Bayern

Urteil vom AG Amberg

Entscheidungsdatum: 29.05.2009
Aktenzeichen: 2 C 1424/08

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.971,44 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1.431 Euro seit 16.04.2008, aus 1.598,41 Euro seit 24.05.2008 und aus 1.971,44 Euro seit 10.01.2009 zu zahlen.

2. Der Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 192,90 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 10.01.2009 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

5. Das Urteil ist für die Klägerin vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Das Urteil ist für den Beklagten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des für den Beklagten aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 1.971,44 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin macht gegen den Beklagten Entgeltansprüche wegen Nutzung eines Telefon-Bezahlsystems geltend.

Die Klägerin ist Anbieterin eines Telefon-Bezahlsystems. Sie arbeitet unter anderem mit der Firma ... GmbH zusammen. Letztere bietet unter anderem das Online-Spiel "..." an, bei dem der Spieler mit einer Phantasie-Spielfigur in eine virtuelle Spielwelt eintritt. Das Spiel ist grundsätzlich kostenlos spielbar. Es ist lediglich eine Registrierung erforderlich. Hierbei werden ein Benutzername und ein Passwort festgelegt; Altersangaben oder -nachweise werden nicht verlangt. Im Rahmen des Spiels kann eine virtuelle Währung – die hier streitgegenständlichen "Drachenmünzen" – vom Spieler durch das Spielgeschehen selbst – durch besondere Ausdauer und/oder Geschicklichkeit – erworben werden. Drachenmünzen können aber auch entgeltlich erworben werden. Der Erwerb der Drachenmünzen erfolgt folgendermaßen: Der bei ... GmbH registrierte Spieler wählt im sogenannten Item-Shop die Option "Drachenmünzen bestellen". Anschließend wählt er aus, wieviele Drachenmünzen er zu welchem Preis erwerben will. Anschließend wählt der Spieler zwischen den zur Verfügung stehenden Zahlungsarten (z. B. Kreditkarte, PayPal, Money Bookers etc.). Bei Auswahl des Telefon-Bezahlsystems wird der Spieler darauf hingewiesen, dass dieser Bezahlvorgang über einen Telefonanruf durchgeführt und das bestellte Produkt über die Telefonrechnung abgerechnet wird. Der Kunde wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Vertrag mit der Klägerin zustande kommt. Wählt der Spieler dann diese Zahlungsmethode aus, so wird eine verschlüsselte Online-Verbindung zu dem Computer des Spielers hergestellt. Nachdem diese sichere Verbindung hergestellt ist, wird dem Spieler angezeigt, welche Telefonnummer er anrufen muss, um den Kauf durchzuführen. Hierbei handelt es sich ausschließlich um 09003er-Nummern. Der Spieler wird nochmals darauf hingewiesen, dass der Vertragspartner für die Leistungserbringung die Klägerin ist. Entscheidet der Spieler dann, die Leistung der Klägerin in Anspruch zu nehmen, so kann er die eingeblendete Telefonnummer (09003er-Mehrwertdienst) anrufen. Hält der Spieler den Anruf für die vorgeschriebene Zeit aufrecht, dann ist der Bezahlvorgang abgeschlossen und die Klägerin hat dem virtuellen Online-Konto des Spielers die bestellte Zahl von Drachenmünzen gutgeschrieben.

Der Beklagte lebt zusammen mit seiner Ehefrau und seinen zwei minderjährigen Kindern in einem Haushalt. Er ist Inhaber eines Telefonanschlusses der ... AG. Über diesen Anschluss sind im Zeitraum vom 30.11.2007 bis zum 25.04.2008 104 Anrufe getätigt worden mit dem Zweck des Erwerbs von Drachenmünzen (vgl. Anlage K 1 ff.). Der Gesamtumfang der Leistungen betrug 1.981,39 Euro, von denen der Beklagte bislang nur 10,00 Euro beglich. Bei Abschluss des Vertrages mit der ... AG wurde der Beklagte darauf hingewiesen, dass über den Anschluss Mehrwertdienstleistungen in Anspruch genommen werden können. Er wurde weiter darauf hingewiesen, dass die Nutzung von 0800er- und/oder 0900er-Nummern sowie sämtlichen anderen Mehrwertdiensten gesperrt werden kann.

Mit Rechnung der ... vom 28.01.2008 stellte der Teilnehmer-Netzbetreiber dem Beklagten einen Betrag von 578,45 Euro in Rechnung. Mit dieser Rechnung erhielt der Beklagte Kenntnis, dass streitgegenständliche Leistungen abgerechnet wurden. Mit Schreiben vom 01.02.2008 an die in der ...-Rechnung als Ansprechpartnerin angegebene ... GmbH wurde der Rechnung widersprochen und mitgeteilt, dass der Beklagte sich nicht bewusst ist, Leistungen der GmbH erhalten zu haben. Mit Schreiben vom 07.02.2008 wurde ... GmbH mitgeteilt, dass der Kläger und seine Ehefrau von den Anrufen des Sohnes keine Kenntnis hatten und zugleich mitgeteilt, dass diese Rechtsgeschäfte nicht genehmigt werden. Dieses Schreiben wurde auch an die Firma ... GmbH übersandt, die zwischenzeitlich auf einen Telefonanruf des Klägers bei der ... GmbH noch vor dem 01.02.2008 reagierte. Mit Schreiben vom 19.02.2008 teilte die ... GmbH mit, dass Einwände bezüglich der angebotenen Dienste an die Klägerin zu richten sind. Die Kontaktaufnahme des Beklagten mit der Klägerin misslang jedoch.

Mit Rechnung vom 25.02.2008 wurden dem Beklagten 638,40 Euro, mit Rechnung vom 24.04.2008 weitere 149,90 Euro und mit Rechnung vom 27.05.2008 weitere 604,69 Euro in Rechnung gestellt. Auf den Rechnungen befand sich jeweils ein Hinweis, wonach der Kunde spätestens 14 Tage nach Zugang der jeweiligen Rechnung in Verzug gerät.

Mit Schreiben vom 11.04.2008 machte das Inkassobüro ... GmbH gegenüber dem Beklagten eine Forderung in Höhe von 1.431 Euro geltend. Der Klägerin entstanden für diese Beauftragung Kosten in Höhe von 50,00 Euro. Mit anwaltlichem Schreiben vom 19.05.2008 wurde der Beklagte zur Zahlung von 1.598,41 Euro aufgefordert. Da Zahlung wiederum nicht erfolgte, wurde der Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 01.08.2008 erneut zur Zahlung aufgefordert. Hierfür sind der Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von netto 192,90 Euro entstanden.

Die Klägerin behauptet, dass der Beklagte die streitgegenständlichen Anrufe selbst getätigt hat.

Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte hafte auch bei unterstellter Tätigung der Anrufe durch seinen Sohn unter dem Gesichtspunkt der Anscheins- und Duldungsvollmacht. Zudem hafte sie nach § 45 i TKG.

Die Klägerin beantragt:

1.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.971,44 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf

a) den Betrag in Höhe von 578,45 Euro seit dem 11.02.2008,

b) sowie auf 638,40 Euro seit dem 10.03.2008,

c) sowie auf 149,90 Euro seit dem 08.05.2008,

d) sowie auf 604,69 Euro seit dem 10.06.2008

zu zahlen.

2.

Der Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin 50,00 Euro pauschale Mahnkosten sowie weitere 192,90 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf die jeweiligen Beträge seit Klagezustellung zu zahlen.

Der Beklagte beantragt:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Beklagte behauptet, sein damals 13-jähriger Sohn habe die Anrufe getätigt. Dieser sei nicht bevollmächtigt gewesen, die Leistung der Klägerin in Anspruch zu nehmen. Der Sohn habe den Telefonanschluss nur bei Abwesenheit der Eltern benutzt. Nach Kenntnis der Umstände habe der Beklagte seinem Sohn mehrfach und eindringlich solche Telefonate verboten. Er habe den Rechnungen nachdrücklich widersprochen.

Eine Haftung nach den Grundsätzen der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht sei nicht gegeben. Die Klägerin hätte nach dem Schreiben vom 07.02.2008 gewusst bzw. hätte wissen können, dass der Beklagte die Telefonanrufe nicht genehmigt bzw. den Rechtsgeschäften nicht zustimmt. Dass die Klägerin als Ansprechpartnerin auf den Rechnungen der ... die Firma ... benennt und hier selbst nicht mit einer ladungsfähigen Anschrift aufgeführt ist, verstoße gegen Treu und Glauben und sei rechtsmissbräuchlich. Ein direkter Kontakt zwischen den Parteien sei vereitelt worden. Die Klägerin treffe deshalb ein so immenses Mitverschulden, dass Ansprüche nicht bestehen.

Zudem seien die Rechtsgeschäfte gemäß § 138 Abs. 1 u. 2 BGB wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig. Die Leistung der Klägerin stehe in auffälligem Missverhältnis zum eingeforderten Entgelt. Die Klägerin habe die Unerfahrenheit des Sohnes ausgenutzt, um sich bei Beklagten zu bereichern.

Da sich die Klägerin mit dem Spiel "..." in der Hauptsache an Jugendliche und minderjährige Spieler wende, käme eine Haftung des Anschlussinhabers nach dem TKG nicht in Betracht. Wer bewusst nicht voll geschäftsfähige Personen zur Nutzung von Mehrwertdiensten animiere, verliere den Vertrauensschutz des § 45 i TKG. Die Klägerin könne sich nur dann mit Erfolg darauf berufen, dass eine Haftung nach dem TKG des Anschlussinhabers erfolgt, wenn sie sich vergewissert hätte, dass es sich nicht um einen Jugendlichen bzw. Minderjährigen handelt.

Wegen des weiteren Sachvortrages wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen. Die Klageschrift wurde dem Beklagten am 09.01.2009 zugestellt. Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen ... und .... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30.03.2009. Mit Beschluss vom 20.05.2009 wurde nach Zustimmung der Parteien eine Entscheidung gemäß § 128 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung angeordnet.

Gründe

I.

Die zulässige Klage ist im Wesentlichen begründet.

1.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von insgesamt 1.971,44 Euro (578,45 Euro + 638,40 Euro + 149,90 Euro + 604,69 Euro). Dies gilt, obwohl nach der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts feststeht, dass nicht der Beklagte selbst, sondern der damals 13-jährige Sohn des Beklagten die streitgegenständlichen Telefonanrufe unternahm. Die Haftung des Beklagten beruht auf § 45 Abs. 4 Satz 1 TKG. Im Einzelnen:

a.

Die Eigenschaft der Klägerin als Vertragspartnerin hinsichtlich der streitgegenständlichen Telekommunikationsleistungen ergibt sich durch Auslegung der abgegebenen Erklärungen. Unmittelbar vor und während der einzelnen Anrufe wird der Anrufer, welchem die anzurufende Telefonnummer via Internet mitgeteilt wird, auf verschiedenen Internetseiten jeweils ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Vertragspartner in Bezug auf den Erwerb von Drachenmünzen die Klägerin ist. Daher kann ein Anruf bei der mitgeteilten Telefonnummer nur als ein an die Klägerin gerichtetes Angebot auf Erwerb der gewählten Anzahl von Drachenmünzen verstanden werden. Dieses Angebot hat die Klägerin jeweils spätestens durch unverzügliche Zur-Verfügung-Stellung der Drachenmünzen auf dem Onlinekonto des Spielers bei "..." angenommen.

b.

Der Beklagte wurde hierdurch zur Zahlung des der Höhe nach unstreitigen Entgelts verpflichtet.

aa.

Zwar wären nach allgemeinen zivilrechtlichen Maßstäben bei Anrufen durch den minderjährigen Sohn grundsätzlich lediglich gemäß § 108 Abs. 1 BGB schwebend unwirksame Verträge mit dem Sohn zustande gekommen, aus denen die Klägerin mangels Genehmigung durch den/die Vertreter des Sohnes keine Zahlungsansprüche herleiten könnte.

bb.

Das Gericht hält es zudem wenigstens für den Zeitraum ab dem Zugang des Beklagtenschreibens vom 07.02.2008 bei der ... GmbH, in dem die Genehmigung hinsichtlich der Rechtsgeschäfte des Sohnes mit der Klägerin ausdrücklich verweigert wird, zumindest für fraglich, ob der Beklagte für die streitgegenständlichen Telekommunikationsleistungen nach den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen der Duldungs- und Anscheinsvollmacht haftet. Diese Frage muss hier jedoch nicht weiter vertieft werden.

cc.

Die Entgeltpflicht des Beklagten ergibt sich vorliegend jedenfalls aus § 45 i Abs. 4 Satz 1 TKG (vgl. in diesem Sinne auch LG Saarbrücken, Urteil vom 28.04.2009, Az. 9 O 312/08; LG Bochum, Urteil vom 29.04.2009, Az. 4 O 408/08; AG Dieburg, Urteil vom 31.03.2009, Az. 20 C 149/08). Danach hat der Anbieter von Telekommunikationsdiensten – hier die Klägerin – grundsätzlich gegen den Teilnehmer, d. h. dem Beklagten als Inhaber des Telefonanschlusses aufgrund Vertrages mit der ... AG (siehe § 3 Nr. 20 TKG) , einen Entgeltanspruch, sofern der Beklagte nicht nachweist, dass ihm die Inanspruchnahme der Leistungen der Klägerin nicht zugerechnet werden kann.

(1)

An das Fehlen der Zurechenbarkeit iSd § 45 Abs. 4 Satz 1 TKG sind strenge Anforderungen zu stellen. Denn der Vorschrift liegt der Rechtsgedanke zugrunde, dass die Nutzung des Netzzugangs in den Gefahren- und Risikobereich des Endnutzers fällt, so dass dieser grundsätzlich das Missbrauchsrisiko zu tragen hat, sofern nicht ganz außergewöhnliche Umstände – etwa ein Telefonat durch einen Einbrecher – vorliegen. Er hat unbefugten Dritten einen vertragswidrigen Zugang zu verwehren. Insbesondere hat der Endnutzer durch Einsatz sämtlicher ihm zur Verfügung stehenden geeigneten und zumutbaren Vorkehrungen eine von ihm nicht gebilligte Nutzung seines Telekommunikationsanschlusses zu verhindern. Dabei sind alle Maßnahmen zumutbar, die einem gewissenhaften durchschnittlichen Telefonkunden bekannt sind und die er mit vertretbarem Aufwand durchführen kann (vgl. BGH, Urteil vom 16.03.2006, NJW 2006, 1971 [unmittelbar zu sog. "R-Gesprächen"] zur Vorgängernorm § 16 Abs. 3 Satz 3 TKV).

Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass es dem Beklagten nicht möglich gewesen wäre, eine von ihm nicht gebilligte Nutzung des Telefonanschlusses durch ihren Sohn zu verhindern, sind nicht ersichtlich. Das Gericht erkennt dabei, dass die von der Zeugin ... bestätigten mündlichen Appelle an den Sohn und die Kontrolle des Telefonierverhaltens des Sohnes keine geeigneten Maßnahmen zur umfassenden Verhinderung der streitgegenständlichen Telefonnutzung des Sohnes waren. Zudem wäre eine vollständige Sperrung des Netzzugangs für die Familienmitglieder unzumutbar gewesen. Der Beklagte hätte jedoch ohne Weiteres nach Kenntniserlangung durch einfache Erklärung gegenüber seinem Telefonanbieter die Nutzung von Mehrwertdiensten und insbesondere von 0900er-Nummern sperren lassen können, so dass seinem Sohn die streitgegenständlichen Anrufe nicht möglich gewesen wären. Diese Möglichkeit ist einem gewissenhaften durchschnittlichen Telefonkunden auch bereits allgemein – ungeachtet der Tatsache, dass der Telefonanbieter (vorliegend unstreitig) hierauf hinwies – bekannt. Diese Möglichkeit hätte sich dem Beklagten spätestens nach Erhalt der ersten streitgegenständlichen Rechnung aufdrängen müssen. Nach Auffassung des Gerichts hätte der Beklagte aber sogar schon vor der ersten Rechnung durch regelmäßige Kontrollen hinsichtlich des Surfverhaltens des Sohnes entdecken können, dass dieser des Öfteren ein Internetgame spielt, das beträchtliche Kosten auslösen kann. Wer dagegen solche regelmäßige Kontrollen nicht durchführen will oder kann, ist dann aber wenigstens – präventiv – angehalten, einschlägige Mehrwertdienstnummern wie die vorliegenden sperren zu lassen.

Unbehelflich ist der Einwand des Beklagten, die Klägerin könne sich nur dann mit Erfolg auf § 45 i TKG berufen, wenn sie sich vergewissert hätte, dass es sich beim Anrufer nicht um einen Minderjährigen handelt. Hierbei wird die in § 45 i Abs. 4 TKG normierte Beweislast verkannt, wonach gerade dem Teilnehmer der Nachweis obliegt, dass ihm die Inanspruchnahme der Leistungen nicht zugerechnet werden kann.

Der Beklagte dringt auch nicht mit dem Einwand durch, die Klägerin habe den Vertrauensschutz des § 45 i TKG verloren, weil sie bewusst nicht voll geschäftsfähige Personen zur Nutzung von Mehrwertdiensten animiere.

Nach dem Wortlaut des § 45 Abs. 4 TKG kommt es indes darauf nicht an. Die Norm trägt nicht individuellem Vertrauensschutz Rechnung. Entscheidend ist nach dem Wortlaut allein, ob dem Teilnehmer die Inanspruchnahme der Leistung zugerechnet werden kann. Dies ist der Fall.

Es ist weiter zu entgegnen, dass die behauptete Animierung von Minderjährigen zur Nutzung von Mehrwertdiensten in allererster Linie nicht von der Klägerin, sondern von der ... GmbH ausgeht, die das Spiel "..." betreibt. Es ist ferner zu berücksichtigen, dass die Spielmöglichkeit altersunabhängig jedermann eröffnet ist, der spielfreudig ist. Eine Altersabfrage erfolgt weder bei der Erstregistrierung noch bei einem "Drachenmünzen"-Kauf, wie der Sohn des Beklagten in seiner Zeugenvernehmung bestätigte. Es verhält sich also aus Sicht des Gerichts nicht so, dass ganz offenkundig bewusst nur minderjährige Spieler angesprochen werden.

Die Argumentation des Beklagten greift aber auch deshalb nicht durch, weil – selbst bei unterstellter Richtigkeit der Beklagten-Schilderung – vorliegend der Minderjährigenschutz nicht tangiert ist. Durch die Regelung des § 45 i TKG wird nicht der Sohn des Beklagten, sondern der Beklagte selbst in Anspruch genommen. Die Frage des Minderjährigenschutzes stellt sich damit bei formaler Betrachtung schon gar nicht.

Schließlich kommt man bei vorgenannter Argumentation des Beklagten auch wieder zu der Frage, ob der Anbieter oder der Anschlussinhaber das Risiko tragen soll, dass der Telefonanschluss von einem Dritten genutzt wird. Nach der unmissverständlichen Regelung des § 45 i Abs. 4 TKG trägt im Normalfall der Anschlussinhaber dieses Risiko. Eine Ausnahme für den Fall, dass eine Dienstleistung vornehmlich von Minderjährigen in Anspruch genommen wird, würde das gesetzgeberische Regelungsziel – Rechtsklarheit bei der Abrechnung von Telekommunikationsdienstleistungen – konterkarieren. Die Ausnahme drohte zum Regelfall zu werden. Die gesetzgeberisch erstrebte Rechtsklarheit ginge mangels eines (praktisch) tauglichen Abgrenzungspunktes verloren.

Vor dem Hintergrund dieser oben stehenden Ausführungen ist es rechtlich auch ohne Belang, dass der Beklagte vorgerichtlich sich vergeblich um eine direkte Kontaktaufnahme zur Klägerin bemühte.

(2)

Der Beklagte wendet selbst nicht ein, dass die streitgegenständlichen Mehrwertleistungen fehlerfrei erbracht sind.

Der Beklagte trägt nicht vor, dass die technische Prüfung nach § 45 i Abs. 1 TKG (vgl. Schreiben der ... vom 31.07.2008) Mängel ergab oder die technische Prüfung verspätet iSd § 45 i Abs. 3 TKG abgeschlossen wurde. Es kann daher offen bleiben, ob die Schreiben vom 01.02.2008 und 07.02.2008 Beanstandungen iSd § 45 i TKG enthalten.

c.

Die streitgegenständlichen Verträge sind auch nicht wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nach § 138 BGB nichtig (vgl. bereits zuvor AG Dieburg, Urteil vom 31.03.2009, Az. 20 C 149/08).

aa.

Ein Rechtsgeschäft verstößt gegen die guten Sitten, wenn es gegen die herrschende Rechts- und Sozialmoral verstößt. Zur Konkretisierung ist insbesondere an die der Rechtsordnung immanenten rechtsethischen Werte und Prinzipien einschließlich des im Grundgesetz verkörperten Wertesystems anzuknüpfen (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 68. Aufl. 2009, § 138 Rn. 2 f). Sittenwidrigkeit in Form von Wucher liegt gemäß § 138 Abs. 2 BGB dann vor, wenn objektiv ein besonderes auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht und der Wucherer subjektiv die beim Vertragspartner bestehende Schwächesituation wie Zwangslage, Unerfahrenheit, mangelndes Urteilsvermögen oder erhebliche Willensschwäche ausbeutet. Auffällig ist das Mißverhältnis in der Regel, wenn die vom Schuldner zu erbringende Leistung mindestens das Doppelte des marktüblichen Preises beträgt.

bb.

Nach diesen Kriterien sind die abgeschlossenen Verträge nicht sittenwidrig.

(1)

Ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung kann nicht festgestellt werden. Der Beklagten-Vortrag ist insoweit mangels weiterer Ausführungen bereits unsubstantiiert. Im Übrigen gilt: Stellt man unmittelbar auf die erworbenen Drachenmünzen ab, so besteht bereits kein von den Preisen der Klägerin abweichender Marktpreis, da die Preisgestaltung über die Firma ... einheitlich ist und kein Anhaltspunkt für eine anderweitige, deutlich günstigere Erwerbsmöglichkeit besteht.

Stellt man auf die mit Hilfe der Drachenmünzen eingeräumte Spielmöglichkeit ab, so ist ebenfalls ein Marktpreis nicht zu ermitteln. Es ist nicht ersichtlich, dass ein anderer Anbieter die Teilnahme an "..." überhaupt, geschweige denn zu wesentlich günstigeren Konditionen, anbieten würde.

Zudem ist nicht der Nachweis erbracht, dass die Klägerin bewusst die Unerfahrenheit des Zeugen ... ausnutzte. Unerfahrenheit ist ein Mangel an Lebens- oder Geschäftserfahrung, die insbesondere bei Jugendlichen gegeben sein kann (vgl. Palandt-Ellenberger aaO § 138 Rn. 71). Das Gericht gewann bei der Vernehmung jedoch nicht den Eindruck, dass der – mittlerweile 1 Jahr ältere – Sohn des Beklagten in Bezug auf das Spiel "..." unerfahren ist. Der Zeuge ... konnte den "Drachenmünzen"-Bestellvorgang vielmehr in brauchbarer Weise schildern. Nach der Überzeugung des Gerichts war dem Zeugen bei der Vornahme der Telefonanrufe durchaus bewusst, dass er damit – in der Summe – hohe Kosten auslöst, die seiner Familie in Rechnung gestellt werden.

(2)

Auch für eine Sittenwidrigkeit des Vertrages gemäß § 138 Abs. 1 BGB ist kein Raum.

Selbst wenn die Mehrheit der Nutzer – wie der Beklagte behauptet – minderjährig ist, spricht dies nicht entscheidend für die Sittenwidrigkeit des Angebots. Der Minderjährigenschutz im rechtsgeschäftlichen Verkehr wird grundsätzlich durch §§ 104 ff. BGB gewährleistet. Danach sind Verträge mit beschränkt Geschäftsfähigen grundsätzlich nicht wegen Sittenwidrigkeit nichtig, sondern lediglich schwebend unwirksam (§ 108 BGB) .

Insoweit ist hier erneut zu berücksichtigen, dass kraft der gesetzlichen Wertung des § 45 i TKG nicht der Sohn des Beklagten, sondern der Beklagte selbst in Anspruch genommen wird, so dass die Frage des Minderjährigenschutzes bei formaler Betrachtung keine Rolle spielt.

Selbst wenn man auf Grundlage einer wirtschaftlichen Betrachtung davon ausginge, dass dem Sohn des Beklagten infolge der Zahlungspflicht des Beklagten mittelbare wirtschaftliche Nachteile träfen, ist dies gerade die vom Gesetzgeber durch § 45 i TKG angeordnete Rechtsfolge (ähnlich z. B. § 832 BGB) und kann daher nicht die Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB begründen.

d.

Der Vertrag zwischen den Parteien ist auch nicht nach den Vorschriften zum Fernabsatzvertrag wirksam widerrufen.

Ein Widerrufsrecht des Beklagten ist gemäß § 312 d Abs. 3 Nr. 2 BGB wegen sofortiger Gutschrift der "Drachenmünzen" – und damit sofortiger Erbringung der Mehrwertdienstleistung – ausgeschlossen (vgl. bereits zuvor LG Saarbrücken, Urteil vom 28.04.2009, Az. 9 O 312/08; AG Siegen, Urteil vom 12.03.2009, Az. 14 C 2905/08). Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob die Beklagten-Schreiben vom 01.02.2008 und 07.02.2008 eine Widerrufserklärung enthalten.

2.

Darüber hinaus hat die Klägerin einen Anspruch gemäß § 288 Abs. 1 BGB bzw. § 291 BGB auf Zahlung von Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1.431 Euro seit 16.04.2008, aus 1.598,41 Euro seit 24.05.2008 und aus 1.971,44 Euro seit 10.01.2009. Der Beklagte geriet durch die Mahnschreiben vom 11.04.2008 und 19.05.2008 mit einem Betrag von 1.431 Euro bzw. 1.598,41 Euro in Schuldnerverzug. Die Klägerin trug nicht vor, welcher Betrag mit Schreiben vom 01.08.2008 angemahnt wurde.

Die Klageschrift wurde dem Beklagten am 09.01.2009 zugestellt.

3.

Die Klägerin hat ferner Anspruch gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB auf den Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 192,90 Euro netto (1,3 Geschäftsgebühr aus 1.598,41 Euro in Höhe von 172,90 Euro + Auslagenpauschale in Höhe von 20,00 Euro).

Im Zeitpunkt des anwaltlichen Mahnschreibens vom 01.08.2008 befand der Beklagte sich – aufgrund des Mahnschreibens vom 19.05.2008 – mit einem Betrag in Höhe von 1.598,41 Euro im Schuldnerverzug.

Der Zinsanspruch beruht insoweit auf § 291 BGB. Die Klageschrift wurde dem Beklagten am 10.01.2009 zugestellt.

4.

Die Klage war dagegen abzuweisen, soweit die Klägerin weitere Ansprüche auf Verzugszinsen geltend macht, da die Voraussetzungen eines früheren Verzugseintritts nicht schlüssig dargelegt wurden.

Gemäß § 286 Abs. 1 BGB setzt der Verzugseintritt grundsätzlich eine Mahnung voraus. Mit Ausnahme der bereits berücksichtigten Mahnschreiben vom 11.04.2008, 19.05.2008 und 01.08.2008 ist jedoch keine zeitlich früher zugegangene Mahnung vorgetragen. Insbesondere stellt eine Rechnung grundsätzlich keine Mahnung dar.

Ein Mahnungssurrogat nach § 286 Abs. 2 BGB ist nicht ersichtlich. Der bloße Hinweis in den Rechnungen, wonach der Kunde spätestens 14 Tage nach Zugang der Rechnung in Verzug gerate, stellt lediglich die Äußerung einer Rechtsansicht dar. Insbesondere greift insofern § 286 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 BGB nicht ein, da die einseitige Bestimmung einer kalendermäßig bestimmten Leistungszeit oder eines Ereignisses hierfür nicht ausreichend ist. Erforderlich ist vielmehr grundsätzlich eine entsprechende vertragliche Vereinbarung (vgl. Palandt-Grüneberg aaO § 286 Rn. 22).

Zu den Voraussetzungen des § 286 Abs. 3 BGB fehlt Sachvortrag.

5.

Die Klage war zudem abzuweisen, soweit die Klägerin Ersatz von Inkassokosten in Höhe von 50 Euro geltend macht. Ungeachtet der Tatsache, dass nach Auffassung des Gerichts Inkassokosten grundsätzlich keinen ersatzfähigen Verzugsschaden darstellen, scheitert ein potentieller Anspruch der Klägerin aus §§ 280, 286 BGB bereits daran, dass ein Eintritt des Schuldnerverzugs des Beklagten vor Einschaltung des Inkassobüros nicht ersichtlich ist, so dass sich die hierdurch entstandenen Kosten jedenfalls nicht als Folgen des Schuldnerverzugs darstellen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt hinsichtlich der Klägerin aus § 709 ZPO, hinsichtlich des Beklagten aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

III.

Die Streitwertfestsetzung gründet auf §§ 46 Abs. 1 Satz 1 GKG, 3 ZPO.

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