Bloße Kontonutzung bewirkt keine Vertragsänderung
Bestehende Verträge einseitig zu ändern, ist schwierig. Immerhin haben einmal alle Vertragsparteien zugestimmt, dann soll dies nicht eine Vertragspartei einseitig ändern können - so sieht das Gesetz es grundsätzlich vor. Dennoch versuchte eine Bank, die bloße Nutzung des Bankkontos durch ihre Kunden als deren Zustimmung zu neuen Vertragsbedingungen zu werten. Ein Gericht hielt dies nun aber für unwirksam. Wir erläutern in diesem Beitrag die Hintergründe und auch, inwiefern dies für den Online-Handel relevant ist.
I. Wie können Verträge geändert werden?
Verträge können auf verschiedene Weisen geändert werden.
Eine naheliegende Möglichkeit besteht darin, dass sich die Vertragspartner auf eine bestimmte Vertragsänderung verständigen, eine Vertragsänderung also einvernehmlich vornehmen.
Eine weitere Möglichkeit kann sich aus den Vorschriften des Vertrags selbst ergeben: Die Vertragsparteien können bereits beim Vertragsschluss für den Vertrag bestimmte Voraussetzungen vereinbart haben, unter denen der Vertrag geändert werden kann. So kann ggf. einer Vertragspartei ein einseitiges Änderungsrecht zustehen, das sie unter bestimmten Voraussetzungen ausüben darf. Sind solche Vertragsanpassungsklauseln in AGB enthalten, müssen diese aber auch der gesetzlichen AGB-Kontrolle standhalten. Als grobe Faustformel für die Wirksamkeit solcher Klauseln gilt jedenfalls: Die Anpassungsklauseln dürfen es dem Verwender der AGB nicht ermöglichen, einseitig einen vollkommen neuen Vertrag bzw. einen Vertrag mit vollkommen anderen Leistungs- und Gegenleistungspflichten zu schließen. AGB-Klauseln, die hiergegen verstoßen, sind unwirksam.
Schließlich sind Vertragsänderungen teilweise auch aufgrund gesetzlicher Regelungen möglich, etwa im Zusammenhang mit dem Wegfall der (bisherigen) Geschäftsgrundlage eines Vertrages.
II. Worum ging es im Fall des LG Hannover?
In einem Fall des LG Hannover (Urteil vom 28. November 2022, Az. 13 O 173/22) ging es um eine Genossenschaftsbank, die mit Verbrauchern im Rahmen ihres Geschäftsbetriebs verschiedene Verträge über u.a. Zahlungsdienstleistungen abschließt.
Die Bank hatte zunächst einige ihrer Kunden schriftlich gebeten, der Änderung von bestimmten Vertragsbedingungen innerhalb einer gewissen Zeit ausdrücklich zuzustimmen. Nicht jeder Kunde reagierte auf diese Aufforderung. Die Kunden, die darauf nicht geantwortet haben, erhielten etwas später eine zweite schriftliche Aufforderung. In diesem zweiten Schreiben führte die Bank zudem auch aus, sie würde nicht nur eine ausdrückliche Zustimmung per Rückantwort auf das Schreiben, sondern auch die künftige Nutzung des Kontos als Zustimmung werten, etwa wenn die Kunden Überweisungen oder Abhebungen am entsprechenden (Geld-)Automaten tätigen würden.
Der Dachverband aller Verbraucherzentralen wertete dies als aggressive geschäftliche und damit unlautere Handlung der Bank, machte einen Unterlassungsanspruch geltend und beantragte schließlich auch den Erlass einer einstweiligen Verfügung.
III. Wie hat das Gericht entschieden?
Das Gericht kam dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung nach und untersagte damit der Beklagten das oben beschriebene Vorgehen.
Gemäß den Ausführungen des Gerichts habe der Kläger einen solchen Verfügungsanspruch und könne daher die Unterlassung der Verwendung der Formulierungen in den Schreiben verlangen. Anspruchsgrundlage für den Unterlassungsanspruch sei § 1 des Unterlassungsklagegesetzes (UKlaG) samt §§ 8 Abs. 1, 3, 3a des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) in Verbindung mit § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB.
§ 307 Abs. 1 S. 1 BGB beinhaltet die folgenden Regelungen zur Wirksamkeit von Klauseln:
"Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen."
Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB gilt zudem weiter:
"Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung (Nr. 1) mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist (…)."
Nach Ansicht des Gerichts verstößt das Vorgehen der Bank gegen grundlegende Regelungen des Vertragsrechts und benachteiligt Verbraucher unangemessen i.S.d. § 307 BGB, worin ein Wettbewerbsverstoß liege.
Die Bank gebe letztlich einseitig die Voraussetzungen dafür vor, wann ein bestimmtes Verhalten oder auch dessen Unterlassen eines Verbrauchers zu einer Änderung des bisherigen Vertragsverhältnisses führt bzw. führen soll, und zwar losgelöst davon, ob der Verbraucher die Erklärung mit diesem Verhalten tatsächlich abgeben will oder nicht. Das sei nicht rechtens.
IV. Fazit
Wenn bestehende Verträge geändert werden sollen, geht dies ganz grundsätzlich nur mit Zustimmung aller Vertragsparteien.
Ausnahmsweise können Vertragsanpassungen in einzelnen Fällen auf Basis von vertraglich zuvor vereinbarten Änderungsklauseln auch einseitig erfolgen. Allerdings besteht bei Änderungsklauseln in AGB stets das Risiko, dass diese zum Vorteil des AGB-Verwenders die andere Vertragspartei übervorteilen, sie daher – insbesondere im B2C-Bereich – unwirksam sind und deshalb im Ergebnis keine wirksame Vertragsanpassung ermöglichen.
Dies gilt nach der Entscheidung des LG Hannover jedenfalls für solche Klauseln, die an die bloße Nutzung der vertraglich vereinbarten Leistungen eine Zustimmung zur Vertragsanpassung knüpfen. Übertragen auf die Welt des Online-Handels bedeutet dies, dass die bloße Nutzung von Online-Accounts nicht unbedingt als wirksame Zustimmung von Verbrauchern in die Anpassung von AGB oder Nutzungsbedingungen des Anbieters des Online-Accounts gewertet werden kann.
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