Händler in Italien in der Pflicht: Barrierefreiheit von Websites
Nach dem sog. Barrierefreiheitsstärkungsgesetz müssen auch Online-Händler in Deutschland bestimmte Barrierefreiheitsanforderungen beachten - aber erst zum Juni 2025. Dies geht auf die EU-Richtlinie 2019/882 über Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen zurück. Italien ist aber schon einen Schritt weitergegangen und verpflichtet umsatzstarke Unternehmen wie z.B. auch Händler schon heute zu bestimmten Vorgaben zur Barrierefreiheit hinsichtlich u.a. Websites und Apps. Wir erläutern in diesem Beitrag, was es damit auf sich hat.
Inhaltsverzeichnis
- I. Hintergrund: EU-Richtlinie für Barrierefreiheitsanforderungen
- II. Künftig strengere Vorgaben für Produkte und Dienstleistungen
- III. Umsetzung der Barrierefreiheits-Richtlinie in Deutschland
- IV. Vorsicht: In Italien vorgezogene Umsetzung von Barrierefreiheitsanforderungen
- V. Konkrete Pflichten für umsatzstarke Händler in Italien
- VI. Fazit
I. Hintergrund: EU-Richtlinie für Barrierefreiheitsanforderungen
Die Richtlinie (EU) 2019/882 über Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen (Barrierefreiheits-Richtlinie) gibt den EU-Mitgliedstaaten vor, bestimmte Regelungen in das jeweilige mitgliedstaatliche Recht aufzunehmen, durch die für Menschen mit Behinderungen ein möglichst barrierefreier Zugang zu Produkten und Dienstleistungen gewährleistet wird, gerade auch in der Online-Welt der Websites und Apps.
Konkreter Zweck der Barrierefreiheits-Richtlinie ist es nach deren Art. 1, durch Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der einzelnen EU-Mitgliedstaaten über die Barrierefreiheitsanforderungen für bestimmte Produkte und Dienstleistungen einen Beitrag zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts der Europäischen Union zu leisten, indem insbesondere durch unterschiedliche Barrierefreiheitsanforderungen in den EU-Mitgliedstaaten bedingte Hindernisse für den freien Verkehr von Produkten und Dienstleistungen beseitigt werden bzw. die Errichtung derartiger Hindernisse verhindert wird.
II. Künftig strengere Vorgaben für Produkte und Dienstleistungen
Die EU-Richtlinie über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen legt:
- die technischen Anforderungen für die Barrierefreiheit und
- die konkreten Informationspflichten bestimmter Produkte und Dienstleistungen
für die EU-Mitgliedstaaten einheitlich und recht spezifisch fest.
Ganz konkret soll die Barrierefreiheits-Richtlinie den Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln, Bankdienstleistungen, Computern, Fernsehern, E-Books und auch Online-Shops im Ergebnis leichter machen, insbesondere für Menschen mit (unterschiedlichen) Behinderungen.
Die Barrierefreiheits-Richtlinie war in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten bis zum 28. Juni 2022 umzusetzen. Seitdem haben die von den neuen Regelungen betroffenen Unternehmen insgesamt drei Jahre Zeit, ihre Produkte und Dienstleistungen an die gemeinsamen EU-Anforderungen an die Barrierefreiheit anzupassen.
III. Umsetzung der Barrierefreiheits-Richtlinie in Deutschland
In Deutschland wurde die Barrierefreiheits-Richtlinie vom Bundestag bereits am 20. Mai 2021 durch das sog. Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) umgesetzt.
Dieses Barrierefreiheitsstärkungsgesetz wird im Wesentlichen aber erst am 28. Juni 2025 in Kraft treten, so dass ggf. hiervon betroffene Unternehmen in Deutschland noch viel Zeit bleibt, sich mit den neuen rechtlichen Anforderungen auseinanderzusetzen und diese umzusetzen.
Selbstverständlich werden wir unsere Mandanten rechtzeitig über die Neuerungen und den etwaigen Umsetzungsbedarf informieren, soweit auf ihrer Seite bestimmte Maßnahmen erforderlich sind.
IV. Vorsicht: In Italien vorgezogene Umsetzung von Barrierefreiheitsanforderungen
In Italien gab es bereits vor Auslaufen der Frist zur Umsetzung der Barrierefreiheits-Richtlinie am 28. Juni 2022 eine Reihe von Rechtsvorschriften bzw. gesetzlichen Vorgaben zur digitalen Zugänglichkeit von bestimmten Dienstleistungen für öffentliche Verwaltungen sowie für Privatpersonen bzw. private Unternehmen, die der Öffentlichkeit Dienstleistungen über Websites oder mobile Anwendungen anbieten und in den letzten drei Tätigkeitsjahren einen durchschnittlichen Umsatz von mehr als 500 Millionen Euro erzielt haben (Legge 4/2004, sog. „Legge Stanca“, also das Stanca-Gesetz).
Zunächst richteten sich die diesbezüglichen Richtlinien der hierfür zuständigen italienischen Behörde, der „Agenzia per l’Italia Digitale“ (Agentur für digitales Italien; AgID) lediglich an öffentliche Verwaltungen. Doch wurden diese im Laufe des Jahres 2022 angepasst, so dass sie nun auch auf Privatpersonen bzw. private Unternehmen mit entsprechendem Umsatz Anwendung finden.
V. Konkrete Pflichten für umsatzstarke Händler in Italien
Das Stanca-Gesetz enthält eine Reihe von Pflichten für umsatzstarke Händler in Italien, die in den letzten drei Jahren einen Umsatz von mindestens 500 Millionen Euro erzielt haben.
Hierzu gehören u.a. die Abgabe bzw. Veröffentlichung einer Erklärung zur Barrierefreiheit und deren jährliche Aktualisierung jeweils bis zum 23. September eines jeden Jahres. Dabei wird die Erklärung zur Barrierefreiheit:
- bei Websites in der Fußzeile mit einem konkreten Link angegeben und
- bei Apps die URL innerhalb der allgemeinen Informationen im Store und auf der zugehörigen Website des Anbieters ausgewiesen.
In den Abschnitten der Erklärung zur Barrierefreiheit müssen die jeweiligen Anbieter zusätzlich zum Stand der Konformität, den ihre Website oder App erreicht hat, alle Fälle von Abweichungen, die zugänglichen Alternativen, die den Nutzern der Website oder App zur Verfügung gestellt werden, sowie die Methoden und Referenzen für die Meldung von Fällen der Unzugänglichkeit angeben.
Wenn eine Website oder App die Vorgaben nicht erfüllt, könnte die zuständige italienische Behörde, also die Agenzia per l’Italia Digitale, den Anbieter zu entsprechenden Nachbesserungen auffordern. Zudem ist bei Nichtbeachtung grundsätzlich auch die Verhängung von Verwaltungsstrafen von bis zu 5 % des Umsatzes möglich.
VI. Fazit
Unternehmen in Italien, die Dienstleistungen für die Öffentlichkeit über Websites oder mobile Anwendungen anbieten und die in den letzten drei Jahren ihrer Tätigkeit einen durchschnittlichen Umsatz von 500 Millionen Euro erzielt haben, müssen besondere Anforderungen im Hinblick auf die Barrierefreiheit ihrer Websites bzw. mobilen Anwendungen beachten. Dies betrifft somit auch große Online-Händler, die entsprechende Umsätze erzielt haben.
Händler mit Websites oder mobilen Applikationen in Deutschland sind davon aber nicht betroffen. Vergleichbare Anforderungen aufgrund der EU-Richtlinie 2019/882 über Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen werden in Deutschland erst im Jahr 2025 in Kraft treten.
Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .
Link kopieren
Als PDF exportieren
Per E-Mail verschicken
Zum Facebook-Account der Kanzlei
Zum Instagram-Account der Kanzlei
0 Kommentare