OLG Hamm: Kein Verwechslungsgefahr im Markenrecht trotz Zeichenähnlichkeit bei fehlender Branchennähe

05.08.2010, 10:51 Uhr | Lesezeit: 4 min
OLG Hamm: Kein Verwechslungsgefahr im Markenrecht trotz Zeichenähnlichkeit bei fehlender Branchennähe

Ein markenrechtlicher Unterlassungsanspruch besteht u.a. dann, wenn bei zwei identischen oder ähnlichen Zeichen und Waren- und Dienstleistungsklassen die Gefahr besteht, dass die angesprochenen Verkehrskreise die Zeichen verwechseln können. Die Verwechslungsgefahr ist aber dann zu verneinen, wenn zwischen der Ware, für die ein Zeichen eingetragen ist und den Dienstleistungen, die unter dem Zeichen erbracht werden, ein großer Unterschied besteht. So hat zumindest auch das OLG Hamm (Urteil vom 23.03.2010; Az.:4 U 175/09) in seiner „Pelikan“- Entscheidung geurteilt.

Inhaltsverzeichnis

Fall

Die Klägerin ist eine der größten Papier, Büro- und Schreibwarenhersteller Deutschlands und Inhaberin zahlreicher Marken von “Pelikan”. Sie bietet u.a. in verschiedenen Formen Unterrichtshilfen an und hat dafür insbesondere Schutz für den Warenbereich „Lehr- und Unterrichtsmittel“ beansprucht.
Die Beklagte betreibt unter dem Namen „Musikschule Pelikan“ eine private Musikschule und bietet lediglich Dienstleistungen in Form von musischem Einzel- und Gruppenunterricht an.

Die Klägerin verlangte Unterlassung der Benutzung des Wortes „Pelikan“. Begründet hat sie es mit dem prioritätsälteren Recht an dem Zeichen „Pelikan“. Das LG Hamm gab dem Begehren statt.

Es sei von einer Identität der Zeichen und einer hochgradigen Ähnlichkeit der Dienstleistung Musikunterricht und den für die Marken der Klägerin geschützten Waren und Dienstleistungen “Lehr- und Unterrichtsmittel” auszugehen. Demgemäß sei auch eine Verwechslungsgefahr zu bejahen, die im Wesentlichen auf der Identität der Zeichen beruhe. Aber auch die Dienstleistungsangebote seien geeignet, beim Durchschnittsverbraucher die Gefahr einer Verwechslung zu begründen. Hinzu komme der sehr hohe Bekanntheitsgrad des klägerischen Zeichens.

Auf die Berufung der Beklagten hob das OLG Hamm das erstinstanzliche Urteil auf und wies die Klage zurück.

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Entscheidung

Nach Ansicht des OLG Hamm kann eine Verwechslungsgefahr nicht angenommen werden. Eine Verwechslungsgefahr liegt vor, wenn entweder die Marken den gleichen oder ähnlichen Bestandteil aufweisen, oder wenn die mit der Marke gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen dem gleichen Unternehmensbereich zugerechnet werden können:

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr i.S.v. § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Zeichen und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der Klagemarke ausgeglichen werden kann und umgekehrt.

Im zu entscheidenden Fall benutzte die Beklagte zwar die Bezeichnung „Pelikan“ als den prägenden Bestandteil ihres Zeichens. Allerdings bestand nach Ansicht des Gerichts keine Vergleichbarkeit zwischen den Warenangeboten der Klägerin und den Dienstleistungsangeboten der Beklagen. Das Gericht hat durch Auslegung ermittelt, was genau unter dem Begriff „Lehrmittel“, den die Klägerin bei der Registrierung der Marke im Warenverzeichnis angegeben hat, zu verstehen ist. Danach handelt sich um Hilfsmittel für den Unterricht, aber nicht um Lehrpläne, nach denen man einen Unterricht gestaltet. „Lehrmittel“ in diesem Sinne sind lediglich Sachmittel.

Dagegen beinhaltet das Angebot der Beklagten die Art und Weise der Durchführung eines Unterrichts, nämlich eines Musikunterrichts mit Gesang und Musikspiel:

Eine Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen könnte nur angenommen werden, wenn die beteiligten Verkehrskreise den Eindruck haben könnten, dass Waren und Dienstleistungen der Kontrolle desselben Unternehmens unterliegen und damit die gleiche Herkunft haben (Ströbele/Hacker § 9 Rz. 93). Dienstleistungen sind aber nicht generell mit den zu ihrer Erbringung verwendeten Waren ähnlich (Ingerl/Rohnke § 14 Rz. 496). Es müssen deshalb besondere Umstände die Ähnlichkeit nahelegen. Andernfalls käme es zu einer uferlosen Ausweitung des Markenschutzes für Waren auf Dienstleistungen, weil kaum eine Dienstleistung ohne Hilfsmittel erbracht werden kann. Das gilt ganz besonders für Schreibutensilien. Verwendungsneutrale Lehrmittel können deshalb keine Ähnlichkeit zum Musikunterricht haben.

 

Fazit

Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr zweier Zeichen ist nicht allein auf den eingetragenen Markennamen abzustellen. Vielmehr ist bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr auch bedeutend, ob sich die Waren und Dienstleistungen, die unter den geschützten Zeichen angeboten werden, ähneln.
Diese Wechselwirkung ist im Übrigen gerade auch in der Beratung bei Markenanmeldungen zu berücksichtigen.

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