LG Berlin: Störerhaftung eines Hostproviders bei Verletzung zumutbarer Prüfungspflichten

Das LG Berlin entschied mit Urteil vom 5. April 2012, Az. 27 O 455/11, dass ein Hostprovider dann als haftbarer Störer zu qualifizieren sei, wenn er bei einer angezeigten Verletzung von Persönlichkeitsrechten den ihm zumutbaren Prüfungspflichten nicht nachkomme. Einem Betroffenen stünde dann ein Unterlassungsanspruch gegen den betreffenden Hostprovider gem. §§ 823 Abs. 1, analog 1004 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. Art 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG zu.

Ein typischer Erfahrungsbericht auf Google Maps, hier können Internetnutzer Ihre Bewertungen abgeben.
Der zugrundeliegende Fall betraf einen selbständigen Arzt für kosmetische Chirurgie, der sich durch einen anonymisierten Nutzereintrag auf den Seiten des beklagten Hostproviders, Google Maps, in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt sah. Dieser sogenannte "Erfahrungsbericht" lautete:
"Vorsicht!!!!!!!!!!! der Fuscher!!!! schlimmer kann man einen Menschen nicht verunstalten: seit dieser "Behandlung" kann ich nicht mehr anziehen, was ich will, ich muss genau überlegen womit ich was abdecken kann. Meine Arme, Mein Po- alles mit Dellen überseht und hängt unvorstellbar hässlich ab. Was ich schon investiert habe in Korrekturoperationen-> nichts hilft mehr! Seid vorsichtig! Seid gewarnt!!! Er ist furchtbar!"
Suchte man auf der durch den beklagten Hostprovider betriebenen Internetseite nach dem betroffenen Arzt, erschien unter anderem eben dieser Eintrag. Dies zeigte der klagende Arzt dem beklagten Hostprovider auch als "verleumderisch und beleidigend" an. Eine Löschung durch den Hostprovider unterblieb jedoch.
Das LG Berlin befand zunächst, dass dem Kläger hier gegenüber dem Hostprovider ein Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, analog 1004 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG zustünde. Weiterhin käme eine Haftung des Beklagten auch nur unter den Gesichtspunkten der Störerhaftung in Betracht, da die entsprechenden Äußerungen eben nicht vom Hostprovider selbst stammten, sondern von einem unbekannten Nutzer der durch den Hostprovider bereitgestellten Dienste.
Ein Hostprovider könne auch nur dann haftbar gemacht werden, wenn er eine zumutbare Prüfungspflicht verletzt habe. Diese bestünde bei der Verletzung von Persönlichkeitsrechten in der angemessenen Überprüfung der behaupteten Rechtsverletzung. Das LG Berlin führt dazu aus:
"Ein Tätigwerden des Hostproviders ist nur veranlasst, wenn der Hinweis so konkret gefasst ist, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptungen des Betroffenen unschwer - das heißt ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung - bejaht werden kann. Dabei hängt das Ausmaß des insoweit vom Provider zu verlangenden Prüfungsaufwandes von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere vom Gewicht der angezeigten Rechtsverletzungen auf der einen und den Erkenntnismöglichkeiten des Providers auf der anderen Seite. Regelmäßig ist zunächst die Beanstandung des Betroffenen an den für den Inhalt [...] Verantwortlichen zur Stellungnahme weiterzuleiten."
Ergebe sich aus diesen Erkenntnissen eine rechtswidrige Verletzung von Persönlichkeitsrechten, habe der beanstandete Eintrag gelöscht zu werden.
Das LG Berlin wendete in vorliegender Entscheidung die vom BGH im Jahre 2011 aufgestellten Grundsätze zur Haftung von Hostprovidern bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen an.
Auch das LG Nürnberg-Fürth hatte in einer weiteren Entscheidung die obigen Grundsätze des höchsten deutschen Zivilgerichts angewendet und weiter konkretisiert.
Fazit: Ein Hostprovider ist grundsätzlich nicht zur Überprüfung sämtlicher Einträge auf seinen Seiten vor deren Veröffentlichung verantwortlich. Wird ihm jedoch substantiiert angezeigt, dass durch einen solchen Eintrag eine Verletzung von Persönlichkeitsrechten gegeben ist, hat er die ihm zumutbaren Prüfungsschritte einzuleiten. Diese bestehen hier in der Weiterleitung der Vorwürfe an den Verfasser des Eintrags und nach einer Bewertung der sich daraus ergebenden Sachlage in der Nicht-/Löschung des entsprechenden Eintrags. Kommt der Hostprovider diesen Prüfungspflichten nicht in angemessener Weise nach, haftet er dem Betroffenen als Störer wegen Unterlassung gem. §§ 823 Abs. 1, analog 1004 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. Art 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG.
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