Bedienungs- und Montageanleitungen: Zur rechtlichen Bedeutung von Nippel und Lasche
Praktisch jeder ist schon einmal bei der Lektüre einer Bedienungs- oder Montageanleitung über Sätze wie „addieren welche ölen zu die bolzen“ und ähnlichen Unsinn aus der Übersetzer-Wüste gestolpert. Ärgerlich sind diese Phrasen immer dann, wenn einem Nutzer, der zufällig nicht Koreanisch beherrscht, durch solche Fehler wichtige Informationen fehlen. Ärger können diese Pamphlete aber auch beim Händler verursachen: Er verstößt durch den Vertrieb von Produkten, denen keine verständlichen Instruktionen beiliegen, unter Umständen gegen geltendes Recht.
Überblick
- Gebrauchsanweisung und Endverbraucher
- Aspekte aus dem Produktsicherheitsrecht
- Aspekte aus dem Wettbewerbsrecht
- Fazit
Montageanweisung und Endverbraucher
Wenn sich auch der Verbraucher, wenn er nutzlose oder gar keine Instruktionen erhält, oftmals in der Servicewüste wiederfindet, so steht er zumindest im deutschen Zivilrecht keineswegs in der Rechtswüste. Vielmehr räumt ihm das BGB beim Fehlen brauchbarer Anweisungen die Geltendmachung umfangreicher Mängelrechte ein: § 434 Abs. 2 Satz 2 BGB (die sogenannte „Ikea-Klausel“) schreibt vor, dass eine ansonsten einwandfreie Sache auch dann als mangelhaft gilt, wenn sie vom Käufer selbst montiert werden muss und ihr keine oder eine fehlerhafte Montageanleitung beiliegt.
Abzustellen ist hierbei nicht auf irgendeinen Kunden, der das Kauderwelsch irgendwann einmal richtig gedeutet hat, sondern vielmehr auf den einzelnen Kunden, der im konkreten Fall nichts damit anfangen konnte. Auch auf den Halbsatz am Endes des Absatzes 2 („es sei denn, die Sache ist fehlerfrei montiert worden“) sollte sich ein Händler daher nicht verlassen.
Mit anderen Worten: Ein noch so hochwertiges und objektiv fehlerfreies Produkt kann schon dadurch, dass der Käufer die Montageanleitung nicht versteht, mit einem Mangel behaftet sein.
In diesem Falle stehen dem Kunden umfangreiche Mängelrechte zu – von Nacherfüllungs- über Rücktrittsrecht bis hin zu Schadensersatzansprüchen, die er direkt gegen den Händler geltend machen kann, auch wenn dieser natürlich nichts für eine fehlerhafte Montageanleitung kann. Tatsächlich stehen dem Verkäufer dann auch umfangreiche Ansprüche gegen seine Lieferanten zu. Diese wollen aber auch erst einmal durchgesetzt werden; auf dem Ärger und den Kosten bleibt bis dahin grundsätzlich einmal der Händler sitzen.
Der Gedanke hinter dieser Regelung ist, dass ein mit einem mangelhaften Produkt belieferter Kunde sich grundsätzlich an den halten können soll, mit dem er den Kaufvertrag abgeschlossen hat; er soll sich also an den wenden, den er sich selbst als Vertragspartner gewählt hat, und nicht an einen möglicherweise weit entfernten, ihm unbekannten Produzenten. Beispielsweise wäre es für den Käufer eines CD-Players mit mangelhafter Montageanleitung auch wirklich unzumutbar, sich auf die Korrespondenz oder gar einen Rechtsstreit mit einem Elektronikhersteller im fernen Taiwan einzulassen.
Als Faustregel sollte daher für Händler gelten: Je komplexer und teurer ein Produkt ist, desto wichtiger ist eine dem durchschnittlichen Endverbraucher verständliche Montageanleitung.
Aspekte aus dem Produktsicherheitsrecht
Das Produktsicherheitsrecht, insbesondere das Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG) verpflichtet den Verkäufer zur Bereitstellung umfangreicher sicherheitsrelevanter Informationen. So schreibt § 5 GPSG u.a. vor, dass der Händler sicherzustellen hat, dass jeder Verwender die erforderlichen Informationen erhält, um mögliche Gefahren, die von dem Produkt während der üblichen Gebrauchsdauer ausgehen und die ohne entsprechende Hinweise nicht unmittelbar erkennbar sind, beurteilen und sich dagegen schützen zu können.
Neben einem Sammelsurium von Warnhinweisen, Piktogrammen und sonstigen Sicherheitsvorkehrung gehört dazu gegebenenfalls auch eine ausführliche Bedienungsanleitung, die dem Anwender bei „gefährlichen“ Geräten die Möglichkeit gibt, die spezifischen Gefahren nachzuvollziehen, zu begreifen und entsprechendes Fehlverhalten zu vermeiden. Selbstverständlich ist auch hier darauf zu achten, dass diese Hinweise in der Sprache des Käufers vorliegen.
Der Umfang dieser Bedienungsanleitung ist natürlich abhängig von der Komplexität des Gerätes. Ein schlichtes Obstmesser ist zwar einerseits eine potenzielle Mordwaffe, aber andererseits auch ein eher simples Gerät des täglichen Lebens, das auch ohne ausführliche Produktinformationen sicher beherrscht werden sollte. Eine elektrische Kapp- und Gehrungssäge dagegen ist zwar als Mordwaffe eher unüblich, hat aber auch schon so manchem Unfallchirurgen Arbeit beschert. Hier wäre durchaus eine ausführliche Darstellung aller Punkte, wann und wieso das rotierende Sägeblatt auf die Finger des fleißigen Heimwerkers treffen kann, angebracht.
Aus Sicht des Produktsicherheitsrechts gilt daher: Je komplexer die Bedienung oder Montage eines Produkts ist und je größer die Gefahren sind, die hinter Anwendungsfehlern lauern, desto ausführlicher hat eine beigelegte Anleitung auf diese Probleme einzugehen. Da diese Pflicht ausdrücklich auch Importeure trifft, können diese ggf. nicht auf eine Schuld des jeweiligen Herstellers verweisen.
Aspekte aus dem Wettbewerbsrecht
Aus wettbewerbsrechtlicher Sicht sind vor allem die Pflichten des Händlers aus dem UWG zu beachten, insbesondere aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG bzw. § 5a Abs. 2 UWG. Nach diesen Vorschriften sind dem Verbraucher alle relevanten Informationen, die die wesentlichen Merkmale der Ware (z.B. Ausführung, Vorteile, Risiken, Zubehör, Zwecktauglichkeit, Verwendungsmöglichkeit etc.) betreffen, zur Verfügung zu stellen.
Die aktuelle Rechtsprechung geht dementsprechend von einer Irreführung des Verbrauchers im Sinne der genannten Normen aus, wenn bestimmten Produkten keine brauchbare, vor allem auch in der landesüblichen Sprache verfasste, Bedienungsanleitung beiliegt. So entschied z.B. das LG Bochum in einem neueren Urteil (02.02.2010, Az. I-17 O 159/09):
„Bei Elektro- und Elektronikgeräten erwarten die interessierten Verkehrskreise regelmäßig eine Bedienungsanleitung. […] [Der Verbraucher] sieht sich in seiner berechtigten Erwartung getäuscht, wenn das Produkt nur mit einer englischsprachigen Anleitung vertrieben wird, ohne dass darauf vorher hingewiesen wurde.“
Dies ist auch für den Handel relevant, da z.B. beim Import ausländischer, nicht für den heimischen Markt vorgesehener Güter, auch den Importeur die Pflicht trifft, alle für den Verbraucher relevanten Informationen bereitzustellen. Unter Umständen kann es also erforderlich sein, dass der Importeur dem Produkt eine brauchbare Übersetzung der ausländischen Bedienungsanleitung beifügt.
Fazit
Mangelhafte oder fehlende Bedienungs- und Montageanleitungen können für den Verbraucher durchaus tückisch sein; um ihn zu schützen, hat der Gesetzgeber diverse rechtliche „Fallen“ geschaffen, die den Händler an diesem Risiko teilhaben lassen. Gerade der Import ausländischer Geräte kann daher schnell zum geschäftlichen wie rechtlichen Fiasko für den Händler werden – ein noch so hochwertiges und fehlerfreies Produkt ist eben schon dann Mangelware, wenn ein kleines Heftchen im Wert von wenigen Cents fehlt oder fehlerhaft ist. Ggf. enthaltene Verstöße gegen das Produktsicherheits- und Wettbewerbsrecht können empfindliche Sanktionen und vor allem auch Abmahnungen der lieben Konkurrenz nach sich ziehen. Es ist also grundsätzlich allen Händlern zu raten, gerade beim Handel mit „exotischen“ Produkten dieses Risiko zu beachten und entsprechend auf erkannte Mängel zu reagieren.
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4 Kommentare
mfg
wie sieht es aus mit folgenden Sachverhalt:
Wenn die Anleitung nicht in gedrucker Form vorhanden ist, aber ein Weblink zur der Anleitung aufgedruckt ist, die man sich natürlich aus dem Internet holen und selbst drucken kann?
Mit freundlichen Grüßen
T.Olek