Baden Würtemberg: Stuttgart

Urteil vom OLG Stuttgart

Entscheidungsdatum: 10.02.1995
Aktenzeichen: 2 U 238/94

Leitsätze

Ein Luft- und Raumreinigungsgerät darf nicht als rein deutsches Erzeugnis bezeichnet werden, wenn wesentliche Teile wie Gebläse, Motor, Fahrwerk, Saugschlauch und Zubehör in Japan hergestellt werden. Das Wort Germany als Bestandteil der Anschrift des Herstellers auf dem Typenschild eines solchen Geräts ist nicht ohne weiteres irreführend iS von UWG § 3. Diese Angabe kann den Hersteller zu aufklärenden Hinweisen am Geräte etwa dahin verpflichten, daß Teile des Geräts in Japan hergestellt sind, wenn Vertreter die Angabe beim Vertrieb des Geräts als Beleg für die Behauptung verwenden, das Gerät sei ein rein deutsches Erzeugnis.

Orientierungssatz

Zitierung: Abgrenzung BGH, 1974-04-26, I ZR 19/73, NJW 1974, 1559.

Tenor

1) Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des Vorsitzenden der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Ravensburg vom 11.10.1994

geändert:

Die durch Beschluß vom 11.10.1994 erlassene einstweilige Verfügung wird aufgehoben. Der Antrag auf Erlaß der einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

2) Die Antragstellerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.

Streitwert der Berufung: 50.000,– DM.

Tatbestand

Die Parteien sind Wettbewerber beim Direktvertrieb von Luft- und Raumreinigungsgeräten, die als Filter reines Leitungswasser verwenden.

Die Antragsgegnerin hat im Innenbereich ihres Gerätes ein Typenschild folgenden Inhalts angebracht:

P GmbH

D-... ...

Germany

Type: DP-2000

230 V-50 Hz-750 W

Mit der glaubhaft gemachten Behauptung, das Gerät der Antragsgegnerin werde in Japan hergestellt, hat die Antragstellerin die Beschluß-Verfügung des Vorsitzenden der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Ravensburg vom 05.09.1994 erwirkt. Diese verbietet der Antragsgegnerin unter Androhung von Ordnungsmitteln, Staubsauger der Marke "D" mit Gerätetypenschildern des Inhalts:

P GmbH

D-... ...,

Germany

zu versehen und in den geschäftlichen Verkehr zu bringen.

Auf den Widerspruch der Antragsgegnerin hat der Vorsitzende der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Ravensburg die Beschluß-Verfügung durch Urteil vom 11.10.1994 aufrechterhalten. Zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt: Für die angesprochenen Verkehrskreise liege es nahe, von dem beanstandeten Typenschild auf die Antragsgegnerin als Hersteller zu schließen. Dafür spreche, daß das Typenschild erst nach dem Abnehmen eines Teils des Geräts sichtbar werde. Die Herstellereigenschaft werde auch durch das Wort Germany suggeriert. Diese Bezeichnung komme nach der Rechtsprechung dem Wertbegriff "Made in Germany" gleich. Relevant sei die Herkunft des Geräts, weil sein Kaufpreis zwischen 3.000,– und 4.000,– DM liege und die angesprochenen Käuferschichten in erhöhtem Maße auf die geographische Herkunft des Produkts Wert legten. Welche Bedeutung die angebliche Herstellung in Deutschland habe, zeige auch der von der Antragstellerin vorgelegte Anwaltsschriftsatz, in dem das Gerät als deutsches Gerät und (die Firma) D als eine deutsche Qualitätsmarke bezeichnet würden. Für die Relevanz der Herkunft aus Deutschland spreche auch, daß sich die Antragsgegnerin auf dem Typenschild nicht als Vertreiber des Geräts bezeichne.

Wegen der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

2. Zur Begründung ihrer Berufung macht die Antragsgegnerin im wesentlichen geltend: Niemand denke ernsthaft daran, daß die Angabe auf dem Typenschild besage, daß die Herstellung ausschließlich in Deutschland erfolge. Der Eindruck, daß das Gerät in Deutschland hergestellt werde, werde nicht hervorgerufen. Denn das Wort Deutschland erscheine nur als Bestandteil der Anschrift der Antragsgegnerin. Die Angabe Germany in der Anschrift sei erforderlich, weil das Gerät auch im Ausland vertrieben werde. Die Antragsgegnerin habe nicht die Absicht, den Eindruck zu erwecken, ihr Gerät werde in Deutschland hergestellt. Denn Japan genieße einen überragenden Ruf bei der Herstellung von elektrischen und elektronischen Teilen. Es könnte sogar absatzhindernd sein, eine deutsche Herstellung in den Vordergrund zu stellen. Das vorgelegte Anwaltsschreiben habe mit dem vorliegenden Fall nichts zu tun. Die Antragsgegnerin habe diesen Anwalt auch nicht bevollmächtigt, in ihrem Namen Erklärungen abzugeben. Weil die Antragsgegnerin wegen der Anbringung ihres Namens auf dem Gerät nach § 4 ProdHaftG als Hersteller gelte, könne diese Angabe wettbewerbsrechtlich nicht beanstandet werden. Die Antragsgegnerin sei auch tatsächlich als Hersteller anzusehen, da Endmontage, Komplettierung, Geräteprüfung, Qualitätssicherung und Zusammenbau in Deutschland erfolgten. Wäre die Auffassung der Antragstellerin und des Landgerichts richtig, müßte die Antragsgegnerin das Gerät ohne Angaben und Hinweise verkaufen, was nicht im Interesse der Verbraucher läge. Der Verkehr werde durch das Typenschild nicht irregeführt. Im übrigen hätte eine etwaige Täuschung keinen Einfluß auf den Kaufentschluß des Publikums.

Die Antragsgegnerin beantragt,

das angefochtene Urteil und die Beschluß-Verfügung vom 05.09.1994 aufzuheben sowie den Verfügungsantrag abzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

und macht im wesentlichen geltend:

Die Antragsgegnerin wolle den Eindruck erwecken, das Gerät werde nicht nur von ihr vertrieben, sondern es werde von ihr in Deutschland hergestellt. Das zeige auch der vorgelegte Anwaltsschriftsatz. Auch die Außendienstmitarbeiter der Antragsgegnerin böten das Gerät hartnäckig als urdeutsches Produkt an. Unerheblich sei, ob die Antragsgegnerin tatsächlich Hersteller des Geräts sei. Es komme nur darauf an, daß das Gerät in Japan und nicht in Deutschland hergestellt werde. Wenn deutsche Firmen im Ausland produzieren ließen, dann wiesen sie auf den Typenschildern durch entsprechende Vermerke ausdrücklich auf diesen Umstand hin.

Wegen der Einzelheiten des Parteivortrags im zweiten Rechtszug wird auf die Schriftsätze der Parteien verwiesen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sich die Antragsgegnerin vertragsstrafbewehrt verpflichtet, es zu unterlassen, Luft- und Raumreinigungsgeräte "D" mit dem beanstandeten Gerätetypenschild zu versehen, ohne daß am Gerät ebenso deutlich sichtbar und haltbar der Hinweis erfolgt, daß Teile des Geräts in Japan hergestellt sind. Die Antragstellerin hält diese Unterlassungserklärung nicht für ausreichend, weil die Antragsgegnerin nicht darauf hinweise, daß wesentliche Teile des Geräts in Japan hergestellt seien, und weil die Erklärung nicht Bestandteil des Typenschilds sei.

Gründe

Das zulässige Rechtsmittel der Antragstellerin hat Erfolg. Das angefochtene Urteil ist zu ändern, die Beschluß-Verfügung vom 05.09.1994 ist aufzuheben und der Verfügungsantrag zurückzuweisen.

Der Verfügungsanspruch der Antragstellerin ist dadurch untergegangen, daß die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat sich strafbewehrt verpflichtet hat, es zu unterlassen, Luft- und Raumreinigungsgeräte "D" mit dem beanstandete Gerätetypenschild zu versehen, ohne daß am Gerät ebenso deutlich sichtbar und haltbar der Hinweis erfolgt, daß Teile des Geräts in Japan hergestellt sind. Die Antragstellerin hätte deshalb das Verfügungsverfahren in der Hauptsache für erledigt erklären müssen, um die Klagabweisung zu vermeiden.

Ein Unterlassungsanspruch war zunächst nur deshalb gegeben, weil das beanstandete Typenschild es den Handelsvertretern beim Vertrieb des Gerätes "D" erleichtert hat, dieses Gerät als rein deutsches Erzeugnis auszugeben. Als deutsches Erzeugnis darf das Gerät jedenfalls nicht uneingeschränkt bezeichnet werden, weil wesentliche Teile wie Gebläse, Gehäuse, Motor, Wasserschüssel, Fahrwerk, Saugschlauch und Zubehör in Japan hergestellt werden.

Das beanstandete Typenschild ist zwar kein geographischer Herkunftshinweis. Das Wort Germany auf dem Typenschild ist für jedermann unverkennbar Teil der Anschrift der Antragsgegnerin. Die Bezeichnung Germany kann bei dieser Verwendung nicht im Sinne von "Made in Germany" verstanden werden. Dieses Verständnis ist nur bei einer isolierten Verwendung des Wortes Germany möglich, wie dies in dem der Entscheidung des Bundesgerichtshofs GRUR 1974, 665 f – Germany – zugrundeliegenden Fall geschehen ist. Der Verkehr wird die Antragsgegnerin aufgrund der Angaben auf dem Typenschild als in Deutschland ansässigen Hersteller des Geräts ansehen. Diese Angabe ist objektiv richtig. Sie kann gleichwohl irreführend sein, wenn nicht völlig unerhebliche Teile des Verkehrs mit ihr eine unrichtige geographische Herkunftsvorstellung in bezug auf das Gerät verbinden. Aus der Angabe eines in Deutschland gelegenen Firmensitzes des Herstellers können nicht unerhebliche Teile des angesprochenen Verkehrs den Schluß ziehen, daß das Gerät des deutschen Herstellers auch in Deutschland hergestellt wurde, und zwar unabhängig davon, ob in der Anschrift das Wort Deutschland oder die Angabe Germany verwendet werden oder ob auf Deutschland nur durch das der Postleitzahl vorangestellte D hingewiesen wird. Das allein begründet aber noch keinen Verstoß gegen § 3 UWG. Denn die Angabe des Herstellers auf einem Gerät liegt im Interesse der Verbraucher, insbesondere wenn es sich wie hier um ein technisches Erzeugnis von nicht unerheblichem Wert handelt. Da die beanstandete Angabe objektiv richtig und nur geeignet ist, unrichtige Vorstellungen zu erwecken, kommt eine Irreführung über die geographische Herkunft nur durch Unterlassen eines das Entstehen der irreführenden Vorstellung ausschließenden Hinweises in Betracht. Ein Verstoß gegen § 3 UWG setzt daher eine Aufklärungspflicht der Antragsgegnerin voraus (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 17. Aufl., § 3 UWG, Rn. 48 f). Eine Aufklärungspflicht besteht im vorliegenden Fall deshalb, weil der fehlende Hinweis auf die Herkunft von Teilen des Geräts aus Japan von den Vertretern beim Vertrieb des Geräts zur Täuschung von Interessenten ausgenutzt wird. Daß wesentliche Teile des Geräts aus Japan importiert werden, begründet für sich allein noch keine Hinweispflicht. Denn es ist heute weitgehend üblich, daß deutsche Hersteller Haushaltsgeräte im Ausland herstellen lassen oder daß zumindest im Ausland hergestellte Teile bei der Produktion im Inland verwendet werden. Dazu kommt, daß es nicht üblich ist, auf die Verwendung im Ausland hergestellter Teile bei der Produktion im Inland ausdrücklich hinzuweisen. Üblich sind lediglich Hinweise auf die Produktion im Ausland wie Made in Japan. Im vorliegenden Fall wäre ein solcher Hinweis jedoch schon objektiv unrichtig. Denn wie durch die eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers der Antragsgegnerin vom 20.09.1994 (Bl. 20) glaubhaft gemacht ist, erfolgen Teile der Produktion, nämlich Teilmontage und Komplettierung, im Inland. Die Verpflichtung zum Hinweis auf die Verwendung in Japan hergestellter Teile folgt lediglich daraus, daß die Vertreter die Angaben auf dem Typenschild dazu verwenden, das Gerät als rein deutsches Erzeugnis auszugeben. Dafür kann die Antragsgegnerin als Störer verantwortlich gemacht werden, weil diese Anpreisung durch das Typenschild ohne aufklärenden Zusatz jedenfalls erleichtert wird (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 17. Aufl., UWG-Einl., Rn. 326 b; BGH GRUR 1958, 86, 88 – Ei-Fein).

Der sich daraus ergebende Unterlassungsanspruch der Antragstellerin ist aber dadurch untergegangen, daß sich die Antragsgegnerin strafbewehrt zum Hinweis auf die Verwendung von in Japan hergestellten Teilen verpflichtet hat. Diese Angabe reicht aus, um die der Antragsgegnerin zuzurechnende Irreführungsgefahr zu beseitigen. Denn wenn am Gerät in einer Gestaltung, die ebenso deutlich sichtbar und haltbar ist wie die Angaben auf dem Typenschild, darauf hingewiesen wird, daß Teile des Gerätes in Japan hergestellt sind, können die Vertreter den Hinweis auf dem Typenschild nicht mehr als Stütze für die Behauptung verwenden, das Gerät sei ein rein deutsches Erzeugnis. Auch sonst kann dieser Eindruck aufgrund der Angaben auf dem Typenschild nicht mehr entstehen. Dafür ist es nicht erforderlich, daß sich der Hinweis auf wesentliche Teile des Geräts bezieht und daß er Bestandteil des Typenschildes ist. Daß sich der Hinweis auf wesentliche Teile bezieht, folgt schon daraus, daß der Hinweis überhaupt gegeben wird. Denn auf die Herkunft unwesentlicher Teile kommt es ohnehin nicht an. Niemand erwartet daher, daß sich ein Herkunftshinweis auf unwesentliche Teile bezieht. Es kann auch nicht verlangt werden, daß der Hinweis auf dem Typenschild erfolgt. Entscheidend ist, daß er ebenso deutlich sichtbar und haltbar ist wie die Angaben auf dem Typenschild. Denn das setzt einen räumlichen Zusammenhang mit dem Typenschild voraus.

Nach § 91 ZPO trägt die Antragstellerin die Kosten des Verfügungsverfahrens in beiden Rechtszügen.

Das Urteil beendet den Instanzenzug im Verfügungsverfahren und ist deshalb mit der Verkündung rechtskräftig und vollstreckbar.

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