonderte Kosten festgesetzt worden sind. Außerdem macht sie geltend, die Verfügungsbeklagten hätten mehrere Termine wahrgenommen, die Reisekosten seien anteilig darauf zu verteilen. Dabei komme es nicht darauf an, ob die Verfügungsbeklagten berufliche oder private Termine wahrgenommen hätten.
Der zuständige Rechtspfleger hat mit Beschluss vom 9.6.2010 dem Rechtsbehelf nicht abgeholfen und ihn dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß den §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3, 567 Abs. 1 und 2, 569 Abs. 1 ZPO zulässig. Der Wert der Beschwer beträgt für die Verfügungsklägerin 3.063,09 € (durch mehrere Rechtsanwälte verursachte Mehrkosten in Höhe von 2.928,99 € und 50 % der für einen Prozessbevollmächtigten festgesetzten Reisekosten in Höhe von insgesamt 268,20 €) und übersteigt damit den Beschwerdewert von 200 €.
Die sofortige Beschwerde ist begründet, soweit sich die Verfügungsklägerin gegen die Festsetzung von Gebühren und Reisekosten für zwei Rechtsanwälte wendet. Sie ist unbegründet, soweit sie die unterbliebene Verteilung der anwaltlichen Reisekosten auf einen beruflichen und einen privaten Anteil beanstandet.
Mehrkosten, die durch die Beauftragung mehrerer Rechtsanwälte auf Seiten der Verfügungsbeklagten entstanden sein könnten, sind nicht erstattungsfähig.
Es bestehen schon Zweifel, ob die Verfügungsbeklagten erstinstanzlich mehrere Rechtsanwälte beauftragt haben. Denn die erstinstanzlichen Schriftsätze für die Verfügungsbeklagten hat die Sozietät eingereicht, der die beiden Verfügungsbeklagten angehören. Gesonderte Schriftsätze für jeden einzelnen Verfügungsbeklagten sind erst im Berufungsverfahren eingereicht worden. Letztlich kommt es hierauf nicht an.
Denn nach § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO sind die Kosten mehrerer Rechtsanwälte nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste.
Eine solche Ausnahme ist gegeben, wenn ein konkreter sachlicher Grund die Inanspruchnahme von mehreren Prozessbevollmächtigten gebietet. Die Frage, ob dies stets der Fall ist, wenn Streitgenossen klagen oder verklagt werden, wurde in der Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt. Seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 20.1.2004 (VI ZB 76/03, NJW-RR 2004, 536, zitiert nach Juris) ist diese Frage höchstrichterlich geklärt. Danach besteht zwar grundsätzlich keine kostenrechtliche Verpflichtung zur Bestellung eines gemeinsamen Prozessbevollmächtigten. Jeder Streitgenosse darf sich durch einen eigenen Bevollmächtigten vertreten lassen (BVerfG NJW 1990, 2124, zitiert nach Juris).
Allerdings besteht kein Kostenerstattungsanspruch im Falle des Rechtsmissbrauchs (BVerfG, a. a. O.). Darüber hinaus sind Kosten von mehreren Prozessbevollmächtigten dann nicht erstattungsfähig, wenn feststeht, dass ein eigener Prozessbevollmächtigter für eine interessengerechte Prozessführung nicht erforderlich sein wird (BGH, Beschluss vom 20.1.2004 VI ZB 76/03, Juris Rn 8), insbesondere wenn man nicht von einem Interessengegensatz zwischen mehreren Streitgenossen ausgehen kann (BGH, Beschluss vom 2.5.2007, XII ZB 156/06, MDR 2007, 1160, zitiert nach Juris).
Nach den vorstehend dargestellten Grundsätzen war es nicht erforderlich, dass beide Verfügungsbeklagte jeweils einen eigenen Prozessbevollmächtigten mit ihrer Interessenwahrnehmung beauftragt haben. Die Interessen der beiden Verfügungsbeklagten verliefen parallel. Dass ein Interessengegensatz zwischen den beiden Verfügungsbeklagten vorliegen könnte, ist nicht ersichtlich.
Der Kostenerstattungsanspruch der Verfügungsbeklagten ist deshalb auf den Betrag zu beschränken, der sich ergeben hätte, wenn sie einen gemeinsamen Prozessbevollmächtigten beauftragt hätten (BGH, Beschluss vom 2.5.2007, XII ZB 156/06, MDR 2007, 1160; Senat, Beschluss vom 16.4.2008, 6 W 167/07; jeweils zitiert nach Juris).
Bei der Berechnung der Gebühren eines fiktiven gemeinsamen Prozessbevollmächtigten beider Verfügungsbeklagten ist die Mehrwertsteuer nicht festzusetzen. Der Verfügungsbeklagte zu 1.) ist als angestellter Rechtsanwalt zwar nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Zum Vorsteuerabzug berechtigt ist nur der Verfügungsbeklagte zu 2.). Bei einer derartigen Fallkonstellation ist zu prüfen, wer im Innenverhältnis der Streitgenossen die Kosten zu tragen hat (BGH, Beschluss vom 25.20.2005, VI ZB 58/04, Zöller/Herget, § 91 Rn 13 Stichwort "Umsatzsteuer"). Ergibt sich aufgrund der Regelungen, die das Innenverhältnis der Streitgenossen betreffen, dass einer von ihnen die gesamten Kosten des gemeinsamen Prozessbevollmächtigten zu tragen hat, sind dies die vom Gegner zu erstattenden Kosten. Hier ist davon auszugehen, dass der Verfügungsbeklagte zu 2.) als Arbeitgeber die Kosten der Prozessführung des Verfügungsbeklagten zu 1.) zu übernehmen hat. Denn die Inanspruchnahme beider Verfügungsbeklagten ergab sich daraus, dass sie zum maßgeblichen Zeitpunkt - wie sich aus dem Anlagenkonvolut ASt 3 zur Antragsschrift ergibt - im Geschäftsverkehr als eine aus zwei Rechtsanwälten bestehende Außensozietät auftraten. Die Gestaltung des Außenauftritts der beiden Verfügungsbeklagten liegt in der Verantwortung des Verfügungsbeklagten zu 2.) als Arbeitgeber.
Die Verfügungsklägerin hat grundsätzlich auch die anwaltlichen Reisekosten zu erstatten. Sie hat die in M… ansässigen Verfügungsbeklagten vor dem Landgericht Potsdam verklagt. Das war für die Verfügungsbeklagten ein auswärtiges Gericht. Es handelt sich um notwendige Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung, wenn eine vor einem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte Partei einen an ihrem Wohnsitz oder Geschäftsort ansässigen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung beauftragt (BGH NJW 2003, 898 - Auswärtiger Rechtsanwalt II). Daraus folgt, dass die Kosten der Anreise zu erstatten sind, allerdings nur die Reisekosten eines der beiden Verfügungsbeklagten.
Dass die Verfügungsbeklagten sich noch Sehenswürdigkeiten in der Umgebung des Gerichtsorts angesehen haben, hat das Landgericht ausreichend rechnerisch berücksichtigt und lediglich die Reisekosten vom Flughafen zum Landgericht Potsdam und zurück festgesetzt.
Private Besichtigungen nach dem Termin zur mündlichen Verhandlung führen nicht dazu, dass die Verfügungsbeklagten ihre Reisekosten anteilig selbst zu tragen hätten. Denn es ist bei lebensnaher Betrachtungsweise davon auszugehen, dass sie die Reise nicht ohne den beim Landgericht Potsdam anberaumten Termin angetreten hätten. Dass sie weitere geschäftliche Termine wahrgenommen hätten, ist dagegen nicht ersichtlich. Sie haben durch anwaltliche Versicherung glaubhaft gemacht, dass dies nicht der Fall war.
Die fiktiven Kosten eines gemeinsamen Prozessbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten berechnen sich bei einem Streitwert von 15.000,00 € deshalb wie folgt:
Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG
1,3
735,80 €
Erhöhungsgebühr Nr. 1008 VV RVG
0,3
169,80 €
Terminsgebühr Nr. 3104 VV RVG
1,2
679,20 €
Fahrtkosten Nr. 7003 VV RVG
41 km x 0,3 €/km
24,60 €
Flugkosten
183,43 €
Parkgebühren M…
17,65 €
Mietwagenkosten
32,10 €
Benzinkosten
7,06 €
Parkkosten Potsdam
3,36 €
Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV RVG
mehr als acht Stunden
60,00 €
Postpauschale Nr. 7002 VV RVG
20,00 €
Zwischensumme 1. Instanz
1.933,00 €
Verfahrensgebühr Nr. 3200 VV RVG
1,6
905,60 €
Postpauschale Nr. 7002 VV RVG
20,00 €
Zwischensumme 2. Instanz
925,60 €
Summe
2.858,60 €
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die gerichtliche Gebühr trägt die Verfügungsklägerin allein, weil sie durch ihr teilweise erfolgloses Rechtsmittel ausgelöst worden ist.
Eine Wertfestsetzung für die Kosten gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG ist nicht erforderlich. Der Kostenwert ist nur dann festzusetzen, wenn sich die Gerichtsgebühren nach dem Streitwert berechnen, vgl. § 63 Abs. 1 GKG. Im Verfahren der sofortigen Beschwerde gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss ist dies nicht der Fall. Es wird eine Festgebühr erhoben, wenn die Beschwerde erfolglos bleibt, Nr. 1812 KV GKG, anderenfalls entstehen keine Gerichtsgebühren.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
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