LG Hamburg: Die Haftung von Google für sog. Suchmaschinen-Snippets
Das LG Hamburg (Urteil vom 07.11.2014 – Az: 324 O 660/12) geht in einer aktuellen Entscheidung davon aus, dass der Suchmaschinen-Betreiber Google für seine eigenen Suchtreffer-Snippets, also die im Zusammenhang mit den Suchtreffern angezeigten kleinen Textausschnitte, haftet. Nach Auffassung des Gerichts hafte Google damit als sog. Störer für unwahre und ehrbeeinträchtigende Tatsachenbehauptungen, sobald Google hiervon positive Kenntnis erlangt. Lesen Sie mehr zur Entscheidung des LG Hamburg.
Inhaltsverzeichnis
- I. Darum ging es
- II. Betroffene müssen sich nicht erst an die Webseiten-Betreiber wenden
- III. Kläger ist unter Umständen in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht durch das Google-Suchergebnis verletzt
- IV. Haftungsgrundlage: Störerhaftung
- V. Keine Berufung auf § 10 TMG möglich
- VI. Das sollte man mitnehmen
I. Darum ging es
Über den Kläger waren auf verschiedenen Homepages und in einem Blockbeitrag gewisse Behauptungen verbreitet worden, nach denen er unter anderem Musik-Piraterie und ein Bordell betreiben würde. Wenn man in die Suchmaske der Beklagten, einer Suchmaschine, den Namen des Klägers oder bestimmte Begriffe eingab, erhielt man ein Suchergebnis, bei dem entweder in der Überschrift und / oder im darunter eingefügten Textausschnitt die Behauptungen über den Kläger zu lesen waren. Es stellte sich heraus, dass die Behauptungen über den Kläger nicht der Wahrheit entsprachen.
Die Verbreitung bezog sich sowohl auf die durch das Suchergebnis vorgenommene Verlinkung, als auch durch die Snippets. Ein Snippet ist die Zusammenschau des jeweiligen einzelnen Trefferergebnisses bestehend aus der jeweiligen Quellenüberschrift, der URL und einem Textausschnitt der Quellseite.
Das Landgericht Hamburg (Urteil vom 07.11.2014 – Az: 324 O 660/12) hat nun die Beklagte „Google“ dazu verurteilt, dass bei Eingabe des Klägernamens oder bestimmter Stichwörter diese Äußerungen nicht mehr verbreitet werden dürfen. Die Beklagte wurde zu einem Unterlassen verurteilt.
II. Betroffene müssen sich nicht erst an die Webseiten-Betreiber wenden
Den Betroffenen steht es frei, direkt bei Google die Rechtswidrigkeit anzumerken. Sie müssen noch nicht einmal mit den Autoren der Texte Kontakt aufnehmen, geschweige denn diese Unternehmen oder natürlichen Personen abmahnen oder auf Unterlassen klagen. Es besteht gerade kein System der abgestuften Verantwortlichkeit, nach dem Google nur sekundär haften würde. (so auch der EuGH vom 13.05.2014 – Az: C-131/12)
III. Kläger ist unter Umständen in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht durch das Google-Suchergebnis verletzt
Bezüglich einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts i.S.v. §§823 II, 1004 I BGB analog i.V.m. Art.2 I, Art.1 I GG muss die Beeinträchtigung des Klägers mit dem Grundrecht der Meinungsfreiheit aus Art.5 I GG abgewogen werden.
Die über den Kläger verbreiteten Aussagen stellen von Art.5 I GG geschützte Tatsachenbehauptungen dar, also Äußerungen, die dem Beweis zugänglich sind. Allerdings muss die freie Meinungsäußerung hinter das Recht der persönlichen Ehre und des öffentlichen Ansehens des Klägers zurücktreten, wenn es so für die, wie hier, den Kläger belastende Meinung keine tatsächlichen Anhaltspunkte gibt.
Die Darlegungslast bzgl. der Wahrheit der Aussagen trägt dabei das Suchmaschinen-Unternehmen. Dem Betroffenen wäre ansonsten (so der BGH vom 22.04.2008 – Az: BGH VI ZR 83/07) eine Beweisführung nur möglich, wenn er genau wüsste, auf welche Tatsachen sich derjenige, der auf einer Homepage eine solche Aussage veröffentliche, bei seiner Aussage stütze. Wenn dem Kläger dies hingegen nicht bekannt wäre, müsste er sich „ins Blaue hinein“ rechtfertigen und zusätzlich dem Gericht Umstände offenbaren, die er bei einer ordnungsgemäßen Einlassung des Äußernden nicht hätte offen legen müssen.
In diesem Fall hat Google gerade keine Tatsachen vorgelegt, welche die Richtigkeit der von ihr verbreiteten Aussagen stützen würden, sodass diese als „belastende Meinung ohne tatsächliche Anhaltspunkte“ zu werten ist.
IV. Haftungsgrundlage: Störerhaftung
Störer ist, wer in irgendeiner Weise willentlich und adäquat-kausal zur Verletzung des geschützten Rechtsguts beiträgt (BGH vom 15.08.2013 – Az: BGH I ZR 80/12). Wird Google ausreichend von dem Betroffenen auf die Verbreitung wahrheitswidriger Aussagen hingewiesen, so ist Google dazu verpflichtet, soweit möglich und zumutbar diese Vorwürfe zu prüfen und wenn nötig, weitere Rechtsverletzungen zu verhindern. Der Umfang der Prüfungspflicht richtet sich dabei nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere bezüglich seiner eigenen Funktion und der Eigenverantwortung des eigentlichen Äußernden. Danach muss die Prüfungspflicht in zumutbarem Umfang ausgeübt werden.
Zwar werden die Suchergebnisse automatisch technisch durch den Einsatz von Software und Algorithmen erzeugt; das Verwenden von Algorithmen entbindet Google nicht von seiner Prüfungspflicht. Die Suchmaschine ist eben keine reine Nachweisfunktion (so das Hanseatische OLG vom 26.05.2011 – Az: 3 U 67/11). Der EuGH stellte am 13.05.2014 (Az: C 131/12) die besondere Bedeutung von Suchmaschinen klar, indem er betonte, dass diese zusätzlich zu den Herausgebern die Grundrechte der Betroffenen beeinträchtigen würden. Sie seien die für die Verarbeitung Verantwortlichen und müssten die Einhaltung der Vorschriften garantieren. Die Suchmaschinenbetreiber sind grundsätzlich für die von ihnen verbreiteten Informationen verantwortlich. In diesem Zusammenhang muss das „Nicht-Handeln“, indem Google seine Prüfungspflicht verletzte, für die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers als willentlich und adäquat-kausal angesehen werden. Allerdings wird die Störerhaftung nur angenommen, weil die im Bereich des Snippets angezeigte Textpassage nicht vollkommen zusammenhangslosen Inhalt reproduziert, sondern eine geschlossene und verständliche Aussage darstellt, die gerade dazu geeignet ist, den Kläger in seinen Rechten zu verletzen.
Außerdem ist Google in der Lage, die Rechtverletzung zu unterbinden, da das Unternehmen bestimmte Inhalte bei der Eingabe spezifizierter Suchbegriffe nicht anzeigen kann, indem es diese sperrt. Allerdings ist diesbezüglich zu beachten, dass die betroffenen Inhalte dann immer noch über andere Suchwörter über Google gefunden werden könnten. Des Weiteren hat Google, insbesondere dadurch, dass das Unternehmen keine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben hat, die Wiederholungsgefahr bzgl. der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht ausräumen können.
V. Keine Berufung auf § 10 TMG möglich
Google konnte sich auch nicht auf § 10 TMG berufen, wonach ein Dienstanbieter unter Umständen für die für einen Nutzer gespeicherten Daten nicht verantwortlich ist. Gemäß BGH vom 25.10.2011 (Az: BGH VI ZR 93/10) ist § 10 TMG gerade nicht auf Unterlassungsansprüche wie den hier vorliegenden anwendbar.
VI. Das sollte man mitnehmen
Die Entscheidung des Landgerichts Hamburg fügt sich nahtlos in die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Europäischen Gerichtshofs ein und stellt daher nur eine Bestätigung dieser gerichtlichen Ansichten dar. Im Falle von Beeinträchtigungen durch sog. Suchmaschinen-Snippets wird ab Kenntnis des Suchmaschinen-Betreibers eine Störerhaftung begründet. Es bleibt abzuwarten, ob sich diese Rechtsprechung auch in Zukunft fortsetzen wird, insbesondere, da es hierbei passieren kann, dass Google vorschnell auf eine entsprechende Meldung hin, Inhalte aus den Suchtreffer-Snippets entfernen wird, um einer möglichen Haftung vorzubeugen.
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