Frage des Tages - Zum Begriff Pornographie
Gemäß § 184 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer pornographische Schriften Personen unter 18 Jahren zugänglich macht. Nur, was ist eigentlich Pornographie?
Hierzu führt das KG Berlin in einem aktuellen Urteil (vom 8.2.2008; Az.:(4) 1 Ss 312/07 (192/07)Folgendes aus:
"Beim Begriff der Pornographie handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der tatrichterlichen Auslegung unterliegt. Es ist allein Aufgabe des Tatrichters, den Erklärungsinhalt einer Schrift festzustellen und ihn im Hinblick auf die Voraussetzungen des § 184 Abs 1 StGB zu würdigen; die revisionsgerichtliche Überprüfung beschränkt sich deshalb darauf, ob der Tatrichter sich bei der Bewertung von zutreffenden rechtlichen Erwägungen hat leiten lassen (vgl. BGHSt 37, 55, 61; MK-Hörnle, StGB, § 184 Rdn. 21; LK-Laufhütte, StGB 11. Aufl., § 184 Rdn. 12).
Pornographie liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der Oberlandesgerichte vor, wenn eine Darstellung unter Ausklammerung aller sonstigen menschlichen Bezüge sexuelle Vorgänge in grob aufdringlicher Weise in den Vordergrund rückt und ihre Gesamttendenz ausschließlich oder überwiegend auf die Erregung eines sexuellen Reizes abzielt (vgl. BGHSt 37, 55 (60); 32, 40 (44 ff); OLG Karlsruhe NJW 1974, 2015 (2016); OLG Düsseldorf NJW 1974, 1474 (1475); ebenso BVerwG NJW 2002, 2966 (2969)).
Kennzeichnend für eine pornographische Darstellung ist zum einen eine „Reizwirkungs- oder Stimulierungstendenz" (vgl. Erdemir, MMR 2003, 628 (631); Ostendorf, MSchrKrim 2001, 372 (377)). Die Darstellung muss nach ihrem objektiven Gesamteindruck eine Aufreizung des Sexualtriebs bezwecken. Das Hervorrufen einer derartigen Stimulation ist seit jeher die typische Funktion von Pornographie und deshalb ein wichtiges Element, um zu bestimmen, welche Darstellungen unter den Pornographiebegriff fallen. Allerdings ist dieses Kriterium allein nicht ausreichend, da sonst auch nicht strafwürdige Darstellungen vom Anwendungsbereich des § 184 Abs. 1 StGB erfasst würden, die sich beispielsweise auf Andeutungen beschränken und gerade dadurch die Fantasie des Betrachters anzuregen versuchen (vgl. Erdemir, MMR 2003, 629 (631); Ostendorf, MSchrKrim 2001, 372 (377); Schumann in Festschrift für Lenckner 1998, S 565 (574)). Hinzukommen muss deshalb als weiteres Kriterium die sog. „Apersonalität des Geschlechtspartners" (vgl. Erdemir, MMR 2003, 628 (631)). Die Darstellung muss mit anderen Worten durch eine Verabsolutierung sexuellen Lustgewinns unter gleichzeitiger Entmenschlichung der Sexualität geprägt sein.
Pornographie ist danach anzunehmen, wenn der Mensch im Rahmen der Darstellung zum bloßen, auswechselbaren Objekt sexueller Begierde degradiert wird (vgl. S/S/Lenckner/Perron/Eisele, StGB 27. Aufl., § 184 Rdn. 4; MK-Hörnle a.a.O., § 184 Rdn. 15; jeweils m. w. Nachw.). In der damit verbundenen Überbewertung von Sexualität und ihrer vollständigen Loslösung von individuellen und emotionalen Begleitumständen liegt die besondere Gefahr für Kinder und Jugendliche, die sich noch in ihrer sexuellen Entwicklung befinden (vgl. Erdemir, MMR 2003, 628 (631)). Des Weiteren tritt als formales Merkmal neben die beiden genannten inhaltlichen Kriterien, dass die pornographische Darstellung typischerweise vergröbernd, aufdringlich, übersteigert, „anreißerisch" oder plump-vordergründig sein muss (vgl. BGHSt 23, 40 (44 ff); S/S/Lenckner/Perron/Eisele a.a.O., § 184 Rdn. 4; Lackner/Kühl, StGB 26. Aufl., § 184 Rdn. 2; MK-Hörnle a.a.O., § 184 Rdn. 17). Dabei besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass allein die Darstellung des nackten Körpers einschließlich der Genitalien sowie auch sexueller Vorgänge einschließlich des Geschlechtsverkehrs nicht per se als pornographisch zu qualifizieren ist (vgl. OLG Frankfurt NJW 1987, 454 (455); S/S/Lenckner/Perron/Eisele a.a.O., § 184 Rdn. 5; Lackner/Kühl a.a.O., § 184 Rdn. 2; MK-Hörnle a.a.O., § 184 Rdn. 15, 18; Erdemir, MMR 2003., 628 (631, 634)). Dies gilt insbesondere auch für bildliche Darstellungen (vgl. S/S/Lenckner/Perron/Eisele a.a.O., § 184 Rdn. 5; Erdemir, MMR 2003, 628 (634)). Erforderlich ist vielmehr stets eine Würdigung der jeweiligen Darstellung in ihrem Gesamtzusammenhang (vgl. Erdemir, MMR 2003, 628 (634)). Die Grenze zur Pornographie ist erst überschritten, wenn der organisch-physiologische Aspekt der Sexualität in grob aufdringlicher Weise in den Vordergrund gerückt wird (vgl. S/S/Lenckner/Perron/Eisele a.a.O., § 184 Rdn. 5 m.w.Nachw.). Dies kann - wie das Amtsgericht zutreffend ausführt - beispielsweise bei Einnahme sexuell herausfordernder Stellungen oder anstößiger Hervorhebungen der Geschlechtsmerkmale der Fall sein (vgl. OLG Frankfurt, NJW 1987, 454 (455)).
Darüber hinaus ist bei der rechtlichen Qualifizierung einer Schrift als Pornographie zu beachten, dass Maßstab stets die objektive Gesamttendenz der Darstellung ist, nicht hingegen die subjektive Sicht, des Verfassers oder des Fotografen (vgl. S/S/Lenckner/Perron/Eisele a.a.O., § 184 Rdn. 4; Lackner/Kühl a.a.O., § 184 Rdn. 2; MK-Hörnle a.a.O., § 184 Rdn. 15). In diesem Zusammenhang ist außerdem zu beachten, dass § 184 Abs. 1 StGB nur Anwendung findet, wenn das Pornographische den Gesamtcharakter des Werkes bestimmt. Unschädlich ist es danach, wenn nur einzelne Stellen oder Szenen eines Films oder eines Buches pornographisch sind, ohne dass diese Einzelheiten die Gesamttendenz des Mediums wesentlich prägen (vgl. Schumann a.a.O., S. 565 (574 f.). Da die Eigenschaft „pornographisch“ der Schrift selbst anhaften muss, kommt es zudem nur auf deren Inhalt, nicht aber auf außerhalb der Darstellung liegende Begleitumstände an (vgl. S/S/Lenckner/Perron/Eisele a.a.O., § 184 Rdn. 5; LK-Laufhütte a.a.O., § 184 Rdn. 10). Bedeutungslos ist deshalb beispielsweise der Leserkreis, an den sich die Schrift richtet (vgl. S/S/Lenckner/Perron/Eisele a.a.O., § 184 Rdn. 5; LK-Laufhütte a.a.O., § 184 Rdn. 10)."
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