OLG Hamm: Rechtsmissbrauch bei Missverhältnis zwischen Umsatz und Abmahntätigkeit

OLG Hamm: Rechtsmissbrauch bei Missverhältnis zwischen Umsatz und Abmahntätigkeit
von Marina Alt
Stand: 05.03.2012 3 min 1

Das OLG Hamm urteilte (Urteil vom 28.07.2011, Az.: I-4 U 55/11), dass das Missverhältnis von operativem Umsatz zur Abmahntätigkeit ein missbräuchliches Verhalten indiziert. Das Gericht nahm eine Gesamtbetrachtung der Umstände vor und bildete sich ein Gesamtbild vom Verhalten des Abmahnenden. Maßgeblich hierfür war auch sein Verhalten in anderen Verfahren.

I. Die Entscheidung des OLG Hamm

Das OLG Hamm beschäftigte sich einmal mehr mit einem rechtsmissbräuchlichen Verhalten im Zusammenhang mit einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung. Rechtsmissbräuchliches Verhalten liege vor, wenn sachfremde Ziele verfolgt würden. Dies sei gegeben, wenn die Abmahnung lediglich dazu diene, Gebühren zu erzielen bzw. den Gegner mit Kosten zu belasten.

Es sei eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, in welche einzubeziehen sei, wie sich der Kläger in anderen Verfahren verhalten habe. Der Kläger habe in erheblichem Umfang Abmahnungen verschickt, in 37 anderen Fällen führe er ebenfalls Verfahren wegen Abmahnungen. Hierbei setze der Kläger teilweise auch weit überhöhte Streitwerte an. Dies zeige, dass er Druck auf seine Gegner ausüben und erhöhte Vertragsstrafen einstreichen wolle. Auch seien mehrfach offenkundig nicht berechtigte Gebührenforderungen geltend gemacht worden.

Zudem stehe die Abmahntätigkeit in einem Missverhältnis zur operativen Geschäftstätigkeit des Klägers. Denn bei einem zu erwartenden Jahresumsatz von 490.000,- Euro mache das Kostenrisiko des Klägers im vorliegenden Verfahren bereits 8 % hiervon aus. Die Abmahntätigkeit habe daher Eigenständigkeit erlangt und verfolge Behinderungszwecke.

Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass insgesamt 37 Verfahren gerichtsanhängig sind – und wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht bestritten hat – weitere außergerichtliche erledigte Verfahren hinzukommen, ergibt sich eine Abmahntätigkeit, die in keinem Verhältnis zur regulären Geschäftstätigkeit des Klägers steht.

Der Kläger habe zudem in einem Verfahren die Frist zur Zahlung der für die Abmahnung entstandenen vorgerichtlichen Gebühren mit der Frist für die Erfüllung des Unterwerfungsverlangens gekoppelt. Hierdurch könne bei dem Empfänger die falsche Vorstellung entstehen, dass die Kosten zusammen mit dem Unterwerfungsverlangen zu zahlen seien.

Auch sei die Bindung des Vertragsstrafeversprechens an den Ausschluss der Einrede des Fortsetzungszusammenhangs nicht nötig. Die Vertragsstrafe sei für sich genommen zwar nicht überhöht gewesen, jedoch auch nicht gering. Bei dem mehrmaligen Anfallen einer solchen Strafe könne dies zu einer Behinderung des Wettbewerbers und zu einer erheblichen Einnahmequelle des Klägers führen. Ein sachliches Interesse für ein solches Vorgehen habe der Kläger nicht vorgetragen.

In die Betrachtung werde ebenfalls mit einbezogen, dass der Kläger in Internetforen bekannt gab, nach einer Methode zu suchen, seine Konkurrenz durch Abmahnungen auszuschalten.

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II. Fazit

Ob ein rechtsmissbräuchliches Verhalten gegeben ist, ist stets anhand der Gesamtumstände zu ermitteln. Hierbei kann auch auf das Verhalten des Abmahnenden in anderen Verfahren abgestellt werden. Indiziell dienten folgende Punkte für die Bejahung des Rechtsmissbrauchs:

1) Ansetzen von überhöhten Streitwerten

2) Mehrfache Abmahnungen, insgesamt 37 anhängige Verfahren

3) Geringer operativer Umsatz im Verhältnis zu den Kostenrisiken durch Abmahntätigkeit

4) Koppelung des Vertragsstrafeversprechens an den Ausschluss der Einrede des Fortsetzungszusammenhangs

5) Koppelung der Frist zur Zahlung der Gebühren für die Abmahnung mit der Frist für die Erfüllung des Unterwerfungsverlangens

6) Äußerungen des Abmahnenden im Internet bzgl. der Konkurrenzausschaltung durch Abmahnungen

Wenn Sie noch mehr Indizien kennen lernen möchten, dann empfehlen wir Ihnen unsere Indizienliste für rechtsmissbräuchliches Handeln, wir haben bereits über 50 Indizien gesammelt.

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1 Kommentar

T
Theo Lutsch 22.12.2015, 13:24 Uhr
Probleme mit Verein für Lauterkait im Handel u. Industrie e.V.
Sehr geehrte Frau Marina Alt,

ich habe das Problem, das ich im August 2015 eine Abmahngebühr an diesen Verein bezahlt habe in Höhe von 220,-€ + bei Wiederholung 3500,-€

Gegenstand war, das ich bei unserer örtlichen Zeitung ein Inserat über PC + Handy m. Vertrag inseriert habe. Leider kenne ich mich damit nicht sehr gut aus und hatte das ganze einfach in die Zeitung gesetzt. Hierbei wurde gerückt, das bei dem Handy die nötigen Informationen zu einem möglichen Vertrag fehlten. U.a. wohl auch meinen Namen als Firmeninhaber. Jetzt hatte ich eine Werbung geschaltet, die nur einen 4in1 Druckergerät beinhaltet mit die nötige Info zu dem Gerät. Leider hatte ich meinen Namen im Inserat nicht erwähnt ( Theo Lutsch ). Sonst steht alles drin. Name meiner Firma ( Lutsch Kommunikation ) mit der kompletten Anschrift.
Jetzt eben habe ich eine Vertragsstrafe von 3.500€ erhalten, die ich bis 08.01.2015 zu bezahlen hätte. Da ich ein 1Mann Unternehmen bin, das jetzt seit November 2014 entstanden ist, können Sie sich wahrscheinlich vorstellen, dass ich das Geld nicht einmal ansatzweise zur Verfügung habe. Das bedeutet für mich den sichern Tot als Selbständiger. Auch privat könnte ich das Geld niemals aufbringen. Schon 10% dieser geforderten Summe könnte ich vielleicht auf 2 - 3 mal zahlen. Deshalb bräuchte ich Ihren unverbindlichen Rat oder Hilfe. Mit freundlichen Gruß Theo Lutsch

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