Erneute Wiederholungsgefahr bei Verstoß gegen Unterlassungserklärung
Urteil vom LG Hanau
Entscheidungsdatum: 10.08.2007
Aktenzeichen: 9 O 190/07
Leitsätze
1. Steht nach abgegebener Unterlassungserklärung mit Vertragsstrafeversprechen wiederum ein identischer oder gleichartiger Verstoß im Raum, so ist die Unterwerfungserklärung nicht mehr als Ausdruck eines ernsthaften, die Wiederholungsgefahr beseitigenden Unterlassungswillens anzusehen.
2. Unabhängig davon, ob man bei dieser Sachlage von einem Wiederaufleben der Wiederholungsgefahr ausgeht oder auf einen neu entstandenen Unterlassungsanspruch abstellt, der durch das fortbestehende Vertragsstrafeversprechen nicht berührt wird, ist für die Klägerin jedenfalls eine neue Klage auf Unterlassung gegen die Beklagte möglich, zumal aus einer gerichtlich ausgeurteilten Unterlassungsverpflichtung auch über das Vertragsstrafeversprechen hinaus eine gerichtliche Vollstreckungsmöglichkeit und damit eine bessere Absicherung des Unterlassungsanspruchs, resultiert.
3. Ein Hinweis auf den werbenden Charakter ("redaktionelles Trennungsgebot) war – entgegen der Meinung der Beklagten – nach Überzeugung der Kammer auch nicht deshalb entbehrlich, weil sich die Zeitschrift an "Fachpublikum" richtet.
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,– Euro, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit Ordnungshaft bis zu sechs Monaten tritt, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken eine "Media-Flatrate" anzubieten und/oder anbieten zu lassen, bei der eine bestimmte Anzahl von Heftseiten im "..." für einen Festpreis angeboten wird, wobei zumindest ein Teil dieser Seiten vom Anzeigenkunden mit einem nicht als Anzeige erkennbaren redaktionellen Beitrag gefüllt werden kann, und/oder den Anzeigenkunden anzubieten bzw. anbieten zu lassen, eine Anzahl Heftseiten im "..." für eine Firmen- und Produktpräsentation entgeltlich zu buchen, ohne dass diese als "Anzeige" gekennzeichnet werden müsste, insbesondere, wenn dies wie nachstehend wiedergegeben geschieht:
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 10.000,– Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %- Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 10.04.2007 zu zahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,– Euro vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten um wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche.
Die Klägerin ist ein Verlag, der unter anderem das Fachmagazin "..." herausgibt, die Beklagte verlegt die Zeitschrift "...". Die von der Klägerin publizierte Zeitschrift richtet sich dabei vorrangig an den Lebensmittel-Einzelhandel, die beklagtenseits herausgegebene Zeitschrift ist ein Fachmagazin für Köche und Großküchen. Die Beklagte unterbreitete in der Zeitschrift "..." Anzeigekunden das Angebot, für einen Festpreis eine bestimmte Anzahl von Seiten zur freien Verfügung zu bekommen, sowie für einen weiteren Festpreis die Titelseite und vier Seiten Titelstory zu erhalten bzw. für einen Festpreis eine Firmen- und Produktpräsentation darbieten zu können, wobei ein Anteil von maximal 50 %-Anzeigengehalt gegeben sein soll. Die Klägerin mahnte das Verhalten der Beklagten unter dem 24.01.2006 ab, unter dem 03.02.2006 gab die Beklagte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, für deren genauen Inhalt auf die Anlage K 5 verwiesen wird. Unter Ziffer 2 der Unterlassungsverpflichtungserklärung vom 03.02.2006 wurde außerdem eine seitens der Klägerin festzusetzende Vertragsstrafe, die bei Streit über die Angemessenheit vom zuständigen Landgericht zu überprüfen ist, vereinbart.
Im November 2006 bot die Beklagte eine von ihrem Wortlaut her ähnliche "Media-Flatrate" an, wobei hier bis zu 75 % Anzeigengehalt erlaubt sein sollten und 25 % redaktionelle Inhalte gefordert wurden. Die Klägerin mahnte das Verhalten der Beklagten wiederum unter dem 28.12.2006 ab, die Beklagte verweigerte jedoch die Abgabe einer neuerlichen Unterlassungserklärung.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte veröffentliche von dem Werbekunden bezahlte scheinbar redaktionelle Artikel, bei denen es sich jedoch tatsächlich um verschleierte Werbung einzelner Firmen handele, die nicht als Anzeige gekennzeichnet sei. Ihr stehe deshalb ein Unterlassungsanspruch gemäß §§ 8 Abs. 1, 3, 4 Nr. 3 UWG und § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 8 LPG Hessen zu, da durch die redaktionelle Einkleidung der Werbecharakter verschleiert werde. Die Kennzeichnung mancher Artikel mit "PR" genüge nicht, es hätte eine Kennzeichnung mit "Anzeige" erfolgen müssen. Trotz der bereits abgegebenen strafbewehrten Unterlassungserklärung liege eine erneute Wiederholungsgefahr vor, da mit der neuen Zuwiderhandlung auch ein neuer Unterlassungsanspruch entstanden sei. Sie könne außerdem gemäß Ziffer 2 der Unterlassungsvereinbarung vom 03.02.2006 eine mit 10.000,– Euro angemessen bemessene Vertragsstrafe verlangen. Die Höhe der Vertragsstrafe sei angemessen, da bereits das kleinste bei der Beklagten angebotene Paket mehr als 10.000,– Euro koste, welches diese mindestens dreimal verkauft hat.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,– Euro, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit Ordnungshaft bis zu sechs Monaten tritt, oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken eine "Media-Flatrate" anzubieten und/oder anbieten zu lassen, bei der eine bestimmte Anzahl von Heftseiten im "..." für einen Festpreis angeboten wird, wobei zumindest ein Teil dieser Seiten vom Anzeigenkunden mit einem nicht als Anzeige erkennbaren redaktionellen Beitrag gefüllt werden kann, und/oder den Anzeigenkunden anzubieten bzw. anbieten zu lassen, eine Anzahl Heftseiten im "..." für eine Firmen- oder Produktpräsentation entgeltlich zu buchen, ohne dass diese als "Anzeige" gekennzeichnet werden müsste, insbesondere, wenn dies wie nachfolgend wiedergegeben geschieht:
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 10.000,– Euro zu bezahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz ab 10.04.2007.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Meinung, dass die interessierten Verkehrskreise der beiden Zeitschriften nicht identisch seien, so dass kein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien bestehe und die Klägerin nicht aktiv legitimiert sei. Außerdem handele es sich bei den Kunden der Beklagten um Fachpublikum, das in der Lage sei, eine Werbemaßnahme auch ohne die Verwendung des Begriffes "Anzeige" als solche zu erkennen. Die Vertragsstrafenabrede sei nicht hinreichend bestimmt. Die Klägerin handele im Übrigen genau so wie die Beklagte, so dass eine Unterlassungspflicht die "Dolo-Petit"-Einrede entgegenstehe.
Gründe
Die Klage ist zulässig. Für die Klägerin besteht trotz der Unterlassungserklärung vom 03.02.2006 ein Rechtsschutzbedürfnis, erneut einen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte geltend zu machen. Zwar kann nach ständiger Rechtsprechung ein Verletzer die durch einen Wettbewerbsverstoß begründete Vermutung der Wiederholungsgefahr grundsätzlich dadurch ausräumen, dass er gegenüber dem Gläubiger des Unterlassungsanspruches eine uneingeschränkte, bedingungslose und durch ein Vertragsstrafeversprechen angemessen zu sichernde Unterlassungsverpflichtung eingeht (BGH, Urteil vom 27.05.1987, I ZR 153/85, in MDR 1988, Seite 26 ff). Steht jedoch nach abgegebener Unterlassungserklärung mit Vertragsstrafeversprechen wiederum ein identischer oder gleichartiger Verstoß im Raum, so ist die Unterwerfungserklärung nicht mehr als Ausdruck eines ernsthaften, die Wiederholungsgefahr beseitigenden Unterlassungswillens anzusehen. Unabhängig davon, ob man bei dieser Sachlage von einem Wiederaufleben der Wiederholungsgefahr ausgeht oder auf einen neu entstandenen Unterlassungsanspruch abstellt, der durch das fortbestehende Vertragsstrafeversprechen nicht berührt wird, ist für die Klägerin jedenfalls eine neue Klage auf Unterlassung gegen die Beklagte möglich, zumal aus einer gerichtlich ausgeurteilten Unterlassungsverpflichtung auch über das Vertragsstrafeversprechen hinaus eine gerichtliche Vollstreckungsmöglichkeit und damit eine bessere Absicherung des Unterlassungsanspruchs, resultiert.
Die Klage ist auch voll umfänglich begründet. Hinsichtlich der Unterlassungsverpflichtung steht der Klägerin gemäß §§ 8 Abs. 1, 3 in Verbindung mit 4 Nr. 3 UWG ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu, da in Publikationen der Beklagten deren Werbecharakter verschleiert wird. Die Klägerin ist als Mitbewerber im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG auch aktivlegitimiert, einen solchen Anspruch geltend zu machen. Nach Auffassung des Gerichts sind die interessierten Verkehrskreise der beiden Fachmagazine nämlich nicht derart voneinander abgrenzbar, dass ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien zu verneinen wäre. Zwar wendet sich die klägerische Zeitschrift mehr an den Lebensmitteleinzelhandel, während die seitens der Beklagten verlegte Zeitschrift nach Angaben der Beklagten vor allem von Wirtschaftsleitern, Einkäufern und Küchenmeistern gelesen wird. Für beide Personenkreise ist jedoch hinsichtlich ihrer Berufsausübung die Qualität und der Preis von Lebensmitteln als zentral anzusehen, sei es, dass das Preisleistungsverhältnis von Lebensmitteln von Bedeutung ist, weil diese weiter verkauft werden sollen, oder sei es, weil diese verarbeitet und in einem Restaurant angeboten werden sollen. Soweit also in den Artikeln in der Zeitschrift "..." Lebensmittel hinsichtlich ihrer Güte bewertet werden, so ist dies sowohl für den Einzelhandel, als auch für Köche von Bedeutung, so dass die interessierten Verkehrskreise sich hier erkennbar überschneiden, wenn sie auch nicht vollständig deckungsgleich sind. Abzustellen ist hier außerdem auf die Sicht der Werbekunden, d. h. der Hersteller von Lebensmitteln, die ein Interesse daran haben, in beiden Bereichen ihre Produkte anzupreisen, da nicht ersichtlich ist, dass bestimmte Lebensmittel nur im Einzelhandel oder nur in der Gastronomie Absatz finden.
Gemäß §§ 3, 4 Nr. 3 UWG sind Wettbewerbshandlungen unzulässig, wenn ihr Werbecharakter verschleiert wird. Nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift ist daher bei einer Fachzeitschrift sicher zu stellen, dass bezahlte Werbung und objektive bzw. neutrale redaktionelle Inhalte eindeutig voneinander zu unterscheiden sind. Eine solche eindeutige Unterscheidbarkeit setzt voraus, dass Werbung unter Benutzung des Begriffs "Anzeige" oder zumindest einem ähnlich eindeutigen Begriff kenntlich gemacht wird. Wenn die Beklagte hier teilweise die Bezeichnung "PR" verwendet, so stellt dies eine solche Eindeutigkeit nicht in gleicher Weise her. Wenn die Beklagte daher ohne eine entsprechend eindeutige Bezeichnung scheinbar redaktionelle Texte veröffentlicht, die tatsächlich bezahlte Werbung darstellen, verstößt sie gegen § 4 Nr. 3 UWG. Insofern kann beispielhaft auf die in Heft 5 des "..." aus dem Mai 2006 veröffentlichte Erfolgsgeschichte der Firma ... Bezug genommen werden, die keinen eindeutigen Hinweis auf werbenden Inhalt enthält, und nicht ohne Weiteres erkennen lässt, dass sie von der Firma ... selbst stammt, sondern nach ihrer äußeren Aufmachung und ihrer Formulierung einem redaktionellen Text ähnelt. Ebenso verhält es sich zum Beispiel in Heft 6, der Juniausgabe 2006 des "...", mit einem Text der Firma ..., in welchem ein Herd vorgestellt und entsprechend positiv bewertet wird, ohne dass ein Hinweis auf den werbenden Charakter der Publikation erfolgt. Ebenso verhält es sich auch mit weiteren in den Anlagen K 2 und K 8 vorgelegten Texten. Ein solcher Hinweis auf den werbenden Charakter war – entgegen der Meinung der Beklagten – nach Überzeugung der Kammer auch nicht deshalb entbehrlich, weil sich die Zeitschrift an "Fachpublikum" richtet. Insofern mögen Köche und Gastronomen zwar Fachleute im Hinblick auf Lebensmittel selbst sein, nicht jedoch im Hinblick auf die Einordnung von Werbetexten bzw. deren Unterscheidung von redaktionellen Inhalten, so dass es auch hier darauf ankommt, dass diese Unterscheidung nach außen hin deutlich in Erscheinung tritt. Soweit die Beklagte meint, eine Unterlassungsentpflichtung entfalle, da die Kunden ohnehin mit "Schleichwerbung" rechneten, greift auch dies nicht durch. Zum einen ist nicht ersichtlich, dass dies tatsächlich bei allen Kunden der Fall sein soll. Zum anderen ist jedoch das gesetzliche Verbot des § 4 Nr. 3 UWG auch durch eine bestimmte Einschätzung von Verbraucherkreisen nicht aufzuweichen. Auf dieser Grundlage steht der Klägerin der begehrte Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu.
Die Klägerin hat aus Ziffer 2 der Unterlassungsverpflichtungserklärung vom 03.02.2006 in Verbindung mit § 339 BGB auch einen Anspruch auf Zahlung der verwirkten Vertragsstrafe. Die Vertragsstrafenregelung ist ausreichend bestimmt, indem eine Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das Unterlassungsgebot aus Ziffer 1 verwirkt sein soll, die Höhe von der Klägerin festgesetzt werden soll und diese Höhe in die gerichtliche Überprüfung gestellt wird. Die Vertragsstrafe ist auch verwirkt, da die Beklagte durch das neuerliche Anbieten der "Media-Flatrate" gegen das Unterlassungsgebot aus Ziffer 1 der Unterlassungsverpflichtungserklärung verstoßen hat. Das neue Angebot ab November 2006 ist wörtlich nahezu deckungsgleich mit dem Angebot, das Gegenstand der Abmahnung vom 24.01.2006 und der Unterlassungsverpflichtungserklärung vom 03.02.2006 war. Eine relevante inhaltliche Änderung ist ebenfalls nicht erkennbar, vielmehr bietet die Beklagte wiederum ein Forum für die Veröffentlichung von Werbetexten in scheinbarer redaktioneller Aufmachung, so dass der Schutzzweck der Ziffer 1 der Unterlassungsverpflichtungserklärung berührt wird. Die Festsetzung der Vertragsstrafe auf 10.000,– Euro ist angemessen. Die Klägerin hat unwidersprochen vorgetragen, dass bereits das kleinste der bei der Beklagten angebotene Pakete mehr als 10.000,– Euro kostet und dieses mindestens dreimal verkauft worden sei, so dass eine Vertragsstrafenhöhe von 10.000,– Euro in Anbetracht des hier durch beklagtenseits erlangten Vorteils angemessen erscheint.
Die Klägerin hat gemäß §§ 291, 286 BGB auch Anspruch auf eine Verzinsung des ausgeworfenen Vertragsstrafbetrages in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes seit Rechtshängigkeit. Gemäß § 890 Abs. 2 ZPO konnten die zur Vollstreckung herangezogenen Ordnungsmittel bereits im Urteil angedroht werden.
Als unterlegene Partei hat die Beklagte gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO auch die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 ZPO.
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