
„FCKW frei“ – unlautere Werbung mit Selbstverständlichkeiten
Beschluss vom LG Darmstadt
Entscheidungsdatum: 04.08.2010
Aktenzeichen: 15 O 188/010
Leitsätze
1. Wird ein Klimagerät mit dem Hinweis „FCKW frei“ beworben, so ist darin eine unzulässige Werbung mit Selbstverständlichkeiten zu sehen.
2. Auf den angesprochenen Verkehrskreis wirkt die Werbung irreführend, da „der Verbraucher durch die Hervorhebung zu der Annahme veranlasst wird mit der Eigenschaft des Raumklimageräts als FCKW-frei sei ein Vorzug gegenüber anderen Erzeugnissen (…) verbunden“.
Tenor
In dem einstweiligen Verfügungsverfahren hat das Landgericht Darmstadt - 2. Kammer für Handelssachen mit Sitz in Offenbach am Main - durch den Vorsitzenden Richer am Landgericht wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung und ohne Gewährung rechtlichen Gehörs am 04. August 2010 beschlossen:
Der Antragsgegnerin wird verboten,
im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern
1. für netzbetriebene Raumklimageräte hervorgehoben mit dem Hinweis zu werben oder werben zu lassen, das Gerät sei „FCKW frei", insbesondere wenn dies wie in der verbundenen Anlage 2a, 2b abgebildet geschieht:
2. netzbetriebene Raumklimageräte im Sinne der Richtlinie 2002/31/EG im Internet zum Kauf anzubieten, ohne in der Angebotsbeschreibung über die in Anhang II der Richtlinie 2002/31/EG vorgeschriebenen Angaben in der dort vorgesehenen Reihenfolge zu informieren.
Der Antragsgegnerin wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, die Ordnungshaft zu vollziehen an einem Vorstand, angedroht.
Im übrigen wird der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen
Von den Kosten des Verfahrens haben der Antragsteller 1/3, die Antragsgegnerin 2/3 zu tragen.
Der Streitwert beträgt 22.500,00 EUR.
Gründe
Der Antrag auf Erlaß der einstweiligen Verfügung ist gemäß §§ 3,5,8 Abs 1 UWG, §§ 937 ff ZPO zum Teil gerechtfertigt, im übrigen wäre der Antrag zurückzuweisen.
Der Antragsteller hat dargelegt und durch Vorlage von Ausdrucken aus den Internetpräsenzen glaubhaft gemacht, daß die Antragsgegnerin im Internet Über die Handelsplattform Amazon EU S.a.r.l in deren Internetpräsenz http:/www.amazon.de und in der eigenen Internetpräsenz ... einen gewerblichen Handel mit Raumklimageräten betreibt und diese über den Versandhandel zum Verkauf anbietet.
Der Antragsteller hat dargelegt und glaubhaft gemacht, daß die Antragsgegnerin das Klimagerät WDH TC 1046 auf der eigenen Internetpräsenz und auf der Internetpräsenz amazon.de mit dem Hinweis "FCKW frei" bewirbt. Dabei handelt es sich um eine unzulässige Werbung mit Selbstverständlichkeiten. Diese ist ungeachtet der objektiven Richtigkeit der Angabe "FCKW frei" irreführend, da der angesprochene Verbraucher durch die Hervorhebung zu der Annahme veranlaßt wird mit der Eigenschaft des Raumklimageräts als FCKW - frei sei ein Vorzug gegenüber anderen Erzeugnissen der gleichen Gattung und den Angeboten von Mitbewerbern verbunden. (BGH, Urt, v. 9.7.1987 - 1 ZR 120/85, GRUR 1987 916, 917 = WRP 1988, 28 - Gratis-Sehtest). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn dem angesprochenen Verbraucher nicht bekannt ist, daß es sich bei der beworbenen Eigenschaft um einen gesetzlich vorgeschriebenen oder zum Wesen der Ware gehörenden Umstand handelt. Entscheidend ist, daß der Verbraucher in der herausgestellten Eigenschaft der beworbenen Ware oder Leistung irrtümlich einen Vorteil sieht, den er nicht ohne weiteres, insbesondere auch nicht bei Bezug der gleichen Ware oder Leistung bei der Konkurrenz, erwarten kann (BGH, Beschl. v. 23.10.2008, I ZR 121/07). Dies ist bei einer hervorgehobenen Bewerbung der Fall.
Bei der beworbenen Eigenschaft „FCKW frei" handelt es sich um einen gesetzlich vorgeschriebenen Umstand. Gemäß Art. 4 der EG-Verordnung 2037/2000 vom 29.06.2000 sind das Inverkehrbringen und die Verwendung von FCKW bis auf wenige Ausnahmen verboten. Das Herausstellen des Umstandes, daß kein FCKW enthalten ist, kann bei dem angesprochenen Publikum die irrige Vorstellung hervorrufen, daß es sich um eine Besonderheit des beworbenen Produktes im Vergleich zu Produkten von Mitbewerbern handelt. Dies ist tatsächlich nicht der Fall, da die Verwendung von FCKW in Klimageräten gesetzlich verboten ist.
Die Antragsgegnerin handelt auch gemäß §§ 3, 4 Nr. 11 UWG wettbewerbswidrig, indem sie, bei dem Angebot des netzbetriebenen Raumklimagerätes WDH TC1040 die gemäß §§ 3 I, 5 i.V.m Anlage 1 Ziffer 1 S. 1, Tabelle 1 Zeile 7 Spalten 4 und 5 EnVKV i.V.m Anhang II und III der Richtlinie 2002/31/EG erforderliche Reihenfolge der anzugebenden Informationen nicht einhält. Der Antragsteller hat diesen Sachverhalt ebenfalls dargelegt und glaubhaft gemacht. Die gemäß Anhang II der Richtlinie 2002/31/EG anzugebenden Informationen sind zwar bis auf eine eindeutige Angabe des Gerätetyps und der Kühlungsart im Angebot der Antragsgegnerin vorhanden, es mangelt jedoch an der ausdrücklich vorgeschriebenen Reihenfolge. Die Reihenfolge der Informationen dient dazu, dem Verbraucher einen Vergleich der erhältlichen Geräte zu erleichtern, was ihm durch die Antragsgegnerin in unzulässiger Weise erschwert wird.
Die Dringlichkeit für den Erlaß der einstweiligen Verfügung wird gemäß § 12 Abs. 2 UWG vermutet.
Im übrigen war der Antrag zurückzuweisen.
Der Antragssteller hat schon nicht hinreichend dargelegt, daß die werbliche Angabe für das Raumklimagerät WDH TC1040 „geringer Energieverbrauch" unzutreffend ist. Zunächst ist festzustellen, daß die vollständige werbliche Aussage der Antragsgegnerin den Vergleich mit Klimageräten anderer Hersteller enthält.
Der Antragsteller verlangt mit seinem Antrag indes der Antragsgegnerin zu verbieten für netzbetriebene Raurnklimageräte, die eine Energieeffizienzklasse von B oder schlechter aufweisen, schlechthin mit der Aussage "geringer Stromverbrauch" zu werben.
Der Antragsteller behauptet, daß ein Raumklimagerät der Energieeffizienzklasse B wie das von der Antragsgegnerin beworbene einen allenfalls durchschnittlichen Engergieverbrauch aufweise. Den diese Behauptung stützenden Sachverhalt hat der Antragsteller nicht hinreichend dargetan. Ob der Energieverbrauch des von der Antragsgegnerin beworbenen Gerätes allenfalls durchschnittlich ist, kann nur aus einem Vergleich mit auf dem Markt angebotenen vergleichbaren Geräten in einer die Angebotspalette wiedergebenden hinreichenden Anzahl abgeleitet werden. Hierzu trägt der Antragsteller nichts vor, der behauptete Sachverhalt ist auch nicht offenkundig.
Es bedarf keiner näheren Ausführung, daß der Vergleich von Raumklimageräten mit Kuhlschränken irrelevant ist.
Auch die Anführung einzelner Raumklimageräte anderer Hersteller genügt nicht den Anforderungen. Dies betrifft nicht nur deren geringe Anzahl. Die Aufführung jeweiligen Energieverbrauchs allein ist nicht nur unzureichend, sondern auch irreführend. Eine Beurteilung kann nur durch eine Ableitung aus der Korrelation von Energieverbrauch und Leistung erfolgen.
Aus den von dem Antragsteller als Anlagen K4 bis K7 vorgelegten Produktbeschreibungen ist zu entnehmen, daß den dort aufgeführten unterschiedlichen Energieverbräuchen (bezogen auf eine jährliche Laufzeit von 500 Stunden) ebenso unterschiedliche Kühlleistungen gegenüber stehen.
Bei drei der vier angeführten Geräte des Herstellers DeLonghi ist die Kühlleistung mit BTU angegeben. Die Einheit BTU — British terminal unit — bezeichnet eine Einheit der Energie, nämlich die Wärmeenergie, die benötigt wird, um ein britisches Pfund Wasser um 1 Grad Fahrenheit zu erwärmen, wobei wohl die korrekte Ein BTU/h gemeint sein dürfte und des weiteren zu beachten ist, daß die Einheit wiederum aus physikalischen Gründen variabel ist, mithin insgesamt wenig aussagekräftig und kein Standard. Dabei entsprechen 1.000 BTU/h 293 Watt. Umgerechnet weisen die angeführten Geräte damit Kühlleistungen von 2.490 W, 2.344 W, 2.930 W, und 2.200 W auf. Diesen verschiedenen Kühlleistungen stehen - wiederum bezogen auf eine Laufzeit von 500 Stunden pro Jahr - verschiedene Energieaufwendungen gegenüber, nämlich 0,92 kw/h, 0,8 kWh, 0,96 kw/h und 0,72 kw/h pro Stunde Laufzeit. Das von der Antragsgegnerin beworbene Raumklimagerät weist nach den Angaben eine Kühlleistung von 2.930 Watt bei einem Energieverbrauch von 1,18 kw/h auf. Diese Feststellungen sind bezogen auf das Verbotsbegehren des Antragstellers in keiner Weise aussagekräftig, auch wenn der Endverbrauch des von der Antragsgegnerin beworbenen Raumklimagerätes über denjenigen der angeführten Raumklimageräte liegen mag.
Die Androhung der Ordnungsmittel beruht auf § 890 ZPO.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens folgt aus § 92 ZPO.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 1 Ziffer 1 GKG, 3 ZPO.
Aktuelle IT-Urteile
-
LG Köln 31. Zivilkammer: „gelenkig?“ – widerrechtliche Wirkversprechen für Lebensmittel
Entscheidungsdatum: d.m.Y, H:i, AZ: 31 O 119/10 -
LG Rostock: „Stärkungsmittel“ – unlautere Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben
Entscheidungsdatum: d.m.Y, H:i, AZ: 5 HK O 18/11 -
OLG Rostock 2. Zivilsenat: „Schönheit kommt von innen!?“ – nährwertbezogene Angaben & das UWG
Entscheidungsdatum: d.m.Y, H:i, AZ: 2 U 2/11 -
OLG Frankfurt: „Akku-Schrauber“ – irreführende geografische Herkunftsangaben
Entscheidungsdatum: d.m.Y, H:i, AZ: 6 U 41/10 -
LG Darmstadt: „Bist Du reif für die Abnahme?“ – Sonderpreisklausel als Allgemeine Geschäftsbedingung
Entscheidungsdatum: d.m.Y, H:i, AZ: 25 S 162/10 -
KG Berlin: „Stummfilmkino“ – markenrechtliche Kurzbezeichnung der Örtlichkeit
Entscheidungsdatum: d.m.Y, H:i, AZ: 5 W 71/11 -
KG Berlin: „Mitbringsel“ – Werbung per Mail & das Wettbewerbsrecht
Entscheidungsdatum: d.m.Y, H:i, AZ: 5 W 59/11 -
BGH: „fliegender Teppich?“ – wettbewerbswidrige Werbung mit sog. Einführungspreisen
Entscheidungsdatum: d.m.Y, H:i, AZ: I ZR 81/09 -
OLG Hamm 4. Zivilsenat: „Scha la li“ – Anbieterkennzeichnung & Widerrufsrecht beim Onlinegeschäft
Entscheidungsdatum: d.m.Y, H:i, AZ: 4 U 204/10 -
LG Berlin: „Sternentaufe“ – Wettbewerbsverstöße durch Erhebung personenbezogener Daten
Entscheidungsdatum: d.m.Y, H:i, AZ: 91 O 25/11 -
OLG Düsseldorf: „Kauf per Klick“ – Negativer Käuferbewertung & ihre Folgen
Entscheidungsdatum: d.m.Y, H:i, AZ: 15 W 14/11 -
BPatG München: „Well & Slim oder Wellslim“? – identische Bezeichnungen & ihre markenrechtlichen Folgen
Entscheidungsdatum: d.m.Y, H:i, AZ: 25 W (pat) 50/10 -
LG Göttingen: „Grillunfall?“ – Ethanol-Kamin & die Produkthaftung
Entscheidungsdatum: d.m.Y, H:i, AZ: 2 O 218/09 -
OLG Köln 6. Zivilsenat: „Testsieger“ – Produktvergleich aus Verbrauchersicht
Entscheidungsdatum: d.m.Y, H:i, AZ: 6 U 159/10 -
Brandenburgisches Oberlandesgericht: „Preise & Zahlungsbedingungen“ – beliebige Rücksendekosten & das UWG
Entscheidungsdatum: d.m.Y, H:i, AZ: 6 U 80/10 -
LG Berlin: „Sternchen-Frage“ – unlauteres Serviceentgelt & die Preisangabenverordnung
Entscheidungsdatum: d.m.Y, H:i, AZ: 15 O 276/10 -
BPatG: „DJ Führerschein“ – markenrechtliche Unterscheidungskraft
Entscheidungsdatum: d.m.Y, H:i, AZ: 27 W (pat) 48/10 -
OLG Hamm: „Kontaktdaten“ – wettbewerbswidrige formularmäßige Einwilligung
Entscheidungsdatum: d.m.Y, H:i, AZ: 4 U 174/10 -
KG Berlin: „Polarweiß“ – unlautere Werbung mit Testergebnissen
Entscheidungsdatum: d.m.Y, H:i, AZ: 5 W 17/11 -
LG Nürnberg-Fürth 4. Kammer für Handelssachen: „mein picture?“ – Urheberrechte an Lichtbildern
Entscheidungsdatum: d.m.Y, H:i, AZ: 4 HK O 9301/10