LG Köln: Keine Urheberrechtsverletzung beim Anhängen an Produktbilder auf Amazon

LG Köln: Keine Urheberrechtsverletzung beim Anhängen an Produktbilder auf Amazon
von Bodo Matthias Wedell
21.03.2014 | Lesezeit: 8 min

Nach Ansicht des LG Köln erklärt sich ein Onlinehändler, der Produktfotografien auf der Internethandelsplattform Amazon einstellt, stillschweigend damit einverstanden, dass diese Bilder auch von anderen Onlinehändlern auf Amazon zur Illustrierung für deren gleichartige Produkte genutzt werden dürfen (LG Köln, Urteil vom 13.02.2014, Az.: 14 O 184/13). Zwar sei die Klausel zur Einräumung von Nutzungsrechten in den AGB von Amazon unwirksam, jedoch habe dies keinen Einfluss auf die tatsächliche Einwilligung des Rechteinhabers in die Mitverwendung der Produktbilder durch andere Mitbewerber. Lesen Sie mehr zu dieser Entscheidung.

Was war passiert?

Stein des Anstoßes war die Unterlassungsklage eines Onlinehändlers, der seine Produkte auf der Onlinehandelsplattform Amazon vertreibt und diese dort unter anderem mit Hilfe von Bildern darstellte, für die er der ausschließliche Nutzungsberechtigte war.

Genau diese Bilder wurden auch von einem Mitbewerber zur Illustrierung von dessen gleichartigen Produkten verwendet. Daraufhin mahnte der Rechtsinhaber den Mitbewerber ab. Insoweit handelt es sich um ein „normales“ Unterlassungsbegehren, doch der Fall ist noch etwas komplexer.

Das Geschäftsmodell der Onlinehandelsplattform Amazon, der sog. Amazon Service, basiert darauf, dass jedem dort angebotenen Produkt eine eindeutige Identifikationsnummer, auch ASIN genannt (= ein umgerechneter EAN- bzw. GTIN-Code) zugeteilt wird. Für jedes Produkt wird nur eine „Produktseite“ eingerichtet und zugelassen, auf der die jeweiligen Waren abgebildet und mit einem Produktbild illustriert werden. Somit werden, wenn das gleiche Produkt von mehreren Händlern angeboten wird, diese gleichartigen Produkte auf der jeweiligen Produktseite nacheinander gelistet.

Zur Produktbeschreibung wird jeweils das Produktbild eingeblendet, das vom Erstanbieter auf den Server von Amazon zuerst hochgeladen wurde. Onlinehändler, die ihre Produkte nach dem Erstanbieter auf die Produktweite einstellen, ist es zwar noch möglich, eigene Bilder hochzuladen, diese werden jedoch nach bzw. mit den Produktbildern des Erstanbieters dargestellt.

Die Klägerin führte an, dass sich die Beklagte durch diese Vorgehensweise die Kosten für die Erstellung eigener Produktbilder erspart habe. Sie habe bezüglich der Urheberrechtsverletzung nicht lediglich einen untergeordneten Tatbeitrag geleistet und sei neben Amazon als Mittäterin haftbar zu machen.
Im Folgenden wird jeweils das Verhältnis der Onlinehändler zu Amazon und das daraus resultierende juristische Verhältnis der Onlinehändler zueinander dargestellt. Diese vom Gericht vorgenommene Differenzierung ist für die Nachvollziehbarkeit der Gerichtsentscheidung notwendig.
Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBs) von Amazon sah vor, dass ein Onlinehändler nur unter bestimmten Bedingungen die Teilnahme auf der Onlinehandelsplattform Amazon möglich sein sollte. Diese Teilnahmebedingungen lauteten auszugsweise wie folgt:

"Die Teilnehmer übertragen Amazon.de ein vergütungsfreies, zeitlich unbefristetes, umfassendes Nutzungsrecht, insbesondere zur Vervielfältigung, Verbreitung, Bearbeitung an allen Werken oder Werkteilen, sowie Datenbanken oder jedem anderen Katalog oder jeden anderen Produktinformationen, die Teilnehmer im Rahmen des Online-Angebots von Amazon.de an Amazon.de übermitteln…einschließlich des Rechts, diese Inhalte mit Printmedien, online, auf CD-ROM, etc. zu publizieren, auch zu Werbezwecken."

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Die Entscheidung des Gerichts:

Das LG Köln gab dem Unterlassungsbegehren der Klägerin bezüglich der öffentlichen Wiedergabe und der Vervielfältigung der streitgegenständlichen Lichtbilder nicht statt.

Das Gericht vertrat die Rechtsansicht, dass aufgrund der besonderen Umstände dieser speziell gestalteten Konstellation die Nutzung der streitgegenständlichen Bilder durch den Mitbewerber nicht rechtswidrig war. Das Gericht stellte fest, dass letztlich weder Amazon, noch der Beklagten ein Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung der Produktbilder des Klägers zustand.

Daran ändern auch die allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Amazon nichts, da diese in der oben zitierten von Amazon verwendeten Fassung unwirksam waren.

Die AGB von Amazon, die an den Bildmaterialien der teilnehmenden Onlinehändler zwar kein ausschließliches, jedoch zumindest ein umfassendes und unentgeltliches Nutzungsrecht einräumen sollten, hielten einer AGB-Kontrolle des Gerichts gem. §§ 310 Abs. 1 S. 1, 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht stand und waren damit unwirksam.
Eine Kontrolle der Amazon-AGB war möglich, da es vorliegend nicht um eine gesetzliche Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB eines von den Vertragsparteien nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit frei regelbaren Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung ging, sondern darum, dass in den Nutzungsbedingungen ausdrücklich eine Gegenleistung des Amazon-Services für die Übertragung der Nutzungsrechte an den Materialien der Teilnehmer ausgeschlossen war.

Diese AGB benachteiligen den jeweiligen Vertragspartner von Amazon entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und waren somit mit dem wesentlichen Grundgedanken der §§ 11, 32 UrhG unvereinbar. Der Grundgedanke des deutschen Urheberrechts sieht eine angemessene Beteiligung des Urhebers am wirtschaftlichen Nutzen seiner Werke vor. Das Gericht erkannte, dass ein finanzieller Ausgleich für die Nutzung an den eingestellten Lichtbildern technisch durchaus machbar sei und dieses auch von Konkurrenten von Amazon so gehandhabt werde.

Das Gericht warf die Frage auf, ob die Onlineplattform Amazon hier nicht ihre marktbeherrschende Stellung ausnutzen und den teilnehmenden Onlinehändlern ihre Bedingungen aufzwingen würde. Das LG Köln stellte jedenfalls fest, dass Amazon aufgrund der unwirksamen AGB nicht dazu berechtigt war, die vom Kläger zwecks Illustrierung seiner Angebote hochgeladenen Lichtbilder zu Werbezwecken im Rahmen der Produktwerbung dem Konkurrenten der Klägerin zugänglich zu machen und verwies darauf, dass die Onlinehändler kein Entgelt für die Übertragung der Nutzungsrechte an Amazon erhalten würden und dass dies die Intention des Urheberrechts konterkarriere.

Das LG Köln erblickte in den Regelungen der AGB nicht zuletzt deshalb eine unangemessene Benachteiligung, da diese Vorgehensweise im Ergebnis dazu führe, dass der jeweilige Einsteller von Produktbildern letztlich dazu gezwungen werde, seine auf eigene Kosten erstellten Bilder bzw. solche an denen er selbst die Rechte gekauft hat, seinen Mitbewerbern unentgeltlich zur Verfügung zu stellen.

Das LG Köln wich des Weiteren von der Rechtsprechung des LG Nürnberg-Fürth ab. Dieses hatte geurteilt, dass ein „einfaches“ Produktbild keinen besonderen Marktwert hätte und daher durch die Einräumung eines unentgeltlichen Nutzungsrechts auch kein materieller Schaden entstehen könne, (vgl. LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 14.02.2011, Az: 4 HK 9301/10). Obwohl Amazon unwirksame AGB verwendet und somit eine wirksame Nutzungsrechteinräumung nicht möglich gewesen ist, lehnt das LG Köln einen urheberrechtlichen Verstoß des Beklagten ab.

Aufgrund der unwirksamen AGB von Amazon stand der Beklagten zwar zweifelsohne kein Nutzungsrecht an den urheberrechtlich geschützten Lichtbildern der Klägerin zu. Das Gericht begründete seine Rechtsansicht damit, dass die Beklagte, ebenso wie die Klägerin, die Nutzungsbedingungen von Amazon hatte akzeptieren müssen, um überhaupt an der Onlinehandelsplattform Amazon teilnehmen zu können. Die Beklagte hatte, sofern sie ihre Ware auf Amazon anbieten wollte demnach kein echtes Wahlrecht, außer natürlich der Verzicht der Teilnahme auf der Plattform Amazon.

Beiden Parteien war zudem die Vorgehensweise von Amazon hinsichtlich des standardmäßigen Listens identischer Produkte und der Zusammenführung gleichartiger Produkte bekannt. Hierbei war es letztlich zufällig, wer als erster Anbieter eine Neueinstellung hochlud und damit einhergehend, wessen Bilder als erstes gelistet und gespeichert wurden. Die Klägerin hatte zudem auch keinerlei Gegenmaßnahmen getroffen, um ein gemeinsames Listen von gleichartigen Angeboten mit ihren Produktbildern zu verhindern, z.B. indem sie ihre Lichtbilder mit einer entsprechenden Kennzeichnung versah.

Das LG Köln vertritt die Auffassung, dass, sofern sich der Rechteinhaber der Bildernutzungsrechte vorliegend im Bewusstsein der Geschäftsbedingungen von Amazon dafür entscheidet, seine Produktbilder auf den Server von Amazon hochzuladen, dieses Verhalten nicht zu Lasten der Beklagten gehen könne. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass dies die einzige Möglichkeit der Klägerin war, ihre Produkte überhaupt auf Amazon anbieten zu können. Das LG Köln zitierte in seiner Entscheidungsbegründung den BGH (Urteil vom 19.04.2010, Az: I ZR 69/08) mit seiner Vorschaubilder I - Rechtsprechung:

"Ein Berechtigter, der Texte oder Bilder im Internet ohne Einschränkungen zugänglich macht, muss mit den nach den Umständen üblichen Benutzungshandlungen rechnen."

Entscheidend hierbei sei der objektive Erklärungsinhalt, wie er aus Sicht eines verständigen Empfängers verstanden werden wird. Es ist von daher ohne Bedeutung, ob er Klägerin bewusst war, welche Nutzungshandlungen im Einzelnen hierunter zu verstehen sind.
Durch das Hochladen der Produktbilder auf den Server von Amazon, ohne diese in besonderer Weise als ihre eigenen zu kennzeichnen oder gegen Einblendung in Angebote von Mitbewerbern zu sichern, hat sich die Rechtsinhaberin gegenüber anderen Benutzern der Onlinehandelsplattform Amazon durch eine schlichte Einwilligung gegenüber seinem Mitbewerber (allerdings wegen der unwirksamen AGB nicht gegenüber Amazon selbst!) damit einverstanden erklärt, dass diese die Produktbilder im Rahmen ihrer Angebote nutzen dürfen.

Das Gericht anerkannte zwar die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit, dass eine erklärte Einwilligung mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden könne (vgl. § 183 S. 1 BGB) . Für einen rechtlich wirksamen Widerruf sei allerdings ein klares, gegenläufiges Verhalten erforderlich. Dieses könnte etwa derart gestaltet sein, dass die Klägerin die streitgegenständlichen Bilder vom Server löscht oder nachträglich gegen das Einblenden von Konkurrenzangeboten sichert, beispielsweise durch das Anbringen einer Urheberrechtskennzeichnung. Das LG Köln stellte hierzu fest, dass

"solange dies nicht geschieht, ist der lediglich gegenüber der Beklagten geäußerte Widerspruch unter dem Gesichtspunkt der widersprüchlichen Verhaltensweise (der sog. protestatio facto contraria, …) unwirksam."

Es liegt nach Ansicht des LG Köln eine schuldrechtliche Gestattung der Nutzung seiner Bilder vor. Der Nutzer der Onlineplattform Amazon, der dort Produktbilder hochlädt ist sich seiner Handlungen bewusst, und erklärt sich durch schlüssiges Verhalten mit einem Rechtsverzicht einverstanden.

Das Fazit:

Wer sich in Zukunft daran stört, dass Mitbewerber auf Amazon das eigens erstellte Produktbild mitverwenden, der kann nach Ansicht des LG Köln hiergegen nicht einfach mit dem Schwert der urheberrechtlichen Abmahnung vorgehen. Denn nach Ansicht des LG Köln ist sich der Onlinehändler als Nutzer der Plattform Amazon seiner Handlungen bewusst, wenn er ein Produktbild auf die Server von Amazon hochlädt. Denn hiermit erkläre der Onlinehändler gerade durch sein schlüssiges Verhalten seine Einwilligung in die (Mit-)Verwendung der Produktbilder auch durch andere Onlinehändler auf der Plattform Amazon. Eine Einwilligung in die (Mit-)Verwendung der Produktbilder soll nur dann nicht anzunehmen sein, wenn der Rechteinhaber der Produktbilder durch seine Handlungen klar zu erkennen gibt, dass er mit der (Mit-)Verwendung der Produktbilder durch andere Onlinehändler nicht einverstanden ist. Eine solche Widerspruchshandlung soll nach Ansicht des Gerichts z.B. dadurch zu bewerkstelligen sein, dass die Produktbilder entsprechend mit einem Urhebervermerk gekennzeichnet werden.

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Bildquelle:
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