EU-Spirituosenrecht: Wann darf Rum als Rum bezeichnet werden?

Das Reinheitsgebot für Bier dürfte für nahezu jedermann geläufig sein, aber welche Anforderungen gilt es bei anderen alkoholischen Erzeugnissen zu beachten? Was gilt zum Beispiel für Rum, bei dem unweigerlich Assoziationen zu Zuckerrohrplantagen in Übersee aufkommen dürften? Auch für den Rum müssen nicht nur geschmackliche, sondern auch rechtliche Vorgaben erfüllt werden. Wie so oft müssen sich Produzenten und Händler auch bzw. gerade bei Genussmitteln u.a. die Frage stellen, ob eine Irreführungsgefahr für Verbraucher besteht. Aufschluss gibt zwar die europäische „Spirituosen-Verordnung“, gleichwohl bleiben für Rechtsunkundige oft offene Fragen angesichts der Vielzahl an Regelungen, die allein in dieser Verordnung auf insgesamt 39 Seiten ausgeführt werden und damit nur Alkoholika betreffen, deren Alkoholgehalt mindestens 15 % vol beträgt. Dieser Beitrag soll daher eine kleine Einführung zum Thema Rum-Herstellung/Vermarktung geben und beleuchtet die klassischen Problemfelder.
Inhaltsverzeichnis
1. Problemstellung
Genussmittelhersteller, aber auch Anbieter von Genussmitteln sehen sich häufig einer Vielzahl von Regelungen gegenübergestellt, die oftmals nicht auf den ersten Blick zu durchdringen sind. Nicht nur technische Verfahrensanforderungen müssen beachtet werden, auch den Verbraucher- und Wettbewerberschutz gilt es zu wahren. Dabei rücken immer mehr europäische Regelungen in den Vordergrund. Gleichzeitig steigt der Konkurrenzdruck - gerade im Online-Geschäft und besonders, wenn das sog. Geoblocking verboten wird. Innovative Verfahrenstechniken und schlagkräftige Werbeaussagen erleichtern sicherlich das Geschäft. Gleichzeitig bringt die fortschreitende Globalisierung des Handels zahlreiche Herausforderungen mit sich, gerade was Qualitätsstandards anbelangt.
So stellt sich beispielsweise die Frage, ob die gerade für Cocktails beliebte und im Volksmund als „Stroh Rum“ bezeichnete Spirituose aus Österreich nach europäischem Recht überhaupt ein „Rum“ ist und als solcher vermarktet werden darf. Geregelt wird dies in der im folgenden Abschnitt dezidierter dargestellten „Spirituosen-Verordnung“ (im Folgenden auch nur „VO“ abgekürzt) des europäischen Parlaments und des Rates aus dem Jahr 2008 – genauer EG Nr. 110/2008 zur Begriffsbestimmung, Bezeichnung, Aufmachung und Etikettierung von Spirituosen sowie zum Schutz geografischer Angaben für Spirituosen (…).
2. Rechtliches
Die Nichtbeachtung der Vorschriften nach der sog. Spirituosen-Verordnung kann Abmahnungen nach dem UWG nach sich ziehen. Doch was heißt das konkret? Am Beispiel des sog. Stroh-Rums zeigt sich anhand von Art. 9 im Zusammenhang mit Abschnitt II der besagten Verordnung folgendes Bild: Bei den Spirituosen der Marke „Stroh“, insbesondere „Stroh 40“ bzw. „Stroh 80“, handelt es sich nicht um (echten) Rum im Sinne der Verordnung, sodass eine Vermarktung und Bewerbung als Rum unzulässig ist. In Art. 9 Abs. 1 der VO heißt es:
"Spirituosen, die den Spezifikationen für die Erzeugnisse der Kategorien 1 bis 46 des Anhangs II entsprechen, führen in der Bezeichnung, Aufmachung und Etikettierung die darin vorgesehenen Verkehrsbezeichnungen."
Nr. 14 des Anhangs I der VO definiert Bezeichnungen wiederrum als „Begriffe, die für ein Getränk in der Etikettierung, Aufmachung und auf der Verpackung, in den Begleitpapieren beim Transport eines Getränks, in den Geschäftspapieren, insbesondere den Rechnungen und Lieferscheinen, sowie in der Werbung dafür verwendet werden“. Kurz gesagt: Nur wo Rum drin ist, darf auch Rum drauf stehen.
In Kategorie 1 des Anhangs II der VO wird echter Rum schließlich wie folgt definiert:
"Rum ist eine Spirituose, die ausschließlich durch alkoholische Gärung und Destillation von aus der Herstellung von Rohrzucker stammender Melasse oder Sirup oder vom Saft des Zuckerrohrs selbst gewonnen und zu weniger als 96 % vol so destilliert wird, dass das Destillat in wahrnehmbarem Maße die besonderen sensorischen Eigenschaften von Rum aufweist (…)."
Eine Verbindung mit den in Anhang III der Verordnung eingetragenen geografischen Angaben der französischen überseeischen Departments und der Autonomen Region Madeira ist möglich. Zwar existiert für aus Österreich stammende Spirituosen durchaus die Möglichkeit der Bezeichnung als „Inländerrum“, allerdings entspricht dieser nicht den Reinheitsvorgaben der Kategorie 1 aus Anhang II der VO. Für echten Rum wird jedoch u.a. verlangt, dass Rum nicht aromatisiert werden darf und einen Mindestalkoholgehalt von 37,5 % vol. aufweisen muss. Schon aufgrund der zugefügten Aromen und Essenzen ist der „Stroh“ jedoch kein Rum und darf daher nicht als solcher vermarktet werden. Andernfalls stünde er auch wie beispielsweise der „Rhum de la Martinique“ im Katalog der Kategorie 1 zu Anhang III der Verordnung. Somit gilt für den „Stroh“ Art. 9 Abs. 2 der VO, der besagt, dass die im vorliegenden Beispielsfall einzig korrekte Bezeichnung schlicht „Spirituose“ wäre und nicht mit dem Zusatz Rum verbunden werden darf:
"Spirituosen, die der Begriffsbestimmung des Artikels 2 entsprechen, sich aber nicht in die Kategorien 1 bis 46 des Anhangs II einordnen lassen, führen in der Bezeichnung, Aufmachung und Etikettierung die Verkehrsbezeichnung ,Spirituose‘."
3. Fazit
Genussmittel unterliegen heutzutage mehr denn je strengen Reglementierungen, die nicht nur Hersteller, sondern auch Händler vor Herausforderungen stellen. Werbung mit Gütesiegeln und Verweisen auf heimische Produktion o.ä. mögen zwar in vielen Fällen das Geschäft ankurbeln können, doch dürfen Verkehrsbezeichnungen nach der „Spirituosen-Verordnung“ weder ersetzt noch geändert werden und schon eine Einstellung eines Produkts in einer falschen Kategorie im Online-Shop kann abgemahnt werden.
So können auch beispielsweise inlandsbezogene Bezeichnungen verknüpft mit dem Wort Rum schnell zum Bumerang werden, wenn nämlich – wie im Fall des fälschlicherweise als „Rum“ bezeichneten „Strohs 40“ beispielsweise – bestimmte, z.B. an eine Herkunftsregion anknüpfende Verbrauchererwartungen nicht erfüllt werden. Eine fachkundige Beratung im Vorfeld ist insbesondere für die rechtssichere Gestaltung von Online-Angeboten hilfreich und wichtig, um kostspielige Abmahnungen zu vermeiden, denn nicht nur das EU-Spirituosenrecht kann eine Rolle spielen, sondern auch nationale Regelungen (§§ 126, 127 MarkenG) .
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