Neue EU-Verbraucherkreditrichtlinie: Kauf auf Rechnung im Online-Handel vor dem Aus?

Neue EU-Verbraucherkreditrichtlinie: Kauf auf Rechnung im Online-Handel vor dem Aus?
26.09.2023 | Lesezeit: 7 min

Die EU überarbeitet aktuell die Verbraucherkreditrichtlinie. Hiervon betroffen ist auch der Kauf auf Rechnung, der als Zahlungsmittel bei Online-Händlern und Verbrauchern beliebt ist. Die Abwicklung über Zahlungsdienstleister, die Händler bei Stellung der Rechnungen und Eintreibung der Forderungen unterstützen, werden dadurch deutlich aufwendiger werden, so dass der Rechnungskauf im Online-Handel möglicherweise sogar vor dem Aus steht. Wir beantworten die ersten Fragen zu den Neuerungen und ihren Auswirkungen auf Online-Händler.

I. Wozu gibt es die neue EU-Verbraucherkreditrichtlinie?

Gegenwärtig befindet sich die EU in den Endzügen der Überarbeitung der EU-Verbraucherkreditrichtlinie. Ziel der Überarbeitung ist vor allem, Verbrauchern einen möglichst hohen Standard an Verbraucherschutz im Zusammenhang mit Verbraucherkrediten zu bieten. Der Entwurf der neuen EU-Verbraucherkreditrichtlinie sieht hierzu strenge Regeln für Zahlungsmethoden im Fernabsatz vor, die Verbraucher vor den Risiken insbesondere von solchen Bezahlmethoden schützen sollen, bei denen sie sich übernehmen, d.h. sich überschulden oder in finanzielle Schwierigkeiten kommen könnten.

Der Entwurf enthält u.a. eine Ausweitung der Pflicht von Kreditgebern zu Bonitätsprüfungen. Zum einen sollen die bereits bestehenden Pflichten inhaltlich erweitert, d.h. umfangreicher werden. Zum anderen soll der Anwendungsbereich der EU-Verbraucherkreditrichtlinie ausgeweitet werden, so dass künftig mehr Arten von Krediten von ihr erfasst werden.

II. Sind Rechnungskäufe überhaupt Kredite in diesem Sinne?

Ja, Käufe auf Rechnungen bzw. Rechnungskäufe sind Kredite im Sinne der EU-Verbraucherkreditrichtlinie.

Ein Kreditvertrag im Sinne der aktuell geltenden Richtlinie 2008/48/EG über Verbraucherkreditverträge ist ein Vertrag, bei dem ein Kreditgeber einem Verbraucher einen Kredit in Form

  • eines Zahlungsaufschubs,
  • eines Darlehens oder
  • einer sonstigen ähnlichen Finanzierungshilfe

gewährt oder zu gewähren verspricht.

Das deutsche bürgerliche Gesetzbuch (BGB) sieht bei gegenseitigen Verträgen wie Kaufverträgen grundsätzlich vor, dass die Leistung des Verkäufers (Übergabe und Übereignung des Kaufgegenstandes) und die Gegenleistung des Käufers (Zahlung des Kaufpreises) Zug-um-Zug ausgetauscht werden, also zum selben Zeitpunkt. Stellt der Verkäufer dem Käufer somit eine Rechnung und gewährt er darin dem Käufer, den Betrag erst zu einem späteren Zeitpunkt, etwa in 30 Tagen, zu bezahlen, ist dies ein zinsloser Kredit, wenn der Käufer bei Einhaltung des Zahlungsziels keine Zinsen zahlen muss.

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III. Was gilt bei Rechnungskäufen bislang?

Käufe auf Rechnung werden vom Anwendungsbereich der aktuell noch geltenden Verbraucherkreditrichtlinie (Richtlinie 2008/48/EG über Verbraucherkreditverträge) in der Regel - zumindest im Ergebnis - nicht erfasst, sodass Rechnungssteller bei Stellung von Rechnungen auch keine besonderen Pflichten (wie z.B. Pflichten zu Bonitätsprüfungen oder spezifische Informationspflichten) nach der Verbraucherkreditrichtlinie zu beachten haben.

Hintergrund ist, dass vom Anwendungsbereich der Verbraucherkreditrichtlinie aktuell nach deren Art. 2 ausgenommen sind:

  • Kreditverträge, bei denen der Gesamtkreditbetrag weniger als 200 EUR oder mehr als 75 000 EUR beträgt (Buchst. c) und
  • zins- und gebührenfreie Kreditverträge und Kreditverträge, nach denen der Kredit binnen drei Monaten zurückzuzahlen ist und bei denen nur geringe Kosten anfallen (Buchst. f).

IV. Was soll sich bei Rechnungskäufen künftig ändern?

Nach dem Entwurf für die neue Verbraucherkreditrichtlinie soll sich dies nun ändern: Demnach soll zum einen die untere Grenze des Anwendungsbereichs bei Beiträgen von EUR 200 entfallen, so dass künftig bereits Kredite ab einer Höhe von 1 Cent erfasst werden. Zum anderen soll nach dem Entwurf - neben anderen Konstellationen, die für den Kauf auf Rechnung nicht weiter relevant sind - ein Kredit nur dann vom Anwendungsbereich der Verbraucherkreditrichtlinie ausgenommen sein, wenn bei aufgeschobenen Zahlungen:

  • ein Lieferant von Waren oder ein Erbringer von Dienstleistungen, ohne dass ein Dritter einen Kredit anbietet, dem Verbraucher eine Frist für die Bezahlung der von diesem Lieferanten oder Erbringer gelieferten Waren oder erbrachten Dienstleistungen einräumt,
  • der Kaufpreis zins- und gebührenfrei zu zahlen ist und dem Verbraucher nur begrenzte Gebühren für verspätete Zahlungen gemäß den nationalen Rechtsvorschriften auferlegt werden, und
  • die Zahlung vollständig innerhalb von 50 Tagen nach Lieferung der Ware oder Dienstleistung zu leisten ist.

Auf den ersten Blick liest sich dies so, als seien Rechnungskäufe auch künftig vom Anwendungsbereich der Verbraucherkreditrichtlinie ausgenommen, wenn etwa beim Verkauf von Waren für eine spätere Zahlung innerhalb von 50 Tagen nach der Warenlieferung keine Zinsen oder sonstigen Gebühren verlangt werden.

Allerdings ist ausdrückliche Voraussetzung der Ausnahme des Rechnungskaufs vom Anwendungsbereich der Verbraucherkreditrichtlnie, dass kein Dritter in diesem Zusammenhang einen Kredit anbietet. Dies bedeutet im Ergebnis, dass Rechnungskäufe nur dann ausgenommen sind, wenn der Rechnungskauf durch Online-Händler selbst abgewickelt wird, also nicht etwa mit Zahlungsanbietern wie Klarna Rechnungskauf oder Paypal durchgeführt wird. Bei Einschaltung von Zahlungsdienstleistern im Zusammenhang mit der Abwicklung von Rechnungskäufen gilt diese Ausnahme ausdrücklich nicht, so dass Online-Händler in diesen Fällen die erweiterten Pflichten der neuen EU-Verbraucherkreditrechtlinie beachten müssen.

V. Welche Besonderheiten sollen künftig für größere Unternehmen gelten?

Für größere Unternehmen, die keine Kleinstunternehmen oder kleinen oder mittleren Unternehmen (KMU) im Sinne der unionsrechtlichen Empfehlung 2003/361/EG sind, sollen nach der neuen EU-Verbraucherkreditrichtlinie künftig zudem zusätzliche Besonderheiten gelten.

Im Falle von Zahlungsaufschüben, die von Warenlieferanten oder Dienstleistungserbringern im Rahmen eines Vertriebs ihrer Waren und Dienstleistungen im Fernabsatzhandel via Webshops angeboten werden, die keine solchen KMU sind, sollen Kredit - und damit auch Käufe auf Rechnung - nur dann vom Anwendungsbereich der neuen EU-Verbraucherkreditrichtlinie ausgenommen sein, wenn:

  • ein Dritter (z.B. ein Zahlungsdienstleister) den Kredit weder anbietet noch kauft,
  • die Zahlung innerhalb von 14 Tagen nach der Lieferung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen erfolgt und
  • der Kaufpreis vom Verbraucher zins- und gebührenfrei zu zahlen ist und der Verbraucher nur begrenzte Gebühren für verspätete Zahlungen (Säumnis) zu entrichten hat, die in Übereinstimmung mit den nationalen Rechtsvorschriften erhoben werden.

Nur wenn diese Voraussetzungen kumulativ vorliegen, sollen demnach auch größere Unternehmen Verbrauchern künftig im Zusammenhang mit dem Absatz von Waren und Dienstleistungen im Online-Handel via Webshops Kredite, einschließlich Käufe auf Rechnung, anbieten dürfen, ohne die umfangreichen Pflichten aus der Verbraucherkreditrichtlinie beachten zu müssen.

VI. Welche Pflichten sind beim Rechnungskauf geplant?

Der Entwurf der neuen Verbraucherkreditrichtlinie enthält u.a. folgende Pflichten für Online-Händler, deren Verkäufe auf Rechnung vom Anwendungsbereich erfasst werden:

  • erweiterte und strengere vorvertraglicher Informationspflichten
  • Informationspflichten bereits für die Werbung für Kredite, die somit bereits bei der Darstellung der allgemeinen Zahlungsbedingungen zu beachten sein werden
  • umfangreichere Bonitätsprüfungen bereits vor Abschluss eines Kreditvertrags, d.h. vor Auswahl des Kaufs auf Rechnung als Zahlungsart

Dies ist keine vollständige Aufzählung, sondern nur ein Überblick über einige der Pflichten, die künftig gelten sollen.

VII. Welche Herausforderungen kommen nun auf Online-Händler zu?

Für kleinere und größere Online-Händler bedeuten die von der EU geplanten Neuerungen große Herausforderungen. Der bei vielen Verbrauchern immer beliebteren Form der Zahlung via Rechnungskauf droht mangels Praktikabilität das Aus.

Wenn Online-Händler nicht vom Anwendungsbereich der neuen Verbraucherrichtlinie erfasst werden wollen, dürfen sie beim Rechnungskauf künftig nicht auf Zahlungsdienstleister wie Klarna und Paypal zurückgreifen. In diesem Fall müssten sich Händler also eigenständig um die Rechnungsstellung und Forderungseintreibung kümmern. Auch müssten sie auf viel Liquidität verzichten, da ihnen die Zahlungsdienstleister den Kaufpreis nicht bereits vorstrecken würden, wie dies heute häufig zwischen Händler und Zahlungsanbieter vereinbart wird.

Greifen Online-Händler künftig weiterhin auf Zahlungsdienstleister zurück, um die Zahlungsart "Kauf auf Rechnung" anzubieten, müssen Sie im Vergleich zu heute viele neue Pflichten beachten, was ebenso mit Aufwand und Kosten verbunden ist. Möglicherweise werden die Zahlungsdienstleister die Online-Händler bei der Erfüllung der Pflichten unterstützen. Allerdings wird dies ebenso seinen Preis habe; die Zahlungsart wird für Händler aus wirtschaftlicher Sicht daher viel unattraktiver werden.

VIII. Wann werden die neuen Regelungen gelten?

Aktuell befindet sich die EU-Verbraucherkreditrichtlinie noch im EU-Gesetzgebungsprozess. Wann genau die Richtlinie in Kraft treten wird, steht erst fest, wenn der Gesetzgebungsprozess abgeschlossen ist.

Der aktuelle Entwurf sieht allerdings vor, dass den EU-Mitgliedstaaten 24 Monate für die Umsetzung der Regelungen in die nationalen Gesetze verbleiben soll, welche ab einem Zeitraum von drei Jahren nach Inkrafttreten der neuen EU-Verbraucherkreditrichtlinie angewendet werden sollen. Daher ist mit der Geltung der neuen Vorschriften aktuell wohl für das Jahr 2026 zu rechnen.

IX. Das Wichtigste in Kürze

  • Die EU wird voraussichtlich noch in 2023 eine neue EU-Verbraucherkreditrichtlinie verabschieden, die die bisherigen Regelungen zu Verbraucherkrediten zur Erhöhung des Verbraucherschutzes vor Überschuldung verschärfen sollen.
  • Zwar wird beim Verkauf von Waren an Verbraucher die beliebte Zahlungsart "Rechnungskauf" dann auch weiterhin erlaubt sein.
  • Bei Einbindung von Zahlungsdienstleistern zur Abwicklung von Rechnungskäufen wie Klarna oder Paypal werden jedoch zusätzliche Pflichten auf Online-Händler zukommen.

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