Drittunterwerfung gegenüber der Wettbewerbszentrale zulässig?
Der Abmahner staunte nicht schlecht: Nicht ihm, sondern der „Zentrale zur Bekämpfung Unlauteren Wettbewerbs e.V. Frankfurt a.M.” gegenüber gab der Abgemahnte die geforderte Unterlassungserklärung ab. Geht das überhaupt? Mit dieser Frage hatte sich erst kürzlich das KG Berlin zu beschäftigen.
I. Zum Sachverhalt:
Die Antragsstellerin mahnte die Antragsgegnerin ab. Daraufhin gab die Antragsgegnerin gegenüber der Zentrale zur Bekämpfung Unlauteren Wettbewerbs e.V. Frankfurt a.M. eine Unterlassungserklärung ab. Am Schluss dieser Erklärung schrieb der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin: „Meine Mandantin verzichtet auf eine ausdrückliche Annahmeerklärung von Ihrer Seite.” Dies teilte die Antragsgegnerin der Antragsstellerin mit. Die Wettbewerbszentrale bestätigte, dass das Schreiben eingegangen sei. Dennoch ging kurze Zeit später der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung beim Landgericht Berlin ein. Das Gericht hatte nun zu klären, ob der Antragsstellerin tatsächlich ein Unterlassungsanspruch zusteht, oder nicht vielmehr die Wiederholungsgefahr durch Abgabe der Unterlassungserklärung gegenüber der Wettbewerbszentrale entfallen ist.
II. LG Berlin: „Möglicherweise sympathischer, im Ernstfall an Wettbewerbszentrale zu zahlen.”
Das Landgericht Berlin (Urteil vom 01.11.2007, Az. 52 O 418/07) ist der Meinung, dass tatsächlich die Wiederholungsgefahr in dem vorliegenden Fall entfallen ist. Dies begründete das Gericht wie folgt:
„Die Wiederholungsgefahr kann durch eine Drittunterwerfung nur ausgeräumt sein, wenn die einem Gläubiger abgegebene strafbewehrte Unterwerfungserklärung geeignet erscheint, den Verletzer wirklich und ernsthaft von Wiederholungen fernzuhalten. (…) Es kommt deshalb auf die Person und die Eigenschaften des Vertragsstrafegläubigers und dessen Beziehungen zum Schuldner an, insbesondere auf seine Bereitschaft und Eignung, die ihm zustehenden Sanktionsmöglichkeiten auszuschöpfen, so dass der Schuldner bei Zuwiderhandlung mit Sanktionen rechnen muss und deshalb keine Zweifel an der Ernsthaftigkeit seiner Unterlassungserklärung bestehen.
Nach diesen Grundsätzen ist hier davon auszugehen, dass die Unterwerfungserklärung geeignet ist, die Antragsgegnerin von weiteren Verstößen abzuhalten. Hinsichtlich der Zentrale zur Bekämpfung „Unlauteren Wettbewerbs e.V. ist keinerlei Hinweis ersichtlich, dass diese ohne Wirkung sein könnte und damit nicht erst gemeint sein könnte."
Und weiter:
(…) „Es mag eben so sein, dass es der Antragsgegnerin wie in diesem Fall sympathischer war, im Ernstfall das Geld an die Zentrale zur Bekämpfung Unlauteren Wettbewerbs e.V. als an die Antragsstellerin zu zahlen. Dies ist letztlich nicht anders zu beurteilen, als wenn der Verletzer gegen sich eine einstweilige Verfügung ergehen lässt und das Ordnungsgeld riskiert, anstatt sich zu unterwerfen und gegebenenfalls eine Vertragsstrafe zahlen muss."
Die Antragsstellerin legte Berufung ein.
III. KG Berlin: "Drittunterwerfung zumindest bei drohender Mehrfachverfolgung möglich."
Das KG Berlin (Az. 5 U 180/07) ist der Meinung, dass das Landgericht den Unterlassungsantrag der Antragsstellerin mit Blick auf die der Wettbewerbszentrale gegenüber erfolgte Unterwerfungserklärung wegen fehlender Wiederholungsgefahr mit Recht zurückgewiesen hat.
Begründung des KG Berlin:
(…)"Da die Wiederholungsgefahr unteilbar ist, entfällt sie bei Abgabe einer Unterwerfungserklärung nicht nur gegenüber dem Versprechensempfänger, sondern auch gegenüber allen übrigen Gläubigern (Drittwirkung: vgl. BGHZ 149, 371, 373 – Missbräuchliche Mehrfachabmahnung). Daher muss der Schuldner gegenüber einem anderen Gläubiger grundsätzlich keine weitere Unterwerfungserklärung abgeben. Es ist aber – wie stets – die Ernsthaftigkeit zu prüfen, hier also, ob die einem anderen Gläubiger gegenüber abgegebene strafbewehrte Unterlassungserklärung tatsächlich geeignet erscheint, den Verletzter wirklich und ernsthaft von Wiederholungen abzuhalten. (…) Anhaltspunkte für eine fehlende Ernsthaftigkeit bestehen im Streitfall nicht. Fern läge die Annahme eines irgendwie gearteten Näheverhältnisses zwischen der Zentrale und der Antragsgegnerin, welche das Verfolgungsinteresse der Zentrale – wohl einer der am meisten angesehenen Wettbewerbsverbände – mindern könnte. (…) Für die Zentrale ist im Streitfall die zumindest stichprobenartige Beobachtung des Internetauftritts der Antragsgegnerin lohnenswert, da ein etwaiger Verstoß für sie auf einigermaßen „leicht verdientes Geld” hinausliefe. Im Übrigen bleibt es der Antragsstellerin unbenommen, den Auftritt selbst zu beobachten und einen etwaigen Verstoß der Zentrale zu melden."(…)
Hinweis: Anders als das Oberlandesgericht Frankfurt (vgl. hierzu NJW-RR 2003, 1430) erscheint es dem KG Berlin übrigens als zweifelhaft, ob tatsächlich ein berechtigtes Interesse für die Drittunterwerfung zu fordern ist. Dies müsse aber nicht weiter entschieden werden:
„Denn auch das OLG Frankfurt bejaht ein solches, wenn der Unterwerfungsschuldner wegen desselben Vorwurfs eines Wettbewerbsverstoßes mit zahlreichen Abmahnungen und/oder Eilverfahren überzogen wird und er mit der Drittunterwerfung gegenüber einem seriösen Verband seiner Verpflichtung zu rechtlich einwandfreiem Verhalten nachkommt. Genau einesolche Mehrfachverfolgung droht im Streitfall der Antragsgegnerin. Denn gerade die hier in Rede stehenden Fragen zur „richtigen” Widerrufsbelehrung, namentlich der „richtigen” Widerrufsfrist bei Angeboten über eBay haben – ausgelöst durch Senat, Beschl. V. 18.07.2006 – 5 W 156/07, NJW, 3215, 3215 und OLG Hamburg, Urt. V. 24.08.2006 – 3 U 103/06, GRUR-RR 2007, 174 – gerichtsbekanntermaßen eine Vielzahl von Vielfachabmahnern auf den Plan gerufen. Daher ist ein Interesse der Antragsgegnerin, sich hier lieber von vornherein nicht gegenüber einem abmahnenden Wettbewerber, sondern gegenüber einem anerkannt seriösen Wettbewerbsverband zu unterwerfen, nicht von der Hand zu weisen.”
IV. Fazit
Das KG Berlin nimmt an, dass im vorliegenden Fall die strafbewehrte Unterlassungserklärung gegenüber der Wettbewerbszentrale (als „Dritte”) zu einem Wegfall der Wiederholungsgefahr geführt hat – und teilte der Antragsstellerin mit, dass der Senat die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO einstimmig zurückzuweisen gedenkt.
Interessant sind auch die Ausführungen zu den „gerichtsbekannten Vielfachabmahnern” – ausgelöst durch Entscheidungen des KG Berlin sowie des OLG Hamburg. Deutet sich hier nicht doch eine Spur von Selbstkritik an? Ist es möglicherweise nicht doch völlig überzogen, dass in den letzten Monaten tausende von eBay-Händlern aufgrund fehlerhafter Formulierungen in Widerrufsbelehrungen abgemahnt werden konnten? Die oft beschworene Bagatellgrenze im Wettbewerbsrecht spielt jedenfalls in den meisten Bagatellfällen kaum noch eine Rolle.
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