OLG Naumburg: Grundpreisangabepflicht besteht (selbstverständlich) fort, Vorschrift muss lediglich europarechtskonform ausgelegt werden
Der Grundpreis nach § 2 Abs. 1 Preisangegabenverordung soll im Interesse der Preisklarheit eine leichtere Übersicht über die Preisgestaltung für vergleichbare Waren sorgen. Das OLG Naumburg hatte zu entscheiden (Urteil vom 09.04.2015, Az.: 9 U 98/14), ob die deutsche Vorschrift zur Grundpreisangabe aufgrund ihres (im Vergleich zur zugrundeliegenden EU-Richtlinie) strengeren bzw. überschießenden Regelungscharakters keine Anwendung mehr findet oder lediglich europarechtskonform auszulegen ist und damit weiterhin fortgilt. Lesen Sie mehr zu dieser Entscheidung in unserem heutigen Beitrag.
Inhaltsverzeichnis
I. Sachverhalt
Im vorliegenden Fall lag dem Gericht ein Sachverhalt zugrunde, in dem der Beklagte, ein Online-Händler auf der Plattform Amazon, es unterlassen hatte, im Rahmen der zitierten Anzeige einen Grundpreis für seine Waren anzugeben.
Der Kläger, der Deutsche Konsumentenbund e.V., war der Auffassung, der Beklagte verstoße mit seinem Angebot gegen die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Preisangabenverordnung. Da der Beklagte der Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung nicht nachkam, nahm der Deutsche Konsumentenbund e.V. den Beklagten gerichtlich auf Unterlassung in Anspruch.
Der Beklagte wies die Anschuldigungen zurück und verwies darauf, dass die Preisangabenverordnung aufgrund europarechtlicher Regelungen +nicht mehr anwendbar+ sei. Ausgangspunkt dieser Annahme sind Regelungen der UGP-RL (Richtlinie gegen unlautere Geschäftspraktiken), wonach nationale Regelungen nicht strenger als europäische Regelungen verfasst sein dürfen. Betroffen sei in diesem Zusammenhang auch die PAngV. Es stellte sich im Rahmen der gerichtlichen Verhandlung die Frage, ob die Vorschrift des § 2 Abs. 1 PAngV nach dem 12. Juni 2013 überhaupt noch anwendbar ist.
I#I. Entscheidung des Gerichts#
In erster Instanz hatte das LG Dessau-Roßlau der Klage stattgegeben und den Beklagten entsprechend abgemahnt. Dieser Ansicht folgte nun auch das OLG Naumburg mit nachstehender Begründung:
1. Angabe des Grundpreises gemäß § 2 PAngV
§ 2 Abs. 1 PAngV bestimmt die Regelung zur Grundpreisangabe:
"Wer Letztverbrauchern gewerbs- oder geschäftsmäßig oder regelmäßig in sonstiger Weise Waren (…) anbietet, hat neben dem Gesamtpreis auch den Preis je Mengeneinheit einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile (Grundpreis) in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises gemäß Abs. 3 Satz 1, 2, 4 oder 5 anzugeben. Dies gilt auch für denjenigen, der als Anbieter dieser Waren gegenüber Letztverbrauchern unter Angabe von Preisen wirbt (…)."
§ 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV setzt mit dem Erfordernis der „unmittelbaren Nähe“, anders als die Preisangabenrichtlinie, einen strengeren Maßstab für die Preisangabe und geht somit über die Mindestanforderungen der Richtlinie hinaus. Diese Voraussetzung entfachte die Debatte über die Anwendbarkeit der PAngV.
2. Bisherige Entscheidungen zur PAngV
Mehrere Gerichte haben bereits zu dieser Diskussion Stellung genommen:
Das OLG Rostock geht von einer Weitergeltung der Preisangabenverordnung aus (OLG Rostock vom 24.03.2014, Az.: 2 U 20/13):
"§ 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV müsse dahingehend europarechtskonform ausgelegt werden, dass sie nur noch auf Fälle des Anbietens von Dienstleistungen, aber nicht mehr auf Fälle des Werbens angewendet werden kann."
Auch das OLG Düsseldorf geht von der grundsätzlichen Weitergeltung der PAngV nach dem 12. Juni 2013 aus (OLG Düsseldorf vom 28.05.2014, Az.: I - 15 U 54/14):
"Der BGH hat an das Merkmal „in unmittelbare Nähe“ des § 2 Abs.1 Satz 1 PAngV einen strengen Maßstab angelegt: Er soll dann erfüllt sein, wenn beide Preise auf einen Blick wahrgenommen werden können, wobei die Frage dahinstehen kann, inwieweit das Kriterium der „unmittelbaren Nähe“ des § 2 Abs. 1 Satz 1 PANGV überhaupt noch anzuwenden ist, vor dem Hintergrund, dass die Vorgabe der unmittelbaren Nähe zwischen Grund- und Endpreis über die Vorgaben der (…) der EG-Grundpreisrichtlinie (RL98/6/EG) hinausgeht, und strengere Regelungen zu unlauteren Geschäftspraktiken als in der entsprechenden Richtlinie vorgesehen, nach Ablauf der Übergangsfrist (…) nicht mehr zulässig sein sollen."
Der OLG Naumburg schließt sich der vorgenannten Auffassungen an:
"Denn das Ziel der Angleichung des Schutzniveaus innerhalb der Europäischen Union kann auch durch eine europarechtskonforme Auslegung der Vorschriften erreicht werden. Dagegen wäre es in Bezug auf die gesetzgeberische Intention kontraproduktiv, die Preisangabenverordnung insgesamt als unwirksam zu betrachten."
3. Folgen für die Anwendbarkeit des § 2 PAngV
Für die Auslegung des § 2 PAngV bedeutet dies, dass nur das Erfordernis der „unmittelbaren Nähe“ aus den genannten europarechtlichen Gründen nach dem 12. Juni 2013 keine Anwendung mehr findet, abgesehen hiervon besteht die Grundpreisangabepflicht für entsprechende Waren unverändert fort.
Die Vorschrift bleibt also insgesamt weiterhin anwendbar, muss jedoch stets europarechtskonform ausgelegt werden im vorstehenden Sinne.
Die Entscheidung des OLG Naumburg ist rechtskräftig.
III. Fazit
In der Praxis bleibt (fast) alles beim Alten. Der Vorschrift des § 2 Abs. 1 PAngV zur Grundpreisangabe ist weiterhin anwendbar gilt somit fort, lediglich das Kriterium der Darstellung des Grundpreises „in unmittelbarer Nähe“ zum Gesamtpreis ist europarechtskonform nicht anzuwenden. Das OLG Naumburg bestätigt damit die bisherige obergerichtliche Rechtsprechung aus Rostock und Düsseldorf.
Aber Vorsicht: Da der Grundpreis bereits bei jeder Werbung unter Nennung des Gesamtpreises zu nennen ist, bedeutet dies, dass auch weiterhin der Grundpreis in sog. Cross-Selling-Angeboten, Werbebannern, Suchtrefferlisten, Kategorieauflistungen, etc. zu nennen ist, sofern neben dem grundpreispflichtigen Artikel auch der Gesamtpreis der Ware genannt wird!
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© Beboy
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