Urteil vom OLG Hamburg
Entscheidungsdatum: 11.11.2009
Aktenzeichen: 5 U 57/09
Tenor
Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 6 für Handelssachen, vom 20.3.2009 (406 O 226/08) wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten der Berufung.
Gründe
I.
Die Parteien sind Wettbewerber für Telefon- und Internetdienstleistungen. Die Antragsgegnerin bietet diese Dienstleistungen über das von ihr betriebene Fernsehkabelnetz an. Sie ist im Gegensatz zur Antragstellerin nicht in allen Bundesländern tätig, da sie ihre Leistungen nicht in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Hessen und Baden-Württemberg anzubieten in der Lage ist.
Die Antragsstellerin nimmt die Antragsgegnerin im Wege des Verfügungsverfahrens auf Unterlassung wegen zweier Print-Werbungen in Anspruch. In dem als Anlage K 1 vorgelegten und unten eingeblendeten Schreiben wirbt die Antragsgegnerin u.a. mit der Aussage: „Denn wir sind der beliebteste Anbieter Deutschlands für Internet, Telefon und TV aus einer Hand!“
In der sogleich eingeblendeten Werbung gemäß Anlage K 2 bewirbt die Antragsgegnerin einen Preis- und Leistungsvergleich mit der Aussage: „Günstiger und mehr als 3x so schnell wie die T...!“
Die Antragstellerin hält die Werbungen jeweils aus dem Gesichtspunkt der Irreführung für wettbewerbswidrig. Die Behauptung der Antragsgegnerin, der beliebteste Anbieter für Deutschland zu sein, sei irreführend, da die beworbenen Dienstleistungen in drei Bundesländern gar nicht und in den übrigen Bundesländern nicht flächendeckend verfügbar sei. Irreführend sei ebenfalls die Behauptung, mehr als dreimal so schnell wie die T... zu sein, weil sie, die Antragstellerin, Produkte mit einer höheren Datenübertragungsgeschwindigkeit anbiete als die Antragsgegnerin. Nach ihrer Auffassung erwarte der Verkehr nach dem Wortsinn der Aussage “günstiger und mehr als 3x so schnell wie die T...“ weiterhin, dass die Antragsgegnerin in der Lage sei, immer und ohne Einschränkung eine Datenübertragungsgeschwindigkeit bieten zu können, die fortwährend und stabil um mehr als den Faktor „3“ höher sei als alle anderen Produkte der Antragstellerin, speziell aber deren Tarif „C…“. Dieses sei aber nicht möglich, da die Übertragungsgeschwindigkeit –unstreitig- von der Leistungsfähigkeit der Server im Internet abhängig sei. Die Antragsgegnerin könne daher keine stabile Datenübertragungsgeschwindigkeit gewährleisten und daher nicht den beworbenen Leistungsvorsprung immer und ohne Einschränkung für sich in Anspruch nehmen.
Sie erwirkte die Beschlussverfügung des Landgerichts Hamburg vom 4.12.2008 (406 O 226/08). Auf den Widerspruch der Antragsgegnerin bestätigte das Landgericht die einstweilige Verfügung mit Urteil vom 20.3.2009. Auf den Inhalt der einstweiligen Verfügung und des Urteils wird wegen der Einzelheiten verwiesen.
Mit ihrer fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung wiederholt und vertieft die Antragsgegnerin ihr erstinstanzliches Vorbringen. Der Kern der Aussage „Denn wir sind der beliebteste Anbieter Deutschlands für Internet, Telefon und TV aus einer Hand!“ sei ihre Beliebtheit bei den Kunden. Diese mache sich fest an der Weiterempfehlungsbereitschaft (Anlage AG 1) und der absoluten Zahl von Kunden für „Triple-Play-Angebote“. Wenn es keinen Anbieter in Deutschland im „triple-Play-Bereich“ gebe, der mehr Kunden aufweise (Anlage AG 2), sei sie der „beliebteste“ Anbieter „Deutschlands“. Eine Aussage zur örtlichen Verfügbarkeit werde dabei nicht getroffen. Der Verkehr mache sich keine Gedanken über eine Beschränkung des Angebots auf einzelne Bundesländer. Der Verkehr gehe ohnehin nicht von einer flächendeckenden Verfügbarkeit aus. Das Landgericht habe nicht zutreffend die Werbeaussage „Günstiger und mehr als 3 x so schnell wie die T...“ in ihrem Gesamtzusammenhang gewürdigt. Die Aussage beziehe sich allein auf das in den Vergleich einbezogene Produkt der Antragstellerin „C...“. Der Verkehr gehe bei den Angaben zur Datenübertragungsgeschwindigkeit von Durchschnittswerten aus, nicht aber davon, dass diese immer und fortwährend gegeben seien. Temporäre Schwankungen der Übertragungsgeschwindigkeit im Internet seien dem Verkehr bekannt. Dieses ergebe sich auch aus dem Gesamtzusammenhang des Werbeflyers, in dem mehrfach von einer Übertragungsgeschwindigkeit von „bis zu 20 Mbit/s“ gesprochen werde. Schwankungen der Datenübertragungsgeschwindigkeit seien in ihrem System geringer als dem DSL-System der Antragstellerin.
Die Antragsgegnerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 20.3.2009 (Az. 406 O 226/08) aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrags. Der Verkehr habe im Hinblick auf den eindeutigen (geografischen) Deutschland-Bezug in der Werbeaussage nicht die Erwartung, dass die Antragsgegnerin ihre Leistungen nur regional anbieten könne. Nur ein bundesweiter Anbieter könne für sich in Anspruch nehmen, Deutschlands beliebtester Anbieter zu sein. Der Verkehr habe keine Kenntnis von Beschränkungen der regionalen Verfügbarkeit des Kabelangebots, selbst wenn ihm solche bei DSL-Angeboten bekannt sein sollten. Die Werbung in Anlage K 2 nehme blickfangmäßig und uneingeschränkt Bezug auf „die T...“ und damit auf ihr gesamtes Produktportfolio. Der Geschwindigkeitsvorteil werde in der Aussage uneingeschränkt und absolut in Anspruch genommen. Die einschränkenden Angaben an anderer Stelle der Werbung seien unerheblich. Der Verkehr könne nicht erkennen, dass nur ein Vergleich der maximalen Durchschnittswerte erfolgt.
II.
Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin ist im Ergebnis nicht begründet.
1. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens sind zwei von der Antragstellerin verfolgte Unterlassungsansprüche hinsichtlich der jeweiligen konkreten Werbeaussage aus zwei konkret benannten Werbeanzeigen. Wie sich sowohl aus der jeweiligen Antragsformulierung als auch Antragsbegründung ergibt, werden die Aussagen aus den beiden Print-Werbungen für sich –allerdings beschränkt auf die Verwendung in der konkreten Verletzungsform- angegriffen.
2. Der erforderliche Verfügungsgrund liegt im Hinblick auf die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG vor. Dieses wird von der Antragsgegnerin auch nicht in Zweifel gezogen.
3 . Zur Werbeaussage “Denn wir sind der beliebteste Anbieter Deutschlands für Internet, Telefon und TV aus einer Hand! “ (Anlage K 1)
a. Die streitige Werbung gemäß Anlagen K 1 versandte die Antragsgegnerin im Oktober 2008. Dieses folgt aus dem Datum des Schreibens „24. Oktober 2008“ (Anlage K 1). Die Broschüre (Anlage K 2) ist zu dem gleichen Zeitpunkt verteilt worden und dürfte dem Schreiben (Anlage K 1) beigelegen haben (vgl. Sternchentext Anlage K 1). Zum 30.12.2008 ist das neue UWG in Kraft getreten. Für den in die Zukunft gerichteten und auf Wiederholungsgefahr gestützten Unterlassungsanspruch ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH erforderlich, dass die angegriffene Werbung sowohl nach dem zum Tatzeitpunkt als auch nach dem im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung geltenden Recht wettbewerbswidrig ist. Dieses ist vorliegend gemäß §§ 3, 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG a.F. und §§ 3, 5 Abs. 1 Nr. 1, 5a, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG n.F. der Fall.
b. Das Landgericht hat zutreffend im Hinblick auf diese Werbeaussage einen Unterlassungsanspruch aus dem Gesichtspunkt der Irreführung nach §§ 3, 5, 8 UWG a.F. und n.F. bejaht. Der Senat nimmt auf die zutreffende Begründung des Landgerichts insoweit ausdrücklich Bezug. Im Hinblick auf die Berufungsbegründung ist ergänzend auszuführen:
aa. Maßgebend für die Beurteilung einer Werbeaussage nach § 5 UWG a.F. und n.F. ist das Verständnis des angesprochenen Verkehrs. Von der Werbung der Antragsgegnerin angesprochen werden ausweislich der sich auf der Anlage K 1 befindlichen Betreffzeile die Verbraucher, die sich für Dienstleistungen auf dem Gebiet des Internetzugangs und der Telefonie interessieren. Im Hinblick auf den Verbreitungsgrad dieser Dienstleistungen auf dem Gebiet Deutschlands handelt es sich um Dienstleistungen des täglichen Bedarfs; angesprochen wird somit das allgemeine Publikum. Bei der Beurteilung der sich an den allgemeinen Verkehr wendenden Werbung ist somit auf das Verständnis eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Marktteilnehmers abzustellen, der die Werbung mit einer der Situation entsprechend angemessenen Aufmerksamkeit zur Kenntnis nimmt (vgl. BGH GRUR 2004, 244, 245 -Marktführerschaft; BGH NJW-RR 2004, 1487, 1489 -Größter Online-Dienst). Die Mitglieder des Senates gehören diesem allgemeinen Verkehrskreis an und können daher den Sachverhalt aus eigener Sachkunde beurteilen (vgl. BGH GRUR 2002, 182, 184 -Das Beste jeden Morgen).
bb. Im Rahmen der Ermittlung des Verkehrsverständnisses der Werbeaussage ist zunächst festzustellen, wie der angesprochene Verkehr die beanstandete Werbung aufgrund des Gesamteindrucks der Anzeige versteht. Einzelne Äußerungen in einer in sich geschlossenen Darstellung dürfen daher nicht aus ihrem Zusammenhang gerissen werden (Hefermehl/Köhler/ Bornkamm , UWG, 27. Aufl., § 5 Rz. 2.90 m.w.N.). Die streitgegenständliche Werbeaussage findet sich im Fließtext einer Werbeschrift, mit der von der Antragsgegnerin eine Doppelflatrate für „Internet und Telefon“ beworben wird. Der einleitende Absatz der Werbung weist zunächst darauf hin, dass unabhängige Institute erneut bestätigt haben, dass die Antragsgegnerin Testsieger in Preis, Leistung und Service ist. Die größte Auszeichnung erhalte die Antragsgegnerin aber von den Kunden. Sie sei der beliebteste Anbieter Deutschlands für Internet, Telefon und TV aus einer Hand.
Bei dem unbefangenen Lesen dieser Printwerbung kommen zumindest wesentliche Teile des angesprochenen Verkehrs zu der Auffassung, dass die Antragsgegnerin ihr Flatrate-Angebot für Telefon und Internet deutschlandweit macht und daher ihre Dienstleistungen, wenn auch vielleicht nicht in jedem, so doch in allen wesentlichen Bundesländern Deutschlands in Anspruch genommen werden können. Jedenfalls wird der Verbraucher nicht annehmen, dass die Antragsgegnerin nur in einem Teil Deutschlands präsent ist, nicht aber in den geografisch großen und bevölkerungsreichen Bundesländern Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen. Dieses folgt nicht nur aus der wiederholt in der Werbung genannten Firma der Antragsgegnerin „K... Deutschland“, die den eher flüchtigen Betrachter der Printwerbung auf eine deutschlandweite Bedeutung verweist, sondern insbesondere auch aus dem Fettdruck des Satzteils „beliebteste Anbieter Deutschlands“ der streitgegenständlichen Werbeaussage . Mit der Heraushebung des Satzteils „beliebteste Anbieter Deutschlands“ wird dem Verbraucher prominent und blickfangartig die deutschlandweite Bedeutung der Antragsgegnerin vor Augen geführt. Die weitere Aussage des Satzes, dass die Antragsgegnerin für ein sog. „Triple-Play-Angebot“ von Internet-, Telefon- und TV-Dienstleistungen der beliebteste Anbieter sei, gerät für den Leser der Anzeige in den Hintergrund. Dieses auch schon deshalb, weil die Antragsgegnerin mit der Werbung kein solches „Triple-Play-Angebot“ bewirbt, sondern ausdrücklich eine Doppelflatrate für Internet und Telefon. Der Verkehr erwartet somit keine -für ihn nicht relevanten- Hinweise auf die Beliebtheit von „Triple-Play-Angeboten“, solche werden von ihm demzufolge auch nicht abgespeichert und haben demzufolge keine Auswirkung auf das Verständnis des Verkehrs.
Für das oben dargelegte Verkehrsverständnis spricht auch die Tatsache, dass die Antragsgegnerin Telefon- und Internetdienstleistungen bewirbt. Hierbei handelt es sich um Dienstleistungen des täglichen Bedarfs, die regelmäßig von den Anbietern bundesweit, dh. in allen Bundesländern, erbracht werden. Hiermit ist allerdings nicht gesagt, dass der Verkehr eine Erbringung dieser Leistungen an jedem Ort („in jedem Dorf“) in der Fläche der Bundesländer erwartet. Denn eine derartige Leistungserbringung setzt in technischer Hinsicht eine Ausstattung voraus, die schon im Hinblick auf die nur geringe Zahl potentieller Kunden nicht in jeder ländlichen Region wirtschaftlich für die Anbieter vertretbar ist. Hier geht es aber nicht um derartige „Versorgungslücken“ in der Fläche eines Bundeslandes, sondern darum, dass die Antragsgegnerin in drei sehr bevölkerungsreichen Bundesländern überhaupt keine der beworbenen Dienstleistungen erbringen kann.
cc. Das aufgezeigte Verkehrsverständnis entspricht auch den Ausführungen, die der Senat in dem den Parteien bekannten Urteil vom 23.11.2005 (5 U 68/05) gemacht hat in Bezug auf eine Zeitschriftenwerbung „Europas größtes People-Magazin“ (GRUR-RR 2006, 170.ff.; NJW-RR 2006, 476 ff.) Dort hat der Senat ausgeführt: „Zwar ist davon auszugehen, dass dem angesprochenen Verbraucher bei Wahrnehmung der Werbung die zunehmende internationale Verflechtung und die damit einhergehende Integration der nationalen Märkte in Europa und die Errichtung des Binnenmarktes in der EU bewusst sein wird. Daher wird er regelmäßig bezüglich einer auf Europa bezogenen Alleinstellungsberühmung davon ausgehen, dass die so beworbenen Waren oder Dienstleistungen tatsächlich auf den jeweiligen nationalen Märkten in Europa präsent sind und angeboten werden.“ Von diesen allgemeinen Erwägungen hat der Senat dann allerdings in den weiteren Ausführungen des Urteils in Bezug auf das Verkehrsverständnis für den Bereich deutschsprachiger Zeitschriften im Hinblick auf das durch die Sprache vorgegebene Verbreitungsgebiet eine Ausnahme gemacht.
Auch der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamburg hat bezüglich der Äußerung „T-O ist Europas größter Onlinedienst“ ein ähnliches Verkehrsverständnis festgestellt (Urteil vom 3.10.2001, 3 U 29/00, GRUR-RR 2002, 73 ff.): „Muss der Verkehr die Angabe „T-O ist Europas größter Onlinedienst“ als Aussage zur Bedeutung der Beklagten verstehen, dann ordnet er auch den Bezug auf „Europa“ entsprechend ein und wird glauben, es gehe um die Bedeutung der Beklagten für Europa. Eine europäische Bedeutung hat die Beklagte aber nur, wenn sie auch europaweit präsent ist, denn wenn ein Spanier, ein Brite, ein Italiener, ein Skandinavier usw. mit der Beklagten nichts zu tun haben, ist sie für diese Bevölkerung auch ohne Bedeutung. Es genügt daher nicht, dass die Beklagte aus vielen Ländern Europas erreichbar ist, denn damit gewinnt sie keine europäische Bedeutung und deshalb nehmen erhebliche Teile der Verbraucher an, dass die Beklagte in Europa die größte ist, weil sie überall in Europa und jeweils in seinen wesentlichen Teilen einen auf das Land bezogenen Online-Dienst unterhält.“ Diese Feststellungen des 3. Zivilsenats gaben dem BGH in der Entscheidung “Größter Online-Dienst“ vom 17.6.2004 (NJW-RR 2004, 1487 ff.) keinen Anlass zu Kritik.
c. Da die Antragsgegnerin unstreitig in den Bundesländern Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen ihre Internet- und Telefondienstleistungen nicht anbieten kann, wird der Verkehr irregeführt. Eine Werbung ist allerdings nur dann irreführend, wenn sie geeignet ist, bei einem erheblichen Teil der umworbenen Verkehrskreise irrige Vorstellungen über das Angebot hervorzurufen und die zu treffende Marktentschließung in wettbewerblich relevanter Weise zu beeinflussen (zur wettbewerblichen Relevanz als ein dem Irreführungstatbestand immanentes Erheblichkeitserfordernis: BGH WRP 2009, 1080 Rz 18 unter Hinweis auf Hefermehl/Köhler/Bornkamm a.a.O. § 5 Rz. 2.169 und Rz. 2.20 f.).
Diese Voraussetzung liegt im Streitfall vor. Dabei kann entgegen der Antragsgegnerin nicht allein darauf abgestellt werden, dass die in den Bundesländern Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen ansässigen Verbraucher mit der Antragsgegnerin nicht kontrahieren können, für diese die Fehlvorstellung somit keine Auswirkung hat, da sie nicht zu einer geschäftlichen Aktion führen kann. Dem Senat erscheint eine solche Argumentation schon im Hinblick auf die Mobilität der interessierten Verbraucher nur schwer nachvollziehbar zu sein. Aber auch unabhängig von dem Einwand der Antragsgegnerin liegt die wettbewerbliche Relevanz für die mit der Anlage K 1 angeschriebenen Verbraucher mit Sitz in solchen Gebieten, in denen die Antragsgegnerin ihre Leistungen anbieten kann, vor. Denn für diese ist es keinesfalls ohne Bedeutung, ob es sich bei der Antragsgegnerin um einen bundesweit agierenden Internet- und Telefonanbieter handelt oder er nur in einem Teil der Bundesrepublik seine Leistungen anbieten kann. Denn in den Augen des Verbrauchers wird durch die fehlleitende Werbeangabe die Bedeutung der Antragsgegnerin als eines bundesweit tätigen Unternehmens geprägt. Diese Fehlvorstellung ist nach Beurteilung durch den Senat jedenfalls bei den hier in Frage stehenden Dienstleistungen auf dem Sektor des Internets und des Telefons durchaus geeignet in die Marktentscheidung des Verbrauchers zugunsten der Antragsgegnerin einzufließen. Dieses schon deshalb, weil die Antragsgegnerin sich durch ihre irreführenden Angaben auf eine Stufe mit bundesweit agierenden Anbietern von Internet- und Telefondienstleistungen stellt, obwohl sie nur in einem Teil Deutschlands entsprechende Leistungen anbieten kann. In dem Schutzbereich des § 5 UWG steht nicht nur der Verbraucher, sondern auch Wettbewerber wie die Antragstellerin (vgl. § 3 Abs. 1 UWG) .
4 . Zur Werbeaussage “Günstiger und mehr als 3x so schnell wie die T...!“ (Anlage K 2)
a. Das Landgericht hat insoweit einen Unterlassungsanspruch aus dem Gesichtspunkt der Irreführung (§§ 3,5,8 UWG) bejaht. Eine Irreführung soll danach nicht nur bei isolierter Verwendung der Werbeaussage, sondern auch in dem konkret ersichtlichen Gesamtzusammenhang vorliegen. Der Verbraucher habe keine Veranlassung, die Werbeaussage nur auf die jeweiligen Tarife beider Parteien zu beziehen, da der Wortlaut keine Beschränkung enthalte. Tatsächlich verfüge die Antragstellerin über Produkte mit einer höheren maximalen Surfgeschwindigkeit.
aa. Mit dieser Begründung kann ein Unterlassungsanspruch aus dem Gesichtspunkt einer Irreführung nicht bejaht werden.
Wie bereits oben dargelegt, ist maßgebend für die Beurteilung einer Werbeaussage nach § 5 UWG, wie diese von dem angesprochenen Verkehr aufgrund des Gesamteindrucks der Werbung verstanden wird. Hier ist zunächst festzustellen, dass die streitgegenständliche Aussage im Rahmen eines Wettbewerbsvergleiches gemacht wird. Schon die Überschrift bezieht sich auf einen Vergleich, wenn sie von „Geringere Kosten, höhere Surfgeschwindigkeiten“ spricht. Der interessierte Verbraucher wird sodann im Rahmen eines Fließtextes auf „aktuelle Wettbewerbsvergleiche“ für Internet und Telefon und sich daraus ergebende Unterschiede in „Preis und Leistung“ hingewiesen. Der Vergleich bezweckt, dass der Kunde das beste Preis-Leistungs-Verhältnis „im Vergleich zu den genannten großen DSL-Anbietern“ bei der Antragsgegnerin erhalte (Unterstreichung durch den Senat). Es folgt sodann die Aufforderung an den Kunden: „Vergleichen Sie selbst!“. Nunmehr wird unterhalb dieser Aufforderung blickfangartig auf die Tatsache hingewiesen, dass die Antragsgegnerin günstiger und mehr als 3x so schnell wie die T... sei. Unmittelbar darauf erfolgt dann der Vergleich der Antragsgegnerin mit ihrem Angebot „P….. ...“ mit den Wettbewerbern A….. („F…“), A… („...“), ….. („...“) und T... („...“).
bb. Aufgrund dieser Gesamtaufmachung der Anzeige wird der Verbraucher die streitige Werbeaussage auf den Preis- und Leistungsvergleich beziehen, und zwar insbesondere auf das Produkt der Antragsgegnerin „...“ und das in der Aussage ausdrücklich in Bezug genommene Produkt der Antragstellerin „...“. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist kein Raum für die Annahme, dass der Verbraucher die Aussage abstrakt auf „die T...“ und somit auf deren gesamte Produktpalette, dh. ohne jeden Bezug auf die allein genannten Leistungsangebote der Parteien bezieht. Wenn aber nur die beiden genannten Angebote der Parteien der Werbeaussage zugrunde gelegt werden können, ist unter diesem Aspekt die Werbeaussage „Günstiger und mehr als 3x so schnell wie die T...“ aufgrund der genannten Geschwindigkeiten nicht unrichtig und somit nicht irreführend im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1, 2, Abs. 3 UWG.
b. Die Antragstellerin stützt sich aber zur Begründung ihrer Ansicht, dass die im Blickfang des Preis- und Leistungsvergleichs befindliche, konkrete Werbeangabe wettbewerbswidrig sei, zusätzlich auf die Auffassung, dass die von der Antragsgegnerin in dem Vergleich genannten absoluten Geschwindigkeiten (z.B. Antragstellerin: 20 Mbit/s, Antragsgegnerin: 6 Mbit/s) nicht zutreffend seien. Vielmehr hänge -unstreitig- die Übertragungsgeschwindigkeit von der Leistungsfähigkeit des Servers ab. Dieses führe dazu, dass die Internetserviceprovider bei der Bewerbung ihrer Produkte Übertragungsgeschwindigkeiten –unstreitig- mit einschränkenden Angaben wie etwa „bis zu“ relativierten (Anlage K 5). Eine Werbeaussage, die eine uneingeschränkte Geschwindigkeitsangabe enthalte, sei irreführend, da sie bei dem Verkehr eine unrichtige Vorstellung von der von dem Produkt ermöglichten Datenübertragungsgeschwindigkeit bewirke.
aa. Nach nochmaliger Beratung hält der Senat an seiner in der mündlichen Verhandlung angedeuteten Rechtsauffassung nicht mehr fest, sondern bejaht eine Irreführung von jedenfalls erheblichen Teilen der von der Werbung angesprochenen Verbraucher durch die von der Antragsgegnerin im Rahmen des Preis- und Leistungsvergleichs gemachten absoluten Geschwindigkeitsangaben. Denn der Verbraucher geht aufgrund der einschränkungslos angegebenen Zahlen für die Datenübertragungsgeschwindigkeit davon aus, dass die genannten Geschwindigkeiten immer und fortwährend gegeben sind (ähnlich HansOLG, Urteil vom 26.1.2006- 3 U 145/05 (Anlage K 20)) und die Antragsgegnerin sich demzufolge mit der blickfangmäßig herausgehobenen Werbeaussage einer über 3x so schnellen Übertragungsgeschwindigkeit ihres Angebots gegenüber dem Angebot der Antragstellerin rühmt.
bb. Ein derartiges Verbraucherverständnis ist nicht deshalb auszuschließen, weil –so die Antragsgegnerin- der verständige Verbraucher wisse, dass die angegebenen Geschwindigkeiten nicht permanent erreichbar sind, da ihm temporäre Geschwindigkeitsabfälle bekannt seien. Nur wenn diese Behauptung zutreffend wäre, würde diese Kenntnis das Verbraucherverständnis der Werbeaussage mitprägen und im Ergebnis eine Fehlvorstellung zu verneinen sein. Ein derartiges Wissen liegt bei relevanten Teilen des angesprochenen Verkehrs aber nicht vor; dieses ist von der Antragsgegnerin auch nicht glaubhaft gemacht worden. Wesentliche Teile der Verbraucher werden die streitbefangene Werbeangabe deshalb auch nicht dahin zu verstehen, dass es sich bei den absoluten Geschwindigkeitsangaben lediglich um Maximalwerte handelt und die Werbeaussage nur für die von den in dem Vergleich aufgeführten Dienstleistern in deren jeweiligen Produktbeschreibungen genannten Geschwindigkeits-Maximalwerte gelten solle.
cc. Soweit die Antragsgegnerin darauf hinweist, dass sie in einem anderen Teil der Werbebroschüre, in dem sie ihr Paketangebot von Internet und Telefon bewerbe, die Internet-Übertragungsgeschwindigkeit für ihr Produkt selbst wiederholt mit „bis zu 20 Mbit/s“ beschreibe, fließt diese Angabe in das Verkehrsverständnis nicht ein. Denn die in diesem Teil der Broschüre enthaltenen Angaben werden von wesentlichen Teilen des Verkehrs nicht der streitgegenständlichen, im Blickfang befindlichen Werbeaussage „mehr als 3x so schnell wie die T...!“ innerhalb des Preis- und Leistungsvergleichs zugeordnet. Vielmehr hätte eine entsprechende Aufklärung des Verbrauchers z.B. durch einen in unmittelbar zum Blickfang angeordneten Sternchenhinweis vorgenommen werden müssen. Eine einen jeden Irrtum ausschließende Aufklärung kann durch einen klaren und unmissverständlichen Hinweis erfolgen, wenn dieser am Blickfang teilhat und dadurch eine Zuordnung zu den herausgestellten Angaben gewahrt bleibt (BGH GRUR 2003,249 -Preis ohne Monitor). Dagegen kann ein durch einen Blickfang vermittelter unrichtiger oder missverständlicher Eindruck durch nicht am Blickfang teilhabende aufklärende Angaben in derselben Werbung, denen sich der gemeinte Sinngehalt der blickfangmäßig herausgehobenen Angabe bei näherer Befassung entnehmen lässt, nicht mehr korrigiert werden (BGH GRUR 2000, 911, 913 f. –Computerwerbung). Denn der Tatbestand der Irreführung ist schon dann vollendet, wenn das das Publikum durch den -den falschen Anschein erweckenden- Blickfang veranlasst wird, sich näher mit dem Angebot zu befassen (BGH GRUR 2002, 715, 716 -Scanner-Werbung).
Im Hinblick auf diese Ausführungen ist eine Unterlassungsanspruch der Antragstellerin nach den §§ 3, 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3, ( Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG a.F. bzw. §§ 3, 5 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3, 5 a, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG n.F. begründet.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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