Neue Informationspflichten für Händler durch Alternative Streitbeilegung (AS) und Online-Streitbeilegung (OS)
2016 wird europaweit ein neues System eingeführt werden, um Streitigkeiten aus Verbrauchergeschäften außergerichtlich interessengerechten Lösungen zuzuführen. Die von der EU beschlossene und durch Rechtsakte an die Mitgliedsstaaten vorgegebene Alternative Streitschlichtung (AS) soll durch unabhängige Streitschlichtungsstellen eine verbraucherfreundliche Alternative zum gerichtlichen Disput über vertragliche Konflikte darstellen. Die zur Etablierung dieses System erlassene ADR-Richtlinie und die ergänzende gesondert für den Online-Handel erlassene ODR-Verordnung enthalten Regelungen, die (Online-)Händler direkt betreffen, ihre Rechte hinsichtlich der neuen Verfahren definieren und ihnen neue Informationspflichten auferlegen.
Inhaltsverzeichnis
- I. Grundlegende Fragen
- 1. Was ist alternative Streitbeilegung (AS) und Online-Streitbeilegung (OS)?
- 2. Was ändert sich mit den neuen Rechtsvorschriften?
- 3. Wie wird die OS-Plattform in der Praxis funktionieren?
- 4. Welche Vorteile sollen sich für Verbraucher und Unternehmer aus den neuen Rechtsvorschriften ergeben?
- II. Die Alternative Streitbeilegung (AS) - die Richtlinie (EU) Nr. 2013/11/EU und das deutsche Verbraucherstreitbeilegungsgesetz
- 1. Zweckbestimmung und neue Inhalte der Richtlinie (EU) Nr. 2013/11/EU
- 2. Neue Informationspflichten für Online-Händler
- 3. Häufig gestellte Fragen
- a. Sind die Verbraucher gezwungen, nunmehr nur noch über die alternative Streitbeilegung gegen Händler vorzugehen?
- b. Können nach Maßgabe der Richtlinie auch Händler ein AS-Verfahren einleiten?
- c. Unterliegen auch Streitigkeiten zwischen Händlern den AS-Bestimmungen?
- d. Können auch unternehmenseigene Streitschlichtungsabteilungen als AS-Stellen im Sinne der Richtlinie fungieren?
- e. Können Händler Verbraucher anstelle der Einlegung eines Rechtsbehelfs bindend zur Beschreitung eines AS-Verfahrens verpflichten?
- III. Die Online-Streitbeilegung (OS) - geregelt in der EU-Verordnung Nr. 524/2013
- 1. Zweckbestimmung und neue Inhalte der Verordnung
- 2. Rechten und Pflichten der Online-Händler
- a. Wer kann ein Online-Beschwerdeverfahren initiieren?
- b. Kann die OS auch für Streitigkeiten zwischen Online-Händlern genutzt werden?
- c. Ist der Online-Händler verpflichtet, sich nach entsprechender Unterrichtung auf ein vom Verbraucher eingeleitetes Beschwerdeverfahren einzulassen?
- d. Welche Pflichten treffen den Online-Händler angesichts der Einrichtung der OS-Plattform?
Im Folgenden hat die IT-Recht-Kanzlei in Form vom Fragen und Antworten die Zweckbestimmungen sowie die wichtigsten Regelungen der neuen Rechtsakte separat herausgearbeitet und die konkreten Auswirkungen der Vorschriften für Händler und Online-Händler zusammengetragen.
I. Grundlegende Fragen
1. Was ist alternative Streitbeilegung (AS) und Online-Streitbeilegung (OS)?
Mithilfe der alternativen Streitbelegung können Verbraucher Streitigkeiten mit einem Unternehmer beilegen, die sich aufgrund eines Problems mit einem Produkt oder einer Dienstleistung ergeben, das bzw. die sie erworben haben, z. B. wenn der Unternehmer sich weigert, ein Produkt zu reparieren oder eine Erstattung vorzunehmen, auf die der Verbraucher Anspruch hat.
AS-Einrichtungen sind außergerichtliche Einrichtungen, also keine Gerichte. Sie funktionieren so, dass neutrale Dritte (z. B. Schlichter, Mediatoren, Schiedsrichter, Ombudsleute, Beschwerdestellen usw.) eine Lösung vorschlagen oder vorschreiben oder die Parteien zusammenbringen, um ihnen bei der Lösungsfindung behilflich zu sein.
Einige dieser Verfahren werden ausschließlich online durchgeführt; dies bezeichnet man dann als Online-Streitbeilegung (OS). So können Streitigkeiten beigelegt werden, die aus Online-Käufen entstehen, bei denen Verbraucher und Unternehmer weit voneinander entfernt leben.
Bei AS und OS soll es sich um kostengünstige, einfache und schnelle Verfahren handeln; deshalb sind sie vorteilhaft für die Verbraucher und Unternehmer, die so Gerichtskosten und ‑verfahren vermeiden können - so die Begründung der EU-Kommission.
2. Was ändert sich mit den neuen Rechtsvorschriften?
Mit der AS-Richtlinie wird dafür gesorgt, dass auf EU-Ebene flächendeckend AS-Verfahren zur Verfügung stehen. Unternehmer, die einer (Selbst-)Verpflichtung zur Verwendung von AS-Verfahren unterliegen, müssen die Verbraucher auf ihren Websites und in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen über die alternative Streitbelegung unterrichten. Lässt sich eine Streitigkeit nicht direkt zwischen Unternehmer und Verbraucher regeln, ist jeder Unternehmer verpflichtet, den Verbraucher über die alternative Streitbeilegung zu informieren.
Die Verordnung über Online-Streitbeilegung soll es den Verbrauchern und Unternehmern ermöglichen, Streitigkeiten, die sich aus Online-Käufen ergeben, einem Online-Streitbeilegungssystem vorzulegen, und zwar über die EU-weite Plattform für Online-Streitbeilegung (die „OS-Plattform“). Über diese OS-Plattform werden alle nationalen AS-Einrichtungen miteinander vernetzt sein. Diese zentrale Anlaufstelle soll als benutzerfreundliche, interaktive Website konzipiert werden, die in allen Amtssprachen der EU kostenlos verfügbar ist. Online-Unternehmer werden zur Information der Verbraucher auf ihren Websites auch einen elektronischen Link zur Plattform für Online-Streitbeilegung einstellen.
3. Wie wird die OS-Plattform in der Praxis funktionieren?
Verbraucher, die beim Online-Kauf auf ein Problem stoßen, können über die OS-Plattform online eine Beschwerde in der Sprache ihrer Wahl einreichen. Der Unternehmer wird über die Plattform für Online-Streitbeilegung darüber informiert, dass eine Beschwerde über ihn anhängig ist. Der Verbraucher und der Unternehmer vereinbaren dann, von welcher AS-Einrichtung ihre Streitigkeit bearbeitet werden soll. Haben sie sich geeinigt, werden der gewählten AS-Einrichtung über die OS-Plattform Einzelheiten zu der Streitigkeit übermittelt.
4. Welche Vorteile sollen sich für Verbraucher und Unternehmer aus den neuen Rechtsvorschriften ergeben?
Hierzu die EU-Kommission:
Im Jahr 2010 stieß jeder fünfte Verbraucher in der EU beim binnenmarktinternen Erwerb von Waren oder Dienstleistungen auf Probleme; der dadurch entstandene finanzielle Schaden wird auf 0,4 % des gesamteuropäischen BIPs geschätzt. Nur sehr wenige der betroffenen Verbraucher versuchten und schafften es, ihre Ansprüche durchzusetzen.
Schätzungen zufolge könnten Verbraucher in der EU mithilfe gut funktionierender und transparenter alternativer Streitbeilegungsverfahren 22,5 Mrd. EUR pro Jahr sparen; dies entspricht 0,19 % des BIP der EU.
Hierbei werden nur direkte finanzielle Einsparungen betrachtet und nicht die weniger spürbaren Faktoren, die jedoch ebenfalls wichtig für einen gut funktionierenden Markt sind, wie beispielsweise vertrauensvollere Geschäftsbeziehungen, zufriedenere Kunden und eine besseres Image der Unternehmen.
Die Verbraucher und Unternehmer werden in der Lage sein, sich zur Lösung ihrer Vertragsstreitigkeiten online oder offline, im In- oder Ausland an außergerichtliche Streitbeilegungsstellen (die AS-Einrichtungen) zu wenden. So können sie ihre Streitigkeiten einfach, schnell und kostengünstig regeln, ohne vor Gericht ziehen zu müssen.
Außerdem können Verbraucher und Unternehmer die OS-Plattform nutzen, um Online-Streitigkeiten beizulegen, die in allen Amtssprachen der EU vorgelegt werden können. Dadurch werden sie Streitigkeiten mit grenzüberschreitendem Bezug leichter lösen können, insbesondere dann, wenn die Parteien in verschiedenen Mitgliedstaaten leben und unterschiedliche Sprachen sprechen.
II. Die Alternative Streitbeilegung (AS) - die Richtlinie (EU) Nr. 2013/11/EU und das deutsche Verbraucherstreitbeilegungsgesetz
1. Zweckbestimmung und neue Inhalte der Richtlinie (EU) Nr. 2013/11/EU
a. Welchem Zweck dient die Richtlinie über die alternative Streitbeilegung?
Nach der Richtlinie 2013/11/EU sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, dafür zu sorgen, dass Verbrauchern bei Streitigkeiten mit Unternehmern außergerichtliche Streitbeilegungsstellen zur Verfügung stehen. Die Verpflichtung bezieht sich auf Streitigkeiten aus „Kaufverträgen“ oder „Dienstleistungsverträgen“ im Sinne der Richtlinie 2013/11/EU.
Die Streitbeilegungsstellen müssen allgemeine Anforderungen nach der Richtlinie 2013/11/EU hinsichtlich Fachwissen, Unparteilichkeit, Unabhängigkeit und Transparenz und hinsichtlich des Streitbeilegungsverfahrens erfüllen. Die Einhaltung der Anforderungen muss von staatlichen Stellen geprüft werden.
Zudem sieht die Richtlinie 2013/11/EU die Verpflichtung von Unternehmern vor, Verbraucher über die zuständige Streitbeilegungsstelle zu informieren, und sich bei der Ablehnung einer Verbraucherbeschwerde darüber zu erklären, ob sie zur Durchführung eines Streitbeilegungsverfahrens bereit sind.
b. Wurde die Richtlinie bereits in nationales Recht umgesetzt?
Der Deutsche Bundestag hat am 3. Dezember 2015 auf Initiative des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz beschlossen. Nun muss das Gesetz noch durch den Bundesrat und danach im Bundesgesetzblatt verkündet werden. Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes wird Anfang 2016 gerechnet.
c. Welche Konsequenzen bestehen für den Online-Handel?
Online-Händler können künftig die Möglichkeit einer außergerichtlichen Streitbeilegung anbieten. Eine gesetzliche Verpflichtung hierzu ist jedoch nicht vorgesehen. Angesichts der mit der Streitschlichtung verbundenen Kosten wird sich für den Händler auch die Frage nach dem Nutzen eines solchen Streitschlichtungsangebots stellen. Denn für die Streitschlichtungsverfahren können nach dem Gesetzentwurf nicht unerhebliche Kosten anfallen, die in der Regel vom Unternehmer zu tragen sind.
Ein Anhaltspunkt für die möglichen Kosten eines Schlichtungsverfahrens ergibt sich etwa aus § 31 des Gesetzentwurfs. Danach beträgt die Gebühr für Streitschlichtungsverfahren, die vor der Universalschlichtungsstelle eines Landes geführt werden
- 190 Euro bei Streitwerten bis einschließlich 100 Euro,
- 250 Euro bei Streitwerten über 100 Euro bis einschließlich 500 Euro,
- 300 Euro bei Streitwerten über 500 Euro bis einschließlich 2 000 Euro und
- 380 Euro bei Streitwerten über 2 000 Euro.
(Erkennt der Unternehmer den geltend gemachten Anspruch sofort an, ermäßigt sich die Gebühr auf 75 Euro.)
Dagegen kann von dem Verbraucher, der die Durchführung eines Streitbeilegungsverfahrens beantragt hat, eine Gebühr nur erhoben werden, wenn der Antrag unter Berücksichtigung der gesamten Umstände als missbräuchlich anzusehen ist. In diesem Fall beträgt die Gebühr 30 Euro.
Da es sich in der Praxis in solchen Fällen ohnehin häufig um Streitigkeiten mit kleineren Streitwerten handelt, würde der Unternehmer in vielen Fällen wirtschaftlich besser fahren, wenn er es erst gar nicht auf eine Streitschlichtung ankommen ließe. Außerdem wird auch nicht jeder Versuch einer Streitschlichtung zum gewünschten Erfolg führen, so dass es trotzdem noch zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommen kann, durch die weitere Kosten entstehen.
2. Neue Informationspflichten für Online-Händler
Neben den vorgenannten Regelungen sieht der Gesetzentwurf auch neue Informationspflichten für den Online-Handel vor. Dabei unterscheidet der Entwurf zwischen allgemein zu erteilenden Informationen und solchen Informationen, die erst nach Entstehung einer Streitigkeit zu erteilen sind.
a) Allgemeine Informationspflicht
Gemäß § 36 Abs. 1 des Gesetzentwurfs hat ein Unternehmer, der eine Webseite unterhält oder Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet, den Verbraucher leicht zugänglich, klar und verständlich
- in Kenntnis zu setzen davon, inwieweit er bereit ist oder verpflichtet ist, an Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen, und
- auf die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle hinzuweisen, wenn sich der Unternehmer zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle verpflichtet hat oder wenn er auf Grund von Rechtsvorschriften zur Teilnahme verpflichtet ist; der Hinweis muss Angaben zu Anschrift und Webseite der Verbraucherschlichtungsstelle sowie eine Erklärung des Unternehmers, an einem Streitbeilegungsverfahren vor dieser Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen, enthalten.
Die vorgenannten Informationen müssen gemäß § 36 Abs. 2 des Gesetzentwurfs
- auf der Webseite des Unternehmers erscheinen, wenn der Unternehmer eine Webseite unterhält,
- zusammen mit seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegeben werden, wenn der Unternehmer Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet.
Noch ist nicht absehbar, wann das Gesetz in Kraft tritt. Die oben genannten Informationspflichten werden jedenfalls erst im Jahr 2017 einzuhalten sein. Wir informieren Sie, sobald es hierzu genauere Informationen gibt.
Gemäß § 36 Abs. 3 des Gesetzentwurfs ist ein Unternehmer von der Informationspflicht nach Absatz 1 Nummer 1 ausgenommen, der am 31. Dezember des vorangegangenen Jahres zehn oder weniger Personen beschäftigt hat. Nach der Gesetzesbegründung ist insoweit die Kopfzahl an Beschäftigten, nicht die Summe ihrer Arbeitskraftanteile maßgeblich. Es kommt jeweils auf den in Absatz 3 beschriebenen Zeitpunkt an. Das bedeutet, dass Unternehmer mit Beginn des Kalenderjahrs prüfen müssen, ob sie zur Einstellung der Information nach Absatz 1 Nummer 1 auf ihre Webseite oder zur Information zusammen mit ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen verpflichtet sind.
b) Informationen nach Entstehen der Streitigkeit
Gemäß § 37 des Entwurfs hat der Unternehmer den Verbraucher in Textform auf die für ihn zuständige Verbraucherschlichtungsstelle unter Angabe von deren Anschrift und Webseite hinzuweisen, wenn die Streitigkeit über einen Verbrauchervertrag durch den Unternehmer und den Verbraucher nicht beigelegt werden konnte. Der Unternehmer hat zugleich in Textform anzugeben, ob er zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren bei dieser Verbraucherschlichtungsstelle bereit ist oder verpflichtet ist.
Nach der Gesetzesbegründung trifft die Informationspflicht Unternehmer, die eine Streitigkeit aus einem Verbrauchervertrag nicht durch Verhandlungen mit dem Verbraucher (Kunden), zum Beispiel im Rahmen eines unternehmenseigenen Kundenbeschwerdesystems, beilegen konnten. Sie müssen den Verbraucher in Textform darüber unterrichten, an welche Verbraucherschlichtungsstelle er sich wenden kann. Gleichzeitig teilen sie dem Verbraucher mit, ob sie zu einer Teilnahme am Verfahren dieser Stelle bereit oder verpflichtet sind. Die Verpflichtung kann sich sowohl aus einer vertraglichen Abrede ergeben, beispielsweise einer Mitgliedschaft des Unternehmers bei der Schlichtungsstelle oder aus einer entsprechenden Vereinbarung mit dem Verbraucher, als auch aus gesetzlichen Vorschriften. Die Informationspflicht besteht insbesondere auch für Unternehmer, die an Streitbeilegungsverfahren nicht teilnehmen. Sie müssen dem Verbraucher klar sagen, dass sie eine Teilnahme am Schlichtungsverfahren ablehnen, um diesem Mühe und Kosten zu ersparen, die durch die vergebliche Anrufung der angegebenen Verbraucherschlichtungsstelle entstehen könnten.
„Zuständige Verbraucherschlichtungsstelle“ ist nach der Gesetzesbegründung jede Stelle, die für die konkrete Streitigkeit, die die Informationspflicht auslöst, sachlich und örtlich zuständig wäre und deren Verfahren dem Unternehmer zur Teilnahme offen stünde.
3. Häufig gestellte Fragen
a. Sind die Verbraucher gezwungen, nunmehr nur noch über die alternative Streitbeilegung gegen Händler vorzugehen?
Nein, die Beschwerde und Lösungsfindung mittels eines AS-Verfahrens soll für Verbraucher auf freiwilliger Basis erfolgen. Zwar sollen die Vorteile hinsichtlich der Kosten, Effektivität und Dauer des Verfahrens die Verbraucher ermutigen, auf die AS zurückzugreifen.
Die gesetzlichen Rechtsbehelfe und die ordentliche Gerichtsbarkeit sollen den Verbrauchern aber gerade nicht verwehrt bleiben und werden durch die neuen Regelungen nicht eingeschränkt, vgl. Erwägungsgrund Nr. 45 und Art. 10 Abs. 1.
b. Können nach Maßgabe der Richtlinie auch Händler ein AS-Verfahren einleiten?
Dies ist prinzipiell nicht vorgesehen, vgl. Erwägungsgrund 16 und Art. 2 Abs. 2 lit.g.
Grundsätzlich beschränkt sich die Zulässigkeit des AS-Antrags auf dessen Stellung durch Verbraucher.
Die Mitgliedsstaaten können aber festlegen, dass es auch Händlern gestattet sein soll, AS-Verfahren zu initiieren.
c. Unterliegen auch Streitigkeiten zwischen Händlern den AS-Bestimmungen?
Nein, grundsätzlich gelten die neuen Regelungen nur für Verbrauchergeschäfte.
d. Können auch unternehmenseigene Streitschlichtungsabteilungen als AS-Stellen im Sinne der Richtlinie fungieren?
Generell nicht, da so nur schwer die Unabhängigkeit und Integrität der AS-Verfahren gewährleistet werden kann.
Somit sind alle Stellen, bei denen die mit der Streitbeilegung Betrauten einseitig von einem Händler angestellt und bezahlt werden, für AS-Verfahren nach Maßgabe der Richtlinie grundsätzlich unzulässig.
Gleiches gilt für vom Händler betriebene Verbraucherbeschwerdezentralen.
Sieht das nationale Recht dennoch die Gestattung solcher Posten als staatliche AS-Stellen vor, ist deren Zulässigkeit insbesondere an den qualitativen
e. Können Händler Verbraucher anstelle der Einlegung eines Rechtsbehelfs bindend zur Beschreitung eines AS-Verfahrens verpflichten?
Nein, eine Vereinbarung zwischen einem Verbraucher und einem Händler zur Einleitung eines AS-Verhandlungen ist für letzteren nicht bindend, wenn eine solche Vereinbarung vor dem Entstehen der Streitigkeit getroffen wurde und dadurch Rechte des Verbrauchers in Bezug auf die Beschreitung des normalen Rechtsweges unterlaufen würden, Art. 10 Abs. 1.
III. Die Online-Streitbeilegung (OS) - geregelt in der EU-Verordnung Nr. 524/2013
1. Zweckbestimmung und neue Inhalte der Verordnung
a. Welchem Zweck dient die OS-Verordnung?
Die Verordnung über die Online-Streitbeilegung dient der Einführung einer europaweiten, von der EU-Kommission betriebenen Plattform, mittels derer Beschwerdeverfahren eingeleitet werden und einer AS-Stelle zugeteilt werden können.
Insbesondere soll durch eine im Voraus erfolgende Bereitstellung wesentlicher Informationen und Inhalte des jeweiligen Konflikts die ausschließliche online-Bearbeitung dessen durch eine AS-Stelle ermöglicht und das Verfahren beschleunigt werden.
b. Wann tritt die OS-Verordnung in Kraft?
Die Verordnung entfaltet ab dem 09.01.2016 unmittelbare Rechtswirkung.
c. Auf welche vertraglichen Beziehungen zwischen Händlern und Verbrauchern findet die Verordnung Anwendung?
Erfasst werden nur Kauf- oder Dienstleistungsverträge zwischen in der EU wohnhaften Verbrauchern einerseits und dort niedergelassenen Händlern andererseits, die mittels eines Online-Fernkommunikationsmittels geschlossen wurden, Art. 2 Abs. 1.
Grundsätzlich sind also insbesondere Online-Händler von der Verordnung betroffen.
d. Welche Bestimmungen enthält die Verordnung im Einzelnen?
Die Verordnung bestimmt die Etablierung und Funktionsweise der unionsweiten OS-Plattform und befasst sich so in Art. 5 mit den intendierten Komponenten der Online-Streitbeilegung. So soll die Plattform folgende Funktionen beinhalten:
- Bereitstellung eines elektronischen Beschwerdeformulars in allen Amtssprachen der EU
- Unterrichtung des Beschwerdegegners über die Beschwerde
- Ermittlung der zuständigen AS-Stelle oder der zuständigen AS-Stellen und Übermittlung der Beschwerde an die AS-Stelle
- kostenlose Bereitstellung eines elektronischen Fallbearbeitungsinstruments, das es den Parteien und der AS-Stelle ermöglicht, das Streitbeilegungsverfahren online über die OS- Plattform durchzuführen
- Versorgung der Parteien und der AS-Stelle mit Übersetzungen der Informationen, die für die Streitbeilegung erforderlich sind und über die OS-Plattform ausgetauscht werden
- Bereitstellung eines Feedback-Systems, über das sich die Parteien zur Funktionsweise der OS-Plattform und der AS-Stelle, die ihre Streitigkeit bearbeitet hat, äußern können;
- Informationen und statistische Daten über die Online-Streitbeilegung bereitstellen.
Art. 7 beinhaltet die Pflicht der Mitgliedsstaaten, eine spezifische Kontaktstelle für die Online-Streitbeilegung zu benennen, die die zuständige AS-Stelle und die Streitparteien durch Nutzungshinweise und die Bereitstellung rechtlicher und praktischer Informationen unterstützt.
Art. 8, 9 und 10 befassen sich mit dem konkreten Online-Beschwerdeverfahren und setzten die prozessualen und inhaltlichen Anforderungen an das Einreichen, die Übermittlung und die Bearbeitung der Beschwerde mit dem Ziel der Streitbeilegung fest.
Art. 11 – 13 enthalten Regelungen zur Datenspeicherung und zum Datenschutz, während Art. 14 Unterrichtungspflichten der Händler festlegt.
2. Rechten und Pflichten der Online-Händler
a. Wer kann ein Online-Beschwerdeverfahren initiieren?
Da die Verordnung grundsätzlich einem hohen Verbraucherschutzniveau dienen soll, ist primär das Einreichen der online-Beschwerde durch den Verbraucher vorgesehen, Art. 2 Abs. 1.
Inwiefern auch Händler zur Beschwerde berechtigt sein sollen, ist von den Mitgliedsstaaten autonom zu entscheiden, Art. 2 Abs. 2.
Eine derartige Bestimmung Deutschlands existiert bislang nicht.
b. Kann die OS auch für Streitigkeiten zwischen Online-Händlern genutzt werden?
Nein, nach klarem Wortlaut der Bestimmungen muss es sich bei den Parteien um einen Verbraucher einerseits und um einen Unternehmer andererseits handeln, Art. 2 Abs. 1
c. Ist der Online-Händler verpflichtet, sich nach entsprechender Unterrichtung auf ein vom Verbraucher eingeleitetes Beschwerdeverfahren einzulassen?
Grundsätzlich nicht. Eine derartige Pflicht besteht aber dann, wenn er nach entsprechender Umsetzung der ADR-Richtlinie durch den jeweiligen Mitgliedsstaat gesetzlich zur Nutzung der AS (und somit auch OS) verpflichtet wird oder sich dazu verpflichtet hat.
Ansonsten hängt die Durchführung des Verfahrens von der Bereitschaft des Händlers ab, vgl. Art. 9 lit. c.
Nach Einreichen der Beschwerde durch den Verbraucher wird der Online-Händler mit der Aufforderung kontaktiert, innerhalb von 10 Tagen anzugeben, inwieweit er zur Nutzung der AS verpflichtet oder bereit ist.
Die Bindung des Online-Händlers an die OS korreliert also zwingend mit der Verpflichtung desselben zur Nutzung der AS.
d. Welche Pflichten treffen den Online-Händler angesichts der Einrichtung der OS-Plattform?
Ebenso wie die ADR-Richtlinie begründet auch die Verordnung gewisse Informationspflichten des Händlers in Hinblick auf die neuen Verfahren, damit möglichst viele Verbraucher von den alternativen Schlichtungsmethoden und ihren Vorteilen Kenntnis erlangen.
Im Gegensatz zur Richtlinie treffen diese Pflichten aber jeden Online-Händler unabhängig davon, ob er zur Nutzung der AS nach Maßgaben der Richtlinie und der Bestimmungen der Mitgliedsstaaten verpflichtet ist.
Art. 14 verpflichtet somit jeden Online-Händler dazu,
- auf seiner Website einen Link zur OS-Plattform einzustellen, der für Verbraucher leicht zugänglich ist
- seine Email-Adresse (möglichst in Zusammenhang mit dem o.g. Link) leicht zugänglich anzugeben
Soweit der Online-Händler gesetzlich zur Nutzung der AS verpflichtet ist oder sich verpflichtet hat, reichen die Informationspflichten über die Bereitstellung des Links hinaus.
Er muss insofern einen solchen nicht nur auf seiner Website oder, falls das Angebot per Mail erfolgt, dort angeben, sondern den Verbraucher zudem spezifisch auf die Möglichkeit der Nutzung der OS-Hinweisen.
Gegebenenfalls sind diese Vorgaben durch eine zusätzliche Änderung der AGB zu erfüllen.
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2 Kommentare
Weiterhin entfällt die Teilnahme, wenn man gar nicht ins EU-Ausland verschickt. Die EU ist gross genug, da muss ich keine Produkte in die USA verschiffen. Alle grösseren Händler werden sich über das Portal freuen, wenn Hinz und Kunz über Streitigkeiten entscheidet ;-)
Für mich mal wieder der typische Irrsinn neben Chlorhünchen und genmanipuliertem Mais...
Wenn dem so ist, könnte ich mir vorstellen, dass viele kleine Händler diesen Schritt der Lieferbeschränkung gehen werden.