EU-Richtlinienentwurf: Bereitstellung von digitalen Inhalten
Die EU-Kommission hat im Rahmen ihrer Strategie für einen digitalen Binnenmarkt im Dezember 2015 zwei Richtlinienentwürfe vorgestellt, die einen besseren Zugang zu digitalen Waren und Dienstleistungen ermöglichen sollen. Der Richtlinienentwurf zum Onlinewarenhandel, der im wesentlichen Fragen des Gewährleistungsrecht abdeckt , wurde bereits in einem Beitrag der IT-Recht Kanzlei abgehandelt. Im folgenden Beitrag soll der Richtlinienentwurf zur Online-Bereitstellung von digitalen Inhalten vorgestellt werden.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Bereitstellung digitaler Inhalte uneinheitlich in der EU geregelt
- 2. Die wichtigsten Bestimmungen des Richtlinienentwurfs
- - Anwendungsbereich
- - Mängelbegriff
- - Umkehr der Beweislast
- - Rechtsbehelfe des Verbrauchers
- - Mängelfolgeschäden
- 3. Kritik an dem vorgelegten Richtlinienentwurf
- 4. Weitere Behandlung des Richtlinienentwurfs
1. Bereitstellung digitaler Inhalte uneinheitlich in der EU geregelt
Durch bisherige EU-Richtlinien ist nur ein Teilaspekt der Bereitstellung von digitalen Inhalten geregelt. So werden durch die Verbraucherrechterichtlinie 2011/83 das Widerrufsrecht des Verbrauchers im Fall des Online-Kaufs von digitalen Inhalten und bestimmte Informationspflichten des Händlers abgedeckt (s. hierzu den Beitrag der IT-Recht Kanzlei). Nicht geregelt ist dagegen der wichtige Aspekt der Gewährleistung und der Rechtsbehelfe des Verbrauchers beim Onlinekauf von digitalen Inhalten.
Nationalstaatliche Bestimmungen der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten zur Online-Bereitstellung von digitalen Inhalten sind höchst unterschiedlich.
In Großbritannien ist die Bereitstellung von digitalen Inhalten durch ein eigenes Gesetz geregelt, den Consumer Rights Act 2015, s. im Einzelnen den Beitrag der IT-Recht Kanzlei. Irland will diesem Modell folgen. Im Entwurf eines irischen Gesetzes zu Verbraucherrechten ist ein eigener Abschnitt zu Kauf von digitalen Inhalten vorgesehen. Die Niederlande unterscheiden bei der Regelung der Bereitstellung von digitalen Inhalten wie folgt. Digitale Inhalte, die über einen dauerhaften Datenträger bereitgestellt werden, werden nach Kaufrecht behandelt. Digitale Inhalte, die ohne einen Datenträger bereitgestellt werden, werden nach Dienstleistungsrecht behandelt. In Polen bleibt die rechtliche Einordnung der Bereitstellung von digitalen Inhalten ungeklärt. Nach deutschem Recht gibt es kein eigenes Recht für die Bereitstellung von digitalen Inhalten. Die Bereitstellung von digitalen Inhalten wird je nach Zweck des Vertrages bestimmten Vertragstypen des deutschen Schuldrechts wie z.B. Kaufvertrag, Mietvertrag oder Werkvertrag zugeordnet. Das französische Recht kennt keine spezifischen Regeln für die Bereitstellung von digitalen Inhalten.
2. Die wichtigsten Bestimmungen des Richtlinienentwurfs
Der Richtlinienentwurf der EU-Kommission über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte strebt – wie der Richtlinienentwurf zum Onlinewarenhandel - eine Vollharmonisierung insbesondere des Gewährleistungsrechts bei Verträgen über die Bereitstellung von digitalen Inhalten an. Das heißt: Die Vertragsstaaten dürfen bei der Umsetzung der Richtlinie die Vorgaben der Richtlinie weder unterschreiten noch überschreiten, um so eine einheitliche Anwendung der Richtlinie zu gewährleisten. Dies wird im Erwägungsgrund 8 des Richtlinienentwurfs wie folgt formuliert:
Durch diese Richtlinie soll eine Reihe grundlegender, bislang noch nicht auf Unionsebene geregelter Vorschriften vollständig harmonisiert werden, darunter Vorschriften über die Vertragsmäßigkeit der digitalen Inhalte, über Abhilfen, die den Verbrauchern bei nicht vertragsgemäßen digitalen Inhalten zustehen, und über die Art und Weise, wie Mängeln abgeholfen werden kann. Sie sollte außerdem bestimmte Aspekte bezüglich des Rechts auf Beendigung langfristiger Verträge sowie bezüglich der Änderung der digitalen Inhalte harmonisieren.
Nationalstaatliche Regelungen zum allgemeinen Vertragsrecht sollen allerdings durch den Richtlinienentwurf nicht berührt werden (Erwägungsgrund 10, Entwurf).
Im Einzelnen
- Anwendungsbereich
Der Richtlinienentwurf findet ausschließlich auf Verträge von Händlern mit Verbrauchern Anwendung. Im Unterschied zur Verbraucherrechterichtlinie wird die Bereitstellung von digitalen Inhalten sowohl mit als auch ohne dauerhaften Datenträger abgedeckt.
Ebenfalls im Unterschied zur Verbraucherrechterichtlinie wird nicht nur der Online-Kauf von digitalen Inhalten geregelt. In den Anwendungsbereich des Entwurfs soll auch die unentgeltliche Überlassung von digitalen Inhalten fallen, wenn der Verbraucher aktiv eine andere Gegenleistung als Geld in Form personenbezogener oder anderer Daten erbringt (Artikel 3 Absatz 1 Richtlinie). Um eine Fragmentierung des anzuwendenden Rechts zu vermeiden, ist der Begriff „digitale Inhalte“ bewusst weit gefasst (s. Erwägungsgrund 11 Richtlinienentwurf).
- Mängelbegriff
Da bei dem Richtlinienentwurf Gewährleistungsfragen im Vordergrund stehen, kommt dem Begriff des Mangels bei digitalen Inhalten eine besondere Bedeutung zu. Hierbei ist entscheidend, ob digitale Inhalte vertragsgemäß bereitgestellt werden. Der Richtlinienentwurf führt hier einen umfassenden Kriterienkatalog zur Bestimmung der Vertragsmäßigkeit ein. Zur Bestimmung der Vertragsmäßigkeit können auch sonstige öffentliche Erklärungen des Händlers herangezogen werden. Darüberhinaus liegt auch dann ein Mangel im Sinne einer Vertragswidrigkeit vor, wenn digitale Inhalte unsachgemäß in die digitale Umgebung des Verbrauchers integriert werden.
- Umkehr der Beweislast
Die Beweislast für die Mängelfreiheit der bereit gestellten digitalen Inhalte trägt der Händler (Art. 9 Abs. 1 Entwurf, Erwägungsgrund 32 des Richtlinienentwurfs rechtfertigt diese für den Händler einschneidende Beweislastumkehr wie folgt:
Aufgrund des besonderen Charakters hochkomplexer digitaler Inhalte und des Umstands, dass der Anbieter über bessere Fachkenntnisse verfügt und Zugang zu Know-how, technischen Informationen und High-Tech- Unterstützung hat, kann der Anbieter besser als der Verbraucher beurteilen, warum digitale Inhalte vertragswidrig sind. Der Anbieter kann auch besser beurteilen, ob die Vertragswidrigkeit auf die Unvereinbarkeit der digitalen Umgebung des Verbrauchers mit den technischen Anforderungen an die digitalen Inhalte zurückzuführen ist. Daher sollte es im Falle einer Streitigkeit dem Anbieter obliegen, die Vertragsmäßigkeit der digitalen Inhalte nachzuweisen, es sei denn, der Anbieter weist nach, dass die digitale Umgebung des Verbrauchers nicht mit den digitalen Inhalten vereinbar ist.
Im Unterschied zur Regelung des Onlinewarenhandels (s. oben zitierten Richtlinien-entwurf Onlinewarenhandel) wird diese Beweislastumkehr nicht von einem bestimmten Zeitraum nach Bereitstellung abhängig gemacht, sondern gilt ewig. Allerdings können nach nationalem Recht Verjährungsfristen für die Geltendmachung von Rechtsbehelfen des Verbrauchers vorgesehen werden.
- Rechtsbehelfe des Verbrauchers
Der Händler haftet in folgenden Fällen (Art. 10 Entwurf):
- Er stellt die vertragliche Leistung nicht bereit.
- Die digitalen Inhalte waren im Zeitpunkt der Bereitstellung mängelbehaftet.
- Digitale Inhalte sind im Abonnement-Zeitraum mängelbehaftet.
Falls der Händler die vertraglich geschuldeten digitalen Inhalte nicht bereitstellt, kann der Verbraucher den Vertrag sofort beenden. Er hat den Händler über die Beendigung des Vertrages zu informieren. Der Händler muss ihm dann – bei entgeltlichen Vertrag - den geleisteten Kaufpreis unverzüglich und spätestens innerhalb von 14 Tagen erstatten.
Bei Mängeln hat der Händler unentgeltlich den vertragsgemäßen Zustand wiederherzustellen, es sei denn, dies ist unmöglich, unverhältnismäßig oder rechtswidrig. Wenn die Wiederherstellung unmöglich, unverhältnismäßig, rechtswidrig ist oder wenn der Händler die Wiederherstellung fristgemäß versäumt hat, kann der Verbraucher im Fall eines entgeltlichen Vertrags in einem zweiten Schritt eine Kaufpreisminderung verlangen. Im übrigen kann er in diesem Fall auch auf die Beendigung des Vertrages dringen. Rechten und Pflichten des Händlers und des Verbrauchers bei Beendigung des Vertrages werden in Artikel 13 des Richtlinienentwurfs im Detail geregelt.
- Mängelfolgeschäden
Artikel 14 des Richtlinienentwurfs führt den Begriff eines eingeschränkten Mangelfolgeschadens ein, da der Händler dem Verbraucher auch für jede wirtschaftliche Schädigung der digitalen Umgebung des Verbrauchers haftet, die durch die Nichteinhaltung des Vertrags oder die nicht erfolgte Bereitstellung der digitalen Inhalte verursacht wurde.
3. Kritik an dem vorgelegten Richtlinienentwurf
Wichtige Kritikpunkte:
- Entwurf gilt nur für die Onlinebereitstellung von digitalen Inhalten und führt zu einer Fragmentierung des Rechts zu digitalen Inhalten, je nachdem ob digitale Inhalte stationär über einen Laden oder online gekauft werden.
- Es wäre besser ein einheitliches Recht für Waren und digitale Inhalte zu entwickeln.
- Der Begriff der digitalen Inhalte wird in der Verbraucherrechterichtlinie 2011/83 und dem neuen Richtlinienentwurf unterschiedlich gehandhabt.
- Die bisherige bewährte juristische Einordnung des Rechts zu digitalen Inhalten je nach Vertragstyp wie Kauf- oder Dienstleistungsvertrag wird ohne Not aufgehoben.
- Die Einführung der Beweislastumkehr ohne Zeitlimit zugunsten des Verbrauchers belastet den Handel unverhältnismäßig
- Es ist nicht verständlich, warum die Bestimmung von Verjährungsfristen nationalem Recht vorbehalten sein sollen. Damit wird in einem wichtigen Punkt die Fragmentierung des EU-Rechts weiter gefördert.
- Die Regelung zu Mängelfolgeschäden überdehnt die Haftung des Händlers und ist zudem zu vage und lückenhaft. Was ist mit der Produkthaftung, des Herstellers, was ist mit der Haftung des Betreibers einer Plattform für Mangelfolgeschäden, die durch mangelhafte digitale Inhalte ausgelöst werden?
- Die Einbeziehung auch der unentgeltlichen Bereitstellung von digitalen Inhalten (als Gegenleistung zur Überlassung von personenbezogenen Daten) in den Anwendungsbereich des Entwurfs ist zu vage. und lässt viele Fragen offen.
4. Weitere Behandlung des Richtlinienentwurfs
Der Richtlinienentwurf wird zur Zeit im Europäischen Parlament beraten. Die IT-Recht Kanzlei wird über das weitere Verfahren berichten.
Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .
Link kopieren
Als PDF exportieren
Per E-Mail verschicken
Zum Facebook-Account der Kanzlei
Zum Instagram-Account der Kanzlei
0 Kommentare