Irreführende Verpackungsangaben: "Geflügel Salami" mit Schweinespeck unzulässig
Bei der Gestaltung von Produktverpackungen liegt der Fokus darauf, potentielle Kunden zum Kauf des Produkts zu bewegen. Allerdings dürfen Produktbezeichnungen und sonstige Informationen auf der Produktverpackung nicht missverständlich sein und auch keine falschen Erwartungen wecken. Sollte dies doch geschehen, verstoßen Unternehmer möglicherweise gegen das Verbot irreführender Werbung, das bei Lebensmitteln nicht aus dem UWG, sondern aus der EU-Lebensmittelinformationsverordnung folgt - so etwa, wenn ein als "Geflügel Salami" bezeichnetes Produkt daneben auch Schweinespeck enthält.
Inhaltsverzeichnis
- I. Wieso richtet sich die Zulässigkeit von Werbeangaben für Lebensmittel nicht nur nach dem UWG?
- II. Was genau regelt die EU-Lebensmittelinformationsverordnung?
- III. Worum ging es in einem diesbezüglichen Fall des OVG Münster?
- IV. Wie hat das Gericht entschieden?
- V. Wieso reicht ein zusätzlicher erläuternder Hinweis auf der Rückseite der Produktverpackung nicht aus?
- VI. Gilt dies ebenso, wenn auf der Rückseite auch andere wesentliche Informationen sind?
- VII. Fazit
I. Wieso richtet sich die Zulässigkeit von Werbeangaben für Lebensmittel nicht nur nach dem UWG?
Irreführende Angaben in der Werbung, einschließlich etwa auf Produktverpackungen, sind ganz generell nach §§ 5, 5a des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) unlauter und deshalb gemäß § 3 Abs. 1 UWG unzulässig.
Allerdings gehen gemäß § 1 Abs. 2 UWG Vorschriften zur Regelung besonderer Aspekte unlauterer geschäftlicher Handlungen bei der Beurteilung, ob eine unlautere geschäftliche Handlung vorliegt, den Regelungen des UWG ausdrücklich vor, so dass Unternehmer in vielen Bereichen Spezialgesetze im Blick haben müssen, gerade auf EU-Ebene.
Neben vielen anderen Gebieten betrifft dies insbesondere auch die Informationen über Lebensmittel, einschließlich den Angaben auf Produktverpackungen und in der Werbung.
II. Was genau regelt die EU-Lebensmittelinformationsverordnung?
Aus Sicht der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel („EU-Lebensmittelinformationserordnung“) dient die Bereitstellung von Informationen über Lebensmittel einem umfassenden Schutz der Gesundheit und der Interessen der Verbraucher, indem Endverbrauchern dadurch eine Grundlage für eine fundierte Wahl und die sichere Verwendung von Lebensmitteln unter besonderer Berücksichtigung von gesundheitlichen, wirtschaftlichen, umweltbezogenen, sozialen und ethischen Gesichtspunkten geboten wird.
Konkret regelt daher Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der EU-Lebensmittelinformationserordnung, dass Informationen über Lebensmittel nicht irreführend sein dürfen,
"insbesondere in Bezug auf die Eigenschaften des Lebensmittels, insbesondere in Bezug auf Art, Identität, Eigenschaften, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprungsland oder Herkunftsort und Methode der Herstellung oder Erzeugung."
III. Worum ging es in einem diesbezüglichen Fall des OVG Münster?
Die Klägerin in einem Fall des Oberverwaltungserichts Münster (OVG Münster) ist Herstellerin von Fleischerzeugnissen und vertreibt u.a. das Produkt „Geflügel Salami“. Diese Bezeichnung ist auch auf der Vorderseite der Verpackung dieses Produkts deutlich zu erkennen, während auf der Verpackungsrückseite die zusätzliche Angabe „mit Schweinespeck“, sowie das Zutatenverzeichnis mit deutlich kleinerer Schriftgröße zu finden ist. In letzterem ist neben Putenfleisch und weiteren Zutaten auch Schweinespeck aufgelistet.
Die Beklagte in dem Verfahren war eine Lebensmittelüberwachungsbehörde, welche bezüglich der Ware „Geflügel Salami“ einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der EU-Lebensmittelinformationserordnung rügte.
Als Folge erhob die Herstellerin zunächst Klage beim Verwaltungsgericht, um die Zulässigkeit des von ihr vertriebenen Produkts festzustellen, blieb dabei allerdings erfolglos. Anschließend zog die Herstellerin vor das OVG Münster.
IV. Wie hat das Gericht entschieden?
Das OVG Münster sah Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der EU-Lebensmittelinformationsverordnung verletzt (OVG Münster, Beschluss vom 15.08.2022, Az. 9 A 517/20).
Das Gericht führte aus, die Klägerin habe die Annahme der Vorinstanz, die Informationen auf der Verpackung des betreffenden Produktes seien irreführend, nicht schlüssig entkräften können. Die Bezeichnung „Geflügel Salami“ erwecke beim Verbraucher den Eindruck, das Produkt würde ausschließlich Geflügelfleisch und keine Teile von anderen Tierarten enthalten.
Diese Annahme basierte auf Leitsatz Nr. I. 2.11.4 für Fleisch und Fleischerzeugnisse des Deutschen Lebensmittelbuchs, wonach Fleischerzeugnisse (...), in deren Bezeichnung des Lebensmittels auf die Verwendung von Geflügel hingewiesen wird, ausschließlich aus Teilen der Tierarten Huhn und/oder Pute hergestellt werden.
Werden solche Geflügelerzeugnisse hingegen unter Mitverwendung von anderen Tierarten hergestellt, so wird nach Absatz 3 dieses Leitsatzes auf diese Tierart in der Bezeichnung des Lebensmittels hingewiesen.
Die Lebensmittelherstellerin brachte an dieser Stelle hervor, Absatz 3 beziehe sich nur auf Fleisch. Beim Schweinespeck würde es sich allerdings nicht um Skelettmuskulatur und somit nicht um Fleisch handeln. Deswegen sei auch der Leitsatz für Fleisch und Fleischerzeugnisse an dieser Stelle fehl am Platz. Das Gericht sah dies jedoch anders.
V. Wieso reicht ein zusätzlicher erläuternder Hinweis auf der Rückseite der Produktverpackung nicht aus?
Aus Sicht des Gerichts ist die Gestaltung und Positionierung der Angaben auf der Verpackung eines Produkts bei der Einschätzung zu berücksichtigen.
Doch obwohl die Herstellerin auf der Verpackungsrückseite den Zusatz „mit Schweinespeck“ platziert und im Zusatzverzeichnis Schweinespeck explizit aufgeführt hatte, änderte dies nach Ansicht des Gerichts nichts an der Irreführung. Die Verbrauchererwartung werde beim konkreten Produkt maßgeblich durch die Angabe auf der Vorderseite des Produkts („Geflügel Salami“) beeinflusst und der dadurch entstandene falsche Eindruck bezüglich der Eigenschaften des Lebensmittels nicht etwa durch die (kleingedruckten) Angaben auf der Rückseite hinreichend berichtigt.
Für Händler in der Lebensmittelbranche ist es an dieser Stelle insbesondere wichtig zu erkennen, dass durch die Gestaltung der Verpackung eines Produktes und die Art und Weise, wie bestimmte Angaben, etwa über die verwendeten Zutaten, darauf zu erkennen sind, eine falsche Erwartung des Verbrauchers bezüglich der Identität des Lebensmittels entstehen lassen können und die getroffenen Angaben folglich als irreführend eingestuft werden können.
VI. Gilt dies ebenso, wenn auf der Rückseite auch andere wesentliche Informationen sind?
Bei dem Fall stand die Frage im Raum, ob eine potenziell irreführende Angabe auf der Vorderseite einer Produktverpackung ganz grundsätzlich durch zusätzliche Angaben auf der Rückseite berichtigt bzw. präzisiert werden kann.
Besonders angesprochen sind dabei Verpackungen, bei denen auf der Rückseite weitere, für Käufer relevante Informationen zu finden sind, wie etwa Angaben zur Haltbarkeit oder die Füllmenge. Im Falle von solchen Verpackungen sei nach Meinung der Herstellerin davon auszugehen, potenzielle Käufer werden sich die Verpackungsrückseite sicherlich anschauen und die Informationen dort auch zur Kenntnis nehmen.
Nach Ansicht des Gerichts kann diese Frage aber nicht grundsätzlich geklärt werden. Vielmehr hänge ihre Beantwortung stets von den Umständen des konkreten Einzelfalls ab.
VII. Fazit
Letztlich unabhängig davon, ob es um die Verpackungen für Lebensmittel geht oder für andere Produkte:
Wahre und ggf. vollständige Informationen auf der Rückseite eines Produkts bzw. Produktverpackung können missverständliche Angaben auf der Produktvorderseite typischerweise nicht ausgleichen, so dass die Informationen auf der Vorderseite einer Produktverpackung aus Sicht eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers bereits aus sich heraus verständlich sein müssen und nicht irreführend sein dürfen.
Sind Angaben uneindeutig oder besteht die Gefahr, dass potentielle Kunden durch diese Angaben irregeführt werden, besteht ein Irreführungsrisiko für Verbraucher und somit eine Abmahngefahr für Händler.
Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook.
Link kopieren
Als PDF exportieren
Per E-Mail verschicken
Zum Facebook-Account der Kanzlei
Zum Instagram-Account der Kanzlei
0 Kommentare