LG Berlin: Keine Erschöpfung beim „Keyselling“ von Computerspielen
Mit Urteil vom 11.03.2014 (Az.: 16 O 73/13) hat das LG Berlin entschieden, dass ein „Keyselling“ von Computerspielen gegen das urheberrechtliche Vervielfältigungsrecht des Rechteinhabers aus §16 UrhG verstößt, weil der urheberrechtliche Erschöpfungsgrundsatz jedenfalls dann keine Anwendung finde, wenn der Keyseller eine vom Rechteinhaber verliehene Form aus physischem Datenträger und Produktschlüssel (Kombinationspaket), eigenmächtig aufspaltet und nur den Produktschlüssel weitervertreibt. Lesen Sie mehr zu dieser Entscheidung.
Beim Vertrieb von Computerspielen ist mittlerweile gängige Praxis, der Datei, über welche das Spiel auf Rechnern ausgeführt werden kann, einen spezifischen Produktschlüssel in Form eines Aktivierungscodes zuzuweisen. Dieser Aktivierungscode ist nach der erstmaligen Eingabe zur Aktivierung verbraucht.
Diese Praxis soll vor allem dem Schutz vor illegaler Vervielfältigung und Verbreitung und der Vermeidung einer anderenfalls entstehenden unbegrenzten unentgeltlichen Nutzungsmöglichkeit von Computer- und Konsolenspielen dienen.
Grundsätzlich werden die Produktschlüssel zusammen mit der Spieldatei – unabhängig davon, ob diese auf einem elektronischen Datenträger gespeichert oder als Download abgerufen werden kann – verbreitet. Allerdings haben sich einzelne Online-Händler auf den gesonderten entgeltlichen Vertrieb individueller Aktivierungscodes spezialisiert.
I. Der urheberrechtliche Erschöpfungsgrundsatz
Laut §17 Abs. 2 UrhG erschöpft sich das Verbreitungsrecht des Urhebers, also das ausschließliche Vertriebsrecht am Werk, wenn dieses im europäischen Wirtschaftsraum mit Einverständnis des Urhebers erstmalig in Verkehr gebracht wurde. Ziel dieses Grundsatzes ist die Verkehrsfähigkeit von eigentlich mit Schutzrechten behafteten Produkten, da ohne die eintretende Erschöpfung auf jeder Handelsstufe vom Vertrieb erneut die Erlaubnis des Urhebers zur Weitergabe eingeholt werden müsste. Nicht betroffen von der Erschöpfung ist allerdings die Vermietung des geschützten Werkes.
II. Die Erschöpfung bei der Verbreitung von Computerprogrammen
Für Computerprogramme werden nach §69a UrhG grundsätzlich ebenfalls alle Schutzrechte des Urhebers mit der Einschränkung gewährt, dass sich das Verbreitungsrecht am Original oder an Vervielfältigungen in Analogie zu §17 Abs. 2 UrhG ebenfalls beim erstmaligen Inverkehrbringen auf dem europäischen Binnenmarkt erschöpft, §69c Abs. 3 UrhG.
Im deutschen Recht findet der Erschöpfungsgrundsatz nur bei der Verbreitung körperlicher Gegenstände Anwendung. Allerdings erging auf Grundlage der von der EU erlassenen speziellen Richtlinie über den Rechtsschutz von Computerprogrammen Richtlinie 2009/24/EG eine Entscheidung des EuGH, welcher den Grundsatz bei der ausschließlichen Bereitstellung von Programmen als Download auch auf insofern unkörperliche, also nicht auf optischen Datenträgern gespeicherte, Programme ausweitete („UsedSoft-Urteil“, EuGH, Urteil v. 03.07.2012, Az. C‑128/11).
III. Der Sachverhalt
Im Fall des LG Berlin hatte ein Unternehmen, das von einem in Großbritannien ansässigen Publisher von Computerspielen zur ausschließlichen Vermarktung von Computerspielen auf optischen Datenträgern und der Download-Versionen in Deutschland beauftragt war, einen Vertreiber von Produktschlüsseln (Keyseller) eines zum Sortiment gehörenden Spiels abgemahnt.
Der abgemahnte Vertreiber betreibt einen Internetshop, über diesen verkauft der Abgemahnte Produktschlüssel. Mithilfe dieser Produktschlüssel können heruntergeladene (z.B. auf der Plattform Steam) Spiele freigeschaltet werden. Nach eigenen Angaben bezog der Abgemahnte die streitgegenständlichen Produktschlüssel von Vertragspartnern in Großbritannien und Polen.
Die Geschäftspraxis des Abgemahnten sah wie folgt aus. Der Abgemahnte ließ sich Produktschlüssel von physischen Datenträgern aus Großbritannien und Polen übermitteln, die physischen Datenträger wurden hingegen vernichtet, so dass jeweils nur noch der Aktivierungsschlüssel des ursprünglichen Datenträgers vorhanden war.
Dem Abgemahnten wurde durch die Beklagte vorgeworfen, dass der Abgemahnte in das Vervielfältigungsrecht des Abmahners eingegriffen habe, indem der Abgemahnte durch das Versenden der Aktivierungscodes, ohne Zustimmung des Abmahnders, Nutzern den Download und den Gebrauch des konkret monierten Spiels ermögliche.
Der abgemahnte Vertreiber berief sich auf die Entscheidung des EuGH zur Erschöpfung beim Vertrieb unkörperlicher Gegenstände im Rahmen der Computerprogramm-Richtlinie und sah insofern die Schutzrechte des Urhebers des Spiels als erschöpft an. Mit einer negativen Feststellungsklage begehrte der abgemahnte Vertreiber die Feststellung, dass durch seine Praxis keine Verletzung des Verbreitungsrechts aus §16 UrhG zu Lasten des Abmahners begangen worden ist.
IV. Die Entscheidung des Gerichts
Das Gericht wies die negative Feststellungsklage ab, zwar sei die Klage zulässig gewesen, jedoch sei diese unbegründet.
Das Gericht verneinte die Übertragbarkeit der EuGH-Rechtsprechung „UsedSoft“ auf den Fall des Vertriebs von Produktschlüsseln für Computerspiele und dessen spezielle Vermarktungsform und nahm eine Verletzung des Vervielfältigungsrechts des Abmahners an.
Während die Richtlinie 2009/24/EG, auf deren Grundlage das EuGH-Urteil erging, nur auf Computerprogramme anwendbar sei und sich der EuGH nur mit dem Fall befasst habe, in dem ein solches Programm ausschließlich als Download-Datei vertrieben wurde, sei das im Fall des LG Berlin vorliegende Computerspiel zumindest auch auf optischen Datenträgern erhältlich.
Darüber hinaus sei ein Computerspiel nicht mit einem Computerprogramm gleichzusetzen, sondern müsse vielmehr als hybrides Produkt aus Programm- und Filmsequenzen angesehen werden. Letztere fielen aber unstreitig in den Bereich einer anderen Richtlinie, nämlich der zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (sogenannte InfoSoc-Richtlinie, RL 2001/29/EG).
Diese sehe den Erschöpfungsgrundsatz in Art. 4 Abs. 2 – wie der §17 Abs.2 UrhG- aber ausdrücklich nur für körperliche Gegenstände vor. Sodann führte das Gericht aus, dass Teile des Spiels – in diesem Falle die Filmsequenzen – keinen geringeren urheberrechtlichen Schutz erfahren dürften als das Gesamtwerk, sodass dessen Erschöpfung ausschließlich an der InfoSoc-Richtlinie zu bemessen sei und mithin nicht für unkörperliche Gegenstände, also auch nicht für den Produktschlüssel, gelten solle.
Insofern hätte eine Erschöpfung nur dann eintreten können, wenn der Keyseller das Spiel in der vom Urheber vorgegeben Form (Kombinationspaket), nämlich als physischen Datenträger zzgl. des Aktivierungscodes, weitergegeben hätte. Allerdings habe der Feststellungskläger diese Kombination gerade nicht einheitlich weitergegeben, sondern diese Kombination aufgespalten und nur die Schlüssel weitergegeben. Der Keyseller verändere mit diesem Vorgehen die vom Rechtinhaber verliehene Form, eine Erschöpfung könne in diesem Fall nicht eintreten.
Im Ergebnis bejahte das Gericht mangels eingetretener Erschöpfung eine Verletzung des Vervielfältigungsrechts aus dem Umstand heraus, dass der Abgemahnte es Dritten ermögliche, das streitgegenständliche Spiel mit Hilfe eines von ihm bereitgestellten Produktschlüssel, den die Rechteinhaberin mit optischen Datenträgern zusammen als Kombinationspaket herausgibt, aus dem Internet herunterzuladen und so das Spiel selbst zu vervielfältigen.
V. Fazit
Nach dem Urteil des LG Berlin, das große Signalwirkung entfalten wird, verletzt das Keyselling von Computerspielen regelmäßig das Vervielfältigungsrecht des Urhebers bzw. Rechteinhabers. Dies ist jedenfalls nach Ansicht des Gerichts immer dann der Fall, wenn der Rechteinhaber das jeweilige Spiel als Kombination aus physischem Datenträger und Aktivierungscode auf dem Markt bringt, denn nur in dieser Kombination könne eine Erschöpfung eintreten. Spaltet ein Keyseller allerdings den Aktivierungscode aus der vom Rechteinhaber vorgesehenen verliehenen Form ab, kann hieran, nach Ansicht des LG Berlin, keine Erschöpfung eintreten.
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1 Kommentar
Denn wechselt das Spiel den Betreiber wie z.B. bei Der Heer der Ringe online, so wird mit dem Betreiberwechsel trotz fortbestehen des Spieles (weil Online existent), sämtliche alte Keys ungültig. Man hat also umsonst gekauft und muss dann laut Betreiber neu kaufen.