LG Stuttgart: Werbung im Abspann automatischer Eingangsbestätigungs-E-Mails (autoreply-Mails) zulässig?
Nach erfolgreichem Absenden einer E-Mail erhält man häufig eine Autoreply-E-Mail zur Bestätigung des Empfangs. Immer wieder kommt es vor, dass derartige E-Mails am Ende der Nachricht Anzeigen enthalten, die werbend auf unterschiedliche Waren oder Dienstleistungen hinweisen. Zur brisanten Frage, ob Werbung innerhalb einer Autoreply-E-Mail als unlautere Spam oder gar als Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu qualifizieren ist, hat jüngst das Landgericht Stuttgart mit Urteil vom 04.02.2015 (Az. 4 S 165/14) in zweiter Instanz Stellung bezogen.
I. Der Sachverhalt
Das LG Stuttgart hatte einen Fall zu entscheiden, in dem der Beklagte, ein Kunde einer Versicherungsgesellschaft, einen mit der Versicherung abgeschlossenen Vertrag kündigen wollte. Zunächst verschickte er die Kündigung mit der Post. Als er nach drei Wochen noch keine Antwort erhalten hatte, versendete er die Kündigung per E-Mail und verlangte ein Bestätigungsschreiben. Der Beklagte bekam unmittelbar nach Abschicken der E-Mail folgende automatische Bestätigungs-E-Mail:
"Sehr geehrte Damen und Herren,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Wir bestätigen Ihnen hiermit den Eingang Ihres Mails“ Sie erhalten baldmöglichst eine Antwort.“
Mit freundlichen Grüßen
Ihre (…)
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***Diese Email wird automatisch vom System generiert. Bitte antworten Sie nicht darauf.***"
Der Kläger erhielt danach jedoch keine Antwort mehr und kontaktierte die Versicherung erneut per E-Mail. Darauf bekam er wiederum eine automatische Bestätigungs-E-Mail mit selbigem Inhalt. Da über die Autoreply-Mails hinausgehende Reaktionen des Versicherers ausblieben, machte der Kläger nach erfolgloser Abmahnung gerichtlich Unterlassungsansprüche geltend. Seiner Meinung nach war die Werbung am Ende der Nachricht als unzulässiger Spam gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG unlauter und stellte zudem eine Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte dar.
II. Entscheidung des Gerichts
In erster Instanz hatte das Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt der Klage stattgegeben und die Versicherung zur entsprechenden Unterlassung und zur Zahlung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten verurteilt. Dieser Ansicht folgte das Landgericht Stuttgart nicht, sondern setzte sich mit der Frage auseinander, ob der Kläger durch die automatische Bestätigungs-E-Mail an sich überhaupt beeinträchtigt worden ist.
1. Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts
Ein rechtswidriger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers hinsichtlich der werbenden Inhalte der Mails sei zu verneinen, da es sich beim „Abspann“ nicht um tatbestandliche Werbung handle. Hier wurde lediglich auf einen Service der Beklagten hingewiesen, so das Gericht. Aber selbst wenn es sich beim Abspann um Werbung handeln würde, wäre das Persönlichkeitsrecht des Beklagten nicht verletzt. Für die Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts gem. § 823 BGB bedürfe es einer gewissen Erheblichkeit, welche im vorliegenden Fall aufgrund des insgesamt geringen Umfangs der E-Mails nicht vorliege. Immerhin sei es dem Kläger trotz der werbenden Zeilen möglich gewesen, die wesentlichen Aussagen der Mail direkt herauszulesen.
Hingegen stellt das unaufgeforderte Zusenden von Werbe-E-Mails regelmäßig einen Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Adressaten dar. Die Erheblichkeit für die Verletzungshandlung wird für den E-Mail-Empfänger darin gesehen, dass diesem zum einen Kosten entstehen können und ihm zum anderen der Aufwand aufgebürdet werde, die Werbe-Mails auszusortieren. Es sei jedoch zu berücksichtigen, dass im vorliegenden Fall keine „klassische“ Werbe-E-Mail vorgelegen habe, sondern eine Eingangsbestätigungs-E-Mail, die aufgrund der Kontaktaufnahme, also unmittelbar nach der E-Mail des Klägers, versendet wurde.
Hervorzuheben ist weiterhin, dass bereits der Betreff „automatische Antwort auf Ihre E-Mail“ sowie die unmittelbaren Antwort an den Kläger den Rückschluss zulasse, dass es sich bei der empfangenen E-Mail um eine Eingangsbestätigungs-E-Mail handle.
2. Unlauterkeit nach § 7 UWG
Gem. § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG ist bei Werbung unter Verwendung elektronischer Post stets eine unzumutbare Belästigung anzunehmen. Allerdings ist diese Norm nach dem BGH erst im Rahmen der Frage, ob der Eingriff rechtswidrig war, und der dabei erforderlichen Abwägung relevant. Ein solcher Eingriff liegt nach Ansicht des LG Stuttgart wie eben gezeigt jedoch nicht vor. Selbst bei Vorliegen eines tatbestandlichen Eingriffs wäre aber § 7 Abs. 3 UWG heranzuziehen, welcher die Werbung für eigene Waren und Dienstleistungen „im Rahmen einer bestehenden Geschäftsbe-ziehung“ – der Kläger ist als Versicherungsnehmer Kunde des Beklagten – gestatte.
III. Tipp für die Zukunft: Verzicht auf Werbung in automatischen Bestätigungs-E-Mails
Automatische Eingangsbestätigungs-E-Mails mit Werbung am Ende der Nachricht sollen nach Ansicht des LG Stuttgart zulässig sein. Da der Kunde zuvor durch den Versand einer E-Mail selbst tätig werde, stelle die Autoreply-E-Mail keine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts und keinen Verstoß nach UWG dar.
Allerdings hat der Beklagte hat bereits Revision beim BGH (Az. BGH VI ZR 134/15) eingelegt. Es bleibt mit Spannung abzuwarten, ob der Bundesgerichtshof dem Urteil des LG Stuttgart folgen wird. Aufgrund der Brisanz der Thematik und der Möglichkeit zur Divergenz in der rechtlichen Bewertung ist es aber nicht weniger wahrscheinlich, dass sich der Gerichtshof der Argumentation des AG Stuttgart-Bad Cannstatt (Urteil vom 25.04.2014 – Az. 10 C 225/14) anschließen wird, welches einen Rechtsverstoß originär bejaht hatte. Bis zur endgültigen Klärung der Zulässigkeitsfrage von Autoreply-Werbung durch die höchste Instanz sollte zur Sicherheit auf das Einbinden von werbenden Inhalten in automatische Mails zur Eingangsbestätigung verzichtet werden.
IV. Update vom 04.01.2016: Revision des BGH
Hinweis: BGH hebt Entscheidung des LG Stuttgart auf!
Der BGH hat in der Revisionsinstanz (Urteil vom 16.12.2015, Az.: VI ZR 134/15) die Rechtsprechung des LG Stuttgart aufgehoben und klargestellt, dass Werbung in einer Bestätigungs-E-Mail unzulässig ist, sofern hierfür keine Einwilligung des Betroffenen vorliegt.
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