Belgien E-Commerce (AGB)
Der Onlinehandel mit Belgien kann beträchtlichen rechtlichen Schwierigkeiten begegnen. Zudem setzt sich der deutsche Onlinehändler der Gefahr von Sanktionen in Belgien (Geldbußen und Geldstrafen) aus, wenn er belgischen Vorschriften zuwiderhandelt. Die IT-Recht-Kanzlei will daher für den deutschen Onlinehändler einen systematisierten, praxisorientierten Überblick über die wichtigsten Rechtsfragen geben, die er im belgischen E-Commerce Recht kennen sollte. AGB nach belgischem Recht bietet die IT-Recht Kanzlei hier an.
AGB-Vereinbarung zur Rechtswahl und zur Zuständigkeit des Gerichts
Frage: Kann der deutsche Onlinehändler für den Onlinehandel in Belgien in seinen AGB eine Klausel einfügen, dass deutsches Recht und die Zuständigkeit deutscher Gerichte gelten?
Hier ist zu unterscheiden, ob der deutsche Onlinehändler Waren oder Dienstleistungen an Unternehmer oder Verbraucher verkauft.
Frage: Kann der deutsche Onlinehändler für den Onlinehandel in Belgien mit Verbrauchern eine Klausel zur Anwendung des deutschen Rechts in seinen AGB vorsehen?
Im Ergebnis, nein.
Da Belgien und Deutschland Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sind, gilt für die Frage des anzuwendenden Rechts die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 vom 17. Juni 2008 (Rom I). EU-Verordnungen gelten anders als EU-Richtlinien in den EU Mitgliedsstaaten unmittelbar und bedürfen nicht der Umsetzung in nationales Recht.
Die EU-Verordnung Rom I bestimmt zwar, dass auch bei Verträgen eines gewerblichen Händlers mit einem Verbraucher in einem anderen EU-Mitgliedsstaat die freie Rechtswahl besteht und der Onlinehändler in seinen AGB eine Klausel zur Anwendung seines Rechts vorsehen kann, auch wenn ohne eine solche Vereinbarung das Wohnsitzrecht des Verbrauchers zur Anwendung käme (Artikel 6, Absatz 2, Satz 1 Rom I). Artikel 6, Absatz 2, Satz 2 der Rom I-Verordnung macht allerdings eine wichtige Einschränkung, dass die Rechte des Verbrauchers in seinem Wohnsitzstaat nicht beeinträchtigt werden dürfen.
Artikel 6, Absatz 2 Rom I
Ungeachtet des Absatzes 1 können die Parteien das auf einen Vertrag, der die Anforderungen des Absatzes 1 erfüllt, anzuwendende Recht nach Artikel 3 wählen. Die Rechtswahl darf jedoch nicht dazu führen, dass dem Verbraucher der Schutz entzogen wird, der ihm durch diejenigen Bestimmungen gewährt wird, von denen nach dem Recht, das nach Absatz 1 mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre, nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf.
Die EU-Richtlinie 2000/31EG über den elektronischen Geschäftsverkehr vom 8. Juni 2000 bekräftigt diese Rechtslage in den Erwägungsgründen
(55) Diese Richtlinie lässt das Recht unberührt, das für die sich aus Verbraucherverträgen ergebenden vertraglichen Schuldverhältnisse gilt. Dementsprechend kann diese Richtlinie nicht dazu führen, dass dem Verbraucher der Schutz entzogen wird, der ihm von den zwingenden Vorschriften für vertragliche Verpflichtungen nach dem Recht des Mitgliedstaates, in dem er seinen gewöhnlichen Wohnsitz hat, gewährt wird.
Mit anderen Worten: Der belgische Verbraucher kann sich auf die Anwendung belgischen Rechts berufen, wenn dieses Recht für ihn vorteilhafter ist, auch wenn durch AGB deutsches Recht vereinbart wurde.
Ergebnis: Ein deutscher Onlinehändler, der Waren oder Dienstleistungen an einen belgischen Verbraucher verkauft, wird sich auf die Anwendung belgischen Rechts einstellen müssen.
Frage: Gibt es Verbraucherverträge, die nicht unter Artikel 6 Rom I fallen?
Ja, bestimmte Verbraucherverträge werden nicht von Artikel 6 Rom 1 erfasst. Dies gilt z.B. für Verträge über dingliche Rechte wie Liegenschaftsverkauf oder Pacht von Liegenschaften, Beförderungsverträge wie z.B. Internetbuchung eines Flugtickets und Dienstleistungen, wenn die dem Verbraucher geschuldete Dienstleistung ausschließlich in einem anderen als dem Staat erbracht wird, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Damit sind vor allem Hotelbuchungen gemeint: z.B. belgischer Verbraucher bucht online über deutschen Anbieter ein Hotelzimmer in Deutschland oder belgischer Verbraucher bucht online über deutschen Anbieter ein Hotelzimmer in Belgien.
Frage: Kann der deutsche Onlinehändler für den Onlinehandel in Belgien mit Verbrauchern eine Klausel zur Zuständigkeit deutscher Gerichte in seinen AGB vorsehen?
Im Ergebnis, eher nein.
Auch für die Frage der Gerichtsstandsvereinbarung bei Verträgen mit Verbrauchern gilt in der Europäischen Union zwingendes Gemeinschaftsrecht und zwar die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel I). Auch zu dieser Verordnung hat Belgien keinen Vorbehalt eingelegt. Wie bereits erwähnt gelten EU-Verordnungen unmittelbar und sind nicht durch nationales Recht umzusetzen.
Gemäß Art. 15 der Brüssel I-Verordnung ist bei Verbrauchersachen der Wohnsitz des belgischen Verbrauchers als Gerichtsstand zwingend, wenn sich gem. Art. 15 Abs. 1 Buchst. c dieser Verordnung die Tätigkeit des deutschen Onlinehändlers auf den Wohnsitzstaat des belgischen Verbrauchers, also Belgien „ausrichtet“.
Exkurs: Das Kriterium der „Ausrichtung“ der Tätigkeit des gewerblichen Verkäufers auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers zur Bestimmung des Gerichtsstandes im Rahmen der Brüssel I Verordnung gibt es zwar auch im Rahmen der Rom I Verordnung (Artikel 6 Absatz 1 Rom I) zur Bestimmung des anzuwendenden Rechts. Bei AGB-Verträgen, die im Regelfall eine Rechtswahlklausel zugunsten des Onlinehändlers beinhalten, hat dieses Kriterium im Rahmen der Rom I Verordnung keine praktische Bedeutung, da Art 6 Absatz 2 Rom I die Möglichkeit der vereinbarten Rechtswahl vorsieht. Wie ausgeführt gilt diese freie Rechtswahl nur dann nicht, wenn der Verbraucher in seinen Rechten entsprechend Wohnsitzrecht beeinträchtigt wird.
Mit der Auslegung des Begriffs „Ausrichten“ hat sich der Europäische Gerichtshof beschäftigt. Im Schlussantrag der Generalanwältin wurden zur Begriffsbestimmung folgende Kriterien genannt (http://www.webshoprecht.de/IRUrteile/Rspr1438.php).
Für das „Ausrichten“ der Tätigkeit im Sinne von Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 44/2001 reicht es nicht aus, dass die Website des Vertragspartners, der eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt, im Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers im Internet abrufbar ist. Das nationale Gericht hat unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles zu beurteilen, ob der Vertragspartner, der eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt, seine Tätigkeit auf den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers ausrichtet. Wichtige Beurteilungsfaktoren sind insbesondere der Inhalt der Website, die bisherige Geschäftstätigkeit des Vertragspartners, der eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt, die Art der verwendeten Internetdomain und die Nutzung der Möglichkeiten, über das Internet oder auf sonstige Weise zu werben.
Die Rechtslage ist also nicht eindeutig und hängt vom Einzelfall ab. Die IT-Recht-Kanzlei empfiehlt ihren Mandanten allerdings, bei B2C-Verträgen mit belgischen Kunden (Verbrauchern) grundsätzlich von der Zuständigkeit belgischer Gerichte auszugehen.
Denn die Frage, welcher Gerichtstand gilt, wird durch belgische Gerichte zu klären sein, die bei Streitigkeiten durch den belgischen Verbraucher als Kläger angerufen werden können. Zu groß ist bei dieser nicht eindeutigen Rechtslage das Risiko, dass belgische Gerichte ihre Zuständigkeit bejahen. Fraglich ist die Dauer des Instanzenwegs bis möglicherweise hin zum Europäischen Gerichtshof.
Ergebnis: Bei Onlineverträgen von deutschen Händlern mit Verbrauchern in Belgien wird eine Klausel zur Zuständigkeit belgischer Gerichte empfohlen.
Frage: Kann der deutsche Onlinehändler, der über eine Niederlassung in Belgien seinen Onlinehandel mit belgischen Verbrauchern betreibt, eine Klausel zur Zuständigkeit deutscher Gerichte in seinen AGB vorsehen?
Nein, hier ist die Rechtslage eindeutig.
Gem. Artikel 15 Abs. 1, Buchstabe c und Art. 15 Abs. 2 der EU-Verordnung Brüssel I wird der Onlinehändler mit Niederlassung oder Agentur in Belgien bei Streitigkeiten aus seiner Niederlassung mit Verbrauchern so behandelt, wie wenn er seinen Wohnsitz in Belgien hätte.
Frage: Kann der deutsche Onlinehändler für den Onlinehandel in Belgien mit Unternehmern (B2B-Verträge) in seinen AGB eine Klausel einfügen, dass deutsches Recht und die Zuständigkeit deutscher Gerichte gelten?
Grundsätzlich ja, es gilt hier nach den einschlägigen EU-Verordnungen der Grundsatz der Vertragsfreiheit.
Die IT-Recht-Kanzlei hat dies in ihren Rechtstexten für den Onlinehandel in Belgien berücksichtigt.
Frage: Was ist ein Unternehmer und was ist ein Verbraucher im Sinne der einschlägigen EU-Verordnungen?
Art. 6 Rom I-Verordnung
(1) Unbeschadet der Artikel 5 und 7 unterliegt ein Vertrag, den eine natürliche Person zu einem Zweck, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann („Verbraucher“), mit einer anderen Person geschlossen hat, die in Ausübung ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handelt („Unternehmer“), dem Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern der Unternehmer ….
Art 15 Abs. 1 Brüssel I-Verordnung
Bilden ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag, den eine Person, der Verbraucher, zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann, den Gegenstand des Verfahrens, so bestimmt sich die Zuständigkeit unbeschadet des Artikels 4 und des Artikels 5 Nummer 5 nach diesem Abschnitt,….
Wie bereits ausgeführt, gelten EU-Verordnungen in der EU unmittelbar. Somit sind auch die genannten Definitionen zum Unternehmer und Verbraucher für den Onlinehandel zwischen Deutschland und Belgien verbindlich.
Frage: Kann der deutsche Onlinehändler sich bei gegen ihn in Belgien geltend gemachten Wettbewerbsverstößen auf deutsches Recht und die Zuständigkeit deutscher Gerichte berufen?
Nein, das kann er nicht. Er kann zwar bei B2B-Verträgen mit belgischen Unternehmern deutsches Recht und die Zuständigkeit deutscher Gerichte vereinbaren. Eine solche Vereinbarung hat jedoch bei außervertraglichen Ansprüchen wie Ansprüche von Wettbewerbern wegen Wettbewerbsverstößen keine Wirkung.
Hier gilt für das anzuwendende Recht die Verordnung (EG) Nr. 864/2007 vom 11. Juli 2007 (Verordnung über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, „Rom II“). Gemäß Artikel 6 Abs. 1 Rom II ist bei Wettbewerbsverstößen, die sich auf den belgischen Markt auswirken, belgisches Recht maßgebend.
Artikel 6 Absatz 1 Rom II
(1) Auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus unlauterem Wettbewerbsverhalten ist das Recht des Staates anzuwenden, in dessen Gebiet die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Interessen der Verbraucher beeinträchtigt worden sind oder wahrscheinlich beeinträchtig werden.
Für die Frage des zuständigen Gerichts bei Wettbewerbsverstößen ist Art. 5 Nr. 3. 3 der EU-Verordnung Brüssel I maßgebend. Gem. Art. 5 Nr. 3 Brüssel I ist bei unerlaubten Handlungen (Wettbewerbsverstöße sind als unerlaubte Handlungen anzusehen) das Gericht zuständig, wo das schädigende Ereignis eintritt. Werden also Wettbewerbsverstößen auf dem belgischen Markt geltend gemacht, so sind belgische Gerichte maßgebend.
Art 5 Nr. 3 Brüssel I
Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden:
(3) wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht;
Frage: Welches Recht ist bei Wettbewerbsverstößen für Fragen des Datenschutzrechts anwendbar?
Hier ist der belgische Gesetzgeber eindeutig. Ein ausländischer EU-Onlinehändler, der in Belgien Waren vertreibt, hat nur dann nach Art. 3 bis, belgisches Datenschutzgesetz das belgische Datenschutzrecht zu beachten, wenn er seine Waren in Belgien über eine belgische Niederlassung vertreibt.
Art. 3 bis Loi relative à la protection de la vie privée à l'égard des traitements de données à caractère personnel
Art. 3bis
La présente loi est applicable au traitement de données à caractère personnel :
1° lorsque le traitement est effectué dans le cadre des activités réelles et effectives d'un établissement fixe du responsable du traitement sur le territoire belge ou en un lieu où la loi belge s'applique en vertu du droit international public;
2° lorsque le responsable du traitement n'est pas établi de manière permanente sur le territoire de la Communauté européenne et recourt, à des fins de traitement de données à caractère personnel, à des moyens automatisés ou non, situés sur le territoire belge, autres que ceux qui sont exclusivement utilisés à des fins de transit sur le territoire belge.
Dans les cas visés à l'alinéa précédent, 2°, le responsable du traitement doit désigner un représentant établi sur le territoire belge, sans préjudice d'actions qui pourraient être introduites contre le responsable du traitement lui-même.
Frage: Welches Gericht ist zuständig, wenn im Kontext einer Abmahnung eines belgischen Klägers gegen einen deutschen Onlinehändler die Verletzung von datenschutzrechtlichen Bestimmungen gerügt wird?
Wie bereits ausgeführt ist hier auf Grund der Bestimmung des Art. 3 bis belgisches Datenschutzgesetz für deutsche Onlinehändler deutsches Datenschutzrecht maßgebend, wenn sie ihre Ware in Belgien nicht über eine belgische Niederlassung vertreiben.
Was die Frage des zuständigen Gerichts angeht, so gelten die allgemeinen o.g. EU-Kollisionsnormen. Für die Frage des zuständigen Gerichts bei Wettbewerbsverstößen ist Art. 5 Nr. 3. 3 der EU-Verordnung Brüssel I maßgebend. Gem. Art. 5 Nr. 3 Brüssel I ist wie ausgeführt bei Wettbewerbsverstößen das Gericht zuständig, wo das schädigende Ereignis eintritt. Werden also Wettbewerbsverstößen auf dem belgischen Markt geltend gemacht, so sind belgische Gerichte maßgebend.