EuGH-Generalanwalt: Pfandbetrag ist nicht Teil des anzugebenden Gesamtpreises
Preiswahrheit und Preisklarheit sind die Maximen des Preisangabenrechts. Im Detail ergeben sich aber eine Vielzahl von strittigen Punkten. Einer betrifft die Angabe des Pfandbetrags im Zusammenhang mit dem Gesamtpreis des Produktes. Nun hat sich in einem aktuellen Fall der Generalanwalt des EuGH hierzu geäußert. Die endgültige Entscheidung des EuGH wird sich auf die Händler von Pfandprodukten auswirken. Wir geben einen Überblick über den aktuellen Stand und die Folgen für betroffene Händler.
I. Welche Vorgaben macht das Preisangabenrecht?
Das Preisangabenrecht ist in der deutschen Preisangabenverordnung (PAngV) geregelt.
Wer als Unternehmer Verbrauchern Waren oder Leistungen anbietet oder als Anbieter von Waren oder Leistungen gegenüber Verbrauchern unter Angabe von Preisen wirbt, muss nach § 3 Abs. 1 PAngV die jeweiligen Gesamtpreise angeben.
Was unter einem Gesamtpreis zu verstehen ist, wird in § 2 Nr. 3 PAngV definiert. Demnach ist Gesamtpreis der
"(…) Preis, der einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile für eine Ware oder eine Leistung zu zahlen ist."
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, was eigentlich solche sonstigen Preisbestandteile sind.
II. Worum geht es im Fall des EuGH?
Eine deutsche Warenhauskette warb in ihrem Werbeprospekt für Getränke und Joghurt in Gläsern, wobei sie den (Verkaufs-)Preis ohne den dabei anfallenden Pfandbetrag angab. Stattdessen gab sie die Höhe des Pfandes bei den Produkten immer als Zusatz („zzgl. ... € Pfand“) an.
Der Verband Sozialer Wettbewerb hielt dies für unzulässig und verklagte die Warenhauskette. Der Verband sprach sich stattdessen für eine Angabe des einheitlichen (Gesamt-)Preises - bestehend aus Produktpreis und Pfand - aus.
III. Vom BGH zum EuGH
Über den BGH als letzte (deutsche) Instanz kam der Fall zum Europäischen Gerichtshof (EuGH).
Hintergrund hiervon ist, dass bei Betrachtung der Definition des Gesamtpreises in § 2 Nr. 3 PAngV die Möglichkeit besteht, Pfand als „sonstigen Preisbestandteil“ im Sinne der Definition auszulegen. Folgt man dieser Annahme, so müsste der angegebene Gesamtpreis eines Produkts - wie vom klagenden Verband gefordert - stets aus Produktpreis und Pfandbetrag bestehen.
Doch allein auf Grundlage dieser (deutschen) Vorschrift konnte der BGH keine Entscheidung fällen. Denn bestehen auf EU-Ebene andere einschlägige Vorgaben, so hätten die europarechtlichen Regelungen allgemein Vorrang vor den deutschen Vorschriften.
Konkret relevant ist in diesem Zusammenhang die europäische Richtlinie 98/6/EG über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse, in welcher der Begriff des Verkaufspreises näher definiert wird.
Nach Art. 2 lit. a dieser Richtlinie bezeichnet der Begriff des Verkaufspreises
"den Endpreis für eine Produkteinheit oder eine bestimmte Erzeugnismenge, der die Mehrwertsteuer und alle sonstigen Steuern einschließt."
Der BGH rief schließlich insbesondere hinsichtlich der Frage der Auslegung des Begriffs des Verkaufspreises im Einklang mit dem EU-Recht den EuGH an.
IV. Welche Auffassung vertritt der EuGH-Generalanwalt?
Von großer Bedeutung für jede Entscheidung des EuGH ist deren Vorbereitung und Beurteilung durch den im jeweiligen Verfahren zuständigen EuGH-Generalanwalt im Rahmen seines sog. Schlussantrags.
In diesem Fall fällt die Bewertung des Generalanwalts in seinem Schlussantrag eindeutig aus: Der Pfandbetrag muss aus seiner Sicht nicht in den Endpreis mit einberechnet werden.
Ob im weiteren Verlauf nun auch der EuGH diesen Standpunkt teilen wird, kann nicht mit Sicherheit vorhergesagt werden. Allerdings schließt sich der EuGH in den meisten Fällen der in aller Regel wohl überlegten und gut begründeten Einschätzung des Generalanwalts an.
V. Welche Argumente trägt der Generalanwalt hierzu vor?
Vor dem Hintergrund der Regelungen in der Richtlinie über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse vertritt der Generalanwalt die Auffassung, dass ein Pfandbetrag deshalb kein Bestandteil des endgültigen Kaufpreises sein könne, da er - anders als etwa eine Steuer - zurückerstattet werde.
Außerdem hätte eine andere Angabe des Endpreises - also die Angabe eines Gesamtpreises bestehend aus Produktpreis und Pfandaufschlag - seiner Meinung nach eine schlechtere Vergleichbarkeit der Verkaufspreise zur Folge. Verbraucher könnten die Frage nach der Höhe des Pfandbetrages, welche sich in der Regel je nach Art und Material der Produktverpackung unterscheidet, sowie die Frage, ob überhaupt Pfand im Endpreis enthalten ist, nur schwer beantworten.
Zudem wies der Generalanwalt auf den umweltschützenden Gedanken hinter den Pfandprodukten hin, welcher durch die Zusammenfassung von Produktpreis und Pfandaufschlag zu einem Gesamtpreis seiner Ansicht nach in den Hintergrund treten würde. Denn Pfandbeträge sollen Menschen dazu bewegen, Produkte zu kaufen, welche dann später auch recycelt werden können und somit umweltfreundlicher sind.
VI. Wie sind Händler von dieser Thematik betroffen?
Viele Händler geben Preise für Pfandprodukte in ihren Werbeprospekten und auf ihren Webseiten gegenwärtig auf ähnliche Weise an wie die Warenhauskette, die in diesem Fall hierfür abgemahnt und verklagt worden war.
Gemäß dem Schlussantrag des EuGH-Generalanwalts soll dies auch weiterhin möglich und rechtlich zulässig sein. Die endgültige Entscheidung des EuGH bleibt aber nun abzuwarten und wird für Klarheit sorgen, die allen Händlern Rechtssicherheit verschaffen wird, so dass sie in diesem Bereich mit weniger Abmahnungen rechnen müssen.
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