Baden Würtemberg: Karlsruhe

Urteil vom BGH

Entscheidungsdatum: 22.01.2009
Aktenzeichen: I ZR 31/06

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 17. Januar 2006 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Kläger ist der Verein für lauteren Wettbewerb e.V., zu dessen Mitgliedern Bundes- und Landesverbände sowie Einzelunternehmen aus dem Bereich des Einzelhandels gehören. Die Beklagte betreibt bundesweit mehr als 300 Filialen unter der Bezeichnung "Extra Verbrauchermarkt".

Ende September 2004 warb die Beklagte unter der Überschrift "JEDER 100. EINKAUF GRATIS" damit, dass in der Woche ab Montag, dem 27. September 2004 jeder 100. Kunde seinen Einkauf als Geschenk erhalte.

Der Kläger hält die Werbung wegen Verstoßes gegen §§ 3, 4 Nr. 1 und 6 UWG (in der Fassung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3.7.2004, BGBl. I S. 2949, im Folgenden: UWG 2004) für wettbewerbswidrig und hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt.

Gründe

I. Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch des Klägers nach § 8 Abs. 3 Nr. 2, §§ 3, 4 Nr. 1 und 6 UWG 2004 verneint, weil weder ein Gewinnspiel i.S. von § 4 Nr. 6 UWG 2004 noch eine unangemessene unsachliche Beeinflussung i.S. von § 4 Nr. 1 UWG 2004 vorliege. Zur näheren Begründung hat es ausgeführt:

Im Streitfall sei ein Gewinnspiel i.S. von § 4 Nr. 6 UWG (2004) zu verneinen, weil kein gesonderter Gewinn versprochen werde. Die Verbraucher kauften nicht etwas, um an einem besonderen Gewinnspiel teilnehmen zu können, bei dem ein Gewinn ausgelobt und der Gewinner durch ein Zufallselement ermittelt werde. Vielmehr erhielten sie unter bestimmten zufälligen Voraussetzungen das "Geschenk", dass sie die gekaufte Ware letztlich nicht bezahlen müssten. Damit unterscheide sich dieser Fall wesentlich von den typischen Fällen einer Kopplung von Warenabsatz und Gewinnspiel und werde nicht von § 4 Nr. 6 UWG (2004) erfasst. Die Anlockwirkung, die von der beanstandeten Werbung der Beklagten ausgehe, sei auch nicht geeignet, die Entscheidungsfreiheit der angesprochenen Verbraucher durch eine unangemessene unsachliche Einflussnahme i.S. von § 4 Nr. 1 UWG (2004) zu beeinträchtigen. Die Chance, gratis einzukaufen, sei so ungünstig, dass der Verbraucher damit rechne, den Einkauf wie immer bezahlen zu müssen und sich deshalb nicht dazu verleiten lasse, in Erwartung des "Gewinns" sein Verbraucherverhalten wesentlich zu verändern.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision bleiben ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat zu Recht den geltend gemachten Unterlassungsanspruch verneint. Die Voraussetzungen der §§ 3, 4 Nr. 1 und 6 UWG 2004 liegen nicht vor.

1. Nach der Verkündung des Berufungsurteils ist am 30. Dezember 2008 das Erste Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 22. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2949) in Kraft getreten, mit dem die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken umgesetzt worden ist. Da der Unterlassungsanspruch des Klägers im Streitfall auf Wiederholungsgefahr gestützt ist und das beanstandete Verhalten der Beklagten, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, zum fraglichen Zeitpunkt Ende September 2004 nicht unlauter i.S. von §§ 3, 4 Nr. 1 und 6 UWG 2004 war, kommt es auf die Regelungen der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken nicht an.

2. Die Vorschrift des § 4 Nr. 6 UWG setzt, wie der Senat nach der Verkündung des Berufungsurteils entschieden hat (Urt. v. 19.4.2007 - I ZR 57/05, GRUR 2007, 981 = WRP 2007, 1337 - 150% Zinsbonus), ein vom Umsatzgeschäft getrenntes Gewinnspiel voraus. Die Bestimmung des § 4 Nr. 6 UWG hat gegenüber § 4 Nr. 1 UWG Ausnahmecharakter, da die Bewertung als unlauter keine Eignung zur Beeinflussung der Entscheidungsfreiheit der angesprochenen Verkehrskreise erfordert; sie ist daher eng auszulegen. Der Gesetzgeber hatte bei Schaffung des § 4 Nr. 6 UWG vor allem die Fallkonstellation vor Augen, dass der Verbraucher - um an einem Gewinnspiel teilnehmen zu können - zunächst eine entgeltliche Leistung in Anspruch nehmen muss, die Gewinnspielteilnahme also an ein Absatzgeschäft gekoppelt wird. Wenn sich der mögliche Gewinn dagegen unmittelbar auf die vertragliche Leistung oder Gegenleistung auswirkt, handelt es sich nicht um ein an ein Absatzgeschäft gekoppeltes Gewinnspiel, sondern um ein besonderes Verfahren der Preisgestaltung (BGH GRUR 2007, 981 Tz. 31 - 150% Zinsbonus).

Im Streitfall fehlt es - worauf auch das Berufungsgericht zu Recht hinweist - an der im Gesetz vorausgesetzten Kopplung zwischen der Teilnahme an einem Gewinnspiel und dem Erwerb einer Ware. Der Eintritt des ungewissen Ereignisses (100. Einkauf) wirkt sich lediglich auf die vertragliche Gegenleistung für den Warenerwerb aus, indem in diesem Fall auf die Zahlung des Kaufpreises verzichtet wird (vgl. auch Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Aufl., § 4 Rdn. 6.6a).

3. Zu Recht hat das Berufungsgericht ferner angenommen, dass keine unangemessene unsachliche Beeinflussung i.S. von §§ 3, 4 Nr. 1 UWG 2004 vorliegt.

Nach der Senatsrechtsprechung reicht der Einsatz aleatorischer Reize für sich genommen nicht aus, um den Vorwurf der Unlauterkeit zu rechtfertigen (vgl. BGH, Urt. v. 22.9.2005 - I ZR 28/03, GRUR 2006, 161 Tz. 16 = WRP 2006, 69 - Zeitschrift mit Sonnenbrille; BGH GRUR 2007, 981 Tz. 33 - 150% Zinsbonus). Wettbewerbswidrig ist eine Werbung vielmehr erst dann, wenn die freie Entscheidung der angesprochenen Verkehrskreise durch den Einsatz aleatorischer Reize so nachhaltig beeinflusst wird, dass ein Kaufentschluss nicht mehr von sachlichen Gesichtspunkten, sondern maßgeblich durch das Streben nach der in Aussicht gestellten Gewinnchance bestimmt wird (BGH GRUR 2003, 626, 627 - Umgekehrte Versteigerung II; GRUR 2004, 249, 250 f. - Umgekehrte Versteigerung im Internet). Davon kann, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat, im Streitfall schon wegen der für den Verbraucher erkennbar geringen Chance, dass gerade er den 100. Einkauf tätigen werde, nicht ausgegangen werden. Selbst wenn sich der Durchschnittsverbraucher dadurch zu einem Einkauf bei der Beklagten verleiten lässt und im Hinblick auf die angekündigte Chance eines Gratiseinkaufs möglichst viel einkauft, wird dadurch die Rationalität der Kaufentscheidung nicht völlig in den Hintergrund gedrängt. Der Durchschnittsverbraucher ist vielmehr in der Lage, mit diesem Gewinnanreiz bei seiner Kaufentscheidung umzugehen.

III. Die Revision des Klägers ist daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Bornkamm Büscher Bergmann
Kirchhoff Koch

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