United Kingdom E-Commerce (AGB)

Jeder Onlinehändler möchte die rechtlichen Fallstricke vermeiden, die mit dem Onlinehandel außerhalb Deutschlands verbunden sind. Die folgenden praxisorientierten Ausführungen sind für den deutschen Onlinehändler gedacht, der sich einen Überblick verschaffen will, wie er rechtssicher Onlinegeschäfte in Großbritannien tätigen kann. Die IT-Recht-Kanzlei will nicht einzelne Infos vermitteln, es soll vielmehr ein Gesamtüberblick zu allen relevanten Fragen gegeben werden.

AGB-Vereinbarung zur Rechtswahl und zur Zuständigkeit des Gerichts

Frage: Kann der deutsche Online-Händler für den Online-Handel in Großbritannien mit Unternehmern (B2B-Verträge) in seinen AGB eine Klausel einfügen, dass deutsches Recht und die Zuständigkeit deutscher Gerichte gelten?

Ja

Es gilt hier nach den einschlägigen EU-Verordnungen der Grundsatz der Vertragsfreiheit. Die IT-Recht-Kanzlei hat dies in ihren Rechtstexten für den Online-Handel in Großbritannien berücksichtigt.

Frage: Kann der deutsche Online-Händler für den Online-Handel in Großbritannien mit Verbrauchern in Großbritannien eine Klausel zur Anwendung des deutschen Rechts in seinen AGB vorsehen?

Im Ergebnis nein, wenn der deutsche Online-Händler gezielt Kunden in Großbritannien ansprechen will

Da Großbritannien und Deutschland Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sind, gilt für die Frage des anzuwendenden Rechts die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 vom 17. Juni 2008 (Rom I). EU-Verordnungen gelten anders als EU-Richtlinien in den EU Mitgliedsstaaten unmittelbar und bedürfen nicht der Umsetzung in nationales Recht. Großbritannien hatte einen ursprünglich eingelegten Vorbehalt zu dieser Verordnung wieder zurückgezogen und hatte ausdrücklich diese Verordnung anerkannt (s. britische Notifikationsnote)

Die Rom I Verordnung nennt zwei Voraussetzungen für die Anwendung von britischem Recht zugunsten des Verbrauchers in Großbritannien, auch wenn durch AGB die Anwendung deutschen Rechts vereinbart worden ist:

a) Der Online-Händler hat seine Tätigkeit auf Großbritannien ausgerichtet (Artikel 6 I (b) Rom I

b) Der Verbraucher in Großbritannien kann sich auf für ihn günstigere zwingende Verbrauchervorschriften als in Deutschland berufen (Artikel 6 I Rom I)

Zu a)

Wann ist eine Tätigkeit auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers „ausgerichtet“?

Dies ist nicht ohne weiteres ersichtlich, auch wenn der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seinem Urteil vom 07.12.2010 – C-585/08 und C-144/09 einige Kriterien zur Auslegung dieses Begriffs benannt hat. Die Diskussion zur Auslegung dieses Begriffs soll hier nicht im Einzelnen nachgezeichnet werden. So viel gilt in der Praxis für den deutschen Online-Händler, der Waren und Dienstleistungen in Großbritannien vertreibt: Bei einem Online-Händler, der über einen deutschsprachigen Online-Shop lediglich unter anderem auch die Lieferung von Waren nach Großbritannien anbietet, liegt keine Ausrichtung seiner Tätigkeit auf Großbritannien vor. Bei einem deutschen Online-Händler, der gezielt Verbraucher in Großbritannien anspricht und deswegen unter anderem eine englischsprachige Webseite vorhält, wird man dagegen von einer solchen Ausrichtung sprechen können.

zu b)

Die EU-Verordnung Rom I bestimmt zwar, dass auch bei Verträgen eines gewerblichen Händlers mit einem Verbraucher in einem anderen EU-Mitgliedsstaat die freie Rechtswahl besteht und der Online-Händler in seinen AGB eine Klausel zur Anwendung seines Rechts vorsehen kann, auch wenn ohne eine solche Vereinbarung das Wohnsitzrecht des Verbrauchers zur Anwendung käme (Artikel 6, Absatz 2, Satz 1 Rom I). Artikel 6, Absatz 2, Satz 2 der Rom I-Verordnung macht allerdings die wichtige Einschränkung, dass die Rechte des Verbrauchers in seinem Wohnsitzstaat auf Grund einer solchen Rechtswahlklausel nicht beeinträchtigt werden dürfen.

Artikel 6, Absatz 2 Rom I

Ungeachtet des Absatzes 1 können die Parteien das auf einen Vertrag, der die Anforderungen des Absatzes 1 erfüllt, anzuwendende Recht nach Artikel 3 wählen. Die Rechtswahl darf jedoch nicht dazu führen, dass dem Verbraucher der Schutz entzogen wird, der ihm durch diejenigen Bestimmungen gewährt wird, von denen nach dem Recht, das nach Absatz 1 mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre, nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf.

Mit anderen Worten: Der britische Verbraucher kann sich auf die Anwendung britischen Verbraucherschutzrechts berufen, wenn dieses Recht für ihn vorteilhafter ist, auch wenn durch AGB deutsches Recht vereinbart wurde.

Der britische Gesetzgeber hat diese Regelung der Rom I Verordnung in nationales Recht übernommen. So heißt es in Section 32 des Consumer Rights Act 2015 :

32 Contracts applying law of non-EEA State

(1) If—
(a) the law of a country or territory other than an EEA State is chosen by the parties to be applicable to a sales contract, but
(b) the sales contract has a close connection with the United Kingdom, this Chapter, except the provisions in subsection (2), applies despite that choice.
(2) The exceptions are—
(a) sections 11(4) and (5) and 12;
(b) sections 28 and 29;
(c) section 31(1)(d), (j) and (k).
(3) For cases where those provisions apply, or where the law applicable has not been chosen or the law of an EEA State is chosen, see Regulation (EC) No. 593/ 2008 of the European Parliament and of the Council of 17 June 2008 on the law applicable to contractual obligations.

Da das britische Verbraucherschutzrecht in wichtigen Punkten wie dem Gewährleistungs-recht verbraucherfreundlicher ausgestaltet ist als das deutsche Recht, wird sich der Verbraucher in Großbritannien im Regelfall auf die Anwendung von britischen Recht berufen können.

Ergebnis: Ein deutscher Online-Händler, der gezielt Waren oder Dienstleistungen an einen Verbraucher in Großbritannien über eine englischsprachige Webseite verkauft, wird sich auf die Anwendung britischen Rechts einstellen müssen.

Empfehlung der IT-Recht Kanzlei: Die IT-Recht Kanzlei sieht in Ihren englischsprachigen AGB für Mandanten, die Waren und Dienstleistungen in Großbritannien vertreiben, die Anwendung britischen Rechts vor. Denn diese Mandanten wollen sich über englischsprachige Rechtstexte gezielt an Verbraucher in Großbritannien wenden.

Frage: Kann der deutsche Online-Händler für den Online-Handel in Großbritannien mit Verbrauchern eine Klausel zur Zuständigkeit deutscher Gerichte in seinen AGB vorsehen?

Im Ergebnis nein, wenn der deutsche Online-Händler gezielt Kunden in Großbritannien ansprechen will.

Auch für die Frage der Gerichtsstandvereinbarung bei Verträgen mit Verbrauchern gilt in der Europäischen Union zwingendes Gemeinschaftsrecht und zwar die neugefasste Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel I). Wie bereits erwähnt gelten EU-Verordnungen unmittelbar und sind nicht durch nationales Recht umzusetzen. Großbritannien ist dieser Verordnung beigetreten, wie aus Erwägungsgrund 40 der Verordnung Nr. 1215/2012 hervorgeht.

(40) Das Vereinigte Königreich und Irland haben sich gemäß Artikel 3 des dem EUV und dem seinerzeitigen Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands an der Annahme und Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 beteiligt. Gemäß Artikel 3 des dem EUV und dem AEUV beigefügten Protokolls Nr. 21 über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands hinsichtlich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts haben das Vereinigte Königreich und Irland mitgeteilt, dass sie sich an der Annahme und Anwendung dieser Verordnung beteiligen möchten.

Enthält der Vertrag des deutschen Online-Händlers mit dem Verbraucher in Großbritannien eine Klausel, dass nur deutsche Gerichte zuständig sind, dann ist eine solche Gerichtsstandvereinbarung gem. Artikel 26 Brüssel I Verordnung unbeachtlich, wenn es sich um die Zuständigkeit für Verbrauchersachen gem. Art. 17 Brüssel I Verordnung handelt.

Der Verbraucher in Großbritannien kann auf der Zuständigkeit eines Gerichts an seinem Wohnsitz bestehen (Art 18 Brüssel I-Verordnung), wenn sich gem. Art. 17 Abs. 1 Buchst. c Brüssel I Verordnung die Tätigkeit des deutschen Online-Händlers auf seinen Wohnsitzstaat also Großbritannien „ausrichtet“.

Der Begriff der Ausrichtung der Tätigkeit wurde bereits oben in der vorhergehenden Frage erläutert. Auch hier gelten die oben zitierten Auslegungskriterien der EuGH. Im Ergebnis wird man daher sagen können, dass der deutsche Online-Händler, der sich gezielt an Kunden in Großbritannien über eine englischsprachige Webseite wendet, der Gerichtsbarkeit britischer Gerichte unterliegt.

Exkurs: Es gibt in der Brüssel I Verordnung keine Regelung wie in der Rom I Verordnung, dass die Wahl des Gerichtes auch bei Verbrauchersachen frei vereinbart werden kann, es sei denn der Verbraucher in Großbritannien würde durch eine solche Vereinbarung in seinen Verbraucherrechten beeinträchtigt.
Der britische Verbraucher kann also auf die Zuständigkeit eines britischen Gerichts dringen, ohne nachweisen zu müssen, dass er dadurch in seinen Verbraucherrechten beeinträchtigt wird.

Ergebnis: Ein deutscher Online-Händler, der sich gezielt an Verbraucher in Großbritannien wendet, wird bei Streitigkeiten damit rechnen müssen, dass er vor einem britischen Gericht verklagt wird.

Frage: Kann der deutsche Online-Händler, der über eine Niederlassung in Großbritannien seinen Online-Handel mit britischen Verbrauchern betreibt, eine Klausel zur Zuständigkeit deutscher Gerichte in seinen AGB vorsehen?

Nein, hier ist die Rechtslage eindeutig

Gem. Artikel 17 Abs. 2 Brüssel I Verordnung wird der Online-Händler mit Niederlassung oder Agentur in Großbritannien bei Streitigkeiten aus seiner Niederlassung mit Verbrauchern in Großbritannien so behandelt, wie wenn er seinen Wohnsitz in Großbritannien hätte.

Frage: Was ist ein Unternehmer und was ist ein Verbraucher im Sinne der einschlägigen EU-Verordnungen?

Zum Begriff des Unternehmers und des Verbrauchers finden sich Legaldefinitionen in der Rom I Verordnung und der Brüssel I Verordnung.

Art. 6 Rom I-Verordnung

(1) Unbeschadet der Artikel 5 und 7 unterliegt ein Vertrag, den eine natürliche Person zu einem Zweck, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann („Verbraucher“), mit einer anderen Person geschlossen hat, die in Ausübung ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handelt („Unternehmer“), dem Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern der Unternehmer ….
Art 15 Abs. 1 Brüssel I-Verordnung

Bilden ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag, den eine Person, der Verbraucher, zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann, den Gegenstand des Verfahrens, so bestimmt sich die Zuständigkeit unbeschadet des Artikels 4 und des Artikels 5 Nummer 5 nach diesem Abschnitt….

Wie bereits ausgeführt, gelten EU-Verordnungen in der EU unmittelbar. Somit sind auch die genannten Definitionen zum Unternehmer und Verbraucher für den Online-Handel zwischen Deutschland und Großbritannien verbindlich. Aber interpretatorische Klarstellungen dieser Begriffe im britischen Recht sind für die Praxis des Online-Händlers wichtig.

Im 2015 verabschiedeten Consumer Rights Act (Section 2) finden sich Legaldefinitionen zu den Begriffen des Verbrauchers und des Unternehmers. Hier findet sich auch die für die Praxis wichtige Beweislastregel, dass der Unternehmer im Zweifelsfall beweisen muss, dass sein Kunde nicht als Verbraucher gehandelt hat:

2 Key definitions

(1) These definitions apply in this Part (as well as the definitions in section 59).
(2) “Trader” means a person acting for purposes relating to that person’s trade, business, craft or profession, whether acting personally or through another person acting in the trader’s name or on the trader’s behalf.
(3) “Consumer” means an individual acting for purposes that are wholly or mainly outside that individual’s trade, business, craft or profession.
(4) A trader claiming that an individual was not acting for purposes wholly or mainly outside the individual’s trade, business, craft or profession must prove it.

Frage: Kann der deutsche Online-Händler für den Online-Handel in Großbritannien mit Verbrauchern eine Klausel zur Zuständigkeit deutscher Gerichte in seinen AGB vorsehen?

Im Ergebnis nein, wenn der deutsche Online-Händler gezielt Kunden in Großbritannien ansprechen will.

Auch für die Frage der Gerichtsstandvereinbarung bei Verträgen mit Verbrauchern gilt in der Europäischen Union zwingendes Gemeinschaftsrecht und zwar die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel I). Auch zu dieser Verordnung hat Großbritannien keinen Vorbehalt eingelegt. Wie bereits erwähnt gelten EU-Verordnungen unmittelbar und sind nicht durch nationales Recht umzusetzen.

Enthält der Vertrag des deutschen Online-Händlers mit dem Verbraucher in Großbritannien eine Klausel, dass nur deutsche Gerichte zuständig sind, dann ist eine solche Gerichtsstandvereinbarung gem. Artikel 26 Brüssel I Verordnung unbeachtlich, wenn es sich um die Zuständigkeit für Verbrauchersachen gem. Art. 17 Brüssel I Verordnung handelt.

Der Verbraucher in Großbritannien kann auf der Zuständigkeit eines Gerichts an seinem Wohnsitz bestehen (Art 18 Brüssel I-Verordnung), wenn sich gem. Art. 17 Abs. 1 Buchst. c Brüssel I Verordnung die Tätigkeit des deutschen Online-Händlers auf seinen Wohnsitzstaat des also Großbritannien „ausrichtet“.

Der Begriff der Ausrichtung der Tätigkeit wurde bereits oben in der vorhergehenden Frage erläutert. Auch hier gelten die oben zitierten Auslegungskriterien der EuGH. Im Ergebnis wird man daher sagen können, dass der deutsche Online-Händler, der sich gezielt an Kunden in Großbritannien über eine französischsprachige Webseite wendet, der Gerichtsbarkeit französischer Gerichte unterliegt.

Exkurs: Es gibt in der Brüssel I Verordnung keine Regelung wie in der Rom I Verordnung, dass die Wahl des Gerichtes auch bei Verbrauchersachen frei vereinbart werden kann, es sei denn der Verbraucher in Großbritannien würde durch eine solche Vereinbarung in seinen Verbraucherrechten beeinträchtigt. Der französische Verbraucher kann also auf die Zuständigkeit eines französischen Gerichts dringen, ohne nachweisen zu müssen, dass er dadurch in seinen Verbraucherrechten beeinträchtigt wird.

Ergebnis:

Ein deutscher Online-Händler, der sich gezielt an Verbraucher in Großbritannien wendet, wird bei Streitigkeiten damit rechnen müssen, dass er vor einem britischen Gericht verklagt wird.

Empfehlung der IT-Recht Kanzlei: Die IT-Recht Kanzlei sieht in Ihren englischsprachigen AGB für Mandanten, die Waren und Dienstleistungen in Großbritannien vertreiben, die Anwendung britischen Rechts vor. Denn diese Mandanten wollen sich über englischsprachige Rechtstexte gezielt an Verbraucher in Großbritannien wenden.

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