United Kingdom E-Commerce (AGB)

Auswirkungen des Brexit auf das britische E-Commerce Recht

Auswirkungen des Brexit auf das britische E-Commerce Recht

Die Entscheidung Großbritanniens, die Europäische Union zu verlassen (Brexit) ist in ihren Folgewirkungen noch kaum abzusehen. Wenig ist bekannt über die konkrete Position der britischen Regierung, die zwischen einer weichen und einer eher harten Brexit-Position hin und her schwankt. Großbritannien, das fast die Hälfte seiner Waren und Dienstleistungen in die Europäische Union exportiert und mit der Wirtschaft der Europäischen Union vielfältig verflochten ist, sollte daran interessiert, den möglichst ungehinderten Zugang zum Markt der Europäischen Union zu behalten.

Dies gilt insbesondere für den E-Commerce Markt, der wie bereits ausgeführt in Großbritannien besonders wichtig ist. Großbritannien war aus diesen Gründen in hohem Maße an einem einheitlichen europäischen Online-Markt interessiert und war eine der wichtigsten Anwälte für die Formulierung entsprechender EU-Vorschriften. Es wäre verwunderlich, wenn nun Großbritannien diese wesentlich mitinitiierten Vorschriften nicht mehr gelten lassen will, insbesondere da eine entsprechende Änderung des britischen Rechts enorm schwierig und arbeitsaufwändig wäre.

Im Folgenden soll im gewohnten Antwort & Frage Format versucht werden, eine Einschätzung zu geben, wie sich der Brexit auf das britische E-Commerce-Recht oder genauer auf die rechtlichen Regeln zum Online-Handel auswirkten könnte.

Frage: Welche Option sind für Großbritannien bei einem Brexit denkbar?

Es sind drei Optionen denkbar

  • Großbritannien wird nach dem Vorbild von Norwegen, Lichtenstein und Island dem Europäischen Wirtschaftsraum beitreten. Dann hat Großbritannien im Prinzip ungehinderten Zugang zum Europäischen Markt, die EU-Regeln zum Online-Handel in der EU gelten in Großbritannien auch in der Zukunft. Großbritannien müsste aber das Prinzip der Personenfreizügigkeit für EU-Bürger und die Geltung von Urteilen des Europäischen Gerichtshofs akzeptieren, was es ja gerade nicht will.
  • Großbritannien handelt ein neues Abkommen mit der EU nach dem Vorbild der Schweiz aus. Ob die EU sich auf einen derartigen Sonderstatus zugunsten Großbritanniens einlässt, bleibt abzuwarten. Aber auch hier wird Großbritannien nicht das Dilemma vermeiden können, dass ein ungehinderter Zugang zum Europäischen Markt nur bei ungehinderter Personenfreizügigkeit zu haben ist. Ein irgendwie gearteter „Kompromiss“ wird Jahre des Aushandelns brauchen und sicher zu Einschränkungen für den Zugang zum gemeinsamen europäischen Markt führen.
  • Andere Optionen wie die völlige Loslösung vom Europäischen Markt und die Anwendung der Regeln der Welthandelsorganisation scheinen eher unwahrscheinlich, da Großbritannien alles versuchen wird, um auch in Zukunft den Zugang zum europäischen Markt, der immerhin fast die Hälfte der britischen Exporte aufnimmt, sicherzustellen.

Frage: Ist die Geltung von EU-Richtlinien und EU-Verordnungen zum E-Commerce Recht in Großbritannien gleichermaßen von einem Brexit betroffen?

Nein

EU-Richtlinien sind nationales Recht, da sie erst durch Umsetzung in nationales Recht des EU-Mitgliedstaates Wirkung entfalten. EU-Verordnungen gelten in den EU-Mitgliedstaaten unmittelbar und würden daher mit Austritt Großbritanniens aus der EU grundsätzlich nicht mehr gelten.

#Frage: Inwiefern ist die künftige Geltung von EU-Richtlinien zum Online-Handel betroffen?#

Großbritannien hat alle bisherigen EU-Richtlinien zum Online-Handel in britisches Recht umgesetzt. Es spricht schon aus Gründen des notwendigen enormen Arbeitsaufwands wenig dafür, dass Großbritannien diese auf EU-Richtlinien basierenden britischen Gesetze annullieren wird. Allerdings würde in Zukunft der Europäische Gerichtshof für Großbritannien nicht mehr für eine einheitliche Anwendung dieses Richtlinienrechts sorgen können, falls Großbritannien für einen harten Brexit votiert. Entsprechendes britisches Recht, das in der Anwendung nicht mehr den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs unterworfen wäre, würde daher auf Grund von rein nationalen britischen Gerichtsentscheidungen in seiner Auslegung langsam von dem Standard in der EU wegdriften.

Etwas anderes gilt für zukünftige EU-Richtlinien wie die Richtlinienentwürfe zum Vertrieb von digitalen Inhalten (s. Beitrag der IT-Recht Kanzlei) und zur Harmonisierung des Gewährleistungsrechts (s. Beitrag der IT-Recht Kanzlei), die zur Zeit vom Europäischen Parlament beraten werden. Ein künftiges EU-Fernabsatzrecht könnte sich daher in wesentlichen Fragen vom einem künftigen britischen Fernabsatzrecht unterscheiden. Nicht ausgeschlossen wäre es allerdings, dass Großbritannien diese künftigen EU-Richtlinien, die mit auf britische Initiative hin auf den Weg gebracht wurden, in britisches Recht umsetzt.

Frage: Inwiefern ist die künftige Geltung von EU-Verordnungen zum Online-Handel betroffen?

Mit Austritt Großbritanniens aus der EU würden grundsätzlich EU-Verordnungen in Großbritannien nicht mehr gelten, es sei denn Großbritannien lässt diese Verordnungen auch in Zukunft für sich gelten.

Es gibt bisher keine einschlägige, geltende EU-Verordnung für das E-Commerce-Recht. Die neue EU-Datenschutzgrundverordnung gilt erst ab 2018 (s. Beitrag der IT-Recht Kanzlei). EU-Verordnungen spielen aber vor allem für die Frage der Rechtswahl eine Rolle, die in der sogenannten Rom I Verordnung geregelt ist (s. hierzu Kapitel 1 dieses Leitfadens). Es ist fraglich, ob Großbritannien diese mit britischer Beteiligung ausgehandelten Verordnungen künftig wirklich als gegenstandslos betrachten möchte. Wenn Großbritannien nicht mehr an diese Verordnung gebunden sein möchte, würde allerdings dann in Großbritannien das Europäische Vertragsrechtsübereinkommen von 1980 (The Brussels Protocol) zur Anwendung kommen, das mit dem Contracts (Applicable Law) Act von 1990 in britisches Recht umgesetzt wurde.

Exkurs: Etwas anderes gilt wohl für die Brüssel I Verordnung zur gerichtlichen Zuständigkeit, die nicht durch das Brussels Protocol und den Contract Applicable Law Act abgedeckt ist und bei einem harten Brexit keine Geltung mehr entfalten würde.

Dieses in britisches Recht umgesetzte Vertragsrechtsübereinkommen ist in vielen Punkten der Rom I Verordnung sehr ähnlich. Falls Großbritannien dieses Vertragsgesetz nicht annulliert, würde sich erst einmal nicht viel ändern. Auch hier gilt natürlich, dass künftig in der Auslegung dieses Abkommens der Europäische Gerichtshof für Großbritannien keinerlei Befugnisse mehr haben würde, falls Großbritannien für einen harten Brexit votiert.

Es wäre allerdings rechtstechnisch nicht einfach, die EU-Verordnungen zur Anwendbarkeit des Rechts und des zuständigen Gerichts (Rom I und Brüssel I) als annulliert zu betrachten. Denn britische Gesetze zum Online-Handel nehmen in vielen Punkten Bezug zu diesen Verordnungen wie in Kapitel dieses Leitfadens ausgeführt wird. Hier wäre eine Menge Arbeit zur Gesetzesänderung erforderlich. Möglich wäre auch, dass Großbritannien die Verordnungen Rom I und Brüssel I beibehält. Dies wird sich im Einzelnen dann in den Brexit-Verhandlungen herausstellen. Die IT-Recht Kanzlei wird hierzu berichten.

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