OS-Plattform: Sollten Händler sich zur Alternativen Streitbeilegung verpflichten?

OS-Plattform: Sollten Händler sich zur Alternativen Streitbeilegung verpflichten?
von Dr. Bea Brünen
09.01.2017 | Lesezeit: 13 min

Seit Februar 2016 ist die Plattform der Online-Streitbeilegung (OS-Plattform) online. Kernstück der OS-Plattform bildet das Online-Beschwerdeformular, über das insbesondere Verbraucher Beschwerden über Händler einreichen können. Nach der deutschen Rechtslage steht es Online-Händlern grundsätzlich frei, sich auf die Alternative Streitbeilegung einzulassen. Sie können sich jedoch vertragsrechtlich oder satzungsrechtlich dazu verpflichten. Doch wie sinnvoll ist es aus Händlersicht, sich zu einer Streitschlichtung über die OS-Plattform zu verpflichten? Im folgenden Beitrag stellt die IT-Recht Kanzlei nicht nur die augenfälligen Vorteile, sondern auch die Nachteile der Alternativen Streitbeilegung aus Händlersicht auf den Prüfstand.

A. Online-Streitbeilegung und Alternative Streitbeilegung

Die Online-Streitbeilegung ist ein Projekt der Europäischen Union (EU), bei der Verbraucher und Unternehmer bei bestimmten Online-Kauf- und Online-Dienstleistungsverträgen auf einer Webseite (OS-Plattform) zum einen eine Vielzahl von Informationen erhalten und zum anderen Beschwerden über den jeweils anderen elektronisch einreichen können. Der Vertragspartner wird im Anschluss daran über die Beschwerde informiert und die Parteien können, sofern sie das beide wollen, einen Streitschlichter einsetzen, der ihnen über die Plattform angeboten und ggf. vermittelt wird.

Die Plattform selbst bietet die Streitschlichtung nicht an, sondern stellt nur die Verbindung her sowie die Kommunikationsplattform dafür zur Verfügung. Die rechtliche Grundlage für die Online-Streitbelegung stellt die am 9. Januar 2016 verabschiedete, unmittelbar in Deutschland geltende Verordnung (EU) Nr. 524/2013 über die Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten (kurz: „ODR-Verordnung“ „oder ODR-VO“) dar.

Als „Alternative Streitbeilegung“ wird die über die OS-Plattform vermittelte Streitschlichtung bezeichnet. Wer bei der Streitschlichtung als Streitschlichter fungieren kann, entscheidet nicht die EU, sondern innerhalb des rechtlichen Rahmens der Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten (2013/11/EU) die EU-Mitgliedstaaten. Der deutsche Gesetzgeber ist diesem Rechtsetzungsauftrag mit Verabschiedung des Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes (VSBG) am 3. Dezember 2015 nachgekommen. Darin ist zudem der genaue Vorgang der Alternativen Streitbeilegung geregelt.

B. Unternehmer sind zur Teilnahme an Schlichtungsverfahren nicht verpflichtet

Der deutsche Gesetzgeber hat sich mit dem VSBG dagegen entschieden, Unternehmer grundsätzlich zur Teilnahme an der Alternativen Streitbeilegung zu verpflichten. Ausnahmen gelten jedoch für bestimmte Wirtschaftsbereiche (z.B. für Energieversorger, vgl. dazu § 111b n.F. des Energiewirtschaftsgesetzes – EnWG und für Gasversorger, § 2 Abs. 3 Satz 4 Nr. 4 Gasgrundversorgungsverordnung – GVV).

In der Gesetzesbegründung zum VSBG (BT-Drs. 18/5089, S. 40) heißt es hierzu:

„Von der Einführung einer branchenübergreifenden Teilnahmeverpflichtung für Unternehmer wird Abstand genommen. Zum einen würde eine solche Teilnahmeverpflichtung das System außergerichtlicher Streitbeilegung in Deutschland, das auf einvernehmliche Lösungen setzt und auf Zustimmung der Beteiligten zum Verfahren gründet, in seiner Rechtsnatur grundlegend verändern. Zum anderen würde die Teilnahmeverpflichtung– angesichts des sehr breiten Anwendungsbereichs der Verbraucherschlichtung – die Verbraucherschlichtungsstellen mit einer Vielzahl von Verfahren beschweren, die Kosten verursachen, ohne zu einer Einigung zu führen. Soweit in einem Wirtschaftsbereich aufgrund der Besonderheiten der Branche die Teilnahmeverpflichtung von Unternehmern als sinnvoll angesehen wird, ist eine entsprechende Regelung durch Spezialgesetze nicht ausgeschlossen (vgl. zum Beispiel § 111b des Energiewirtschaftsgesetzes – EnWG).“

Händlern steht es daher grundsätzlich frei, sich für oder gegen die Teilnahme an der Alternativen Streitbeilegung zu entscheiden. Erachten Händler eine Alternative Streitbeilegung für sinnvoll, können sie sich vertragsrechtlich aus Mediations- oder Schlichtungsabreden oder satzungsrechtlich aus Verbandszugehörigkeit zu einer Teilnahme an Schlichtungsverfahren verpflichten (vgl. dazu auch § 36 Abs. 1 Nr. 2 VSBG, BT-Drs. 18/5089, S. 75.

In der Gesetzesbegründung zum VSBG heißt es hierzu (BT-Drs. 18/5089 S. 40):

„Die einvernehmliche Konfliktbeilegung findet ihre Grundlage in der Parteiautonomie. Die Vorteile der Verfahren zur außergerichtlichen Konfliktbeilegung können sich nur dann voll entfalten, wenn die Parteien freiwillig an diesen Verfahren teilnehmen und ernsthaft an einer Einigung interessiert sind. Wer sich freiwillig auf eine einvernehmliche Lösung einlässt, wird diese in der Regel auch respektieren.“

Doch wie sinnvoll ist eine derartige vertrags- bzw. satzungsrechtliche Verpflichtung aus Händlersicht? Welche Vorteile bietet die Alternative Streitbeilegung für Händler?

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C. Vorteile der Alternativen Streitbeilegung nach Ansicht der EU-Kommission

Für den Initiator der Alternativen Streitbeilegung - die EU-Kommission - liegen die Vorteile der Alternativen Streitbeilegung sowohl für Verbraucher als auch für Unternehmer auf der Hand. Sie äußerte sich in einem Memo vom 12.03.2013 folgendermaßen:

„Im Jahr 2010 stieß jeder fünfte Verbraucher in der EU beim binnenmarktinternen Erwerb von Waren oder Dienstleistungen auf Probleme; der dadurch entstandene finanzielle Schaden wird auf 0,4 % des gesamteuropäischen BIPs geschätzt. Nur sehr wenige der betroffenen Verbraucher versuchten und schafften es, ihre Ansprüche durchzusetzen.

Schätzungen zufolge könnten Verbraucher in der EU mithilfe gut funktionierender und transparenter alternativer Streitbeilegungsverfahren 22,5 Mrd. EUR pro Jahr sparen; dies entspricht 0,19 % des BIP der EU.

Hierbei werden nur direkte finanzielle Einsparungen betrachtet und nicht die weniger spürbaren Faktoren, die jedoch ebenfalls wichtig für einen gut funktionierenden Markt sind, wie beispielsweise vertrauensvollere Geschäftsbeziehungen, zufriedenere Kunden und eine besseres Image der Unternehmen.

Die Verbraucher und Unternehmer werden in der Lage sein, sich zur Lösung ihrer Vertragsstreitigkeiten online oder offline, im In- oder Ausland an außergerichtliche Streitbeilegungsstellen (die AS-Einrichtungen) zu wenden. So können sie ihre Streitigkeiten einfach, schnell und kostengünstig regeln, ohne vor Gericht ziehen zu müssen.

Außerdem können Verbraucher und Unternehmer die OS-Plattform nutzen, um Online-Streitigkeiten beizulegen, die in allen Amtssprachen der EU vorgelegt werden können. Dadurch werden sie Streitigkeiten mit grenzüberschreitendem Bezug leichter lösen können, insbesondere dann, wenn die Parteien in verschiedenen Mitgliedstaaten leben und unterschiedliche Sprachen sprechen.“

D. Vor- und Nachteile der Alternativen Streitbeilegung auf dem Prüfstand

Doch bietet die Alternative Streitbeilegung tatsächlich nur Vorteile für Unternehmer und Verbraucher? Und wie ist es vor allem aus Sicht der Onlinehändler zu bewerten? Hier fallen in Sachen Kosten und Nutzen einige Punkte ins Auge, die Onlinehändler kritisch sehen sollten. Im Folgenden untersuchen wir beide Seiten der Medaille.

I. Keine Sprachbarrieren

Während Kunden ihre Produkte früher meist nur in nationalen Shops gekauft haben, gucken sie heutzutage über die Grenzen Deutschlands hinaus und stöbern international nach den besten Schnäppchen. Mit der wachsenden Bedeutung des grenzüberschreitenden Handels gehen jedoch selbstverständlich auch wachsende grenzüberschreitende Konflikte einher. Damit Verbraucher, die beim Online-Kauf auf Probleme stoßen, nicht aufgrund von Sprachbarrieren von einer Konfliktlösung oder generell von einem Kauf abgehalten werden, liegt das Streitbeilegungsportal in allen 23 Amtssprachen vor. Dies könnte auch den internationalen Handel generell ankurbeln.

II. Deutsche AS-Stelle bei Beschwerden von EU-Verbrauchern zuständig

Für allgemeine Verbraucherprobleme ist in Deutschland grundsätzlich die Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle des Zentrums für Schlichtung e. V. zuständig. Die Allgemeine Schlichtungsstelle ist dabei nicht nur für die Alternative Streitbeilegung bei Streitigkeiten aus einem bestehenden Vertragsverhältnis zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer zuständig, sondern auch bei Streitigkeiten darüber, ob ein solches Vertragsverhältnis überhaupt besteht. Örtlich ist die Allgemeine Schlichtungsstelle für Streitigkeiten zwischen einem Verbraucher mit Wohnsitz in der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraums und einem Unternehmen mit Sitz in Deutschland zuständig.

Das bedeutet: EU-Verbraucher müssen sich für eine Streitbeilegung mit deutschen Händlern an eine deutsche AS-Stelle wenden. Damit schafft die Alternative Streitbeilegung einen Gegenpol zu dem Recht der Verbraucher, bei einem Rechtsstreit mit einem Unternehmer mit Sitz im Ausland das heimische Gericht im Inland anrufen zu dürfen. Nach Art. 18 EGGVO (Art. 16 EGVVO a. F.) der in Deutschland unmittelbar geltenden Verordnung (EG) Nr. 44/2011 vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (kurz: EuGVVO; darin wird ein Großteil der Zuständigkeit der Gerichten für die gesamte EU geregelt) kann der Verbraucher wählen, ob er gegen einen Unternehmer vor den Gerichten des Mitgliedstaates, in dem er selbst seinen Wohnsitz hat, klagt oder vor denjenigen des Staates, in dem der Unternehmer seinen Sitz hat.

Für Händler bedeutet dies einen deutlichen Vorteil, da sie sich weder mit ausländischem Recht auseinandersetzen noch einen teuren ausländischen Rechtsanwalt beauftragen müssen.

III. Verfahrensdauer

Ein ganz klarer Vorteil der Alternativen Streitbeilegung gegenüber Gerichtsverfahren – sowohl für Händler als auch für Verbraucher, sowohl bei ausländischen als auch bei inländischen Verfahren - ist zudem die Verfahrensdauer: Während sich Gerichtsverfahren schnell mal über mehrere Jahre ziehen können, ist die Verfahrensdauer der Alternative Streitbeilegung in der Regel sehr viel kürzer.

Das Verfahren beginnt mit Einreichen der Beschwerde auf der OS-Plattform. Verbraucher, die beim Online-Kauf auf ein Problem stoßen, können über die OS-Plattform online eine Beschwerde in der Sprache ihrer Wahl einreichen. Auch Unternehmer können (zumindest in der Theorie, siehe dazu noch unten VI.) eine Beschwerde gegen einen Verbraucher einreichen.

Der Unternehmer bzw. der Verbraucher wird dann über die Plattform für Online-Streitbeilegung darüber informiert, dass eine Beschwerde über ihn anhängig ist. Der Verbraucher und der Unternehmer vereinbaren dann innerhalb von 30 Tagen, von welcher AS-Einrichtung ihre Streitigkeit bearbeitet werden soll. Haben sie sich geeinigt, werden der gewählten AS-Einrichtung über die OS-Plattform Einzelheiten zu der Streitigkeit übermittelt. Die AS-Stelle hat dann drei Wochen Zeit, um zu entscheiden, ob sie für die jeweilige Streitigkeit zuständig ist oder nicht. Im Anschluss daran hat die Streitbeilegungsstelle 90 Tage Zeit, um eine Lösung zu finden. Bei sehr komplexen Fällen kann es allerdings länger dauern, worauf die Streitbeilegungsstelle den Beschwerdeführer jedoch hinweist.

Die Alternative Streitbeilegung nimmt damit deutlich weniger Zeit in Anspruch als ein mehrjähriges Gerichtsverfahren.

Soweit zumindest die Theorie. Aber ob in der Praxis dieses Versprechen auch gehalten werden kann, bleibt abzuwarten. Schließlich gibt es für alle Streitigkeiten in diesem Bereich unabhängig von den branchenspezifischen Schlichtungsstellen nur eine (1) Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle und das kann, je nachdem wie die Streitschlichtung angenommen wird, schnell zu einer Überlastung führen. Und dann wird die Verfahrensdauer vermutlich mindestens derjenigen einer gerichtlichen Klärung gleichstehen.

IV. Einfach erklärt

Darüber hinaus ist die OS-Plattform sehr übersichtlich gestaltet und gibt potenziellen Beschwerdeführern zahlreiche Hilfestellungen an die Hand. Während Mahnverfahren und Klagen in Konfliktfällen aus Angst vor dem großen Bürokratiewust häufig gescheut werden, ist das Einreichen einer Beschwerde auf der OS-Plattform in der Tat einfach. Zur Erstellung der Beschwerde müssen lediglich die im Online-Beschwerdeformular gestellten Fragen beantwortet werden. Dafür sind Angaben zum Beschwerdeführer, zum Beschwerdegegner, zum Einkauf und zum Betreff der Beschwerde notwendig. Sachdienliche Dokumente (z. B. Rechnung, Bestellung) können direkt im Online-Beschwerdeformular hochgeladen werden. Bei Unklarheiten helfen erstens die FAQ zu der AS- und der OS-Streitbeilegung, die alle grundlegenden Fragen in verständlicher Weise erläutern. Zweitens haben die Mitarbeiter der OS-Plattform ein hilfreiches Lernprogramm konzipiert, das Schritt für Schritt erklärt, wie das Verfahren der Alternativen Streitbeilegung konkret funktioniert. Falls noch immer Fragen unbeantwortet sind, hilft die nationale Kontaktstelle weiter.

Aber: So einfach alles erklärt – so einfach ist es aber natürlich nicht: Denn die Sachverhalte sind juristisch oft komplexer als man denkt – um dies rechtlich zu entwirren bedarf es einer gewissen Expertise. Bei den Gerichten sind hierfür regelmäßig erfahrene Richter zuständig – es ist fraglich, ob die Entscheider bei der Streitschlichtung ebenfalls eine derartige Expertise aufweisen und den hohen Ansprüchen gerecht werden. Das und vor allem die möglicherweise bevorstehende Arbeitsüberlastung kann letztlich auf die Qualität der Entscheidung gehen. Und wer will schon eine ggf. schnelle, aber evtl. falsche oder nicht interessengerechte Entscheidung?

V. Unverbindlichkeit der Einschätzung des Streitschlichters

Ein Nachteil ergibt sich sowohl für Händler als auch für Verbraucher daraus, dass das Ergebnis der Streitschlichtung nach Abschluss des Schlichtungsverfahrens für die Parteien unverbindlich ist. Entsprechend den FAQ der OS-Plattform hängt die Verbindlichkeit der Streitschlichtung von der Art der Streitbeilegungsstelle ab.

Aus den FAQ der Allgemeinen Verbraucherschlichtungsstelle ergibt sich, dass es den Parteien freisteht, den Schlichtungsvorschlag

„des Streitmittlers anzunehmen oder nicht. Die Schlichtungsstelle kann keine Einhaltung der vereinbarten Lösung erzwingen, die Parteien haben für einen vollstreckbaren Titel selbst zu sorgen. Der Rechtsweg steht beiden Parteien in jedem Stadium des Verfahrens offen.“

Das bedeutet für Händler: Selbst bei einem für sie positiven Ausgang des Schlichtungsverfahrens kann sich der Kunde quer stellen. Im „worst case“ bedeutet dies, dass im Anschluss an das Schlichtungsverfahren noch ein Mahn- oder Gerichtsverfahren (am Wohnort des Verbrauchers) angeschlossen werden muss.

In diesem Fäll wären die Parteien dann letztlich mit 2 unterschiedlichen Verfahrenswegen belastet – und das bedeutet: Doppelter Zeitanspruch und doppelte Kosten. Eine Rechtssicherheit zur Lösung eines Problems sieht jedenfalls anders aus, und gerade diese Rechtssicherheit ist doch meist die Hauptmotivation ein Problem einvernehmlich zu lösen.

VI. Händler können nur in wenigen Wirtschaftsbereichen Beschwerden einlegen

In der Theorie ist es so, dass auch Händler gegen Verbraucher Beschwerden auf der OS-Plattform einreichen können. Die Praxis zeigt jedoch, dass sich Händler nur in (sehr!) wenigen Wirtschaftsbereichen über einen Verbraucher beschweren können – ein weiteres Manko der Alternativen Streitbeilegung aus Händlersicht. 13 von 15 Schlichtungsstellen erklären sich auf der OS-Plattform für die Schlichtung von Beschwerden, die von Unternehmen gegen Verbraucher eingereicht werden, für nicht zuständig.

Die Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle formuliert dies in Nr. 10 der FAQ bspw. so:

„Wird die Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle auch auf Antrag eines Unternehmers tätig?

Nein, nur ein Verbraucher kann einen Antrag auf Durchführung eines Streitbeilegungsverfahrens stellen.“

In Deutschland gibt es also gerade mal zwei Schlichtungsstellen, die Beschwerden von Unternehmern gegen Verbraucher bearbeiten, nämlich der Ombudsmann Private Kranken- und Pflegeversicherung und die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft – ein klarer Nachteil für Händler gegenüber „traditionellen Mahn- und Gerichtsverfahren“.

VII. Kosten für die Nutzung der Alternativen Streitbeilegung

Ob sich eine Alternative Streitbeilegung für Shop-Betreiber lohnt, ist häufig vor allem auch eine finanzielle Frage. Die Benutzung der OS-Plattform selbst ist sowohl für Händler als auch für Verbraucher kostenlos, da sie lediglich die Verbindung zu den Streitschlichtern aus den einzelnen EU-Mitgliedstaaten her sowie die Kommunikationsplattform dafür zur Verfügung stellt. Sie fungiert also nicht selbst als Streitschlichter.

Kosten können erst entstehen, wenn sich Online-Händler auf die über die OS-Plattform vermittelte Online-Streitbeilegung einlassen, etwa weil sie sich vertragsrechtlich oder satzungsrechtlich dazu verpflichtet haben. Dabei kann auf Unternehmer ein happiges Entgelt für die Streitschlichtung zukommen. Nach der Kostenordnung der Allgemeinen Schlichtungsstelle beträgt das streitwertabhängige Entgelt für die Streitschlichtung:

  • 50 Euro bei Streitwerten bis einschließlich 100 Euro,
  • 75 Euro bei Streitwerten von 100,01 Euro bis einschließlich 200 Euro,
  • 150 Euro bei Streitwerten von 200,01 Euro bis einschließlich 500 Euro,
  • 300 Euro bei Streitwerten von 500,01 Euro bis einschließlich 2.000 Euro,
  • 380 Euro bei Streitwerten von 2000,01 Euro bis einschließlich 5.000 Euro,
  • 600 Euro bei Streitwerten von über 5.000 Euro.

Das bedeutet für Shop-Betreiber: Bei einem geringen Streitwert lohnt es sich im Streitfall aus finanzieller Sicht grundsätzlich eher, die Forderung gleich zu erfüllen, anstatt sich für die Möglichkeit der Alternativen Streitbeilegung zu entscheiden. Bei höheren Streitwerten kann die Sache jedoch anders aussehen. Shop-Betreiber sollten jedoch auch an dieser Stelle beachten, dass es den Parteien frei steht, den Schlichtungsvorschlag des Streitmittlers anzunehmen oder nicht. Die Schlichtungsstelle kann keine Einhaltung der vereinbarten Lösung erzwingen, die Parteien haben selbst für einen vollstreckbaren Titel zu sorgen. Im „worst case“ schließt sich also an das vom Online-Händler zu finanzierende Schlichtungsverfahren noch ein gerichtliches Verfahren an - und wird weitere Kosten verursachen. Hier kann die neue „günstige“ Streitschlichtung also schnell zum Kostenbumerang werden..

E. Fazit

Die Alternative Streitbeilegung bietet va. für Shop-Betreiber nicht nur Vorteile. Gut gemeint, aber leider nicht gut umgesetzt, ist die Möglichkeit für Unternehmer, Beschwerden gegen Verbraucher einzulegen. Mangels zuständiger AS-Stellen gibt es kaum Wirtschaftsbereiche, in denen sich Unternehmer über Verbraucher beschweren können. Ein Nachteil der Alternativen Streitbeilegung gegenüber „traditionellen“ Gerichts- und Mahnverfahren ist auch, dass die Empfehlung des Streitschlichters für die Vertragsparteien nicht bindend ist. Im „worst case“ hat der Unternehmer also durch die Streitschlichtung nichts gewonnen und muss noch ein gerichtliches Verfahren (am Wohnort des Verbrauchers) anschließen. Hinzu kommt, dass der Händler die Kosten für die Streitschlichtung alleine tragen muss.

Die Gebühren für die Streitschlichtung können dabei sehr happig ausfallen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Ergebnis der Schlichtung für keine Partei bindend ist. Zudem ist besteht noch eine große Unsicherheit in Sachen Verfahrenslänge und Verfahrensqualität – hier muss wohl erstmal abgewartet werden, um die Arbeit der Schlichtungsstelle in der Praxis zu bewerten.

Unterm Strich lohnt es sich für Shop-Betreiber aus unserer Sicht nicht zwingend, sich vertrags- oder satzungsrechtlich zur Alternativen Streitbeilegung zu verpflichten.

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2 Kommentare

E
Eletski 19.03.2017, 18:27 Uhr
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Ich denke jedoch, dass eine Verpflichtung mitsichzieht, dass keine Bestätigung seitens des Händlers mehr erforderlich ist.

Über eine verbindliche Aussage der IT Recht Kanzlei würde ich mich sehr freuen.
M
Martin Steinherr 06.02.2017, 09:46 Uhr
Herr
Wenn sich ein Händler auf seiner Internetseite (etwa aus Imagegründen) FÜR die Streitschlichtung entschließt, sein potentieller Streitwert aber (fast) immer nur unter 100,-€ liegt, dann sind die entstehenden Kosten mit 50€ ja recht hoch.
Kosten entstehen ja laut Ihrem Bericht nur, wenn die Streitschlichtung in Anspruch genommen wird.

Verstehe ich das jetzt so richtig, dass der Händler noch "einklicken" kann, ohne dass Kosten für ihn entstehen, auch wenn der Kunde die Beschwerde schon eingericht hat. Also die Forderung des Kunden akzeptiert.

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