Was tun, wenn die Ware an den falschen Kunden geliefert wird?
Fehler kommen in den besten Familien vor: Wegen eines Versehens wird Ware an einen falschen Kunden gesendet. Ein Kunde erhält eine Lieferung, die er nicht bestellt hat. Ein anderer Kunde hat etwas bestellt, bekommt es aber nicht geliefert. Die Unzufriedenheit beider Kunden ist das eine. Doch hat der Händler einen Anspruch darauf, die falsch versendete Ware vom Kunden zurückzufordern?
Inhaltsverzeichnis
- Fehler passieren, auch in der eigenen Versandabteilung
- Zwei unzufriedene Kunden, ein unglücklicher Händler – und wie viele Ansprüche?
- Können Händler Waren, die an den falschen Kunden versendet wurden, von diesen zurückverlangen?
- Gibt es hiervon Ausnahmen für Fälle, in denen Händler die Waren ungewollt an Kunden liefern?
- Was können Händler nun von den falsch belieferten Kunden verlangen?
- Wer geschickt mit dem Kunden kommuniziert, gewinnt!
- Fazit
Fehler passieren, auch in der eigenen Versandabteilung
Zum Glück kommt es nicht häufig vor, aber es passiert: Die richtige Ware ist in der richtigen Versandverpackung samt richtigem Lieferschein- bzw. Rechnung, aber außen wird aus Versehen das falsche Versandetikett angebracht – und die Ware wird an den falschen Kunden geliefert.
Der Besteller geht (zunächst) leer aus, ein anderer Kunde bekommt etwas, das er nicht bestellt hat, findet die Ware aber toll und möchte sie behalten. Raus kommt die Geschichte, wenn der richtige Kunde danach fragt, wann denn endlich seine Lieferung kommt.
Wie können Händler das Problem nun lösen?
Zwei unzufriedene Kunden, ein unglücklicher Händler – und wie viele Ansprüche?
Eines steht fest: Wenn der Händler und der noch nicht belieferte Kunde einen wirksamen Kaufvertrag über den Kauf der falsch gelieferten Ware abgeschlossen haben, hat der Kunde (weiterhin) einen Anspruch auf Lieferung der Ware.
Handelt es sich um eine Gattungsschuld, kann der Händler den Lieferanspruch des Kunden also auch mit einer anderen Ware erfüllen, so muss der den Kunden beliefern, unabhängig davon, ob er die falsch versendete Ware vom anderen Kunden zurückverlangen kann bzw. zurückerhält.
Etwas schwieriger wird es, wenn es um eine Stückschuld geht, etwa beim Verkauf eines Unikats. Auch In diesem Fall hat der nicht belieferte Kunde einen Anspruch auf Lieferung der Ware. Nur kann der Händler den Anspruch erst erfüllen, wenn er die Ware vom anderen Kunden zurückerhält.
So oder so stellt sich die Frage, ob der Händler die Ware von dem falsch belieferten Kunden zurückverlangen kann.
Können Händler Waren, die an den falschen Kunden versendet wurden, von diesen zurückverlangen?
Auf den ersten Blick können Händler die Waren vom falsch belieferten Kunden nicht zurückverlangen.
Grund hierfür ist die Regelung in § 241a Abs. 1 BGB (Unbestellte Leistungen), worin geregelt ist:
"Durch die Lieferung beweglicher Sachen, die nicht auf Grund von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder anderen gerichtlichen Maßnahmen verkauft werden (Waren), oder durch die Erbringung sonstiger Leistungen durch einen Unternehmer an den Verbraucher wird ein Anspruch gegen den Verbraucher nicht begründet, wenn der Verbraucher die Waren oder sonstigen Leistungen nicht bestellt hat."
Demnach wird durch die Lieferung von Waren an Kunden, die diese nicht bestellt haben, anscheinend keinerlei Ansprüche begründet, auch keine Herausgabe- oder sonstigen Rückforderungsansprüche.
Hintergrund der Vorschrift ist, dass Unternehmer ihr Business-Modell nicht danach ausrichten sollen, Kunden ungefragt Waren zuzusenden, um den Eindruck entstehen zu lassen, diese seien bestellt worden und/ oder müssten von den Kunden bezahlt werden. Erfahrungsgemäß würden sich nicht nur wenige Kunden unter Druck gesetzt fühlen, die Waren tatsächlich zu bezahlen, um „nichts falsch zu machen“. Genau das will der Gesetzgeber verhindern.
Gibt es hiervon Ausnahmen für Fälle, in denen Händler die Waren ungewollt an Kunden liefern?
Ja, die gibt es. Der Gesetzgeber hat die Problematik zum Glück gesehen und eine Ausnahme in § 241a Abs. 2 BGB geregelt. Darin heißt es:
"Gesetzliche Ansprüche sind nicht ausgeschlossen, wenn die Leistung nicht für den Empfänger bestimmt war oder in der irrigen Vorstellung einer Bestellung erfolgte und der Empfänger dies erkannt hat oder bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können."
Voraussetzung für das Vorliegen einer solchen Ausnahme ist daher, dass:
1. die Leistung nicht für den Empfänger bestimmt war oder in der irrigen Vorstellung einer Bestellung (dieses Kunden) erfolgte, und
2. der Empfänger dies erkannt hat oder bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können.
In unserem Fall des falsch verklebten Versandetiketts liegen die Voraussetzungen vor. Denn der falsch belieferte Kunde kann durch den auf einen anderen Kunden ausgestellten Lieferschein bzw. die an einen anderen Kunden adressierte Rechnung erkennen, dass die Lieferung nicht für ihn gedacht ist, es sich daher nicht um eine gezielt an ihn gerichtete Lieferung als „unbestellte Ware“ im Sinne des § 241a Abs. 1 BGB handelt.
Was können Händler nun von den falsch belieferten Kunden verlangen?
Händler haben in einem solchen Fall einen Anspruch gegen den falsch belieferten Kunden auf Herausgabe der falsch gelieferten Ware. Je nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles folgt der Anspruch etwa aus § 985 BGB oder aus den Vorschriften des Bereicherungsrechts der §§ 812 ff. BGB.
Dies bedeutet, der Kunde muss die Ware dem Händler zurückgeben – allerdings nicht auf eigene Kosten: Im Ergebnis muss in solchen Fällen der Händler dafür sorgen, und auch die Kosten hierfür tragen, dass er die Ware zurückerhält. Entweder muss der Händler die Ware beim Kunden abholen oder den Rückversand organisieren. Dabei ist nachvollziehbar, wenn der Kunde nicht gerade begeistert darüber ist, die Ware, deren Lieferung er nicht veranlasst hat, ggf. zu einer Paketannahmestelle bringen zu müssen.
Wer geschickt mit dem Kunden kommuniziert, gewinnt!
Entscheidend für das Gelingen eines möglichst schnellen und reibungslosen Rücktransports der Ware ist, dass der Händler geschickt mit dem Kunden kommuniziert und dem Kunden ggf. einen zusätzlichen Anreiz schafft, mit ihm zu kooperieren, wie z.B.:
- Organisation der Abholung der Ware beim Kunden (auf Kosten des Händlers), etwa durch einen Versanddienstleister
- Zusendung eines Gutscheins zum vergünstigten Erwerb von Waren beim Händler, oder auch woanders.
Unseren Mandanten stellen wir zudem eine Musterformulierung zur Verfügung, die sie in der Kommunikation mit dem falsch belieferten Kunden so oder so ähnlich verwenden können.
Das Muster ist hier abrufbar.
Fazit
Das Gesetz unterscheidet zwischen unbestellten Waren, die der Versender ganz bewusst an den Empfänger schickt, um irgendwie mit ihm ins Geschäft zu kommen, und unbestellten Waren, die aufgrund eines Versehens des Versenders völlig ungeplant an den Empfänger gesendet werden.
In einem solchen Fall hat der Versender grundsätzlich einen Anspruch gegen den Empfänger auf Herausgabe der falsch gelieferten Ware. Allerdings muss der Versender die Aufwendungen tragen, die dem Empfänger im Zusammenhang mit der Rückgabe an den Versender entstehen. Dies betrifft insbesondere etwaige Rücksendekosten und sonstige dem Empfänger dadurch entstandene Aufwendungen.
Tipp: Fragen zum Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .
Soho A Studio / shutterstock.com
Link kopieren
Als PDF exportieren
Per E-Mail verschicken
Zum Facebook-Account der Kanzlei
Zum Instagram-Account der Kanzlei
0 Kommentare