Schützt Unkenntnis doch vor Strafe? Das LG Berlin zur Bindung von Unterlassungspflichten nach Veräußerung

Schützt Unkenntnis doch vor Strafe?  Das LG Berlin zur Bindung von Unterlassungspflichten nach Veräußerung
von Mag.iur. Johannes Well
03.06.2013 | Lesezeit: 3 min

Ein auf den ersten Blick ungewöhnlich anmutendes Urteil erreicht uns aus Berlin. Denn dort entschied das LG Berlin am 02.04.2012 in der Rechtssache Az.: 52 O 123/11, dass eine von der Vorinhaberin einer Firma abgegebene Unterlassungserklärung die neue Firmeninhaberin nur dann binde, wenn diese von der Unterlassungsverpflichtung Kenntnis gehabt habe.

I. Ausgangslage

Der Rechtsstreit betraf eine Firma, die in ihren AGB als ausschließlichen Gerichtsstand Berlin angegeben hatte. Dafür wurde sie abgemahnt und unterzeichnete im Jahr 2006 eine entsprechende Unterlassungserklärung. In dieser Unterlassungserklärung verpflichtete sich die Firma auch einen Betrag von € 4.000,-- zu zahlen, sofern sie jemals wieder gegen die Verpflichtung verstoßen sollte. Im darauffolgenden Jahr wurde die Firma jedoch verkauft. Und ehe man es sich versah, hatte die neue Inhaberin in ihren AGB wieder als ausschließlichen Gerichtsstand Berlin angegeben. Daraufhin forderte die Unterlassungsgläubigerin die € 4.000,-- Vertragsstrafe ein, deren Zahlung die neue Inhaberin jedoch naturgemäß verweigerte.

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II. Entscheidung des LG Berlin

Das LG Berlin stellte zunächst fest, dass es sich bei dem Verkauf der Firma um eine Firmenfortführung im Sinne des § 25 HGB handele. Deshalb hafte die neue Inhaberin gemäß § 25 Abs. 1 HGB als Rechtsnachfolgerin der Vorinhaberin für die Verbindlichkeiten, die für die Firma eingegangen wurden. Denn, so das LG Berlin und in Anlehnung an den BGH (BGH NJW 1996, 2866):

"...hat sich der frühere Inhaber eines Handelsgeschäfts - wie hier - zur Unterlassung und für den Fall der Zuwiderhandlung zur Zahlung einer Vertragsstrafe verpflichtet, so schuldet derjenige, der das Handelsgeschäft übernimmt und unter der bisherigen Firma fortführt, nicht nur Unterlassung, sondern im Falle einer Zuwiderhandlung auch die versprochene Vertragsstrafe."

Eine Einschränkung machte das LG Berlin jedoch: Der Übernehmende solle nur dann haften, wenn er auch schuldhaft gehandelt habe. Sollte der Übernehmende also im Zuge der Firmenübernahme und -fortführung von der abgegebenen Unterlassungserklärung keine Kenntnis gehabt haben, hafte er dem Unterlassungsgläubiger auch nicht für die vom Vorinhaber vereinbarte Vertragsstrafe.

III. Kommentar

Im ersten Moment klingt die vom LG Berlin judizierte Lösung nicht weiter schlimm, denn wieso sollte derjenige, der bei der Firmenübernahme von einer existenten Abmahnung nichts wusste, für eine spätere Zuwiderhandlung haften. Nun, dem ist jedoch zu entgegnen, dass die Unbilligkeit in der Beweislast verborgen liegt. Denn die Schuldlosigkeit des Übernehmenden muss dieser nämlich selbst nachweisen. Und das wird regelmäßig sehr schwer sein:

Hier war es beispielsweise so, dass die Vorinhaberin zwar nichts von der Unterlassungserklärung gewusst hatte, sie aber nicht ausschließen konnte, dass ein entsprechendes Dokument in den übergebenen Geschäftsunterlagen vorhanden gewesen war. Und damit war es dem Gericht schon nicht mehr möglich die Unkenntnis der Übernehmenden, und damit deren schuldloses Handeln zweifelsfrei anzuerkennen. Denn allein der Umstand, dass die Unterlassungsverpflichtung Bestandteil der übergebenen Geschäftsunterlagen hätte gewesen sein können, begründe die Kenntnis der Übernehmenden und damit auch deren Verschulden.

An diesem Beispiel wird deutlich, wie schwer es ist das eigene Verschulden zu widerlegen. Bei einer Firmenübernahme wird einfach erwartet, dass der Übernehmende bei der Durchsicht der vorhandenen Dokumente sehr viel Sorgfalt walten lässt. Die Behauptung, man habe im Zuge der Übernahme die Unterlassungsverpflichtung einfach übersehen, wird wohl regelmäßig nicht ausreichen um die eigene Unkenntnis (und also Schuldlosigkeit) zu belegen.

IV. Fazit

Auch Abmahnungen und darin vereinbarte Vertragsstrafen gehen mit der Übernahme einer Firma nicht verloren. Vielmehr haftet der Übernehmende auch weiterhin, da die Abmahnung im Zuge einer Firmenfortführung nach § 25 HGB bestehen bleiben kann. Der Übernehmende haftet nur dann nicht, wenn er schuldlos gegen die Forderungen der Abmahnung verstoßen hat. Allerdings wird diese Schuldlosigkeit regelmäßig sehr schwer nachzuweisen sein.

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