Rechtsgrundlagen bei der IT-Beschaffung der öffentlichen Hand

20.12.2006, 00:00 Uhr | Lesezeit: 5 min
Rechtsgrundlagen bei der IT-Beschaffung der öffentlichen Hand

Mehr als 30 Mrd. Euro per anno investiert die öffentliche Hand in Deutschland in ihre Informations- und Kommunikationstechnik. Trotz knapper Kassen wachsen die entsprechenden Budgets jährlich, da die öffentlichen Einrichtungen nur mittels Automatisierung ihrer Prozesse die gestiegenen Erwartungen ihrer Kunden bei gleichzeitigem massiven Personalabbau erfüllen können.

Im Rahmen der Umsetzung zahlreicher e-Government-Initiativen bei Bund, Ländern und Kommunen sind bereits etliche Dienstleistungen für Bürger, Wirtschaft und Verwaltung online gestellt worden. Die strategischen Überlegungen sehen die bedarfsorientierte Erweiterung des entsprechenden Dienstleistungsangebotes vor. Daher kommt der Beschaffung von IT-Leistungen im öffentlichen Bereich eine ganz zentrale Bedeutung zu.

Ein- und Verkäufer von IT-Leistungen müssen dabei viele Fähigkeiten besitzen: Sie müssen nicht nur über kaufmännisches Geschick verfügen und mit der rasanten technischen Entwicklung Schritt halten, sondern ihre Tätigkeit ist auch in einen ebenso dynamischen wie komplexen Rechtsrahmen eingebunden. Von vielen Praktikern wird dieser rechtliche Rahmen jedoch weniger als hilfreich, sondern vielmehr als verwirrend, manchmal sogar als ”lästig” empfunden.

Abgesehen davon, dass die einschlägigen Rechtsvorschriften selbstverständlich nicht zur Disposition der Geschäftspartner stehen, ist der Eindruck einer gewissen Unübersichtlichkeit der Rechtsmaterie nicht von der Hand zu weisen. Umso wichtiger ist es, den roten Faden zu knüpfen, der die aus unterschiedlichen Rechtsbereichen stammenden Vorschriften miteinander verbindet. Ebenso wichtig ist es aber, weniger relevante Regelungen abzuschichten und den Blick der Praktiker auf die wesentlichen Vorschriften zu lenken.

Auch beim Einkauf von IT-Leistungen steht das Vergaberecht im engeren Sinne im Zentrum. Aufgrund der Komplexität vieler IT-Projekte und der Heterogenität der denkbaren Leistungen werden dabei alle Facetten des Vergaberechts tangiert. So findet z. B. auf den Einkauf von Hard- und Software oder technischem Support die Verdingungsordnung für Leistungen (VOL) Anwendung. Wird dagegen ein Auftrag für eine Systemprogrammierung an ein freiberuflich tätiges Software + Ingenieurbüro vergeben und überschreitet der geschätzte Auftragswert einen bestimmten Schwellenwert, kann die Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) maßgeblich sein. Werden Verkabelungsleistungen für ein IT-Netzwerk benötigt, ist die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) einschlägig. Da das Spektrum der Beschaffungen zudem von kleinvolumigen Maßnahmen (z. B. Ersatzbeschaffung von Druckerpatronen) bis zur Vergabe von IT-Projekten in Millio-nenhöhe reichen kann, sind sowohl die nationalen wie auch die europäischen und internationalen Regelungen relevant. Bei großvolumigen Projekten muss zudem mit einer Nachprüfung der Vergabeverfahren durch die Vergabekammern bzw. Vergabesenate gerechnet werden (GWB und VgV).

Allerdings hieße es zu kurz springen, wenn man die Materie auf das Vergaberecht im engeren Sinne reduzieren würde. Denn ebenso unerlässlich wie die Kenntnis der Vorschriften über das Vergabeverfahren ist die optimale Gestaltung der Vertragsinhalte. Bereits in den Ausschreibungsunterlagen müssen nicht nur Art und Umfang der Leistung möglichst exakt fixiert, sondern auch Regelungen zur Vergütung, zu evtl. Leistungsstörungen, Schutzrechtsverletzungen und sonstigen Haftungsfragen getroffen werden. Für den Einkauf von IT-Leistungen bietet es sich daher an, die allgemeinen gesetzlichen Regelungen des BGB und HGB sowie die obligatorisch zu vereinbarenden Vertragsbedingungen der VOL/B durch die Ergänzenden Vertragsbedingungen für die Beschaffung von IT-Leistungen (EVB-IT) zu konkretisieren. Diese stellen Allgemeine Geschäftsbedingungen i. S. d. BGB dar und sind zwischen öffentlicher Hand und Wirtschaft abgestimmt. Das breite Spektrum in Frage kommender IT-Leistungen spiegelt sich in einem ebenso breiten Vertragsset wider. So wurden für die jeweiligen Vertragstypen entsprechende Ver-tragsbedingungen vereinbart (z. B. EVB-Kauf, -Dienstleistung, -Überlassung, -Pflege, -Instandhaltung;). Weitere Vertragstypen sind in Vorbereitung. Durch die Wahl der richtigen (ggf. auch additiven) Vertragsbedingungen soll die optimale projektbezogene Gestaltung der Verdingungsunterlagen ermöglicht werden.

Vergabe- und Vertragsrecht bilden zwar den Mittelpunkt des Vorschriftennetzes, daneben finden bei einer IT-Beschaffung jedoch eine Reihe weiterer Rechtsvorschrif-ten Anwendung. Die haushaltsrechtlichen Vorschriften des Bundes (BHO), der Länder (LHO) und der Gemeinden (GHO) sind nicht nur für die Frage von Bedeutung, ob für die beabsichtigte Beschaffung ausreichend Haushaltsmittel zur Verfügung stehen, sondern sie enthalten z. B. auch Regelungen hinsichtlich der Zulässigkeit von Vorauszahlungen, Vertragsänderungen und der Veränderung von Ansprüchen (z. B. Stundung, Erlass).

Das Preisrecht für öffentliche Aufträge (VOPR 30/53) sieht den Vorrang von Marktpreisen gegenüber Selbstkostenpreisen sowie von Festpreisen gegenüber gleitenden Preisen vor. Bei der Vereinbarung von Selbstkostenpreisen kann es zu förmlichen Prüfungen staatlicher Preisbehörden kommen, in deren Zuge die betroffenen Unternehmen zur Offenlegung ihrer Kalkulationsgrundlagen verpflichtet sind. Dieses auf Unternehmensseite wenig bekannte Verfahren kann zu Preiskürzungen führen.

Gerade bei IT-Beschaffungen sind darüber hinaus auch die gesetzlichen Bestimmungen über den Datenschutz zu beachten. Außerdem können bei IT-Projekten die Mitbestimmungsrechte der Personalräte nach den Personalvertretungsgesetzen tangiert sein.

Unterhalb der gesetzlichen Ebene gibt es noch eine Vielzahl von Verwaltungsvorschriften und –richtlinien, die auf die Beschaffungstätigkeit einwirken. Genannt seien hier nur die Regelungen zur Bevorzugung von Bietern aus sozialen Gründen (Behinderung, Ausbildung, Gleichstellung etc.) oder zur Berücksichtigung von Umweltbelangen. Letztlich sind gerade bei öffentlichen Aufträgen auch die Regelungen zur Korruptionsprävention von besonderer Bedeutung. Um Korruptionsgefahren wirksam vorzubeugen, sind dort organisatorische Maßnahmen (z. B. Mehr-Augen-Prinzip, Trennung von Planung, Vergabe und Abrechnung) und vergaberechtliche Sachverhalte (z. B. Vorrang der Öffentlichen Ausschreibung, Wettbewerbsausschluss von ”auffälligen” Unternehmen, Aufnahme von Antikorruptionsklauseln in die Verträge) geregelt.

Diese gewiss noch nicht abschließende Darstellung der bei einer IT-Beschaffung einschlägigen Regelungen zeigt, wie anspruchsvoll und interessant zugleich die Tätigkeit eines Ein- und Verkäufers in diesem Bereich ist.

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Bildquelle:
designritter / PIXELIO

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