Urteil vom BGH
Entscheidungsdatum: 26.04.2007
Aktenzeichen: I ZR 34/05
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 13. Januar 2005 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte ist im Jahr 2003 aufgrund eines Verschmelzungsvertrags als übernehmende Gesellschaft Rechtsnachfolgerin der N. GmbH geworden. Diese hatte als regionales Telekommunikationsunternehmen eigene ISDN-Telefonanschlüsse angeboten und dafür im Internet geworben.
Die Werbung gemäß Anlage A enthielt folgende Aussagen:
"Die n., Ihre lokale Telefongesellschaft aus B. und Br., ist mit viel Service und attraktiven Tarifen direkt vor Ort - bei Ihnen. Neben den supergünstigen Telefontarifen ab 1 Cent pro Minute und Internettarifen ab 1,05 Cent pro Minute hilft vor allem die faire, weil sekundengenaue Abrechnung beim Sparen - und zwar bis zu 40 % Ihrer jetzigen Telefonkosten. Wenn das kein Grund zum Wechseln ist …
Mindestgesprächspreis 3,1 Cent".
Unter der Überschrift "Wechseln zahlt sich aus!" warb die N. GmbH zudem wie folgt (Anlage B):
"Jetzt zu n. -ISDN wechseln und 50 €* Gutschrift sichern. Und danach dauerhaft fast die Hälfte** der bisherigen Telefonkosten sparen. Da bleibt jeden Monat noch Geld im Portemonnaie.
Worauf warten Sie noch?
* …
** Je nach Gesprächsverhalten".
Die Klägerin, das größte inländische Unternehmen im Bereich der Telekommunikation, hat diese Werbung als rechtswidrige vergleichende Werbung sowie als irreführend beanstandet und die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der N. GmbH auf Unterlassung in Anspruch genommen.
Die Beklagte hat die Werbung der N. GmbH als rechtmäßig verteidigt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben.
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.
Gründe
I. Das Berufungsgericht hat die Klage als unbegründet angesehen. Die beanstandete Werbung enthalte weder einen unzulässigen Werbevergleich noch sei sie irreführend.
II. Die Revisionsangriffe gegen das Berufungsurteil bleiben im Ergebnis ohne Erfolg.
Der Klägerin stehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche aus § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG i.V. mit §§ 3, 5 und 6 UWG (§ 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG a.F. i.V. mit §§ 2, 3 UWG a.F.) schon deshalb nicht zu, weil nicht dargetan ist, dass bei der Beklagten die erforderliche Begehungsgefahr gegeben ist. Selbst wenn die Beklagte im Zuge der Verschmelzung mit der N. GmbH deren Geschäftsbetrieb "als lebenden Organismus" übernommen haben sollte, wozu nichts vorgetragen ist, könnte dies allein nicht genügen, um bei einem Wettbewerbsverstoß der N. GmbH eine Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr bei der Beklagten zu begründen (vgl. Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Aufl., § 8 UWG Rdn. 2.31, 2.53; ders., WRP 2000, 921, 922; Harte/Henning/Beckedorf, UWG, § 8 Rdn. 84; Bergmann ebd. § 8 Rdn. 248; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl., Kap. 15 Rdn. 12; a.A. Ahrens in Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 5. Aufl., Kap. 36 Rdn. 202 ff.; Fezer/Büscher, UWG, § 8 Rdn. 118; Foerste, GRUR 1998, 450, 453 f.; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Aufl., Vor §§ 14-19 Rdn. 49; vgl. auch MünchKomm.UWG/Fritzsche § 8 Rdn. 291).
1. Ein - unterstellter - Wettbewerbsverstoß der N. GmbH begründete bei dieser eine Wiederholungsgefahr. Als übertragende Gesellschaft ist die N. GmbH jedoch aufgrund der Verschmelzung erloschen (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG). Auf die Beklagte als ihre Rechtsnachfolgerin konnte eine Wiederholungsgefahr, die durch einen Wettbewerbsverstoß bei der N. GmbH entstanden ist, nicht übergehen. Die Wiederholungsgefahr ist ein tatsächlicher Umstand, der nach den Verhältnissen in der Person des in Anspruch Genommenen zu beurteilen ist. Dies gilt nicht nur, wenn der Rechtsvorgänger die Wiederholungsgefahr persönlich durch eigenes Verhalten begründet hat (vgl. BGH, Urt. v. 16.3.2006 - I ZR 92/03, GRUR 2006, 879 Tz 17 = WRP 2006, 1027 - Flüssiggastank), sondern auch dann, wenn der Wettbewerbsverstoß durch Organe des Rechtsvorgängers oder Mitarbeiter seines Unternehmens begangen worden ist.
Für ein etwaiges wettbewerbswidriges Handeln eines Geschäftsführers der N. GmbH hatte nur diese auf Unterlassung zu haften. Auch bei Wettbewerbsverstößen, die Mitarbeiter oder Beauftragte bei ihrer Tätigkeit für die N. GmbH begangen haben, konnten nach § 8 Abs. 2 UWG (§ 13 Abs. 4 UWG a.F.) Unterlassungsansprüche nur gegen diese Gesellschaft entstehen. Gemäß dieser Vorschrift werden dem Inhaber des Unternehmens Zuwiderhandlungen seiner Angestellten oder Beauftragten wie eigene Handlungen zugerechnet, weil die arbeitsteilige Organisation des Unternehmens die Verantwortung für das Verhalten im Wettbewerb nicht beseitigen soll. Der Unternehmensinhaber, dem die Wettbewerbshandlungen seiner Angestellten oder Beauftragten zugute kommen, soll sich bei einer wettbewerbsrechtlichen Haftung nicht hinter den von ihm abhängigen Dritten verstecken können (vgl. BGH, Urt. v. 19.12.2002 - I ZR 119/00, GRUR 2003, 453, 454 = WRP 2003, 642 - Verwertung von Kundenlisten, m.w.N.). Dieser Zweck des § 8 Abs. 2 UWG (§ 13 Abs. 4 UWG a.F.) lässt es nicht zu, Wettbewerbsverstöße, die Mitarbeiter im Unternehmen unter der Verantwortung des früheren Rechtsinhabers begangen haben, auch dem neuen Rechtsinhaber zuzurechnen (vgl. Harte/Henning/Bergmann aaO § 8 Rdn. 248; Köhler, WRP 2000, 921, 922; a.A. Ahrens in Ahrens aaO Kap. 36 Rdn. 202 ff.; Fezer/Büscher aaO § 8 Rdn. 118; Foerste, GRUR 1998, 450, 453 f.).
Die Haftung des Rechtsnachfolgers auf Schadensersatz für Wettbewerbsverstöße seines Rechtsvorgängers bleibt davon unberührt.
2. Auch wenn bei einer Verschmelzung der Betrieb, in dem ein Wettbewerbsverstoß von Mitarbeitern begangen worden ist, fortgeführt wird, ergibt sich daraus allein keine Erstbegehungsgefahr bei dem übernehmenden Rechtsträger. Ein Inhaberwechsel bringt einen Wechsel in der Leitungs- und Weisungsbefugnis mit sich. Bereits diese tatsächliche Veränderung schließt es aus, allein aufgrund eines früheren Verhaltens von Mitarbeitern des Betriebs eine in der Person des neuen Inhabers begründete Erstbegehungsgefahr anzunehmen. Mit dem Wechsel des Inhabers eines Unternehmens sind zudem selbst bei Fortführung aller Betriebsteile vielfach weitere erhebliche Veränderungen verbunden, die ebenfalls der Gefahr entgegenwirken, dass der früher vorgekommene Wettbewerbsverstoß erneut begangen werden könnte, so insbesondere Veränderungen in der Art und Weise der Unternehmensführung, in der Aufgabenstellung der Betriebe, im Mitarbeiterstamm und/oder in der Werbekonzeption.
Es ist allerdings möglich, dass nach einem Inhaberwechsel unter Fortführung des Betriebs eine Erstbegehungsgefahr für einen Wettbewerbsverstoß, wie er unter der Verantwortung des früheren Rechtsinhabers begangen worden ist, durch besondere Umstände, die zu der früher begangenen Zuwiderhandlung hinzutreten, neu begründet wird (vgl. dazu Köhler, WRP 2000, 921, 922, 923; Harte/Henning/Bergmann aaO § 8 Rdn. 248). Dafür ist hier jedoch nichts vorgetragen.
III. Die Revision der Klägerin ist danach auf ihre Kosten zurückzuweisen (§ 97 Abs. 1 ZPO) .
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