Erwerb von Rügen Feinkost durch die Homann-Gruppe freigegeben

Erwerb von Rügen Feinkost durch die Homann-Gruppe freigegeben
Stand: 16.08.2011 4 min

Das Bundeskartellamt hat den Erwerb der Rügen Feinkost GmbH, Garz, durch die Homann- Gruppe, Dissen, nicht untersagt. Die Homann-Gruppe produziert und vertreibt bundesweit u. a. gekühlte Feinkostsalate und Fischfeinkost. Rügen Feinkost ist ein Spezialist im Bereich der Herstellung von Herings- und Matjesfeinkost.

Das Vorhaben betrifft den Markt für den Vertrieb von gekühlten Feinkostsalaten und Fischfeinkost in Deutschland. Nicht in diesen Markt einzubeziehen sind die Fischspezialitäten einschließlich der Räucherfische, frische Fische, tiefgekühlte Fische, Feinkostsalate oder Fischfeinkost in Konserven bzw. sauer eingelegte Salate sowie Antipasti und Tapas. Dieser Markt ist weder nach Herstellermarken/Handelsmarken noch nach verpackter („pre-packed“) und unverpackter („spoon out“) Ware, noch nach verschiedenen Vertriebsschienen weiter zu unterteilen.

Räumlich hat das Bundeskartellamt einen nationalen Markt zu Grunde gelegt. Weder eine weitere als nationale Abgrenzung noch eine Abgrenzung von eigenständigen regionalen Teilmärkten innerhalb Deutschlands wäre sachgerecht gewesen. Das Bundeskartellamt hat u.a. die Höhe des gemeinsamen Marktanteils der Zusammenschlussbeteiligten, den Marktanteilsabstand zu den übrigen Wettbewerbern, die Finanzkraft und sonstige Ressourcenzuwächse untersucht; besonderes Augenmerk wurde dabei auf die Ausweichmöglichkeiten des Lebensmitteleinzelhandels als die für diesen Fall primär relevante Marktgegenseite gelegt.

Wegen der starken Position der führenden Handelsunternehmen bei der Nachfrage nach Konsumgütern kommt den aktuellen Marktanteilen der Zusammenschlussbeteiligten jedenfalls dann nur eine eingeschränkte Indizwirkung zu, wenn und soweit die übrigen Wettbewerber über entsprechendes Fertigungswissen, ausreichende Produktionskapazitäten und einen gesicherten Zugang zu ihren Beschaffungsmärkten verfügen, um für die Nachfrager nach gekühlten Feinkostsalaten und Fischfeinkost eine ausreichende Beschaffungsalternative zu den Zusammenschlussbeteiligten zu bieten. Kriterien, die das Bundeskartellamt in diesem Zusammenhang untersucht hat, sind das bisherige Beschaffungsverhalten der Nachfrager, die Marktanteilsentwicklung der Hersteller, das Fertigungswissen und die Produktionskapazitäten der Hersteller von gekühlten Feinkostsalaten und Fischfeinkost sowie die Struktur der Beschaffungsmärkte insbesondere für Fisch und Meerestiere. In diesem Zusammenhang hat das Bundeskartellamt auch Marktzutrittsschranken untersucht, um die Ausweichmöglichkeiten der Nachfrager auf potentielle Wettbewerber einschätzen zu können.
Die Beschlussabteilung hat festgestellt, dass die Homann-Gruppe bereits vor dem Zusammenschluss mit Rügen Feinkost eine starke Stellung mit signifikanten Marktanteilsvorsprüngen vor den in diesem Marktraum tätigen Wettbewerbern hatte. Diese Stellung wird durch die Übernahme von Rügen Feinkost weiter ausgebaut. Der gemeinsame Marktanteil der Zusammenschlussbeteiligten liegt über der Vermutungsschwelle für die Annahme von Einzelmarktbeherrschung. Der Marktanteilsabstand zu allen nachfolgenden Wettbewerbern ist hoch. Außer der Wernsing-Gruppe, die über ein vergleichbares Produktportfolio und eine bundesweite Marktpräsenz wie die Homann-Gruppe verfügt, verfügen alle weiteren Wettbewerber über ein wesentlich kleineres Produktportfolio. Sie sind zudem überwiegend regional tätig. Durch den Zusammenschluss mit der auf Fischfeinkost spezialisierten Rügen Feinkost rundet die Homann-Gruppe ihr Produktportfolio ab und verstärkt ihre „Fischkompetenz“.

Trotz dieser Wettbewerbsvorteile der Homann-Gruppe führt das Zusammenschlussvorhaben nicht zur Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung. Bei Rügen Feinkost handelt es sich um einen Wettbewerber, der in puncto Sortimentstiefe und –breite, Sortimentsschwerpunkt sowie dem Verhältnis zwischen dem Anteil von Eigen- und Herstellermarken kein enger Wettbewerber der Homann-Gruppe ist: Rügen Feinkost produziert und vertreibt ausschließlich Produkte aus dem Marktsegment Fischfeinkost und dort wiederum ganz überwiegend Herings- und Matjesfilets sowie Marinaden und erzielt den überwiegenden Anteil seiner Umsätze mit Handelsmarken. Demgegenüber produziert die Homann-Gruppe ein breites Spektrum an Feinkostsalaten und Fischfeinkost und erzielt ihren Umsatz nicht überwiegend mit Handelsmarken.

Ausschlaggebend für die Freigabeentscheidung durch das Bundeskartellamt aber war, dass die Marktstellung, die die Homann-Gruppe durch den Zusammenschluss erhält, nach dem Ergebnis der Ermittlungen durch internes Wachstum von Wettbewerbern in entscheidungserheblichem Maße angreifbar ist. Wichtige Wettbewerber der Parteien verfügen über freie Produktionskapazitäten oder könnten nach eigener Einschätzung ihre bestehenden Kapazitäten ohne sehr großen zeitlichen und finanziellen Aufwand ausbauen, z.B., in dem sie die Schichtzahl erhöhen. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen haben sie das erforderliche Fertigungswissen und verfügen über keinen schlechteren Zugang zu den Beschaffungsmärkten als die Zusammenschlussbeteiligten. Diese Wettbewerber erhoffen sich durch den Zusammenschluss und die Reaktion des Lebensmittelhandels hierauf Nachfrageverlagerungen und entsprechende Umsatzzuwächse.

Die im Lebensmitteleinzelhandel tätigen Unternehmen haben ihre Beschaffung teils so organisiert, dass auch kleinere, lediglich regional tätige Wettbewerber gelistet werden oder gelistet werden können. Diese regionalen Anbieter stehen praktisch in allen Teilen Deutschlands zur Verfügung. Somit könnten die Abnehmer auch nach dem Zusammenschluss bei Bedarf ihre Nachfrage auf die Wernsing-Gruppe sowie einige weitere Anbieter von Feinkostsalaten und Fischfeinkost verlagern. Dies begrenzt den Verhaltensspielraum von Homann/Rügen Feinkost derart, dass die Entstehung eines unkontrollierten Verhaltensspielraums und damit die Entstehung von Marktbeherrschung durch den Zusammenschluss nicht prognostiziert werden kann.

Allerdings betrachtet das Bundeskartellamt diesen Zusammenschluss auf der Grundlage der Ergebnisse der Ermittlungen und vor dem Hintergrund des gesamten Marktgeschehens auf Hersteller- und auf Nachfragerseite als Grenzfall. Die zunehmende Konzentration auf Seiten des Lebensmitteleinzelhandels führt zu einer Konsolidierungswelle auf Seiten der Hersteller. Eine Reihe von Herstellern von Feinkostsalaten und Fischfeinkost ist sowohl durch Geschäftsaufgabe als auch durch Fusionen mit Wettbewerbern aus dem Markt ausgeschieden.

Entscheidung vom 06.07.2011, Az.: B2 - 23/11
PM vom 09.08.2011

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