Urteil vom LG Duisburg
Entscheidungsdatum: 17.12.2008
Aktenzeichen: 25 O 17/08
Tenor
1. Den Beklagten wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, untersagt,
im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Zusammenhang mit dem Betreiben einer Zweigstelle auf Kanzleischildern / Folien / Werbung / Briefbögen / Internetauftritten / Flyern / Visitenkarten / Rundschreiben / Anschreiben etc.
a) mit der Bezeichnung „Fachanwaltszentrum ... , Kooperation selbständiger Rechtsanwälte“ zu werben,
b) den Anschein der gemeinsamen Berufsausübung mit anderen Zweigstellenbetreibern zu erwecken.
2. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 1/3, die Beklagten zu 2/3.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger betreibt in Mülheim ... , eine Rechtsanwaltskanzlei. Die Beklagten betreiben in Oberhausen (Beklagte zu 1.), in Duisburg (Beklagte zu 2.) und Wuppertal (Beklagte zu 3.) jeweils unabhängig voneinander Rechtsanwaltskanzleien. In Mülheim ... im Hause ... haben die Beklagten seit dem 1.6.2007 jeweils eine Zweigstelle zu ihren vorbenannten Hauptstelle eröffnet. Sie nutzen die Räume in einer Bürogemeinschaft. Sie üben dort ihren Beruf nicht gemeinschaftlich aus, sondern jeweils als selbständige Rechtsanwälte in gemeinsam genutzten Kanzleiräumen. Im Eingangsbereich haben sie ein Schild angebracht, auf dem es heißt:
Fachanwaltszentrum Kooperation selbständiger Rechtsanwälte
Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht
Rechtsanwältin Fachanwältin für Familienrecht Rechtsanwalt Fachanwalt für Familienrecht
Weiter finden sich auf dem Schild u.a. eine Telefonnummer und die Anschriften der Hauptstellen in Oberhausen, Duisburg und Wuppertal (Anlage K 5, Bl. 16 GA).
Der Kläger trägt vor, er sei Wettbewerber der Beklagten. Diese verhielten sich wettbewerbswidrig. Die Bezeichnung "Fachanwaltszentrum ... " und "Kooperation selbständiger Rechtsanwälte" sei für die angesprochenen Verkehrskreise irreführend. Ein Fachanwaltzentrum sei nicht gegeben. Von den derzeit 19 Fachanwaltschaften deckten die Beklagten nur zwei ab. Hinzu komme, dass der Begriff "Zentrum" eine hier nicht vorhandene Größe voraussetze und ein "Zentrum" auch deshalb ausscheide, weil es sich nur um jeweilige Zweigstellen handele, die zudem unregelmäßig und unzureichend besetzt und ausgestattet seien. Eine Irreführung liege weiter in der Vorspiegelung einer gemeinsamen Berufsausübung, insbesondere eines Zusammenschlusses mit einem jeweils zentralen Wirkungskreis. Die Bezeichnung "Fachanwaltszentrum" sei schließlich eine unzulässige Berufsbezeichnung. Die geltend gemachten Unterlassungsansprüche seien nicht verjährt, weil er von dem gerügten Verhalten erst seit dem 10.9.2007 Kenntnis habe. Außerdem handele es sich um ein Dauerdelikt, bezüglich dessen die Verjährung nicht beginne, solange der Eingriff noch andauert.
Der Kläger beantragt, wie folgt zu erkennen:
Den Beklagten wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, untersagt,
a) im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Zusammenhang mit dem Betreiben einer Zweigstelle auf Kanzleischildern / Folien / Werbung / Briefbögen / Internetauftritten / Flyern / Visitenkarten / Rundschreiben / Anschreiben etc. mit der Bezeichnung "Fachanwaltszentrum ... , Kooperation selbständiger Rechtsanwälte" zu werben,
b) im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Zusammenhang mit dem Betreiben einer Zweigstelle auf Kanzleischildern / Folien / Werbung / Briefbögen / Internetauftritten / Flyern / Visitenkarten / Rundschreiben / Anschreiben etc. den Anschein der gemeinsamen Berufsausübung mit anderen Zweigstellenbetreibern zu erwecken,
c) im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken jeweils eine eigene Zweigstelle zu betreiben, ohne dies auf Kanzleischildern / Folien / Werbung / Briefbögen / Internetauftritten / Flyern / Visitenkarten / Rundschreiben / Anschreiben etc. hinreichend kenntlich zu machen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten tragen vor, der geltend gemachte Unterlassungsanspruch bestehe schon deshalb nicht, weil kein unmittelbares Wettbewerbsverhältnis des Klägers als Nichtfachanwalt zu ihnen als Fachanwälten bestehe. Ihr Schild sei auch nicht irreführend. Für den Begriff "Fachanwaltszentrum" genüge das Vorhandensein von 2 Fachanwälten, eine bestimmte Größe sei nicht erforderlich und auch nicht die Haupttätigkeit in dem Zentrum. Der Anschein einer gemeinsamen Berufsausübung werde nicht erweckt. Es bestehe auch keine Pflicht, ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass es sich in ... um Zweigstellen handele. Eine unzulässige Berufsbezeichnung liege nicht vor, denn die sie "firmierten" lediglich unter ihren Fachanwaltsbezeichnungen. Auf Briefbögen, Rundschreiben und Anschreiben sei mit monierten Bezeichnung zudem nichtgeworben worden, sondern lediglich auf der Türfolie, im Internet, einer Broschüre und zeitweise auf Visitenkarten (Beklagter zu 1.) Derartiges sei auch nicht geplant. Schließlich seien die geltend gemachten Ansprüche verjährt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist zu den Anträge zu a) und b) zulässig und begründet, zu dem Antrag zu c) als unbegründet abzuweisen.
I. Die Klagebefugnis aus § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG ist gegeben. Denn die Parteien sind Mitbewerber. Unerheblich ist, dass die Beklagten Fachanwälte sind, der Kläger nicht. Denn zum einen haben die Beklagten nicht vorgetragen, ausschließlich auf ihren Fachanwaltsgebieten tätig zu sein. Zum anderen kann auch der Kläger auf den Gebieten tätig sein, für die die Beklagten die Qualifikation als Fachanwalt erworben haben. Die räumliche Nähe der Kanzleien weist schließlich deutlich auf die Mitbewerbereigenschaft hin.
II. Die geltend gemachten Ansprüche sind nicht gemäß verjährt. Nach § 11 UWG beträgt die Verjährungsfrist 6 Monate ab Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen oder ab dem Zeitpunkt, ab dem der Kläger von diesen Umständen ohne grobe Fahrlässigkeit Kenntnis hätte erlangen müssen. Vorliegend kann die Streitfrage dahin stehen, wann genau der Kläger von den gerügten Umständen erfahren hat oder ohne Fahrlässigkeit davon hätte erfahren müssen. Denn bei einer Dauerhandlung - wie hier - beginnt die Verjährungsfrist nicht, solange der Eingriff noch andauert (vgl Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 26. Auflage, § 1 UWG, Randnummer 1.21).
III. Der Antrag zu a) ist begründet, weil es sich bei der gerügten Bezeichnung auf dem Schild "Fachanwaltszentrum ... Kooperation selbständiger Rechtsanwälte" um eine irreführende Werbung gemäß §§ 3, 5 Abs. 2 Nr. 3 UWG handelt.
Bei der Frage, ob die Bezeichnung "Fachanwaltszentrum ... Kooperation selbständiger Rechtsanwälte" irreführend ist, oder ob bei möglichen Kunden kein Irrtum über das Vorhandene erregt wird, ist auf den durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher, der der Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt, abzustellen (Hefermehl, § 5 UWG, Randnummer 2.87) Dabei kann die Kammer diese Frage beurteilen, weil auch ihre Mitglieder zu den potentiell Angesprochenen zählen. Die danach vorzunehmende Beurteilung führt zu dem genannten Ergebnis. Die Werbung ist irreführend, weil bei dem Betrachter der falsche Eindruck besonderer Kompetenz aufgrund einer wie immer gearteten Zusammenarbeit von Rechtsanwälten vermittelt wird, zugleich verbunden mit dem vermittelten Eindruck einer besonderen Größe der Kanzlei mit einer Vielzahl von zur Verfügung stehenden Fachanwälten.
Denn auch nach heutigem Verständnis weist der Begriff "Zentrum" auf die Größe und Bedeutung des Unternehmens hin. So wäre die Bezeichnung " Wettbewerbszentrale" für einen Wettbewerbsverein, der nur über wenige Mitglieder aus einer Branche verfügt, irreführend. Ein "Einkaufszentrum" muss aus einer Reihe von Geschäften bestehen, so dass sich dem Käufer insgesamt ein breites Sortiment bietet (vgl Hefermehl, § 5 UWG, Randnummer 5.46). Vorliegend fehlt es bei der kleinen Zweigstelle an der erforderlichen Größe. Den Kunden erwartet auch nicht ein "breites Sortiment" von Fachanwälten, sondern aus der Vielzahl möglicher Fachanwälte lediglich zwei.
"Kooperation" bedeutet Zusammenarbeit, Mitwirkung (lat. cooperatio ). Es wird darunter das Zusammenwirken von Handlungen zweier oder mehrerer Lebewesen, Personen oder Systemen verstanden (vgl. www.wikipedia.de). Auch diese bei dem Leser geweckte Erwartung wird nicht erfüllt, wenn die Zusammenarbeit nur darin besteht, dass sich die Rechtsanwälte die Miete teilen. Der hierdurch verursachte Irrtum wird nicht dadurch behoben, dass dem Begriff "Kooperation" der Begriff "selbständiger Rechtsanwälte" nachfolgt. Denn damit ist schon nicht klar gesagt, dass die Rechtsanwälte untereinander selbständig sind. Dies kann auch dahin verstanden werden, dass sich die Rechtsanwälte als Freiberufler bezeichnen. Zumindest ist die Bezeichnung unklar und schon von daher irreführend.
Dem Antrag zu a) war in vollem Umfang stattzugeben. Es war nicht dahin zu unterscheiden, ob die Beklagten bereits in der gerügten Art auf bestimmten Werbeträgern geworben haben oder nicht. Denn die Tatsache, dass die Werbung auf einem Werbeträger (Kanzleischild, Internet) erfolgt ist, begründet die Besorgnis, dass dies auch auf dem anderen (z.B. Flyern) erfolgen könnte.
Dahin stehen kann nach alledem, ein zusätzlich ein wettbewerbswidriges Verhalten der Beklagten wegen Verstoßes gegen § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit §§ 43 b BRAO (Bundesrechtsanwaltsordnung), 6 BORA (Berufsordnung für Rechtsanwälte) anzunehmen ist.
IV. Der Antrag zu b) ist ebenfalls begründet.
Aus den Ausführungen zu dem Antrag zu a) ergibt sich, dass die Werbung der Beklagten bei den angesprochenen Lesern zugleich den irrigen Eindruck erweckt, es liege eine gemeinsame Berufsausübung der in dem Anwaltzentrum befindlichen Rechtsanwälte vor.
V. Der Antrag zu c) ist als unbegründet abzuweisen. Diesen Antrag hat der Kläger nicht begründet. Entsprechend dem Vortrag der Beklagten ist eine Anspruchsgrundlage für die Pflicht eines ausdrücklichen Hinweises auf eine Zweigstelle nicht ersichtlich. Auf dem verwandten Schild ist angegeben, dass die Beklagte jeweils eine "Hauptstelle" betreiben und die jeweiligen Anschriften sind genannt. Es ist also erkennbar, dass es sich um eine Zweigstelle handelt. Nicht erforderlich ist, dass der Begriff "Zweigstelle" ausdrücklich auf dem Schild steht.
VI. Der festgestellte Wettbewerbsverstoß zu den Anträgen zu a) und b) ist auch geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil des Klägers nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen (§ 3 UWG) . Dies folgt bereits aus der unmittelbaren Nähe der Kanzleien der Parteien und daraus, dass es sonstige Rechtsanwaltskanzleien in Mülheim ... nicht gibt.
VII. Die Androhung von Ordnungsmittel folgt aus § 890 ZPO.
VIII. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO. Die Kammer die Anträge zu a) bis c) als gleichwertig an. Hieraus ergibt sich Quotelung von 1/3 zu 2/3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
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