„Kalt erwischt“: LG Berlin verbietet Händlerbund e.V. unerwünschte Werbeanrufe bei Händlern
Ein aktueller Beschluss des LG Berlin sorgt derzeit für einiges Aufsehen: Dem Händlerbund e.V. wurde gerichtlich verboten, zu Wettbewerbszwecken Unternehmer telefonisch zu kontaktieren, es sei denn, dass eine ausdrückliche oder zumindest mutmaßliche Einwilligung im Sinne des § 7 Abs. 2 Ziffer 2 UWG des jeweilig Angerufenen vorliegt.
Diese aktuelle Entscheidung zeigt, dass die telefonische „Kaltakquise“ auch im B2B-Bereich regelmäßig unzulässig und damit auch wettbewerbswidrig ist. Ein Umstand, der auch dem Händlerbund e.V. nicht unbekannt sein dürfte, schreibt sich dieser doch auf die Fahnen, seine Mitglieder in Bezug auf die Rechtssicherheit von deren Internetpräsenzen hin zu beraten. Somit dürfen dort auch Kenntnisse im Bereich des § 7 UWG vorausgesetzt werden.
Nachdem sich in der Vergangenheit bei uns bereits mehrere Mandanten über die kalten Werbeanrufe des Händlerbund e.V. beschwert haben, gipfelt das unlautere Werbeverhalten des Händlerbund e.V. nun in dem Verfügungsverfahren vor dem LG Berlin. Anlass genug für die IT-Recht Kanzlei, hierüber zu berichten.
Worum geht es?
Die Kollegen einer Berliner Kanzlei hatten den Erlass einer entsprechenden einstweiligen Verfügung gegen den Händlerbund e.V. beantragt, nachdem man den Händlerbund e.V. zuvor erfolglos abgemahnt hatte.
Obwohl dem LG Berlin seitens des Händlerbund e.V. eine Schutzschrift vorgelegt wurde, hielt diese das LG Berlin nicht davon ab, antragsgemäß im Wege der einstweiligen Verfügung gegen den Händlerbund e.V. zu entscheiden (Beschluss vom 02.02.2015, Az.: 52 O 33/15, derzeit nicht rechtskräftig).
Die antragstellende Kanzlei trug im Rahmen der Antragstellung vor, dass eine Bestandsmandantin der Kollegen Ende des Jahres 2014 einen Telefonanruf erhalten habe. Der Anrufer habe sich als Mitarbeiter des Händlerbund e.V. vorgestellt. Die Mandantin der antragstellenden Kanzlei habe dem Händlerbund e.V. dabei zu keinem Zeitpunkt Anlass gegeben, von diesem angerufen zu werden noch wäre sie überhaupt an den Leistungen des Händlerbund e.V. interessiert gewesen.
Im Rahmen des geführten Telefonats wurde nach Vorbringen der Kanzlei zur Absicherung der Internetpräsenz die kostenpflichtige Erstellung und Pflege von Rechtstexten durch den Händlerbund e.V. empfohlen.
Die Mandantin teilte dies den Berliner Kollegen mit, welche den Händlerbund e.V. daraufhin wettbewerbsrechtlich abmahnten. Da die geforderte Unterlassungserklärung vom Händlerbund e.V. nicht abgegeben worden ist, mussten schließlich gerichtliche Schritte eingeleitet werden. Daraufhin verbot das LG Berlin Anfang Februar dem Händlerbund e.V. die telefonische Kaltakquise.
Ein Einzelfall?
Diese Vorgehensweise des Händlerbund e.V. ist ganz offensichtlich kein Einzelfall.
Auch Mandanten der IT-Recht-Kanzlei haben sich bereits beschwert, dass sie ähnliche Werbeanrufe durch den Händlerbund e.V. selbst oder zumindest in dessen Auftrag erhalten haben. Wir hatten bereits Anfang 2013 den Händlerbund e.V. kontaktiert und mitgeteilt, dass ein solches Verhalten unlauter ist und daher zwingend zu unterbleiben hat. Wie die aktuelle Entwicklung zeigt, waren diese Bemühungen anscheinend vergeblich.
Ferner weist auch ein entsprechender Eintrag beim Anrufererkennungsdienst „Tellows“ darauf hin, dass derartige Anrufe des Händlerbund e.V. häufiger vorkommen. Mehrere vorhandene Kommentare lassen die Werbeanrufe des Händlerbund e.V. in keinem guten Licht erscheinen. Dort werden die Anrufe sogar in die Kategorie „Aggressive Werbung“ eingestuft.
Gibt man etwa bei Google die Suchbegriffe „Händlerbund + Telefonist“ ein, finden sich zahlreiche Suchtreffer, die zu Stellenanzeigen führen, bei denen Telefonisten für die „Ansprache von Neukunden“ und im Bereich „Aktiver Verkauf unserer Produkte und Vorstellung unserer Serviceleistungen“ gesucht werden.
Zu Recht stoßen derartige Werbeanrufe des Händlerbund e.V. auf wenig Gegenliebe – weder bei den Angerufenen, noch bei den Mitbewerbern des Händlerbund e.V. Insofern war es nur eine Frage der Zeit, bis ein Mitbewerber wegen dieser Werbemethode die nötigen Konsequenzen einleitet. Kein Händler würde es sich gefallen lassen, wenn sein Mitbewerber eigene Kunden ohne Geschäftsbeziehung und Einwilligung anruft, um diesen seine Waren oder Leistungen zu verkaufen.
Was ist eigentlich telefonische Kaltakquise?
Unter telefonischer Kaltakquise versteht man die Erstansprache eines potentiellen Kunden per Anruf, also einer solchen Person, zu der zum Zeitpunkt der Ansprache seitens des Werbenden noch keine Geschäftsbeziehung besteht. Im Regelfall erfolgt diese aktive Ansprache durch den Verkäufer oder Dienstleister selbst. Es ist jedoch auch denkbar, dass dieser einen Dritten (z.B. ein Callcenter) gegen Entgelt beauftragt, seine Werbung unter die Leute zu bringen.
Ruft ein Rechtsanwalt also Händler an bzw. veranlasst er einen Dritten solche Händler anzurufen und bewirbt er dabei seine Leistungen bzw. lässt diese bewerben, etwa um deren Internetpräsenzen abzusichern, handelt es sich um einen Fall der telefonischen Kaltakquise.
Wie ist die Rechtslage?
Häufig wird die Ansicht vertreten, dass derartige „kalte“ Werbeanrufe im B2B-Bereich ohne weiteres zulässig seien, wird doch gerade kein Verbraucher angerufen, sondern ein Unternehmer.
Diese Ansicht ist jedoch falsch. Auch Unternehmer haben ein schützenswertes Interesse, von nervigen Werbeanrufen verschont zu bleiben. Solche kalten Werbeanrufe, wie sie der Händlerbund e.V. bei Unternehmern praktiziert, die zu ihm in keiner Geschäftsbeziehung stehen, sind nur dann erlaubt, wenn seitens des Anzurufenden eine Einwilligung in Werbeanrufe – sei es eine ausdrückliche oder zumindest eine mutmaßliche – vorliegt.
In dem der einstweiligen Verfügung des LG Berlin gegen den Händlerbund e.V. zugrundeliegenden Fall lag weder eine ausdrückliche Einwilligung des Angerufenen vor, noch nahm das Gericht an, das eine mutmaßliche Einwilligung des Angerufenen gegeben war. Das Vorgehen des Händlerbund e.V. war damit nach Ansicht des LG Berlin rechtswidrig und damit unlauter.
Abhilfe durch Vereinsstatus?
Der Händlerbund e.V. ist als eingetragener Verein im Sinne des § 21 BGB organisiert.
Im Rahmen seiner Verteidigung gegen das Vorgehen der Berliner Kollegen brachte der Händlerbund e.V. vor, dass es sich bei der von ihm betriebenen Mitgliederwerbung nicht um eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG handele und stellte deswegen das Bestehen der Unterlassungsansprüche gegen ihn in Abrede.
Das LG Berlin fand diese „Strategie“ wenig überzeugend. Schließlich werbe der Händlerbund e.V. bei seinen Anrufen nicht nur um Mitglieder, sondern versuche zugleich, seine kostenpflichtigen Rechtsdienstleistungen an den Mann zu bringen.
Nach Ansicht des LG Berlin ist die rechtliche Organisationsstruktur nicht entscheidend. Auch Idealvereine im Sinne des § 21 BGB sind als Unternehmen anzusehen, soweit sie gegenüber ihren Mitgliedern für sich gesehen unentgeltliche, aber durch den Mitgliedsbeitrag abgedeckte Leistungen erbringen, die auch auf dem Markt gegen Entgelt angeboten werden. Mithin ist dann die Werbung durch einen Verein für derartige Leistungen als geschäftliche Handlung einzustufen. Ist diese – wie vorliegend – als unlauter zu qualifizieren, stehen den Mitbewerbern Unterlassungsansprüche zu.
Dies zeigt umso mehr, dass eine „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“-Taktik vor Gericht nur in den seltensten Fällen aufgeht.
Fazit:
Das Verhalten, wie es nun vom LG Berlin dem Händlerbund e.V. verboten wurde, stellt auch im B2B-Bereich eine erhebliche Belästigung des Angerufenen dar.
Entsprechend unbeliebt macht sich, wer auf diese Weise wirbt. Ein solches Verhalten benachteiligt insbesondere auch die lauter handelnden Mitbewerber, die sich nicht der unzulässigen Kaltakquise bedienen, um an neue Kunden zu kommen.
Wie sich am aktuellen Geschehen zeigt, zahlt sich solch unlauteres Verhalten jedoch nicht aus. Unabhängig von den nun eingetretenen wettbewerbsrechtlichen Konsequenzen stoßen die „cold calls“ des Händlerbund e.V. generell auf negatives Feedback, wie sich schon aus den Kommentaren bei „Tellows“ ergibt.
Umso erfreulicher ist es im Sinne des Schutzes der Marktteilnehmer, dass dem Händlerbund e.V. nun vom LG Berlin unter Androhung gesetzlicher Ordnungsmittel verboten worden ist, auf diese unlautere und rechtswidrige Weise um „Mitglieder“ zu werben. Dennoch bleibt ein bitterer Nachgeschmack zurück und die Frage, warum gerade ein Verein, der sich doch als Sprachrohr des E-Commerce sieht, es nötig hat, sich einer solch wettbewerbswidrigen Akquisemethode zu bedienen.
Bleibt zu hoffen, dass das erklärte Ziel des Händlerbund e.V. „Händler, Dienstleister und die Politik an einen Tisch“ zu bringen, künftig nicht mehr im Wege der Kaltakquise verfolgt wird…
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2 Kommentare
Hab mir aber nichts aufschwatzen lassen, da ich am Telefon nichts kaufe. Als ich dann interessehalber auf die Homepage gegangen bin, um mir in Ruhe ein Bild machen zu können, hat sich mein Eindruck am Telefon bestätigt: Massengeschäft mit schwer zu durchschauenden Leistungen.
Ich möchte die Wahrnehmung meiner Rechte nicht irgendeinem Verein mit 30.000 Mitgliedern anvertrauen, wie soll man dort meine Belange berücksichtigen?
Was wir B2B-Verkäufer in dieser Hinsicht seitens der Rechtsprechung gerade erleben, macht uns die Berufsausübung geradezu unmöglich. Schließlich können wir nicht warten, bis sich jemand für uns interessiert. Wire müssen trommeln, damit man uns hört. Und nun das: Keine telefonische Kaltakquise mehr, und eine Anmeldebestätigung für den Kunden per eMail in Deinem Online-Shop wird Dir schon als unerlaubte eMail-Werbung ausgelegt.
Laßt die Kirche im Dorf: Gerade Gewerbetreiebende sind in der Lage, schnelle Entscheidungen zu fällen. Ein Verkäufer akzeptiert auch ein "NEIN- kein Interesse" - denn auch dann weiß er, woran er beim Kunden ist.