Müssen Amazon-Händler das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz beachten?
Zum 19. Januar 2023 sind die neuen Lieferkettenstandards von Amazon in Kraft getreten. Nicht nur direkte Lieferanten von Amazon, sondern auch Händler, die über den Amazon-Marktplatz verkaufen, werden dadurch zur Einhaltung von bestimmten Lieferkettenstandards verpflichtet. Unklar ist vielen Amazon-Händlern, wie sich dies auf sie auswirken kann.
Inhaltsverzeichnis
- I. Neue Lieferkettenstandards von Amazon
- II. Wer muss das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz beachten?
- III. Welche Vorgaben enthält das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz?
- IV. Sind alle Amazon-Händler seit Januar 2023 verpflichtet, das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz einzuhalten?
- V. Sind Amazon-Händler verpflichtet, die Amazon Lieferkettenstandards einzuhalten?
- VI. Wo finden Amazon-Händler mehr Informationen über die Lieferkettenstandards von Amazon?
- VII. Welche Pflichten folgen für Amazon-Händler aus den Lieferkettenstandards von Amazon?
- VIII. Wie erfährt Amazon, ob einzelne Amazon-Händler die Lieferkettenstandards einhalten oder hiergegen verstoßen?
- IX. Welche Sanktionen drohen Händlern bei Verstößen gegen die Lieferkettenstandards von Amazon?
- X. Fazit
I. Neue Lieferkettenstandards von Amazon
Anfang des Jahres hat Amazon Händler, die über den Amazon-Marktplatz Produkte vertreiben, sowie auch Amazon-Kunden per E-Mail und über weitere Kanäle darüber informiert, dass Amazon die eigenen Lieferkettenstandards aktualisiert habe. Amazon wies zudem darauf hin, dass diese ab 19. Januar 2023 in Kraft treten würden und für alle Lieferanten von Waren und Dienstleistungen für Amazon und die Tochtergesellschaften von Amazon, einschließlich Dienstleister, Anbieter, Vertriebspartner, Auftragnehmer und Unterauftragnehmer (von Amazon alle insgesamt als „Lieferanten“ bezeichnet) gelten würden.
Auf den ersten Blick war für viele Händler nicht ersichtlich, wie sich dies auf solche Händler auswirken würde, die ihre Waren und Dienstleistungen über den Amazon-Marktplatz verkaufen. Insbesondere war vielen Amazon-Händlern nicht klar, ob sie nun - direkt oder indirekt - (auch) das neue Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz beachten müssten, das zum 1. Januar 2023 in Deutschland in Kraft getreten ist.
II. Wer muss das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz beachten?
Zum 1. Januar 2023 ist das "Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten" (Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz - LkSG) in Kraft getreten.
Anwendung findet das Gesetz aber zunächst nur auf Unternehmen mit mindestens 3.000 Arbeitnehmern (und ihre Lieferanten), ab 1. Januar 2024 (auch) auf Unternehmen mit mindestens 1.000 Arbeitnehmern (und ihre Lieferanten). Dies gilt jeweils aber nur, wenn diese Unternehmen ihre Hauptverwaltung, Hauptniederlassung bzw. ihren Verwaltungs- oder satzungsmäßigen Sitz in Deutschland haben.
Für viele Händlerinnen und Händler findet das Gesetz somit an sich keine direkte Anwendung, weil sie regelmäßig nicht so viele Arbeitnehmer beschäftigen.
III. Welche Vorgaben enthält das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz?
Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz bezweckt die Schaffung eines rechtlichen Rahmens zum Schutz und auch zur Verbesserung der Umwelt und der Menschen- und Kinderrechte entlang der globalen Lieferketten, also mit weltweitem Fokus.
Insbesondere Unternehmen, die ihre Waren im Ausland (vor-)produzieren (lassen) oder weltweit Rohstoffe beziehen, sollen auch für ihre Lieferanten Verantwortung übernehmen, etwa was die Produktionsstätten und die dortigen Arbeitsbedingungen, den Abbau von Rohstoffen und die Lieferung der Waren anbelangt. Betroffene Unternehmen sollen Missstände in der Lieferkette, also auch bei ihren Lieferanten, in diesen Bereichen von vorneherein ausschließen und auch ständig beobachten bzw. kontrollieren, ihnen also nachgehen und sie abstellen.
Bei Verstößen gegen die Pflichten aus dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz drohen Unternehmen z.B. Bußgelder.
IV. Sind alle Amazon-Händler seit Januar 2023 verpflichtet, das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz einzuhalten?
Nein. Nur solche Amazon-Händler müssen die gesetzlichen Vorgaben des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes beachten, die tatsächlich auch in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen.
Die Anpassungen der Lieferkettenstandards durch Amazon bedeuten nicht, und führen daher auch nicht dazu, dass Amazon diejenigen Händler, die über den Amazon-Marktplatz Waren und Dienstleistungen verkaufen, nun auf vertraglicher Basis dazu verpflichtet, die gesetzlichen Vorgaben des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes einzuhalten. Es bleibt also dabei, dass auch für Amazon-Händler dessen Vorgaben nur dann zu beachten sind, wenn sie in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen.
Auch aus Sicht von Amazon gilt: Wenn geltendes Recht mit den Amazon-Lieferkettenstandards in Konflikt steht, müssten die Lieferanten von Amazon die Gesetze befolgen und gleichzeitig aber Wege finden, um die Grundsätze international anerkannter Menschenrechte und die in den Amazon-Lieferkettenstandards enthaltenen Erwartungen zu respektieren.
V. Sind Amazon-Händler verpflichtet, die Amazon Lieferkettenstandards einzuhalten?
Ja. Nach Angaben von Amazon in seinen nun zum 19. Januar 2023 überarbeiteten „Standards in der Amazon-Lieferkette“ gelten die Lieferkettenstandards in der Amazon-Lieferkette für alle
- Lieferanten von Waren und Dienstleistungen für Amazon und die Tochtergesellschaften von Amazon,
- einschließlich Dienstleister,
- Anbieter,
- Vertriebspartner,
- Auftragnehmer und Unterauftragnehmer.
Amazon bezeichnet diese Gruppen in seinen Lieferkettenstandards einheitlich als „Lieferanten“. Zwar gab es zuletzt noch vereinzelt Verwirrung darüber, ob Händler, die ihre Produkte über den Amazon-Marktplatz vertreiben, auch durch die Lieferkettenstandards adressiert werden, oder ob die Lieferkettenstandards nur für direkte Lieferanten und Partner von Amazon gelten. Aus den verschiedenen Ausführungen von Amazon ergibt sich aber eindeutig, dass auch Amazon-Händler durch diese verpflichtet werden sollen.
Nach den ausdrücklichen Vorgaben von Amazon in seinen Lieferkettenstandards sind Amazon-Händler verpflichtet, diese einzuhalten, selbst wenn sie strenger ausgelegt werden als die Anforderungen des geltenden Rechts. Lieferanten müssten demnach alle geltenden Gesetze und Vorschriften befolgen und Amazon dabei unterstützen, dasselbe zu tun. Dazu gehöre auch, Aufforderungen von Amazon in Bezug auf die Einhaltung von Gesetzen und Vorschriften nachzukommen.
VI. Wo finden Amazon-Händler mehr Informationen über die Lieferkettenstandards von Amazon?
Amazon erläutert seine Lieferkettenstandards in einem 14-seitigen Dokument mit der Bezeichnung „Standards in der Amazon-Lieferkette“, das Amazon auf seiner Plattform veröffentlicht hat und hier abgerufen werden kann.
Diese Amazon-Lieferkettenstandards betreffen die Bereiche:
- Arbeitsrecht
- Gesundheit und Soziales
- Umwelt
- Verantwortliche und nachhaltige Material- und Rohstoffbeschaffung
- Rechte an Land und natürlichen Ressourcen
- Ethisches Verhalten und
- Managementsysteme
Wir empfehlen, dass sich Amazon-Händler diese Lieferkettenstandards in Ruhe anschauen und mit diesen vertraut machen.
VII. Welche Pflichten folgen für Amazon-Händler aus den Lieferkettenstandards von Amazon?
Welche konkreten Pflichten für Amazon-Händler aus den Amazon-Lieferkettenstandards folgen, lässt sich pauschal nicht sagen, sondern hängt insbesondere davon ab, welche Lieferanten den Amazon-Händler beliefern und welche Art von Produkten vertrieben werden.
Die konkreteren Vorstellungen von Amazon, welchen Standards Amazon-Händler auf der Plattform insgesamt gerecht werden sollen, findet sich direkt in dem Dokument über die Amazon-Lieferstandards hinsichtlich der jeweiligen Bereiche.
VIII. Wie erfährt Amazon, ob einzelne Amazon-Händler die Lieferkettenstandards einhalten oder hiergegen verstoßen?
Nach eigenen Angaben prüft Amazon selbst sämtliche glaubhaften Behauptungen, dass Lieferanten - einschließlich Vertriebspartner wie Amazon-Händler - gegen die Amazon-Lieferkettenstandards verstoßen.
Dazu zählt Amazon u.a. Behauptungen
- von Regierungen,
- aus der Zivilgesellschaft,
- von anerkannten Ermittlern,
- Journalisten oder
- Menschenrechtsverteidiger.
IX. Welche Sanktionen drohen Händlern bei Verstößen gegen die Lieferkettenstandards von Amazon?
Amazon macht hierzu konkrete Ausführungen in seinen Lieferkettenstandards.
Amazon sieht seine Lieferanten - also auch Marktplatz-Händler - auf Verlangen von Amazon dazu verpflichtet, Praktiken hinsichtlich der Einstellung von Mitarbeitern sowie
- ihre eigenen Lieferanten,
- Auftragnehmer,
- Subauftragnehmer,
- Personal oder Arbeitsvermittler,
die mit der Bereitstellung von Produkten in Verbindung stehen, gegenüber Amazon offenzulegen.
Auch Amazon-Händler seien nach den Amazon-Lieferkettenstandards aus Sicht von Amazon dazu verpflichtet, ihre eigenen
- Lieferanten,
- Subauftragnehmer,
- Personalvermittler und Arbeitsvermittler
zur Einhaltung der geltenden Gesetze und der Amazon-Lieferkettenstandards zu verpflichten und mit ihnen zusammenzuarbeiten, um diese Standards zu übernehmen und das Bewusstsein für sie zu schärfen. Amazon empfiehlt, dies etwa durch Schulungen zu tun. Lieferanten sollten sich zudem dann um die Behebung von Problemen bemühen.
In jedem Fall will Amazon nach eigener Aussage mit seinen Lieferanten zusammenarbeiten, um Verstöße gegen die Lieferkettenstandards zu beenden, zu minimieren oder zu mindern.
Schließlich aber behält sich Amazon ausdrücklich auch das Recht vor, eine (Vertrags-)Beziehung zu einem Lieferanten jederzeit vorübergehend auszusetzen oder zu beenden, wenn die Amazon-Lieferkettenstandards nicht eingehalten werden.
Ausdrücklich zieht Amazon die Beendigung einer Geschäftsbeziehung jedenfalls dann als letztes Mittel in Betracht, wenn der Lieferant:
- die Zusammenarbeit bei einer Beurteilung verweigert,
- es ablehnt, ein erforderliches Verhalten oder Verfahren zu ändern,
- Abhilfemaßnahmen nicht zeitnah umsetzt,
- sich der Fälschung von Aufzeichnungen schuldig macht oder
- sich an anderweitigen illegalen oder betrügerischen Aktivitäten beteiligt.
Dabei empfiehlt Amazon seinen Lieferanten, glaubwürdige Zertifizierungen Dritter zu verwenden, einschließlich für Materialien, Produktionsprozesse und ihre Produkte.
Die Palette der potentiellen Konsequenzen und auch Sanktionen durch Amazon ist somit recht umfangreich und kann für Amazon-Händler sehr schmerzhaft werden. Wie die Erfahrungen mit Amazon aus der Vergangenheit zeigen, kann es durchaus vergleichsweise schnell passieren, dass bei - zumindest aus Sicht von Amazon - bestehenden Verdachtsmomenten von Verstößen gegen Vorgaben von Amazon-Richtlinien ein Verkäuferkonto - zumindest vorläufig - gesperrt wird.
Daher empfehlen wir Amazon-Händlern, zügig und klar zu handeln, wenn Amazon gegenüber Händlern (vermeintliche) Verstöße gegen die Amazon-Lieferkettenstandards vorwirft bzw. kommuniziert.
Die IT-Recht Kanzlei hilft betroffenen Händlern gerne bei der Reaktivierung ihres Amazon-Verkäuferkontos. Beauftragen Sie dazu einfach zusätzlich zu dem von Ihnen gewählten Schutzpaket die Option „Kontoschutz“ zum Preis von EUR 9,90 pro Monat (zzgl. MwSt).
X. Fazit
Durch die neuen Amazon-Lieferkettenstandards sieht Amazon auch Händler, die über den Amazon-Marktplatz verkaufen, verpflichtet, ab 19. Januar 2023 bestimmte, von Amazon selbst gesetzte globale Standards einzuhalten.
Allerdings werden Amazon-Händler durch diese Amazon-Lieferkettenstandards hingegen nicht dazu verpflichtet, auch das zum 1. Januar 2023 in Kraft getretene Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz einzuhalten. Ob Händler dieses beachten müssen, hängt also alleine davon ab, ob sie in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes fallen. Dies ist aktuell nur der Fall, wenn Händler mehr als 3.000 Arbeitnehmer beschäftigen.
Amazon-Händler, die gegen die Lieferkettenstandards von Amazon verstoßen, müssen damit rechnen, ggf. von Amazon kontaktiert und dazu aufgefordert zu werden, die Verstöße abzustellen. Abhängig von der Einschätzung von Amazon droht Amazon-Händlern ggf. die vorübergehende oder auch dauerhafte Sperrung ihres Verkäuferkontos. Wie scharf Amazon hier gegen seine Händler vorgeht, wird die Praxis in nächster Zeit zeigen.
Mandanten der IT-Rechts Kanzlei, die für einen solchen Fall kompetente rechtliche Unterstützung wünschen, können zu ihrem Schutzpaket den rechtlichen Support bei Kontosperrungen hinzubuchen.
Tipp: Fragen zum Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .
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