Urheberrechtliche Einordnung der aktuellen Madonna-Single, die sich Samples der Kultband Abba bedient
Der Beitrag zeigt den aktuellen Meinungsstand bezüglich des Problems auf, ob ein "Sample" im urheberrechtlichen Sinne schutzwürdig ist.
Inhaltsverzeichnis
I. Einführung und Problemstellung
Die musikalische Neuverarbeitung konservierter Töne, das sog. „Sampling“, stellt heute nichts mehr Außergewöhnliches dar, sondern gehört praktisch schon zum Standardrepertoire eines jeden „Hitproduzenten“. So macht sich gerade im Musikgeschäft seit den 90er Jahren die starke Tendenz bemerkbar, dass immer häufiger Me-lodieelemente vergangener Popgrößen recycelt werden –zu Lasten natürlich der Originalität. Als aktuelles Beispiel sei nur die „Queen of Pop“ (Madonna) genannt, die erst kürzlich der Kultband „ABBA“ ein Sample aus dem Hit „Gimme Gimme Gimme“ für ihre neue Single „Hung Up“ abluchste –was übrigens zuvor auf legaler Weise nur noch den Fugees im Jahre 1996 gelungen war. Dennoch, auch wenn das Samplen heute zum Musikalltag zu gehören scheint (dies übrigens zum Leidwesen des Verfassers dieses Artikels), ist es natürlich nicht jedermann gestattet, sich unbekümmert des gigantischen Musikfundus der letzten Jahrzehnte für eigene Zwecke zu bedienen. So präsentierte uns ein Mandant erst kürzlich seine neue (für gewerbliche Zwecke konzipierte) Website, die optisch zwar durchaus ansprechend war, jedoch sich zur Musikuntermalung eines Hits von „Cat Stevens“ bediente – nur naheliegend, dass wir uns sofort nach der entsprechenden Rechteinräumung erkundigten. Wir ernteten Verblüffung
II. Was ist überhaupt ein "Sample"?
Ein "Sample" ist ein Ausschnitt einer (Musik-)aufnahme, der in einem anderen musikalischen Kontext wiederverwendet wird. Ermöglicht wurde dessen Erstellung insbesondere durch Computer, mit derer Hilfe man Geräusche beliebiger Art und Länge aufnehmen kann, um sie dann anschließend in binäre Zahlen, also elektronische Daten umzuwandeln. Den Verwendungsmöglichkeiten der so gewonnnen Daten sind in künstlerischer Hinsicht keine Grenzen gesetzt. Samples können aneinander "geklebt" und so zu einer Schleife verbunden werden (Loop). Sie können verändert, geschnitten und in beliebigen Geschwindigkeiten oder Höheneinstellungen wiedergegeben werden.
III. Sind "Samples" im urheberrechtlichen Sinne überhaupt schutzfähig?
1. Das deutsche Urheberrecht
Das Urheberrecht ist in Deutschland im Urhebergesetz (unter www.it-recht-kanzlei.de abrufbar) geregelt und schützt jedes Werk, das als persönliche geistige Schöpfung eingestuft werden kann (vgl. § 2 II UrhG) . Nur der Urheber dieses Werks ist in der Regel berechtigt zu bestimmen, ob und in welchem Maße seine „Schöpfung“ verwertet bzw. veröffentlich werden soll. Ein völlig banales „Werk“ (etwa reine „Drum-Samples“) wird dagegen nicht geschützt. Nur, wann ist ein Werk banal und wann verdient es urheberrechtlichen Schutz? Die Grenze ist hierbei nur schwierig zu ziehen – der Übergang praktisch fließend. Jedenfalls gilt generell, dass nur dann künstlerische Leistungen geschützt werden, wenn diese auch eine gewisse Originalität und Kreativität, also eine "Werkstiefe“ auszeichnet. Anzumerken sei auch, dass das Urheberrecht kein Registerrecht darstellt , d.h., dass es für den urheberrechtlichen Schutz nach deutschem Recht keiner besonderen Förmlichkeit (also etwa einer Registrierung oder einer Anmeldung) bedarf. Insbesondere auch ein Copyright-Vermerk kommt hinsichtlich der Entstehung des Urheberrechts keine Bedeutung zu. Das Urheberrechts entsteht vielmehr immer mit der Schöpfung des Werkes und besteht grundsätzlich nur während der Lebenszeit des Urhebers und einer gewissen Zeit nach seinem Tode. Nach Ablauf dieser Frist ist das Werk dann „gemeinfrei.
2. Zur Schutzfähigkeit von „Samples“
Vielfach werden „Samples“ mit Zustimmung der Rechteinhaber erstellt (s. obiges Beispiel „Madonna“). Nur, dies ist nicht immer der Fall. So verwandten beispielsweise die Band "The Verve", die Klangelemente des Songklassikers "The Last Time" der Rolling Stones für ihren eigenen Song "Bittersweet Symphony" –ohne jedoch sich zuvor den entsprechenden Rechten versichert zu haben. Könnten sich nun die "Rolling Stones" nach deutschem Urheberrecht gegen die Übernahme einzelner Melodieteile („Licks“) erfolgreich zur Wehr setzen? Eine wirklich klare, allgemeingültige Antwort kann leider noch nicht gegeben werden - dies gerade vor dem Hintergrund, dass erst ein Urteil eines Oberlandesgerichts (neben mehreren Dissertationen und Aufsätzen) existiert, welches sich mit der Besonderheit des "Samples" auseinandersetzt (vgl. Urteil des Oberlandesgericht Hamburg, ZUM 1991, 545). Ausgangspunkt ist aber jedenfalls der, dass sich die Schutzfähigkeit eines Samples erst dann ergibt, wenn das Sample als ein sog. "geschütztes Werk" i.S.d. § 2 UrhG eingestuft werden kann Ein Werk erfordert dabei immer eine Schöpfung, die einen geistigen Gehalt aufweist, eine Formgebung erfahren hat und in der die Individualität des Schöpfers zum Ausdruck gelangt.
Insoweit ist bei "Samples" zu differenzieren:
- Gesampelte Melodien: Einigkeit herrscht jedenfalls insoweit, als bei Musik regelmäßig nur die Melodie als schützenswert i.S.d. § 2 UrhG erachtet wird. Nur in diesem Fall sei die erforderliche Schöpfungshöhe (beachte auch die sog. "kleine Münze") und die damit verbundene individuelle Prägung erreicht.
- Sonstige „Samples“ (wie etwa lediglich Melodieelemente, oder Teile sonstigen Sounds ): Einzelne Melodieteile („Licks“), Töne, Klänge, Bassläufe oder etwa Schlagzeugfiguren können dagegen nach herrschender Ansicht nicht urheberrechtlich geschützt sein. Hier stehe die rein handwerkliche Tätigkeit im Vordergrund, die keine individuelle Eigenart aufweise. Zudem handele es sich bei einzelnen Tönen oder auch Klän-gen um sog. „gemeinfreie Elemente“, die der Allgemeinheit frei zur Verfügung stehen müssten, um das Schaffen anderer nicht zu erschweren. Folgt man dieser Ansicht, ist das „Sampling“ fremder Musikstücke jedenfalls dann erlaubt, wenn es sich nicht um das Abkupfern ganzer Melodien handelt. Anzumerken bleibt aber, dass die Ab-grenzung Melodie bis zum bloßen Melodienteil schwierig zu ziehen sein wird. Es gibt allerdings auch Gegenstimmen, die auch den Begleitsound und Soundfiguren als Werk i.S. § 2 Abs. 2 UrhG einstufen. Schließlich liege ja gerade in deren schöpferischen Kreierung die eigentlich anzuerkennende Leistung – dies auch vor dem Hintergrund, dass sich heutzutage Melodien kaum noch voneinander unterscheiden würden. Dies müsse zumindest dann gelten, wenn den betroffenen Soundelementen ein gewisse Originalität nicht abzusprechen sei. Danach wäre also das unerlaubte „Sampling“ zumindest „markanten Sounds“ als eine Vervielfältigung i.S.d. § 16 UrhG einzuordnen und damit der Zustimmungspflicht des Urhebers unterfallen.
Fazit
In der Regel sind Melodien als urheberrechtlich geschützt anzusehen. Anders kann es dagegen bei einzelnen Tönen, kurzen Tonfolgen ( etwa bei „Drumloops“) oder einzelnen Akkorden aussehen. Diese sind nicht schutzfähig. IV. Was hat man beim Gebrauch geschützter „Samples“ zu beachten? 1. Meist sind mehrere „Schöpfer“ an dem Ursprungswerk beteiligt Das deutsche Urheberrecht belohnt und schützt die schöpferische Tätigkeit des Urhebers, der ein neues Werk hervorbringt. Gerade aber wenn es um ein populäres aktuelles Musikstück geht, muss man in der Regel von der Beteiligung mehrerer „Schöpfer“ ausgehen. Dies lässt sich gut an dem aktuellen Machwerk der RTL-Sendung „Deutschland sucht den Superstar“ veranschaulichen. So veröffentlichte der Sender erst kürzlich ein Album, auf dem sich gleich mehrere „Superstars“ austoben konnten. Hier könnte etwa die Rechtebeteiligung an dem Werk wie folgt aussehen.
- Die Rechte an den Texten wären den jeweiligen Textern zuzuordnen – wobei in der Regel meist ein Musikverlag die Autorenrecht halten wird.
- Die Rechte an der Komposition könnte der Volksbarden Dieter Bohlen halten – wobei in der Regel meist die Plattenfirma die jeweiligen Rechte halten wird.
- Die Rechte an den Darbietungen und der künstlerischen Gestaltung der Songs käme den jeweiligen Gesangsinterpreten zu.
- Die Rechte an der Aufnahme käme den Tonträgerhersteller zu, also in der Regel der Plattenfirma selbst. etc.etc.
Sog. „Sample Clearing“
Alle diese Rechte (die jedoch zumeist gebündelt von einer Verwertungsgesellschaft vergeben werden können) müssen erworben werden, bevor das gewünschte Sample gebraucht werden darf. Dieser Prozess, der auch „Sample Clearing“ genannt wird, kann heutzutage so teuer werden, dass etwa Gruppen wie De La Soul einfach die ursprünglichen Musiker wieder zusammenkommen und diese die gleiche Stelle nochmals aufnehmen lassen.
3. Erwerb der Lizenz zum Samplen
a. Wertigkeit der Lizenz
Die Wertigkeit der Lizenz zum Samplen“ ist von mehreren Faktoren abhängig, wie z.B.:
- der Berühmtheit des zu interpretierenden Künstler.
- der Bekanntheit bspw. der zu sampelnden Melodie.
- der Art der Verwendung und Verwertung des Samples.
b. Bedeutung der Lizenz
Sicher, es gilt das Prinzip „Wo kein Kläger, da auch kein Richter“. Dementsprechend gibt es immer mal wieder (zumeist unbekanntere) Bands, die sich, ohne die entsprechende Lizenz zu halten, Samples fremder Musiker für ihre eigenen Songs bedienen. Nur, damit wird ein unter Umständen recht hohes finanzielles Risiko eingegangen. So kann es durchaus passieren, dass die jeweilige Band ihrer Einnahmen komplett verlustig geht, wie dies bspw. im Falle der Band „The Verve“ (dazu schon oben) geschehen ist. Diese hatte den absoluten Löwenteil der Gewinne an dem Song „Bitter Sweet Symphony“ an die Rolling Stones abzutreten. Zudem sind, neben der Gewinnherausgabe, weitere Schadensersatzansprüche gegenüber Plagiatoren denkbar.
Tipp: Die entsprechenden Lizenzen sollte man sich ausschließlich schriftlich versichern lassen – dies schon wegen der sonst entstehenden Beweisschwierigkeiten.
V. Eine kleine FAQ im Zusammenhang mit „Samples“
Frage: Erlischt der urheberrechtliche Schutz nach dem Tod des „Schöpfers“?
Antwort: Das Urheberrecht ist nach deutschem Recht zwar nicht veräußerbar, dafür aber vererbbar. Nur wenn keine Erben zu vermitteln sind, kommt es 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers zu einer Löschung der Urheberrechte.
Frage: Zu welchem Zeitpunkt erwirbt der Urheber die Rechte an seiner Melodie?
Antwort: Prinzipiell bereits dann, wenn die Melodie nicht mehr als bloße Idee „existiert“, sondern schon einmal nach außen eine Verkörperung (etwa durch das Auf-schreiben der Tonfolge auf ein Blatt) gefunden hat. Ähnlich ist es übrigens auch mit Text - sobald dieser auf ein Medium niedergelegt ist, kann er bereits urheberrechtlichen Schutz gefunden haben.
Frage: Wenn man die Originalmelodie extrem stark verändert, wäre diese dann immer noch urheberrechtlich geschützt?
Antwort: § 24 UrhG erlaubt die freie Benutzung eines Werks, durch die eine vollkommen neue selbstständige Schöpfung kreiert wird. Diese Norm ist vor dem Hintergrund des allgemein erwünschten Fortschrittes von Kunst und Wissenschaft zu verstehen: So ist man mittlerweile zu der Erkenntnis gelangt, dass nur dann Fortschrift zu erzielen ist, wenn der geistig Schaffende auf den Vorleistungen eines anderen aufbauen kann. Daher setzt § 24 UrhG folgendes voraus:
- Eine reine (und daher auch lizenzpflichtige) Nachahmung liegt vor, wenn die charakteristischen individuellen Züge der Originalmelodie letztlich eins zu eins übernommen worden werden (das sog. „Plagiat“).
- Eine freie (und damit auch nicht lizenzpflichtige) Bearbeitung der Originalmelodie wäre demgegenüber gegeben, wenn die Individualität der Originalmelodie nicht übernommen sondern nur als reine Anregung genutzt wird. Bildlich beschrieben, muss die Individualität des benutzten Werkes in den Hintergrund treten und gegenüber dem neu geschaffen Werk geradezu verblassen.
Frage: Darf ich, ohne Einwilligung des Urhebers, Akkorde eines anderen Musikstücks verwenden? Antwort: Zwar sind auch Akkordfolgen mit Wiedererkennungswert vorstellbar. Jedoch sind in aller Regel Akkordfolgen nicht urheberrechtlich geschützt, da ansonsten gerade Nachwuchsmusikern enge Grenzen gesetzt werden würden – so wäre das Produzieren „neuer Musik“ von einer Vielzahl benötigter Lizenzen abhängig und damit sehr kostspielig. Dies kann aber nicht im Sinne einer fortschrittlich denkenden Gesellschaft sein.
Frage: Sind auch einzelne Töne urheberrechtlich geschützt?
Antwort: Nein, wie schon oben angesprochen setzt das deutsche Urheberrecht eine gewisse „Werksqualität“
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3 Kommentare
Das Transkribieren von Pop-Songs scheitert meistens an den hohen Lizenzgebühren der Musikverlage. So ist es z. B. kaum möglich, für Musikschüler aktuelle Titel gemäß ihrem spielerischen Können zu transkribieren.
Wie sieht es denn mit dem Transkribieren der harmonischen Struktur aktueller Songs aus? Darf ich das Akkord-Schema eines Pop-Songs transkribieren (z. B. mit Akkordsymbolen) und frei von Lizenzen veröffentlichen? Ist hier schon die Schöpfungshöhe erreicht? Ich denke hier z. B. an die vielen Songs mit gleicher Akkordfolge (z. B. Twist & Shout/La Bamba oder die Songs, die auf den bekannten Kadenzen vieler klassischer Werke beruhen). Dies würde doch eigentlich schon ausschließen, dass es so etwas wie Schöpfungshöhe für eine Kadenz gibt, oder sehe ich das falsch?
Ein ähnliches Problem stellt sich beim Transkribieren von Licks oder Riffs. Viele Songs werden gerade anhand dieser Trademark-Licks oder Riffs erkannt (z. B. Smoke on the water, Layla usw.). Nun wird im Internet immer wieder diskutiert, ob z. B. das Abdrucken von Tabs dieser Licks und Riffs (nicht von ganzen Soli, denn da dürfte die Schöpfungshöhe ohne Frage erreicht sein) erlaubt sei oder nicht. Einige berufen sich auf das Zitatrecht, andere widersprechen und sagen, dass ein Tabulatur einen instruktiven Charakter hätte und deshalb deren Abdruck lizenzpflichtig sei. Dem entgegen zu halten wäre wieder, dass ursprünglich die Tabulatur z. B. noch zu Bachs Zeiten die übliche Notation für die Laute und andere Saiteninstrumente war (entgegen der Notation in der heutigen Notenschrift) und sich von der Standard-Notation kaum unterscheidet (für den Kundigen, der sie lesen kann, hat sie auch instruktiven Charakter). Wo ist hier die Grenze zu ziehen? Ich finde das extrem schwierig und finde es vollkommen unbefriedigend, dass es keine absolute Rechtssicherheit diesbezüglich gibt.