UWG - Schwarze Klausel Nr. 6 - Hergelockt, abgeblockt und aufgebrummt - Wenn Kunden nicht mehr Könige sind
Sie sehen ein günstiges Angebot in der Presse. Sie gehen in das Geschäft und möchten das Produkt kaufen. Sie bekommen es aber nicht, weil der Verkäufer es Ihnen nicht erst zeigen will. Dafür zeigt er Ihnen ein „viel besseres“ Produkt. Was ist faul? Genau! Der Verkäufer verhält sich rechtswidrig – er verstößt gegen die Schwarze Klausel Nr. 6. Lesen Sie dazu jetzt den siebten Teil der Serie der IT-Recht Kanzlei.
Inhaltsverzeichnis
Die Klausel
„Unzulässige geschäftliche Handlungen im Sinne des § 3 Abs. 3 sind…
Nr. 6: …Waren- oder Dienstleistungsangebote im Sinne des § 5 a Abs. 3 UWG zu einem bestimmten Preis, wenn der Unternehmer sodann in der Absicht, stattdessen eine andere Ware oder Dienstleistung abzusetzen, eine fehlerhafte Ausführung der Ware oder Dienstleistung vorführt oder sich weigert zu zeigen, was er beworben hat, oder sich weigert, Bestellungen dafür anzunehmen oder die beworbene Leistung innerhalb einer vertretbaren Zeit zu erbringen;“
Bait & Switch
Das im Englischen als „Bait and Switch“ bezeichnete „Ködern und Umlenken“ ist in Deutschland noch nicht als großes Problem bekannt geworden. Beim „Bait and Switch“ geht es darum, dass Kunden durch die Bewerbung eines Produkts in ein Geschäft gelockt werden, dann jedoch vom Vorkäufer auf unlautere Weise davon abgebracht werden, das gewünschte Produkt zu kaufen und ihnen stattdessen ein anderes Produkt aufgedrängt wird. Diese Kombination aus Anfüttern bzw. Anlocken („Super Produkt, High End etc.pp“) und Umstimmen („Kaufen Sie das nicht, das ist Mist“) verwirrt den Kunden und führt dazu, dass Kunden – um es etwas überspitzt zu formulieren – für dumm verkauft werden. Erst wird ihnen das eine (Lock-)Produkt schmackhaft gemacht, so dass sie sich tatsächlich in das Geschäft begeben, um das Produkt zu kaufen – nur um dann die Kunden zum Kauf eines anderen Produkts zu verleiten.
Betont sei in diesem Zusammenhang, dass nicht allein der Nicht-Verlauf des beworbenen Produktes nach Klausel Nr. 6 unzulässig sein soll (im Detail dazu gleich noch mehr), sondern letztlich die damit verbundene Absicht des Verkäufers, dem Kunden statt des gewünschten Produkts ein anderes zu verkaufen.
Es bleibt somit dabei, dass die Vertragsfreiheit des Verkäufers gewahrt bleibt: er wird nicht dazu gezwungen, seine Produkte tatsächlich auch zu verkaufen. Er darf sich weigern, das vom Kunden gewünschte Produkt zu verkaufen, er darf dabei allerdings nicht das Ziel verfolgen, stattdessen ein anderes Produkt loszuwerden.
Die Tathandlungsalternativen im Einzelnen
Klausel Nr. 6 nennt drei Handlungsalternativen, die dem Verkäufer aus wettbewerbsrechtlicher Sicht zum Vorwurf gemacht werden können.
1. Die fehlerhafte Vorführung des Produkts
Als erstes betrifft Klausel Nr. 6 den Fall, dass der Verkäufer dem Kunden eine fehlerhafte Ware oder Dienstleistung vorführt. Es leuchtet ein, dass ein Kunde recht schnell von seinem Kaufwunsch Abstand nimmt, wenn er den Eindruck gewinnt, dass das ursprünglich gewollte Produkt nichts taugt. Diesen Eindruck aber erweckt der Verkäufer beim Kunden ja gerade dadurch, dass er ihm z.B. ein (fehlerhaftes bzw. mangelbehaftetes) Modell eines Fernsehers vorführt, bei dem der Ton eine sehr schlechte Qualität aufweist. Dies ist gilt vor allem dann, wenn der Kunde gar nicht bemerkt, dass das Produkt fehlerhaft ist, sondern der Meinung ist, das Produkt habe eben einfach nicht die Qualität, die er sich vorgestellt hat. Allerdings ist dies nicht Voraussetzung für die Anwendbarkeit von Klausel Nr. 6. Dies bedeutet, dass gegen Klausel Nr. 6 auch dann verstoßen werden kann, wenn der Kunde bemerkt, dass das vorgeführte Gerät (etc.) einen Fehler oder Mangel aufweist. Dies ließe sich damit begründen, dass auch in diesem Fall der Kunde „desillusioniert“ wird, d.h. seinem ursprünglichen Kaufwunsch nicht mehr so positiv gegenüber steht – zum einen, weil er glauben könnte, dass Produkt sei zumindest fehleranfällig (z.B. es geht leicht kaputt, d.h. es ist eventuell nicht so gut verarbeitet) oder weil er (immer noch) nicht einschätzen kann, ob das Produkt ohne Fehler seinen Wünschen entsprechen würde.
2. Die Nicht-Vorführung des Produkts
Die zweite Handlungsalternative von Klausel Nr. 6 betrifft den Fall, dass der Verkäufer sich weigert, dem Käufer das Produkt überhaupt zu zeigen. Aus welcher Motivation heraus dies geschieht ist dabei unerheblich. So würde etwa die Auskunft des Verkäufers „Das Produkt haben wir gar nicht (mehr)“ etwa auch eine Weigerung darstellen, dass Produkt zu zeigen, wenn dies etwa gar nicht stimmt. Denn auf die Bitte des Kunden hin, der Verkäufer möge ihm doch ein bestimmtes Produkt zeigen oder vorführen, tut dies der Verkäufer nicht – d.h. er weigert sich. Die Fälle, in denen der Verkäufer offen sagt, dass er das Produkt dem Kunden nicht zeigen wird („Das könnte ich Ihnen zeigen, das tue ich aber nicht, weil ich etwas viel besseres für Sie habe“), werden wohl nicht so häufig auftreten. Denn der Verkäufer hat ja – sonst bewegt er sich gar nicht im Anwendungsbereich der Klausel Nr. 6 – das Ziel, ein anderes Produkt zu verkaufen. Stößt er aber den Kunden vor den Kopf oder behandelt ihn anderweitig schlecht, so wird es ihm schwer fallen, dem Kunden tatsächlich auch ein anderes Produkt zu verkaufen.
3. Die Nicht-Bestellung des Produkts
Als letzte Handlungsalternative(n) nennt Klausel Nr. 6 die Weigerung, Bestellungen für das Produkt anzunehmen oder die beworbene Leistung innerhalb einer vertretbaren Zeit zu erbringen. Wie auch bei der zweiten Alternative wird der Verkäufer auch hier nicht offensichtlich und plump die Entgegennahme der Bestellung verweigern nach dem Motto „Ne, das mache ich nicht“, da er sonst kaum sein Ziel verwirklichen kann, dem Kunden ein anderes Produkt zu verkaufen (Welcher Kunde lässt das schon mit sich machen?!).
Das war doch gar nicht absichtlich!
Neben den bereits gezeigten Handlungsalternativen muss zudem die Absicht des Verkäufers vorhanden sein, dem Kunden ein anderes Produkt zu verkaufen. Verweigert somit der Verkäufer dem Kunden, das beworbene Produkt zu zeigen, oder liegt eine andere Handlungsalternative der Klausel Nr. 6 vor, so reicht dies allein noch nicht, um einen Wettbewerbsverstoß nach Klausel Nr. 6 zu begründen. Neben dem objektiven Tatbestand gibt es somit auch ein subjektives Element.
Die wichtigste Frage in diesem Zusammenhang ist die nach der Beweisbarkeit. Wie will ein Betroffener nachweisen können, dass der Verkäufer die Absicht hatte, ein anderes Produkt zu verkaufen? Wichtig ist diese Frage deshalb, weil ohne einen solchen Nachweis grundsätzlich auch kein Nachweis eines Verstoßes gegen die Klausel gelingen wird.
Allerdings schließt man regelmäßig von den objektiven Tatsachen auf die Absicht. Sind also keine anderen nachvollziehbaren Gründe ersichtlich, warum der Verkäufer z.B. ein vom Kunden gewünschtes Produkt nicht vorführen will und ihm stattdessen ein anderes Produkt zeigt, so wird in der Praxis das Vorhandensein einer entsprechenden Absicht unterstellt.
Zusammengefasst bedeutet dies, dass für einen Verstoß gegen Klausel Nr. 6 in aller Regel ausreichen wird, dass eine der Handlungsalternativen vorliegt, die dort aufgezählt sind, und der Verkäufer dem Kunden ein anderes Produkt anbietet.
Dabei muss das andere Produkt, das dem Kunden „aufgedrängt“ wird, keine besondere Beschaffenheit aufweisen. Das bedeutet, dass das andere Produkt teurer oder billiger, qualitativ besser oder schlechter oder ein ähnliches oder ganz anderes Produkt etc. sein kann. Dies alles spielt überhaupt keine Rolle. Somit sind die Motive, warum der Verkäufer dem Kunden ein anderes als das gewollte Produkt verkaufen möchte, unerheblich.
Was wird von der Klausel nicht erfasst?
Derjenige, der mittels Werbung für ein bestimmtes Produkt Kunden in sein Geschäft lockt, muss identisch sein mit demjenigen, der später die Absicht verfolgt, diesem Kunden ein anderes Produkt zu verkaufen. Ist dies nicht der Fall, so liegt kein Verstoß gegen Klausel Nr. 6 vor.
Dabei ist selbstverständlich, dass nicht genau derselbe (angestellte) Verkäufer im Laden auch die Werbeanzeige geschaltet haben muss. Jedoch gibt es andere Konstellationen, die von Klausel Nr. 6 nicht erfasst werden. Dazu ein kurzes Beispiel: Ein bekannter Juwelier, dessen Markenprodukte weltweit in vielen Juweliergeschäften verkauft werden, hat mittels TV-Spots und großflächiger Plakate Werbung für einen besonders exklusiven Diamantring geschaltet, den ein Kunde daraufhin in einem Juweliergeschäft erwerben möchten. Wenn nun der Juwelier vor Ort den Kunden darauf hinweist, dass für den beworbenen Ring eine Lieferfrist von vier Monaten besteht, da dieser sehr aufwendig individuell hergestellt wird und bereits eine lange Bestell-/Warteliste existiert, so könnte darin die Weigerung zu sehen sein, in einer vertretbaren Zeit zu liefern. Somit würde ein Juwelier (Verkäufer) gegen Klausel Nr. 6 verstoßen, wenn er dem Kunden dann einen anderes Schmuckstück aus seiner Kollektion anbietet, der im Gegensatz zu dem Ring sofort gekauft werden kann.
Allerdings besteht im genannten Beispiel die Einschränkung, dass Werbender (der Hersteller des Rings) und Verkäufer (das unabhängiges Juweliergeschäft, das der Kunde aufsucht) nicht identisch sind. Somit ist diese Voraussetzung von Klausel Nr. 6 nicht erfüllt, was zur Folge hat, dass kein Verstoß vorliegt.
Nur was geschrieben steht
Klausel Nr. 6 ist eine abschließende Regelung. Somit verstößt ein Verkäufer nicht gegen sie, wenn er etwas anderes unternimmt als das, was in Klausel Nr. 6 aufgezählt ist (eine der drei Handlungsalternativen) und dabei die Absicht besietzt, dem Kunden ein anderes Produkt zu verkaufen. Wenn nun beispielsweise ein Buchverkäufer dem Kunden das gewünschte Buch aus dem Lager holt und dabei sagt „Ich gebe Ihnen das Buch nur ungern. Viele meiner Kunden sind von dem Buch enttäuscht. Es ist viel zu langweilig geschrieben. Ihnen wird es auch nicht gefallen. Nehmen Sie lieber dieses hier [der Verkäufer zeigt auf ein anderes Buch eines anderen Autors]. Das ist ebenfalls ein Schwedenkrimi, nur viel spannender geschrieben.“, dann ist dies kein Fall von Klausel Nr. 6. Denn der Verkäufer erfüllt keine der in Klausel Nr. 6 aufgezählten Handlungsalternativen (1. Zeigen eines fehlerhaften Produkts, 2. Verweigern des Zeigens des Produkts oder 3. Verweigern der Entgegennahme von Bestellungen für das Produkt), aber nur diese können im Rahmen der Klausel Nr. 6 zu einem Wettbewerbsverstoß führen. Ähnliche oder vergleichbare Handlungen des Verkäufers werden von der Klausel nicht erfasst.
Beispiel
Zwar wurden einige Facetten von Klausel Nr. 6 schon anhand kurzer Beispiele erläutert, doch ist es trotzdem sinnvoll, den Charakter von Klausel Nr. 6 noch einmal in einem Beispielsfall zu zeigen.
Auf einem Flugblatt, das in der Fußgängerzone verteilt wird, wirbt das Modegeschäft S&T mit dem Ausverkauf von günstiger Saisonkleidung. Eine junge Frau macht sich deswegen auf den Weg in eine der Filialen von S&T, um dort eine der beworbenen Sommerhosen zu kaufen. Im Geschäft wird ihr von einem Verkäufer gesagt, alles sei bereits ausverkauft und er könne leider nichts mehr nachbestellen. Als „Entschädigung“ bietet der Verkäufer stattdessen der jungen Frau eine andere Hose an, die zweifelsohne sehr schön, dafür aber auch doppelt so teuer ist wie die beworbene. In der darauffolgenden Woche erhält dieselbe Filiale von S&T – wie von Anfang an geplant und dem Verkäufer bekannt – die zweite Lieferung der Saisonkollektion, die auch wieder die bei der jungen Frau beliebte Sommerhose enthält.
Während man in diesem Fall zum einen zunächst auch an einen Verstoß gegen Klausel Nr. 5 denken könnte (unzureichende Bevorratung der Sommerhosen bzw. mangelnde Aufklärung hierüber), liegt in jedem Fall ein Verstoß gegen Klausel Nr. 6 vor. Dem Verkäufer war bekannt, dass in der nächsten Woche die von der jungen Frau gewollte Hose wieder vorrätig sein würde. Dennoch weigert er sich, eine Bestellung von der Frau anzunehmen und will ihr stattdessen eine andere Hose verkaufen. Warum er dies tut ist für die rechtliche Bewertung des Geschehens unerheblich. Möglicherweise glaubt er, die Kundin würde dann gar nicht mehr kommen und das Geschäft würde ihm durch die Lappen gehen. Oder vielleicht möchte er die Gelegenheit dazu (aus-)nutzen, der Frau eine deutliche teurere Hose „anzudrehen“. Aber dies ist – wie bereits gesagt – unerheblich. Ein Verstoß gegen Klausel Nr. 6 liegt so oder so vor, denn als der Verkäufer sich weigerte, die Bestellung der Frau anzunehmen, verfolgte er die Absicht, ihr eine andere Hose zu verkaufen. Dies allein reicht aus, um den Tatbestand von Klausel Nr. 6 zu erfüllen.
Fazit
Das „Bait & Switch“ Prinzip hat sich im deutschsprachigen Raum noch nicht als besonders großes und auffälliges Problem erwiesen. Damit dies so bleibt, erfasst Klausel Nr. 6 sehr präzise die Handlungen, die dem Verkäufer nicht gestattet sein sollen. Der Verkäufer soll nicht den Wunsch des Kunden umdrehen und ihn mittels Täuschung oder anderer unlauterer Mittel dazu bewegen dürfen, ein anderes als das gewünschte Produkt zu erwerben.
Deswegen ist davon auszugehen, dass „Bait & Switch“ in Deutschland auch weiterhin keine große Aufmerksamkeit erlangen wird.
In der nächsten Woche erfahren Sie mehr über Klausel Nr. 7!
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