LG München I: Kein Anspruch auf Löschung einer Notenbewertung auf der Ärzte-Bewertungsplattform Jameda.de

LG München I: Kein Anspruch auf Löschung einer Notenbewertung auf der Ärzte-Bewertungsplattform Jameda.de
Stand: 14.03.2014 5 min

Mit Urteil vom 15.01.2014 (Az.:25 O 16238/13) hat das LG München I entschieden, dass die Bewertungen von Nutzern eine wesentliche Ausprägung der persönlichen Meinungsfreiheit darstellen und eine Löschung durch das Internet-Portal vom Bewerteten nicht begehrt werden kann. Lesen Sie mehr zu dieser Entscheidung des Gerichts in unserem News-Beitrag.

I. Grundlegendes zu Bewertungsportalen

Vermehrt werden im Internet Plattformen geschaffen, die es Nutzern ermöglichen, Berufstätige oder Gewerbetreibende eines bestimmten Sektors anhand von Schulnoten und eigens erstellten Texten zu bewerten. So soll anderen potentiellen Kunden nicht nur ein Überblick über das vorhandene Angebot an begehrten Dienstleistungen gewährt werden, sondern ihnen soll vor allem auch ermöglicht werden, sich anhand von unabhängigen Quellen eine Meinung zu bilden und die Institution ihres Vertrauens auf der Basis allgemeiner Kriterien zu wählen.

Diese „User-Ratings“ können für die Bewerteten dabei Fluch oder Segen sein. So sind sie für die betroffene Einrichtung ein geeignetes Mittel sein, bei vermehrt positiven Bewertungen eine großflächige Resonanz zu entfalten und durch die angepriesene Qualität von Angebot und Service neue Kunden anzuziehen. Im Gegenteil aber können überwiegend negative Benotungen die gewerbliche Isolation derart herbeiführen, dass Bestandskunden den Wechsel hin zu besser bewerteten Örtlichkeiten begehren und auch Neukunden nur schwer gewonnen werden.

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II. Der Sachverhalt

Der Entscheidung des LG München I lag ein Sachverhalt zugrunde, in welchem ein Arzt von dem Onlineportal www.jameda.de die Löschung einer Nutzerbewertung begehrte. Diese erfolgte durch die Vergabe von Schulnoten für vorbestimmte Kriterien der ärztlichen Konsultation selbst (Wartezeiten, Behandlung, Aufklärung, Auftreten des Behandelnden) und für solche der persönlichen und verkehrsbedingten Erreichbarkeit (Sprechstundenzeiten, Barrierefreiheit, öffentliche Anbindung).
Die streitige Bewertung wies insbesondere die Behandlung als ungenügend bis mangelhaft aus, ging aber auch negativ auf die Barrierefreiheit und die örtliche Erreichbarkeit ein.

Nach Meinung des Klägers stellten die vergebenen Noten eine Schmähkritik dar, die gezielt den Kläger und die Qualität seiner Praxis zu diffamieren versuchten. Darüber hinaus sah er die Unzulässigkeit der Bewertung schon darin, dass das beklagte Portal in seinen Nutzungsrichtlinien eine Bewertung nur dann erlaubte, wenn eine tatsächliche Behandlung erfolgt war. Eine solche müsse aber als das auf Heilung oder Besserung gerichtete Handeln des Arztes verstanden werden und setze somit eine auf Befunderhebung basierende Diagnose voraus. Diese sei nach Meinung des Klägers aber nicht erfolgt.

III. Entscheidung des LG München I

Das Gericht wies die im Rahmen einer Unterlassungsklage begehrte Löschung ab, indem es zunächst den aus den Nutzungsrichtlinien abgeleiteten Anwendungsbereich für die Bewertung als eröffnet erachtete.

Maßgeblich für den Umfang des Behandlungsbegriffs sei insofern das Verständnis des durchschnittlichen Nutzers des Bewertungsportals, für den eine Behandlung regelmäßig nicht nur in der Therapie nach vollumfänglicher Diagnose zu sehen sei, sondern sich vielmehr aus jedem persönlichen, auf die konkreten Beschwerden bezogenen Gespräch zwischen Arzt und Patient ergebe. Diese weite Definition entspreche zudem dem Zweck des Portals, das Bewertungen auch für kurze Termine oder frühzeitig abgebrochene Therapien ermöglichen wolle.

Im Folgenden führte das Gericht aus, dass ein Anspruch auf Löschung sich auch nicht aus der konkreten Benotung ergebe. Bei dieser handle es sich nämlich um ein von der Meinungsfreiheit grundsätzlich geschütztes Werturteil im Sinne der Äußerung eines subjektiven Empfindens hinsichtlich bestimmter Umstände und somit einer Stellungnahme, die sich im Gegensatz zur Tatsachenbehauptung nicht als wahr oder unwahr einstufen lasse. Selbst wenn den Kriterien der öffentlichen Erreichbarkeit und Barrierefreiheit eine bestimmte objektive Komponente zugesprochen werden müsse, erfolge die Benotung jedoch aufgrund des subjektiven Dafürhaltens des Nutzers.

Zwar müssten Tatsachenbehauptungen hinsichtlich ihres Schutzbereiches gegenüber Werturteilen beschränkt werden; auch letztere stießen aber immerhin im Falle der Schmähkritik an die Grenzen der Zulässigkeit. Eine Schmähkritik, die nicht mehr der Auseinandersetzung mit der Sache sondern nur der gezielten Diffamierung zu dienen bestimmt ist, sah das Gericht hier allerdings nicht. Zum einen sei die Benotung hier gerade im Rahmen der Auseinandersetzung mit der ärztlichen Dienstleistung erfolgt, zum anderen seien auch offensichtlich unvernünftige Urteile wie die vom Nutzer weitgehend zu Unrecht kritisierte Barrierefreiheit und öffentliche Anbindung von der Meinungsfreiheit geschützt.

Schließlich wägte das Gericht das vermeintlich verletzte persönliche und gewerbliche Interesse des Klägers, der im Wettbewerb zu anderen Behandelnden stehe und dessen negative Bewertung zu beruflichen und wirtschaftlichen Konsequenzen führen könne, gegen die Meinungsfreiheit des Nutzers ab und sprach letzterer höhere Bedeutung zu.

Insofern gab es an, dass auch Ärzte den allgemeinen Marktmechanismen und insbesondere dem Wettbewerb unterlägen, dessen Ausdruck gerade die Bewertung von Angebot und Service durch Patienten in öffentlichen Quellen sei. Das Interesse der Allgemeinheit an kritischen, unabhängigen Informationen, das durch die Bewertungen gewährleistet sei und die Basis einer Meinungsbildung schaffe, müsse hier das gewerbliche und persönliche Interesse des Arztes an einer objektiven Bewertung überwiegen.

IV. Fazit

Bewertungen unterfallen als Werturteile grundsätzlich dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit und sind zulässig, solange sie nicht gezielt die Diffamierung einer bestimmten Institution oder Person verfolgen. Eine Löschung solcher Bewertung kann auch dann nicht beantragt werden, wenn bestimmte Angaben offensichtlich unvernünftig sind. Sie beruhen nämlich auf dem subjektiven Empfinden des Nutzers, dem im Rahmen des allgemeinen Interesses an unabhängigen Bewertungen und der somit garantierten Möglichkeit einer umfangreichen Meinungsbildung seitens der Verbraucher höhere Bedeutung zugesprochen werden muss als dem etwaig tangierten Interesse des Bewerteten an einer möglichst korrekten Einstufung der Leistung.

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